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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Sechs und Zwantzigste Geistliche Lection
und stirbt. Der einfältige Münch überlegt diesen Handel bey ihm selbst/
und verwundert sich/ daß GOTT solches Unbill zulasse/ und dan-
noch gerecht genennet werde. Nach dreyen Tagen finden diese beyde
einen gantz andern Alten in seiner Cellen/ welcher diese Ankomling nicht
allein nit hat beherbergen wollen; sondern selbige/ als Land-Läuffer geschol-
ten: und wiewohl diese beyde zum andernmahl umb die Nachts - Her-
berg angehalten/ haben sie doch nichts erhalten; biß endlich der Alte
sie auff ihr inständiges Ersuchen/ zu einem Hüttlein deß Stalls ver-
wiesen; alwo sie ohne einige Gesellschafft/ ausser deß Eseleins/ ohne
Stroh/ auff dem Boden haben müssen vor lieb nehmen. Nach ange-
brochenem Tag gibt der Engel dem unbarmhertzigen Alten die gestoh-
lene Schüssel: welche der undanckbare Einsidler annimbt/ und demnach
ohne einige Vergeltung und gewönliche Ertheilung deß Seegens/ sich
in seine Cell verschliesset. Alhier kan sich der Mitt - Gesell deß mehr-
gemeldten Engels länger nicht enthalten; derhalben redet er den Engel/
so die Gestalt eines alten Cinsidlers immerzu behalten hatte/ also an:
Warumb hastu dem frommen Alten die Schüssel abgestohlen/ und dar-
zu dessen Jünger ermordet; diesem bösen und unhöfflichen Alten aber
hastu dieselbe Schüssel geschencket? du muß oder nicht witzig/ oder ein
boßhaffter Mensch seyn. Hierauff antwortet ihm der Engel in aller
Sanfftmuth/ und sagt: Hastu nicht bey deinem GOTT sehr eyffe-
rig angehalten/ daß Er dir seine Urtheil offenbahren wolle? Nun bin
ich darzu verordnet/ daß ich dir selbige erklähren solle. Die Schüssel
ware mit unrecht dahin kommen; es geziemte sich aber nicht/ daß ein
böse und ungerechte Sach bey einem so guten und frommen Mann
länger verbliebe: derhalben ist einem Bösen übertragen worden/ damit
selbiger einigen Lohn seiner geringen Werck empflenge. Den
unschuldigen Jünger aber hab derowegen getödtet/ dieweilen er in fol-
gender Nacht seinen Alt - Vatter würde umbs Leben gebracht haben.
So hab ich dann also mit einer That denen Beyden eine Wolthat er-
wiesen. Da dieses der einfältige Eremit höret/ wirfft er sich zu den
Füssen deß Engels nieder/ bettet umb Vergebung und lernet hierauß/
daß er die verborgene Urtheil GOTTES mit mehrerer Behutsamb-
keit richten/ und mit dem allerheiligsten Willen GOTTES allezeit
solle zu frieden seyn.

7. Seynd

Die Sechs und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
und ſtirbt. Der einfaͤltige Muͤnch uͤberlegt dieſen Handel bey ihm ſelbſt/
und verwundert ſich/ daß GOTT ſolches Unbill zulaſſe/ und dan-
noch gerecht genennet werde. Nach dreyen Tagen finden dieſe beyde
einen gantz andern Alten in ſeiner Cellen/ welcher dieſe Ankomling nicht
allein nit hat beherbergen wollen; ſondern ſelbige/ als Land-Laͤuffer geſchol-
ten: und wiewohl dieſe beyde zum andernmahl umb die Nachts - Her-
berg angehalten/ haben ſie doch nichts erhalten; biß endlich der Alte
ſie auff ihr inſtaͤndiges Erſuchen/ zu einem Huͤttlein deß Stalls ver-
wieſen; alwo ſie ohne einige Geſellſchafft/ auſſer deß Eſeleins/ ohne
Stroh/ auff dem Boden haben muͤſſen vor lieb nehmen. Nach ange-
brochenem Tag gibt der Engel dem unbarmhertzigen Alten die geſtoh-
lene Schuͤſſel: welche der undanckbare Einſidler annimbt/ und demnach
ohne einige Vergeltung und gewoͤnliche Ertheilung deß Seegens/ ſich
in ſeine Cell verſchlieſſet. Alhier kan ſich der Mitt - Geſell deß mehr-
gemeldten Engels laͤnger nicht enthalten; derhalben redet er den Engel/
ſo die Geſtalt eines alten Cinſidlers immerzu behalten hatte/ alſo an:
Warumb haſtu dem frommen Alten die Schuͤſſel abgeſtohlen/ und dar-
zu deſſen Juͤnger ermordet; dieſem boͤſen und unhoͤfflichen Alten aber
haſtu dieſelbe Schuͤſſel geſchencket? du muß oder nicht witzig/ oder ein
boßhaffter Menſch ſeyn. Hierauff antwortet ihm der Engel in aller
Sanfftmuth/ und ſagt: Haſtu nicht bey deinem GOTT ſehr eyffe-
rig angehalten/ daß Er dir ſeine Urtheil offenbahren wolle? Nun bin
ich darzu verordnet/ daß ich dir ſelbige erklaͤhren ſolle. Die Schuͤſſel
ware mit unrecht dahin kommen; es geziemte ſich aber nicht/ daß ein
boͤſe und ungerechte Sach bey einem ſo guten und frommen Mann
laͤnger verbliebe: derhalben iſt einem Boͤſen uͤbertragen worden/ damit
ſelbiger einigen Lohn ſeiner geringen Werck empflenge. Den
unſchuldigen Juͤnger aber hab derowegen getoͤdtet/ dieweilen er in fol-
gender Nacht ſeinen Alt - Vatter wuͤrde umbs Leben gebracht haben.
So hab ich dann alſo mit einer That denen Beyden eine Wolthat er-
wieſen. Da dieſes der einfaͤltige Eremit hoͤret/ wirfft er ſich zu den
Fuͤſſen deß Engels nieder/ bettet umb Vergebung und lernet hierauß/
daß er die verborgene Urtheil GOTTES mit mehrerer Behutſamb-
keit richten/ und mit dem allerheiligſten Willen GOTTES allezeit
ſolle zu frieden ſeyn.

7. Seynd
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[334/0362] Die Sechs und Zwantzigſte Geiſtliche Lection und ſtirbt. Der einfaͤltige Muͤnch uͤberlegt dieſen Handel bey ihm ſelbſt/ und verwundert ſich/ daß GOTT ſolches Unbill zulaſſe/ und dan- noch gerecht genennet werde. Nach dreyen Tagen finden dieſe beyde einen gantz andern Alten in ſeiner Cellen/ welcher dieſe Ankomling nicht allein nit hat beherbergen wollen; ſondern ſelbige/ als Land-Laͤuffer geſchol- ten: und wiewohl dieſe beyde zum andernmahl umb die Nachts - Her- berg angehalten/ haben ſie doch nichts erhalten; biß endlich der Alte ſie auff ihr inſtaͤndiges Erſuchen/ zu einem Huͤttlein deß Stalls ver- wieſen; alwo ſie ohne einige Geſellſchafft/ auſſer deß Eſeleins/ ohne Stroh/ auff dem Boden haben muͤſſen vor lieb nehmen. Nach ange- brochenem Tag gibt der Engel dem unbarmhertzigen Alten die geſtoh- lene Schuͤſſel: welche der undanckbare Einſidler annimbt/ und demnach ohne einige Vergeltung und gewoͤnliche Ertheilung deß Seegens/ ſich in ſeine Cell verſchlieſſet. Alhier kan ſich der Mitt - Geſell deß mehr- gemeldten Engels laͤnger nicht enthalten; derhalben redet er den Engel/ ſo die Geſtalt eines alten Cinſidlers immerzu behalten hatte/ alſo an: Warumb haſtu dem frommen Alten die Schuͤſſel abgeſtohlen/ und dar- zu deſſen Juͤnger ermordet; dieſem boͤſen und unhoͤfflichen Alten aber haſtu dieſelbe Schuͤſſel geſchencket? du muß oder nicht witzig/ oder ein boßhaffter Menſch ſeyn. Hierauff antwortet ihm der Engel in aller Sanfftmuth/ und ſagt: Haſtu nicht bey deinem GOTT ſehr eyffe- rig angehalten/ daß Er dir ſeine Urtheil offenbahren wolle? Nun bin ich darzu verordnet/ daß ich dir ſelbige erklaͤhren ſolle. Die Schuͤſſel ware mit unrecht dahin kommen; es geziemte ſich aber nicht/ daß ein boͤſe und ungerechte Sach bey einem ſo guten und frommen Mann laͤnger verbliebe: derhalben iſt einem Boͤſen uͤbertragen worden/ damit ſelbiger einigen Lohn ſeiner geringen Werck empflenge. Den unſchuldigen Juͤnger aber hab derowegen getoͤdtet/ dieweilen er in fol- gender Nacht ſeinen Alt - Vatter wuͤrde umbs Leben gebracht haben. So hab ich dann alſo mit einer That denen Beyden eine Wolthat er- wieſen. Da dieſes der einfaͤltige Eremit hoͤret/ wirfft er ſich zu den Fuͤſſen deß Engels nieder/ bettet umb Vergebung und lernet hierauß/ daß er die verborgene Urtheil GOTTES mit mehrerer Behutſamb- keit richten/ und mit dem allerheiligſten Willen GOTTES allezeit ſolle zu frieden ſeyn. 7. Seynd

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/362>, abgerufen am 26.11.2024.