Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Vom dem Geistlichen Stand. und seinem Leiden gleichförmig lebten. So ist dann wahr und abermähl wahrdie Meinung deß gottseeligen Vatters Thomae a Kempis, dieses Jnhalts: Die geistliche Kleider/ und so beschoren seynd/ thun oderL. 1. c. [57]. §. 2. nutzen wenig: sondern die Verwandlung der Sitten/ und ein gantz vollkommene Ertödtung gebrechlicher Neigung/ die machen einen wahren geistlichen Menschen. Der nun ein wahrer/ und dem gecreutzigsten Jesu gleicher Geistlicher seyn will/ der muß drey Dinge verachten: erstlich muß er verachten die Welt; zum andern muß er ver- achten niemand; und zum dritten muß er verachten/ daß er verachtet werde; daß ist/ er muß verachten sich selbsten: auch muß er haben einen Esels-Rücken/ auff dem er alles trage: er muß haben ein Schweinen-Maul/ mit dem er al- les esse/ was ihm wird vorgelegt: er muß haben ein Tauben-Hertz/ daß keine Gall hat: und schließlich muß er haben den Magen eines Straussen/ der al- les verzehren kan. Damiter nun dieses alles mit leichter Mühe werckstellig machen könne/ so ist vonnöthen daß er sich einbilde/ und also lebe/ als wann alle Tage der erste seye/ an dem er den geistlichen Stand hat angefangen. Al- so haben gelebt die H. H. Altvätter; also hat seine Jünger unterwiesen der gott- selige Vatter Agathon: solcher Gestalt hat von seinen geistlichen Kindern sei- nen letzten Abscheid genommen der H. Antonius/ und ihnen gantz vätterlich gera- then/ daß sie alle Tag gedencken solten/ sie hätten heut den geistlichen Stand angefangen: und also hats gemacht der H. Bernardus/ welcher nach Zeug- nüß deß chrwürdigen Vatters Surii, sich selbsten immer allezeit gleich einem Novitzen hielte. Ja so gar ist das bey allen Heiligen der gemeine Brauch/Eccli. 18. v. 6. daß wann sie am End seynd/ alß dann erstlich anfangen. 9. Auch macht dieses einen guten Geistlichen/ wann derselbe von sich selbst ver- J i i
Vom dem Geiſtlichen Stand. und ſeinem Leiden gleichfoͤrmig lebten. So iſt dann wahr und abermaͤhl wahrdie Meinung deß gottſeeligen Vatters Thomæ à Kempis, dieſes Jnhalts: Die geiſtliche Kleider/ und ſo beſchoren ſeynd/ thun oderL. 1. c. [57]. §. 2. nutzen wenig: ſondern die Verwandlung der Sitten/ und ein gantz vollkommene Ertoͤdtung gebrechlicher Neigung/ die machen einen wahren geiſtlichen Menſchen. Der nun ein wahrer/ und dem gecreutzigſtẽ Jeſu gleicher Geiſtlicher ſeyn will/ der muß drey Dinge verachten: erſtlich muß er verachten die Welt; zum andern muß er ver- achten niemand; und zum dritten muß er verachten/ daß er verachtet werde; daß iſt/ er muß verachten ſich ſelbſten: auch muß er haben einen Eſels-Ruͤcken/ auff dem er alles trage: er muß haben ein Schweinen-Maul/ mit dem er al- les eſſe/ was ihm wird vorgelegt: er muß haben ein Tauben-Hertz/ daß keine Gall hat: und ſchließlich muß er haben den Magen eines Strauſſen/ der al- les verzehren kan. Damiter nun dieſes alles mit leichter Muͤhe werckſtellig machen koͤnne/ ſo iſt vonnoͤthen daß er ſich einbilde/ und alſo lebe/ als wann alle Tage der erſte ſeye/ an dem er den geiſtlichen Stand hat angefangen. Al- ſo haben gelebt die H. H. Altvaͤtter; alſo hat ſeine Juͤnger unterwieſen der gott- ſelige Vatter Agathon: ſolcher Geſtalt hat von ſeinen geiſtlichen Kindern ſei- nẽ letzten Abſcheid genom̃en der H. Antonius/ und ihnen gantz vaͤtterlich gera- then/ daß ſie alle Tag gedencken ſolten/ ſie haͤtten heut den geiſtlichen Stand angefangen: und alſo hats gemacht der H. Bernardus/ welcher nach Zeug- nuͤß deß chrwuͤrdigen Vatters Surii, ſich ſelbſten immer allezeit gleich einem Novitzen hielte. Ja ſo gar iſt das bey allen Heiligen der gemeine Brauch/Eccli. 18. v. 6. daß wann ſie am End ſeynd/ alß dann erſtlich anfangen. 9. Auch macht dieſes einen guten Geiſtlichen/ wann derſelbe von ſich ſelbſt ver- J i i
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Vom dem Geiſtlichen Stand.
und ſeinem Leiden gleichfoͤrmig lebten. So iſt dann wahr und abermaͤhl wahr
die Meinung deß gottſeeligen Vatters Thomæ à Kempis, dieſes Jnhalts:
Die geiſtliche Kleider/ und ſo beſchoren ſeynd/ thun oder
nutzen wenig: ſondern die Verwandlung der Sitten/ und
ein gantz vollkommene Ertoͤdtung gebrechlicher Neigung/
die machen einen wahren geiſtlichen Menſchen. Der nun ein
wahrer/ und dem gecreutzigſtẽ Jeſu gleicher Geiſtlicher ſeyn will/ der muß drey
Dinge verachten: erſtlich muß er verachten die Welt; zum andern muß er ver-
achten niemand; und zum dritten muß er verachten/ daß er verachtet werde; daß
iſt/ er muß verachten ſich ſelbſten: auch muß er haben einen Eſels-Ruͤcken/
auff dem er alles trage: er muß haben ein Schweinen-Maul/ mit dem er al-
les eſſe/ was ihm wird vorgelegt: er muß haben ein Tauben-Hertz/ daß keine
Gall hat: und ſchließlich muß er haben den Magen eines Strauſſen/ der al-
les verzehren kan. Damiter nun dieſes alles mit leichter Muͤhe werckſtellig
machen koͤnne/ ſo iſt vonnoͤthen daß er ſich einbilde/ und alſo lebe/ als wann
alle Tage der erſte ſeye/ an dem er den geiſtlichen Stand hat angefangen. Al-
ſo haben gelebt die H. H. Altvaͤtter; alſo hat ſeine Juͤnger unterwieſen der gott-
ſelige Vatter Agathon: ſolcher Geſtalt hat von ſeinen geiſtlichen Kindern ſei-
nẽ letzten Abſcheid genom̃en der H. Antonius/ und ihnen gantz vaͤtterlich gera-
then/ daß ſie alle Tag gedencken ſolten/ ſie haͤtten heut den geiſtlichen Stand
angefangen: und alſo hats gemacht der H. Bernardus/ welcher nach Zeug-
nuͤß deß chrwuͤrdigen Vatters Surii, ſich ſelbſten immer allezeit gleich einem
Novitzen hielte. Ja ſo gar iſt das bey allen Heiligen der gemeine Brauch/
daß wann ſie am End ſeynd/ alß dann erſtlich anfangen.
L. 1. c. 57.
§. 2.
Eccli. 18.
v. 6.
9. Auch macht dieſes einen guten Geiſtlichen/ wann derſelbe von ſich ſelbſt
offt Rechenſchafft fordere/ und ſich frage; warumb er den geiſtlichen Stand
ſeye eingetretten. Alſo lehret alda der H. Arſenius, der ſich mit dieſen Worten
unauffhoͤrlich anzureden pflegte: Arſeni, warumb haſt du den geiſtlichen Ha-
bit angelegt? zu was End haſt du die Welt verlaſſen? haſt du dieſes nicht ge-
than/ auff daß du deinem Gott gefallen moͤchteſt? ſo thue dann das jenige/ daß
du zu thuen kommen biſt. Dieſem H. Einſidler iſt der H. Bernardus hierin
dapffer nachgefolgt; der ſich dan auch immer ſelbſt zugeſprochen/ und geſagt:
Bernarde, warzu biſt du kommen? ja ſo gar Chriſtus ſelbſt hat ſich gleichſam
dieſes Mittels gebraucht/ da er den Verraͤther Judam gefragt hat und geſagt:
freund/ warzu biſt du kommen? Als wolte er ſagen. Gedenck/ O
Judas/ wie groſſe Wolthat ich dir geleiſtet hab/ indem ich dich zur Zahl mei-
ner Apoſteln beruffen hab; ſo wirſt du alsbald von deinem ſchaͤndlichen Vor-
haben ablaſſen/ und deinem Meiſter vielmehr getrew verbleiben/ als denſelben
ver-
Matt. 26.
J i i
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