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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Ergebung in den Willen Gottes.
schaffenheit; weilen dieser die Fehler und Gebreche einiger Persohnen zulas-
sen muß zum besten der gantzen Gemeinde/ deren Erhaltung er vor allem su-
chet: die jenige Ubel aber und Fehler/ so die göttliche Fürsichtigkeit in den er-
schaffenen Dingen zulasset; selbige müssen zur Vollkommenheit/ zum Staat
und Schönheit der gantzen Gemeinschafft das jhrige beytragen/ gleich wie
einem Gemähl die kunstreiche und liebliche Vermischung deß Liechts und
Schattens/ und anderer so wohl angenehm/ als unangenehmen und dunckelen
Farben/ die Schönheit geben muß: und gleich wie in einer Music der vielfäl-
tige Unterscheid der Stimmen/ den Gesang nicht verfälschet/ sondern viel
susser lautet; also muß das Böse mit dem Guten und die Tugend mit den
Fehlern zum Zierath der zumahligen Gemeinschafft dienen.

4. Wie übel/ ja närrisch thun dan die jenige/ so gegen den Willen Gottes
murren/ weilen sie sehen/ daß viel böses geschehe/ und vermeinen/ daß solches
nicht von GOtt/ sondern vom Teuffel oder bösen Leuten herkomme: daheroHom. 7.
in Joan.

sagt recht der Heil. Chrysostomus: Keiner muß sagen/ daß die
Sonn den Augen schädlich seye/ weilen einige blöde Ge-
sichter haben: sondern/ daß sie den Augen sehr dienlich
seye/ wie die jenige bezeugen mussen/ welche ein gutes Ge-
sicht/ und der Sonnen nöthig haben. Keiner soll auch ur-
theilen/ daß der Hönig bitter seye/ ob er schon einigen
Krancken bitter schmäcket. Der nun auß Schwachheit
oder Vnwissenheit darfur halter/ daß GOTT oder nicht
seye/ oder daß er hier und dort ubel thue; daß er fur das
menschliche Wesen bißweilen Sorg trage/ bißweilen
nicht; der kan billiger ein Narr/ als ein witziger Mensch
genennet werden:
So muß dann ein guter Geistliche mit nichten be-
trübet werden/ wann er siehet/ daß andere geistliche Orden besser floriren
und vermehret werden/ als eben der seinige; sondern er muß sich vielmehr
in so weit erfrewen/ wann er sicht/ daß andere geistliche Ständ außgebreitet
werden; als er sich erfrewen würde/ wann er ein gleiches an dem Sei-
nigen erfahrete: der aber dessenthalben trauret/ der gibt von ihm selbsten
Zeugnüß/ daß er von dem rechten Weeg der Tugend noch weit entfernet
seye: zumahlen solcher in diesem Fall nicht suchete die allgemeine Ehr
GOTTES; sondern mehr sein absonderliches Gut/ und nur
die Ersprießlichkeit seines Ordens: auch scheinet/ daß ein solcher/ so
viele an ihm ist/ dem allerweisesten GOTT fürschreiben wolle/ daß er seinen

Orden
T t 2

Von der Ergebung in den Willen Gottes.
ſchaffenheit; weilen dieſer die Fehler und Gebreche einiger Perſohnen zulaſ-
ſen muß zum beſten der gantzen Gemeinde/ deren Erhaltung er vor allem ſu-
chet: die jenige Ubel aber und Fehler/ ſo die goͤttliche Fuͤrſichtigkeit in den er-
ſchaffenen Dingen zulaſſet; ſelbige muͤſſen zur Vollkommenheit/ zum Staat
und Schoͤnheit der gantzen Gemeinſchafft das jhrige beytragen/ gleich wie
einem Gemaͤhl die kunſtreiche und liebliche Vermiſchung deß Liechts und
Schattens/ und anderer ſo wohl angenehm/ als unangenehmen und dunckelen
Farben/ die Schoͤnheit geben muß: und gleich wie in einer Muſic der vielfaͤl-
tige Unterſcheid der Stimmen/ den Geſang nicht verfaͤlſchet/ ſondern viel
ſuſſer lautet; alſo muß das Boͤſe mit dem Guten und die Tugend mit den
Fehlern zum Zierath der zumahligen Gemeinſchafft dienen.

4. Wie uͤbel/ ja naͤrriſch thun dan die jenige/ ſo gegen den Willen Gottes
murren/ weilen ſie ſehen/ daß viel boͤſes geſchehe/ und vermeinen/ daß ſolches
nicht von GOtt/ ſondern vom Teuffel oder boͤſen Leuten herkomme: daheroHom. 7.
in Joan.

ſagt recht der Heil. Chryſoſtomus: Keiner muß ſagen/ daß die
Sonn den Augen ſchaͤdlich ſeye/ weilen einige bloͤde Ge-
ſichter haben: ſondern/ daß ſie den Augen ſehr dienlich
ſeye/ wie die jenige bezeugen můſſen/ welche ein gutes Ge-
ſicht/ und der Sonnen noͤthig haben. Keiner ſoll auch ur-
theilen/ daß der Hoͤnig bitter ſeye/ ob er ſchon einigen
Krancken bitter ſchmaͤcket. Der nun auß Schwachheit
oder Vnwiſſenheit darfůr halter/ daß GOTT oder nicht
ſeye/ oder daß er hier und dort ůbel thue; daß er fůr das
menſchliche Weſen bißweilen Sorg trage/ bißweilen
nicht; der kan billiger ein Narr/ als ein witziger Menſch
genennet werden:
So muß dann ein guter Geiſtliche mit nichten be-
truͤbet werden/ wann er ſiehet/ daß andere geiſtliche Orden beſſer floriren
und vermehret werden/ als eben der ſeinige; ſondern er muß ſich vielmehr
in ſo weit erfrewen/ wann er ſicht/ daß andere geiſtliche Staͤnd außgebreitet
werden; als er ſich erfrewen wuͤrde/ wann er ein gleiches an dem Sei-
nigen erfahrete: der aber deſſenthalben trauret/ der gibt von ihm ſelbſten
Zeugnuͤß/ daß er von dem rechten Weeg der Tugend noch weit entfernet
ſeye: zumahlen ſolcher in dieſem Fall nicht ſuchete die allgemeine Ehr
GOTTES; ſondern mehr ſein abſonderliches Gut/ und nur
die Erſprießlichkeit ſeines Ordens: auch ſcheinet/ daß ein ſolcher/ ſo
viele an ihm iſt/ dem allerweiſeſten GOTT fuͤrſchreiben wolle/ daß er ſeinen

Orden
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[331/0359] Von der Ergebung in den Willen Gottes. ſchaffenheit; weilen dieſer die Fehler und Gebreche einiger Perſohnen zulaſ- ſen muß zum beſten der gantzen Gemeinde/ deren Erhaltung er vor allem ſu- chet: die jenige Ubel aber und Fehler/ ſo die goͤttliche Fuͤrſichtigkeit in den er- ſchaffenen Dingen zulaſſet; ſelbige muͤſſen zur Vollkommenheit/ zum Staat und Schoͤnheit der gantzen Gemeinſchafft das jhrige beytragen/ gleich wie einem Gemaͤhl die kunſtreiche und liebliche Vermiſchung deß Liechts und Schattens/ und anderer ſo wohl angenehm/ als unangenehmen und dunckelen Farben/ die Schoͤnheit geben muß: und gleich wie in einer Muſic der vielfaͤl- tige Unterſcheid der Stimmen/ den Geſang nicht verfaͤlſchet/ ſondern viel ſuſſer lautet; alſo muß das Boͤſe mit dem Guten und die Tugend mit den Fehlern zum Zierath der zumahligen Gemeinſchafft dienen. 4. Wie uͤbel/ ja naͤrriſch thun dan die jenige/ ſo gegen den Willen Gottes murren/ weilen ſie ſehen/ daß viel boͤſes geſchehe/ und vermeinen/ daß ſolches nicht von GOtt/ ſondern vom Teuffel oder boͤſen Leuten herkomme: dahero ſagt recht der Heil. Chryſoſtomus: Keiner muß ſagen/ daß die Sonn den Augen ſchaͤdlich ſeye/ weilen einige bloͤde Ge- ſichter haben: ſondern/ daß ſie den Augen ſehr dienlich ſeye/ wie die jenige bezeugen můſſen/ welche ein gutes Ge- ſicht/ und der Sonnen noͤthig haben. Keiner ſoll auch ur- theilen/ daß der Hoͤnig bitter ſeye/ ob er ſchon einigen Krancken bitter ſchmaͤcket. Der nun auß Schwachheit oder Vnwiſſenheit darfůr halter/ daß GOTT oder nicht ſeye/ oder daß er hier und dort ůbel thue; daß er fůr das menſchliche Weſen bißweilen Sorg trage/ bißweilen nicht; der kan billiger ein Narr/ als ein witziger Menſch genennet werden: So muß dann ein guter Geiſtliche mit nichten be- truͤbet werden/ wann er ſiehet/ daß andere geiſtliche Orden beſſer floriren und vermehret werden/ als eben der ſeinige; ſondern er muß ſich vielmehr in ſo weit erfrewen/ wann er ſicht/ daß andere geiſtliche Staͤnd außgebreitet werden; als er ſich erfrewen wuͤrde/ wann er ein gleiches an dem Sei- nigen erfahrete: der aber deſſenthalben trauret/ der gibt von ihm ſelbſten Zeugnuͤß/ daß er von dem rechten Weeg der Tugend noch weit entfernet ſeye: zumahlen ſolcher in dieſem Fall nicht ſuchete die allgemeine Ehr GOTTES; ſondern mehr ſein abſonderliches Gut/ und nur die Erſprießlichkeit ſeines Ordens: auch ſcheinet/ daß ein ſolcher/ ſo viele an ihm iſt/ dem allerweiſeſten GOTT fuͤrſchreiben wolle/ daß er ſeinen Orden Hom. 7. in Joan. T t 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/359>, abgerufen am 27.11.2024.