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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Geistlichen Frewd.
Gottes willen allen fleischlichen Trost hinweg geworffen
haben:
Und gleich wie Wasser und Fewer sich nicht zusammen vertra-
gen; also können die geistliche und weltliche Frewden nicht zusammen stehen.

5. Auff daß du aber die irdische Ergötzlichkeiten hassen/ und die geistliche
lieben mögest/ so betrachte den Unterscheid zwischen diesen beyden Frewden.
Dieser ist/ sagt der Heil. Gregorius/ der Unterscheid zwischen den LüstenHom. 30.
in Evang.

deß Hertzens/ und zwischen den Lüsten deß Leibs; daß die leibliche/ wann der
Mensch selbige nicht hat/ eine grosse Begird in sich selbst entzünden: wann
aber selbiger diese begierig geniesset/ so verursachen sie ihm durch die Ersät-
tigung einen Verdruß und Widerwillen: hergegen aber die geistliche Wol-
lüsten bringen niemahlen den geringsten Unlust: hat man sie nicht/ soseynd
sie nicht angenehm; wan man sie aber hat/ so verlangt man selbige. Jn jenen
ist das Verlangen oder Appetit gefällig/ die Erfahrnüß aber mißfällig: in
diesen geistlichen aber ist das Verlangen schlecht und gering/ die
Erfahrnüß aber und der stäte Gebrauch ist immerzu annehmlich. Jn jenen
bringet das Verlangen oder Appetit die Ersättigung/ die Ersättigung
aber endiget sich mit einem Widerwillen: in diesen aber bringt das Ver-
langen auch die Ersättigung; diese Ersättigung aber hat immer bey sich
das Verlangen; zumahlen die geistliche Frewden die Begird in
der Seelen entzünden/ indem sie ersättigen; dann wie mehr man derselben
Geschmack empfindet/ desto mehr wird er erkennet/ und nochmahlen geliebet:
und derhalben kan man sie nicht lieben/ wann man sie nicht hat; weilen man
von derselben Geschmack keine Erfahrnüß hat: also redet von der geistlichen
Frewde der H. Kirchen-Lehrer Gregorius.

6. Diese geistliche Frewd aber kan nicht allein sehr wohl mit den Wider-
wärtigkeiten/ Verfolgungen und andern Zufällen zugleich stehen; sondern
wird noch durch selbige vermehret; wie der H. Apostel Paulus von sich selb-
sten sagt: Jch bin mit Trost erfullet/ und hab uberschweng-2. Cor. 7.
4.

liche Frewde in aller unser Trubsall: Dann ein Diener Gottes/
indem er seinen Herrn so grausamlich umb seinet willen verwundet anschauet/
kan nicht anders/ als sich erfrewen/ daß er würdig geachtet werde/ für seinen
Herrn zu leiden; weilen er demselben dadurch gleich gemacht wird. Daß nunIn Ps. 137.
der H. Augustinus von den Z[ä]hren deß bettenden sagt/ daß diese süsser seyen/
als die Frewden der Schaubühnen; daß kan auch von einer jeden Widerwär-
tigkeit/ so der Mensch auß Liebe GOttes erdüldet/ gesagt werden; daß sie
nemblich eine grössere Ergötzlichkeit nach sich führe/ dann alle Frew-
den der Welt: hierüber wollen wir den glaubwürdigen/ und in dieser

Sach
X x 2

Von der Geiſtlichen Frewd.
Gottes willen allen fleiſchlichen Troſt hinweg geworffen
haben:
Und gleich wie Waſſer und Fewer ſich nicht zuſammen vertra-
gen; alſo koͤnnen die geiſtliche und weltliche Frewden nicht zuſammen ſtehen.

5. Auff daß du aber die irdiſche Ergoͤtzlichkeiten haſſen/ und die geiſtliche
lieben moͤgeſt/ ſo betrachte den Unterſcheid zwiſchen dieſen beyden Frewden.
Dieſer iſt/ ſagt der Heil. Gregorius/ der Unterſcheid zwiſchen den LuͤſtenHom. 30.
in Evang.

deß Hertzens/ und zwiſchen den Luͤſten deß Leibs; daß die leibliche/ wann der
Menſch ſelbige nicht hat/ eine groſſe Begird in ſich ſelbſt entzuͤnden: wann
aber ſelbiger dieſe begierig genieſſet/ ſo verurſachen ſie ihm durch die Erſaͤt-
tigung einen Verdruß und Widerwillen: hergegen aber die geiſtliche Wol-
luͤſten bringen niemahlen den geringſten Unluſt: hat man ſie nicht/ ſoſeynd
ſie nicht angenehm; wan man ſie aber hat/ ſo verlangt man ſelbige. Jn jenen
iſt das Verlangen oder Appetit gefaͤllig/ die Erfahrnuͤß aber mißfaͤllig: in
dieſen geiſtlichen aber iſt das Verlangen ſchlecht und gering/ die
Erfahrnuͤß aber und der ſtaͤte Gebrauch iſt immerzu annehmlich. Jn jenen
bringet das Verlangen oder Appetit die Erſaͤttigung/ die Erſaͤttigung
aber endiget ſich mit einem Widerwillen: in dieſen aber bringt das Ver-
langen auch die Erſaͤttigung; dieſe Erſaͤttigung aber hat immer bey ſich
das Verlangen; zumahlen die geiſtliche Frewden die Begird in
der Seelen entzuͤnden/ indem ſie erſaͤttigen; dann wie mehr man derſelben
Geſchmack empfindet/ deſto mehr wird er erkennet/ und nochmahlen geliebet:
und derhalben kan man ſie nicht lieben/ wann man ſie nicht hat; weilen man
von derſelben Geſchmack keine Erfahrnuͤß hat: alſo redet von der geiſtlichen
Frewde der H. Kirchen-Lehrer Gregorius.

6. Dieſe geiſtliche Frewd aber kan nicht allein ſehr wohl mit den Wider-
waͤrtigkeiten/ Verfolgungen und andern Zufaͤllen zugleich ſtehen; ſondern
wird noch durch ſelbige vermehret; wie der H. Apoſtel Paulus von ſich ſelb-
ſten ſagt: Jch bin mit Troſt erfůllet/ und hab ůberſchweng-2. Cor. 7.
4.

liche Frewde in aller unſer Trůbſall: Dann ein Diener Gottes/
indem er ſeinen Herrn ſo grauſamlich umb ſeinet willen verwundet anſchauet/
kan nicht anders/ als ſich erfrewen/ daß er wuͤrdig geachtet werde/ fuͤr ſeinen
Herrn zu leiden; weilen er demſelben dadurch gleich gemacht wird. Daß nunIn Pſ. 137.
der H. Auguſtinus von den Z[aͤ]hren deß bettenden ſagt/ daß dieſe ſuͤſſer ſeyen/
als die Frewden der Schaubuͤhnen; daß kan auch von einer jeden Widerwaͤr-
tigkeit/ ſo der Menſch auß Liebe GOttes erduͤldet/ geſagt werden; daß ſie
nemblich eine groͤſſere Ergoͤtzlichkeit nach ſich fuͤhre/ dann alle Frew-
den der Welt: hieruͤber wollen wir den glaubwuͤrdigen/ und in dieſer

Sach
X x 2
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[347/0375] Von der Geiſtlichen Frewd. Gottes willen allen fleiſchlichen Troſt hinweg geworffen haben: Und gleich wie Waſſer und Fewer ſich nicht zuſammen vertra- gen; alſo koͤnnen die geiſtliche und weltliche Frewden nicht zuſammen ſtehen. 5. Auff daß du aber die irdiſche Ergoͤtzlichkeiten haſſen/ und die geiſtliche lieben moͤgeſt/ ſo betrachte den Unterſcheid zwiſchen dieſen beyden Frewden. Dieſer iſt/ ſagt der Heil. Gregorius/ der Unterſcheid zwiſchen den Luͤſten deß Hertzens/ und zwiſchen den Luͤſten deß Leibs; daß die leibliche/ wann der Menſch ſelbige nicht hat/ eine groſſe Begird in ſich ſelbſt entzuͤnden: wann aber ſelbiger dieſe begierig genieſſet/ ſo verurſachen ſie ihm durch die Erſaͤt- tigung einen Verdruß und Widerwillen: hergegen aber die geiſtliche Wol- luͤſten bringen niemahlen den geringſten Unluſt: hat man ſie nicht/ ſoſeynd ſie nicht angenehm; wan man ſie aber hat/ ſo verlangt man ſelbige. Jn jenen iſt das Verlangen oder Appetit gefaͤllig/ die Erfahrnuͤß aber mißfaͤllig: in dieſen geiſtlichen aber iſt das Verlangen ſchlecht und gering/ die Erfahrnuͤß aber und der ſtaͤte Gebrauch iſt immerzu annehmlich. Jn jenen bringet das Verlangen oder Appetit die Erſaͤttigung/ die Erſaͤttigung aber endiget ſich mit einem Widerwillen: in dieſen aber bringt das Ver- langen auch die Erſaͤttigung; dieſe Erſaͤttigung aber hat immer bey ſich das Verlangen; zumahlen die geiſtliche Frewden die Begird in der Seelen entzuͤnden/ indem ſie erſaͤttigen; dann wie mehr man derſelben Geſchmack empfindet/ deſto mehr wird er erkennet/ und nochmahlen geliebet: und derhalben kan man ſie nicht lieben/ wann man ſie nicht hat; weilen man von derſelben Geſchmack keine Erfahrnuͤß hat: alſo redet von der geiſtlichen Frewde der H. Kirchen-Lehrer Gregorius. Hom. 30. in Evang. 6. Dieſe geiſtliche Frewd aber kan nicht allein ſehr wohl mit den Wider- waͤrtigkeiten/ Verfolgungen und andern Zufaͤllen zugleich ſtehen; ſondern wird noch durch ſelbige vermehret; wie der H. Apoſtel Paulus von ſich ſelb- ſten ſagt: Jch bin mit Troſt erfůllet/ und hab ůberſchweng- liche Frewde in aller unſer Trůbſall: Dann ein Diener Gottes/ indem er ſeinen Herrn ſo grauſamlich umb ſeinet willen verwundet anſchauet/ kan nicht anders/ als ſich erfrewen/ daß er wuͤrdig geachtet werde/ fuͤr ſeinen Herrn zu leiden; weilen er demſelben dadurch gleich gemacht wird. Daß nun der H. Auguſtinus von den Zaͤhren deß bettenden ſagt/ daß dieſe ſuͤſſer ſeyen/ als die Frewden der Schaubuͤhnen; daß kan auch von einer jeden Widerwaͤr- tigkeit/ ſo der Menſch auß Liebe GOttes erduͤldet/ geſagt werden; daß ſie nemblich eine groͤſſere Ergoͤtzlichkeit nach ſich fuͤhre/ dann alle Frew- den der Welt: hieruͤber wollen wir den glaubwuͤrdigen/ und in dieſer Sach 2. Cor. 7. 4. In Pſ. 137. X x 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/375>, abgerufen am 29.11.2024.