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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Vom dem Geistlichen Stand.
aller Warheit gemäß/ ein jede Seel/ welche ihr Leben in der Bekändnuß
GOttes/ demselben allein zu Ehren einrichtet/ und den Göttlichen Gebot-
ten den schuldigen Gehorsamb leistet/ billig ein Marter genennet werden.
Dahero ist nicht zu verwundern/ was der Gottseelige Vincentius Bellova-
censis
bezeuget: daß/ als die Geistliche deß Klosters einsmahls bey nächtlicher
Weil nach der Metten im Capitel-Hauß gesessen/ und gelesen hatten: ha-
be der Heil. Christianus anderswo im Kloster gebetten; und unter wäh-
rendem Gebett diese Stimm vom Himmel gehöret: Diese gute
Leuth/ die du im Capitel-Hauß sehest/ seynd Marter oder
Blut-Zeugen GOttes.

5. Noch mehr kan diese Warheit probirt werden auß dreyen Haubt-
Stucken. Und zwarn erstlich auß der Form und Vrsach der
Marter;
so darin bestehet; daß/ gleich wie in der Marter deß Fleisches
oder deß Leibs/ der Verfolger mit dem Glauben auch zugleich Christum
zu vertilgen trachtet: also der böse Feind/ in der Marter der Seelen oder
deß Gemüths/ nach den geraubten Tugenden/ ebenfals Christum in dem
Menschen zu vertilgen suche. Dahero ermahnet uns der H. Vatter Au-Serm. 250
de Temp.

gustinus/ und sagt: Lasset uns gegen die tödtliche Schmeich-
lungen ringen/ dieweilen wir versichert seynd/ daß dar-
innen auch die tägliche Martere den Christglaubigen nicht
ermanglen können.
Und der H. Gertrudis ist in ihren Leb-Zeiten of-
fenbahret worden/ daß die Geistliche/ so unter einer Regul deß Gehorsambs
GOtt dienen; unter die Zahl der Marter gezehlet würden; dieweilen sie
ihrem eigenen Willen widerstehen; die Sinnligkeiten durch eine gewaltsa-
me Abtödtung von denen Dingen/ zu welchen die Natur geneigt ist/ abhalten/
und sich also ihrem lieben GOTT zu einem süssen Geruch auffopffern.
Zweytens auß der Natur deß Todts. Dann gleich wie der Todt
deß Leibs den Menschen von den Reichthumen/ von den Freunden und allen
irdischen Gütern scheidet/ und demselben/ in dem die Theil deß Leibs von
einander gesündert werden/ durch die schwehre Tormenten grosse Schmer-
tzen zufüget: also scheidet der geistliche Stand den Menschen durch die drey
Gelübten von allen erschaffenen Dingen[;] und bringt desto grössern Schmer-
tzen/ wie mehr dergleichen Güter dem Menschen durch die Affection oder
Neigung ankleben. Drittens/ auß der Langwirigkeit der Zeit:
von welcher der H. Bernardus also spricht: das ist ein Art der Marter/ daßSerm. 30.
in Cant.

man die Werck deß Fleisches durch den Geist tödte; nemblich durch den Geist
deß wahren Eyffers/ Krafft dessen die Glieder deß Leibs zerhauen werden:

und
H h h 3

Vom dem Geiſtlichen Stand.
aller Warheit gemaͤß/ ein jede Seel/ welche ihr Leben in der Bekaͤndnuß
GOttes/ demſelben allein zu Ehren einrichtet/ und den Goͤttlichen Gebot-
ten den ſchuldigen Gehorſamb leiſtet/ billig ein Marter genennet werden.
Dahero iſt nicht zu verwundern/ was der Gottſeelige Vincentius Bellova-
cenſis
bezeuget: daß/ als die Geiſtliche deß Kloſters einsmahls bey naͤchtlicher
Weil nach der Metten im Capitel-Hauß geſeſſen/ und geleſen hatten: ha-
be der Heil. Chriſtianus anderswo im Kloſter gebetten; und unter waͤh-
rendem Gebett dieſe Stimm vom Himmel gehoͤret: Dieſe gute
Leuth/ die du im Capitel-Hauß ſeheſt/ ſeynd Marter oder
Blut-Zeugen GOttes.

5. Noch mehr kan dieſe Warheit probirt werden auß dreyen Haubt-
Stucken. Und zwarn erſtlich auß der Form und Vrſach der
Marter;
ſo darin beſtehet; daß/ gleich wie in der Marter deß Fleiſches
oder deß Leibs/ der Verfolger mit dem Glauben auch zugleich Chriſtum
zu vertilgen trachtet: alſo der boͤſe Feind/ in der Marter der Seelen oder
deß Gemuͤths/ nach den geraubten Tugenden/ ebenfals Chriſtum in dem
Menſchen zu vertilgen ſuche. Dahero ermahnet uns der H. Vatter Au-Serm. 250
de Temp.

guſtinus/ und ſagt: Laſſet uns gegen die toͤdtliche Schmeich-
lungen ringen/ dieweilen wir verſichert ſeynd/ daß dar-
innen auch die taͤgliche Martere den Chriſtglaubigen nicht
ermanglen koͤnnen.
Und der H. Gertrudis iſt in ihren Leb-Zeiten of-
fenbahret worden/ daß die Geiſtliche/ ſo unter einer Regul deß Gehorſambs
GOtt dienen; unter die Zahl der Marter gezehlet wuͤrden; dieweilen ſie
ihrem eigenen Willen widerſtehen; die Sinnligkeiten durch eine gewaltſa-
me Abtoͤdtung von denen Dingen/ zu welchen die Natur geneigt iſt/ abhalten/
und ſich alſo ihrem lieben GOTT zu einem ſuͤſſen Geruch auffopffern.
Zweytens auß der Natur deß Todts. Dann gleich wie der Todt
deß Leibs den Menſchen von den Reichthumen/ von den Freunden und allen
irdiſchen Guͤtern ſcheidet/ und demſelben/ in dem die Theil deß Leibs von
einander geſuͤndert werden/ durch die ſchwehre Tormenten groſſe Schmer-
tzen zufuͤget: alſo ſcheidet der geiſtliche Stand den Menſchen durch die drey
Geluͤbten von allen erſchaffenen Dingen[;] und bringt deſto groͤſſern Schmer-
tzen/ wie mehr dergleichen Guͤter dem Menſchen durch die Affection oder
Neigung ankleben. Drittens/ auß der Langwirigkeit der Zeit:
von welcher der H. Bernardus alſo ſpricht: das iſt ein Art der Marter/ daßSerm. 30.
in Cant.

man die Werck deß Fleiſches durch den Geiſt toͤdte; nemblich durch den Geiſt
deß wahren Eyffers/ Krafft deſſen die Glieder deß Leibs zerhauen werden:

und
H h h 3
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[429/0457] Vom dem Geiſtlichen Stand. aller Warheit gemaͤß/ ein jede Seel/ welche ihr Leben in der Bekaͤndnuß GOttes/ demſelben allein zu Ehren einrichtet/ und den Goͤttlichen Gebot- ten den ſchuldigen Gehorſamb leiſtet/ billig ein Marter genennet werden. Dahero iſt nicht zu verwundern/ was der Gottſeelige Vincentius Bellova- cenſis bezeuget: daß/ als die Geiſtliche deß Kloſters einsmahls bey naͤchtlicher Weil nach der Metten im Capitel-Hauß geſeſſen/ und geleſen hatten: ha- be der Heil. Chriſtianus anderswo im Kloſter gebetten; und unter waͤh- rendem Gebett dieſe Stimm vom Himmel gehoͤret: Dieſe gute Leuth/ die du im Capitel-Hauß ſeheſt/ ſeynd Marter oder Blut-Zeugen GOttes. 5. Noch mehr kan dieſe Warheit probirt werden auß dreyen Haubt- Stucken. Und zwarn erſtlich auß der Form und Vrſach der Marter; ſo darin beſtehet; daß/ gleich wie in der Marter deß Fleiſches oder deß Leibs/ der Verfolger mit dem Glauben auch zugleich Chriſtum zu vertilgen trachtet: alſo der boͤſe Feind/ in der Marter der Seelen oder deß Gemuͤths/ nach den geraubten Tugenden/ ebenfals Chriſtum in dem Menſchen zu vertilgen ſuche. Dahero ermahnet uns der H. Vatter Au- guſtinus/ und ſagt: Laſſet uns gegen die toͤdtliche Schmeich- lungen ringen/ dieweilen wir verſichert ſeynd/ daß dar- innen auch die taͤgliche Martere den Chriſtglaubigen nicht ermanglen koͤnnen. Und der H. Gertrudis iſt in ihren Leb-Zeiten of- fenbahret worden/ daß die Geiſtliche/ ſo unter einer Regul deß Gehorſambs GOtt dienen; unter die Zahl der Marter gezehlet wuͤrden; dieweilen ſie ihrem eigenen Willen widerſtehen; die Sinnligkeiten durch eine gewaltſa- me Abtoͤdtung von denen Dingen/ zu welchen die Natur geneigt iſt/ abhalten/ und ſich alſo ihrem lieben GOTT zu einem ſuͤſſen Geruch auffopffern. Zweytens auß der Natur deß Todts. Dann gleich wie der Todt deß Leibs den Menſchen von den Reichthumen/ von den Freunden und allen irdiſchen Guͤtern ſcheidet/ und demſelben/ in dem die Theil deß Leibs von einander geſuͤndert werden/ durch die ſchwehre Tormenten groſſe Schmer- tzen zufuͤget: alſo ſcheidet der geiſtliche Stand den Menſchen durch die drey Geluͤbten von allen erſchaffenen Dingen; und bringt deſto groͤſſern Schmer- tzen/ wie mehr dergleichen Guͤter dem Menſchen durch die Affection oder Neigung ankleben. Drittens/ auß der Langwirigkeit der Zeit: von welcher der H. Bernardus alſo ſpricht: das iſt ein Art der Marter/ daß man die Werck deß Fleiſches durch den Geiſt toͤdte; nemblich durch den Geiſt deß wahren Eyffers/ Krafft deſſen die Glieder deß Leibs zerhauen werden: und Serm. 250 de Temp. Serm. 30. in Cant. H h h 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/457>, abgerufen am 22.11.2024.