Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Ein und Dreissigste Geistliche Lection blieben. Wann du aber sagen wirst/ es ist gnug/ so bistu verdorben. Da-her sagt er/ daß der Apostel seine Unvollkommenheit ers[t]lich bekennet hat/ und darnach sich vollkommen genennet habe/ dieweil dieses deß Menschen Vollkommenheit ist/ wann er gefunden/ daß er nicht vollkommen ist. 15. Jm übrigen ist auch wohl zu mercken/ daß die Vollkommenheit nicht sagt:
Die Ein und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection blieben. Wann du aber ſagen wirſt/ es iſt gnug/ ſo biſtu verdorben. Da-her ſagt er/ daß der Apoſtel ſeine Unvollkommenheit erſ[t]lich bekennet hat/ und darnach ſich vollkommen genennet habe/ dieweil dieſes deß Menſchen Vollkommenheit iſt/ wann er gefunden/ daß er nicht vollkommen iſt. 15. Jm uͤbrigen iſt auch wohl zu mercken/ daß die Vollkommenheit nicht ſagt:
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Die Ein und Dreiſſigſte Geiſtliche Lection
blieben. Wann du aber ſagen wirſt/ es iſt gnug/ ſo biſtu verdorben. Da-
her ſagt er/ daß der Apoſtel ſeine Unvollkommenheit erſtlich bekennet hat/
und darnach ſich vollkommen genennet habe/ dieweil dieſes deß Menſchen
Vollkommenheit iſt/ wann er gefunden/ daß er nicht vollkommen iſt.
15. Jm uͤbrigen iſt auch wohl zu mercken/ daß die Vollkommenheit nicht
in Harthaltung deß Leibs oder andern der gleichen ſtrengen Sachen und U-
bungen beſtehe/ wie bißweilen ſich etliche falſch einbilden/ ſondern daß dieſe
nur Mittel zur Vollkommenheit ſeyn/ wie der Abt Moyſes bey den Caſſia-
num recht warnimbt/ ſagend: Das Faſten/ Wachen/ Betrachtung der
Schrifften oder der Bibel/ die Entbloͤſung und Entziehung aller Guͤter
ſeye nicht die Vollkommenheit/ ſondern die Werckzeug zur Vollkommenheit/
dieweil in ihnen der Zweck der Zucht nicht beſtehet/ ſondern man durch
dieſelbe zum Zweck gelanget. Derowegen beſtchet die Vollkommenheit in der
vollkommenen Liebe/ wie der Apoſtel bezeuget/ mahnend: Vber dieß
alles aber habet die Liebe/ die das Band der Vollkommen-
heit iſt. Aber es iſt weiter zu mercken/ daß obwohl einer GOtt auß gan-
tzem Hertzen liebte/ und alle ſeine Gebotten fleiſſig hielte/ alſo/ daß er ſich
keiner oder gewißlich nicht vieler Unvollkommenheiten oder Schulden ſich
bewuſt befuͤndet/ ſo muß er ſich doch deßwegen nicht gleich vollkommen
achten: dann wie S. Gregorius weißlich geſagt hat: Gemeiniglich die jeni-
ge/ welche die Leuthe fuͤr vollkommen halten/ haben in den Augen deß hoͤch-
ſten Erſchoͤpffers etwas unvollkommenes. Alſo beſehen wir unerfahrne
Menſchen/ offt die noch unvollkommen gegrabene Siegel und loben
ſieals ſch on vollkommen/ welche doch der Kuͤnſtler noch uͤberſiehet und ver-
beſſert: er hoͤrt ſie loben/ und doch laͤſt er nicht nach dieſelben zu beſſeren. Da-
hero ſpricht S. Bernardus gar recht: Es iſt keiner ſo vollkommen/ der nicht
vollkommener zu ſeyn trachtet/ und ein jeder zeiget ſich deſto vollkomme-
ner zu ſeyn/ nach je groͤſſerer Vollkommenheit er ſtrebet. Und wiederumb:
Ein unermuͤdeter Fleiß umb zuzunehmen/ und eine ſtete Bemuͤhung zur
Vollkommenheit wird fuͤr eine Vollkommenheit gehalten. Deme ein H.
Lehrer Beyfall gibt/ ſagend: was du auß gantzem Hertzen/ gantzer Mey-
nung/ und gantzem Verlangen wilſt/ daß biſtu gewißlich. Und nach Zeug-
nuß deß H. Vatters Auguſtini: das gantze Leben eines guten Chriſten/ iſt
das Verlangen umb zuzunehmen Dieß iſt unſere Schooß/ diß iſt ein Sack/
und weil er eng iſt/ machſtu ihn durchs Außdaͤhnen weiter. Ferner/ ob gleich
diß von der Vollkommenheit geſagte gnug iſt/ nichts deſto weniger umbfahe
fuͤr das letzte auch dieſes Mittel/ und betrachte die Leben und Exempel der
Heiligen/ und halte ſie fuͤr deine Augen: dann wie S. Gregorius Nyſſenus
ſagt:
In collat.
P. P. coll.
5.
Coloſ. 3.
14.
L. 4. Dial.
S. Bern.
in Epiſ.
Cornel.
in c. 4.
Geneſ.
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