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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Abtödtung.

16. So hastu dann/ lieber Bruder/ gnugsame Exempeln/ welchen du
nachfolgen kanst/ in Hoffnung daß du durch solche Abtödtungen eine Saat
grosser Tugenden einernden werdest/ dessen du im Himmel geniessen wirst.
Damit dich aber deine unordentliche Gemüts-Bewegung von dieser Ubung
der Abtödtung nicht abführen möge/ so solstu gedencken/ daß ihrer viele gar
elend verderben/ darumb/ weil sie ihre Sinnen nicht gebührlich verwahren;
dann der Todt pfleget in die Seel durch das Fenster zu steigen/ das ist/ durch
die Sinnen/ nach dem gemeinen Spruch: Es ist nichts im Verstand/ es
seye dann zuvor im Sinne gewesen. Wie thörricht handeln dann die jeni-
ge Menschen/ welche die Augen über all zu den Eitelkeiten der Welt wen-
den/ dieweil sie mit einem solchen Ansehen in der Seele die Begierde (welche
nach deß Teuffels Zeugnüß ein Ursach alles Bösen ist) erwecken. Dann
wer solte läugnen/ daß dieser nicht ein Narr wäre/ daß er vom Anschauen
eines Dings in ein Fieber oder andere grosse Kranckheit fallen solte/ und doch
nichts destoweniger sich nicht enthielte/ ein solches Ding anzuschauen? Al-
so warhafftig/ dieweil die Menschen offt wegen das Anschauen der erschaffe-
nen Sachen in das Fieber der Begierde fallen/ und eine Beschwernüß nach
dem Himmlischen zu trachten/ fühlen/ wird der jenige thorrecht zu seyn er-
wiesen/ welcher sich daran nicht müssiget. Daher sagt S. Gregorius: dieL. 21.
mor. c.
2.

Augen müssen nieder gedruckt werden/ alß die Verführer. Dann welcher
durch diese Fenster deß Leibs unbehutsamb herauß siehet/ der fält gern ewig-
lich auch unwillig in eine Erlustigung der Sünde/ und mit dem Verlan-
gen gebunden/ fängt er an zu willen/ was er nicht gewolt hat. Diese War-
heit hat der Königliche Psalmist erkennet/ deßwegen hat er sich zu Gott kehrend
gesagt: wende meine Augen ab/ damit sie die Eitelkeit nicht sehen mögen/ du
siehest also wieviel es daran gelegen/ das Gesicht zu verwahren. Deßwe-
gen vermahne ich mit dem H. Dorotheo/ welcher sagt: gewöhne dich die
Augen nicht auff frembde und eitele Dinge zu wenden/ dan dieses zernichtiget
alle Klösterliche Arbeit. Mercke diß/ und lebe wohl.



Die
F f f 3
Von der Abtoͤdtung.

16. So haſtu dann/ lieber Bruder/ gnugſame Exempeln/ welchen du
nachfolgen kanſt/ in Hoffnung daß du durch ſolche Abtoͤdtungen eine Saat
groſſer Tugenden einernden werdeſt/ deſſen du im Himmel genieſſen wirſt.
Damit dich aber deine unordentliche Gemuͤts-Bewegung von dieſer Ubung
der Abtoͤdtung nicht abfuͤhren moͤge/ ſo ſolſtu gedencken/ daß ihrer viele gar
elend verderben/ darumb/ weil ſie ihre Sinnen nicht gebuͤhrlich verwahren;
dann der Todt pfleget in die Seel durch das Fenſter zu ſteigen/ das iſt/ durch
die Sinnen/ nach dem gemeinen Spruch: Es iſt nichts im Verſtand/ es
ſeye dann zuvor im Sinne geweſen. Wie thoͤrricht handeln dann die jeni-
ge Menſchen/ welche die Augen uͤber all zu den Eitelkeiten der Welt wen-
den/ dieweil ſie mit einem ſolchen Anſehen in der Seele die Begierde (welche
nach deß Teuffels Zeugnuͤß ein Urſach alles Boͤſen iſt) erwecken. Dann
wer ſolte laͤugnen/ daß dieſer nicht ein Narr waͤre/ daß er vom Anſchauen
eines Dings in ein Fieber oder andere groſſe Kranckheit fallen ſolte/ und doch
nichts deſtoweniger ſich nicht enthielte/ ein ſolches Ding anzuſchauen? Al-
ſo warhafftig/ dieweil die Menſchen offt wegen das Anſchauen der erſchaffe-
nen Sachen in das Fieber der Begierde fallen/ und eine Beſchwernuͤß nach
dem Himmliſchen zu trachten/ fuͤhlen/ wird der jenige thorrecht zu ſeyn er-
wieſen/ welcher ſich daran nicht muͤſſiget. Daher ſagt S. Gregorius: dieL. 21.
mor. c.
2.

Augen muͤſſen nieder gedruckt werden/ alß die Verfuͤhrer. Dann welcher
durch dieſe Fenſter deß Leibs unbehutſamb herauß ſiehet/ der faͤlt gern ewig-
lich auch unwillig in eine Erluſtigung der Suͤnde/ und mit dem Verlan-
gen gebunden/ faͤngt er an zu willen/ was er nicht gewolt hat. Dieſe War-
heit hat der Koͤnigliche Pſalmiſt erkeñet/ deßwegen hat er ſich zu Gott kehrend
geſagt: wende meine Augen ab/ damit ſie die Eitelkeit nicht ſehen moͤgen/ du
ſieheſt alſo wieviel es daran gelegen/ das Geſicht zu verwahren. Deßwe-
gen vermahne ich mit dem H. Dorotheo/ welcher ſagt: gewoͤhne dich die
Augen nicht auff frembde und eitele Dinge zu wenden/ dan dieſes zernichtiget
alle Kloͤſterliche Arbeit. Mercke diß/ und lebe wohl.



Die
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[413/0441] Von der Abtoͤdtung. 16. So haſtu dann/ lieber Bruder/ gnugſame Exempeln/ welchen du nachfolgen kanſt/ in Hoffnung daß du durch ſolche Abtoͤdtungen eine Saat groſſer Tugenden einernden werdeſt/ deſſen du im Himmel genieſſen wirſt. Damit dich aber deine unordentliche Gemuͤts-Bewegung von dieſer Ubung der Abtoͤdtung nicht abfuͤhren moͤge/ ſo ſolſtu gedencken/ daß ihrer viele gar elend verderben/ darumb/ weil ſie ihre Sinnen nicht gebuͤhrlich verwahren; dann der Todt pfleget in die Seel durch das Fenſter zu ſteigen/ das iſt/ durch die Sinnen/ nach dem gemeinen Spruch: Es iſt nichts im Verſtand/ es ſeye dann zuvor im Sinne geweſen. Wie thoͤrricht handeln dann die jeni- ge Menſchen/ welche die Augen uͤber all zu den Eitelkeiten der Welt wen- den/ dieweil ſie mit einem ſolchen Anſehen in der Seele die Begierde (welche nach deß Teuffels Zeugnuͤß ein Urſach alles Boͤſen iſt) erwecken. Dann wer ſolte laͤugnen/ daß dieſer nicht ein Narr waͤre/ daß er vom Anſchauen eines Dings in ein Fieber oder andere groſſe Kranckheit fallen ſolte/ und doch nichts deſtoweniger ſich nicht enthielte/ ein ſolches Ding anzuſchauen? Al- ſo warhafftig/ dieweil die Menſchen offt wegen das Anſchauen der erſchaffe- nen Sachen in das Fieber der Begierde fallen/ und eine Beſchwernuͤß nach dem Himmliſchen zu trachten/ fuͤhlen/ wird der jenige thorrecht zu ſeyn er- wieſen/ welcher ſich daran nicht muͤſſiget. Daher ſagt S. Gregorius: die Augen muͤſſen nieder gedruckt werden/ alß die Verfuͤhrer. Dann welcher durch dieſe Fenſter deß Leibs unbehutſamb herauß ſiehet/ der faͤlt gern ewig- lich auch unwillig in eine Erluſtigung der Suͤnde/ und mit dem Verlan- gen gebunden/ faͤngt er an zu willen/ was er nicht gewolt hat. Dieſe War- heit hat der Koͤnigliche Pſalmiſt erkeñet/ deßwegen hat er ſich zu Gott kehrend geſagt: wende meine Augen ab/ damit ſie die Eitelkeit nicht ſehen moͤgen/ du ſieheſt alſo wieviel es daran gelegen/ das Geſicht zu verwahren. Deßwe- gen vermahne ich mit dem H. Dorotheo/ welcher ſagt: gewoͤhne dich die Augen nicht auff frembde und eitele Dinge zu wenden/ dan dieſes zernichtiget alle Kloͤſterliche Arbeit. Mercke diß/ und lebe wohl. L. 21. mor. c. 2. Die F f f 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/441>, abgerufen am 25.11.2024.