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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von den Versuchungen.
gewetter gestillet worden. Mich greisete auch für meiner Cellen/ als
welche von meinen Gedancken gleichsamb Wissenschafft hatte. Jch
gienge allein durch die Wüsten/ und wo ich nur hohle Thäler/ hohe
Berg/ und zerbrochene Felsen antreffen konte/ da begab ich mich ins
Gebett; daselbst ware der Auffenthalt deß armseeligen Fleisches: und/ wie
mir der HERR kan Zeugnuß geben/ gedunckte mich offtmahlen nach
vielen vergossenen Zähren/ und stehtem Ansehen gen Himmel/ ich
wäre mitten unter den Schaaren der Engelen derhalben singete ich mit
grosser Fröligkeit: Wir lauffen hinter dir/ auff den GeruchCant. 1. v.
3.

deiner Salben. Gedenck nun/ mein Christliche Seel/ wann
solches die jenige leyden/ so da in einem außgemergelten und abgematte-
ten Leib/ mit den Gedancken allein versuchet werden; was werden dann
nicht außstehen müssen/ welche in Wollüsten leben? Es hat dir nun
der heilige Vatter sattsamb zu erkennen gegeben/ wie er mit seinem
Fleisch habe streiten müssen/ wie er selbiges mit immerwährenden
Strengigkeit hergenommen; und mit wie erfreulichem Trost er nach er-
haltenem Sieg seye erquicket worden.

15. Wer dann immer mit dem heiligen Hieronymo die Versuchun-
gen zu überwinden verlanget/ der fliche zum Schild deß Gebets/ und be-
gehre mit wahrem Glauben und kindlichem Vertrauen den Beystand
deß allerhöchsten; so wird ihm geholffen werden. Es muß dannoch ein
versuchter Mensch mit grosser Wachtsambkeit dem Anfang der Versu-
chungen widerstehen; dann/ wie uns der Gott-seelige Thomas a Kern-
pis
errinneret/ der Feind wird alsdann zum leichtesten uber-L. 1. c. 13.
§. 5.

wunden/ so er durch das Thurlein deß Gemuths mit
nichten eingelassen; sondern ihme/ alsbald er Anklopfft/
widerstanden wird.
Dahero hat der Heil. Pachomius, nachdem
er dem Teuffel verweißlich vorgeworffen/ daß er die Menschen/ von
denen er doch nicht beleidiget/ ohne Unterlaß plage; von selbigem diese Ant-
wort hören müssen. Wir klopffen an der Thüren an/ ob ihr uns wollet
hinein lassen/ oder nicht/ das stehet euch frey: machet ihr uns auff/ so
stürmen wir alsbald hinein/ und nehmen unsere Wohnung in der Ein-
bildung; dahero können wir gar leichtlich den blinden Willen/ und so fort
den gantzen Menschen uns zu Theilmachen. Wann ihr euch aber widersetzet/
und gleich zum Anfang uns den Paß versperret/ so seynd wir geschlagen/ und

ver-

Von den Verſuchungen.
gewetter geſtillet worden. Mich greiſete auch fuͤr meiner Cellen/ als
welche von meinen Gedancken gleichſamb Wiſſenſchafft hatte. Jch
gienge allein durch die Wuͤſten/ und wo ich nur hohle Thaͤler/ hohe
Berg/ und zerbrochene Felſen antreffen konte/ da begab ich mich ins
Gebett; daſelbſt ware der Auffenthalt deß armſeeligen Fleiſches: und/ wie
mir der HERR kan Zeugnuß geben/ gedunckte mich offtmahlen nach
vielen vergoſſenen Zaͤhren/ und ſtehtem Anſehen gen Himmel/ ich
waͤre mitten unter den Schaaren der Engelen derhalben ſingete ich mit
groſſer Froͤligkeit: Wir lauffen hinter dir/ auff den GeruchCant. 1. v.
3.

deiner Salben. Gedenck nun/ mein Chriſtliche Seel/ wann
ſolches die jenige leyden/ ſo da in einem außgemergelten und abgematte-
ten Leib/ mit den Gedancken allein verſuchet werden; was werden dann
nicht außſtehen muͤſſen/ welche in Wolluͤſten leben? Es hat dir nun
der heilige Vatter ſattſamb zu erkennen gegeben/ wie er mit ſeinem
Fleiſch habe ſtreiten muͤſſen/ wie er ſelbiges mit immerwaͤhrenden
Strengigkeit hergenommen; und mit wie erfreulichem Troſt er nach er-
haltenem Sieg ſeye erquicket worden.

15. Wer dann immer mit dem heiligen Hieronymo die Verſuchun-
gen zu uͤberwinden verlanget/ der fliche zum Schild deß Gebets/ und be-
gehre mit wahrem Glauben und kindlichem Vertrauen den Beyſtand
deß allerhoͤchſten; ſo wird ihm geholffen werden. Es muß dannoch ein
verſuchter Menſch mit groſſer Wachtſambkeit dem Anfang der Verſu-
chungen widerſtehen; dann/ wie uns der Gott-ſeelige Thomas à Kern-
pis
errinneret/ der Feind wird alsdann zum leichteſten ůber-L. 1. c. 13.
§. 5.

wunden/ ſo er durch das Thůrlein deß Gemůths mit
nichten eingelaſſen; ſondern ihme/ alsbald er Anklopfft/
widerſtanden wird.
Dahero hat der Heil. Pachomius, nachdem
er dem Teuffel verweißlich vorgeworffen/ daß er die Menſchen/ von
denen er doch nicht beleidiget/ ohne Unterlaß plage; von ſelbigem dieſe Ant-
wort hoͤren muͤſſen. Wir klopffen an der Thuͤren an/ ob ihr uns wollet
hinein laſſen/ oder nicht/ das ſtehet euch frey: machet ihr uns auff/ ſo
ſtuͤrmen wir alsbald hinein/ und nehmen unſere Wohnung in der Ein-
bildung; dahero koͤnnen wir gar leichtlich den blinden Willen/ und ſo fort
den gantzen Menſchen uns zu Theilmachen. Wann ihr euch aber widerſetzet/
und gleich zum Anfang uns den Paß verſperret/ ſo ſeynd wir geſchlagen/ und

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[319/0347] Von den Verſuchungen. gewetter geſtillet worden. Mich greiſete auch fuͤr meiner Cellen/ als welche von meinen Gedancken gleichſamb Wiſſenſchafft hatte. Jch gienge allein durch die Wuͤſten/ und wo ich nur hohle Thaͤler/ hohe Berg/ und zerbrochene Felſen antreffen konte/ da begab ich mich ins Gebett; daſelbſt ware der Auffenthalt deß armſeeligen Fleiſches: und/ wie mir der HERR kan Zeugnuß geben/ gedunckte mich offtmahlen nach vielen vergoſſenen Zaͤhren/ und ſtehtem Anſehen gen Himmel/ ich waͤre mitten unter den Schaaren der Engelen derhalben ſingete ich mit groſſer Froͤligkeit: Wir lauffen hinter dir/ auff den Geruch deiner Salben. Gedenck nun/ mein Chriſtliche Seel/ wann ſolches die jenige leyden/ ſo da in einem außgemergelten und abgematte- ten Leib/ mit den Gedancken allein verſuchet werden; was werden dann nicht außſtehen muͤſſen/ welche in Wolluͤſten leben? Es hat dir nun der heilige Vatter ſattſamb zu erkennen gegeben/ wie er mit ſeinem Fleiſch habe ſtreiten muͤſſen/ wie er ſelbiges mit immerwaͤhrenden Strengigkeit hergenommen; und mit wie erfreulichem Troſt er nach er- haltenem Sieg ſeye erquicket worden. Cant. 1. v. 3. 15. Wer dann immer mit dem heiligen Hieronymo die Verſuchun- gen zu uͤberwinden verlanget/ der fliche zum Schild deß Gebets/ und be- gehre mit wahrem Glauben und kindlichem Vertrauen den Beyſtand deß allerhoͤchſten; ſo wird ihm geholffen werden. Es muß dannoch ein verſuchter Menſch mit groſſer Wachtſambkeit dem Anfang der Verſu- chungen widerſtehen; dann/ wie uns der Gott-ſeelige Thomas à Kern- pis errinneret/ der Feind wird alsdann zum leichteſten ůber- wunden/ ſo er durch das Thůrlein deß Gemůths mit nichten eingelaſſen; ſondern ihme/ alsbald er Anklopfft/ widerſtanden wird. Dahero hat der Heil. Pachomius, nachdem er dem Teuffel verweißlich vorgeworffen/ daß er die Menſchen/ von denen er doch nicht beleidiget/ ohne Unterlaß plage; von ſelbigem dieſe Ant- wort hoͤren muͤſſen. Wir klopffen an der Thuͤren an/ ob ihr uns wollet hinein laſſen/ oder nicht/ das ſtehet euch frey: machet ihr uns auff/ ſo ſtuͤrmen wir alsbald hinein/ und nehmen unſere Wohnung in der Ein- bildung; dahero koͤnnen wir gar leichtlich den blinden Willen/ und ſo fort den gantzen Menſchen uns zu Theilmachen. Wann ihr euch aber widerſetzet/ und gleich zum Anfang uns den Paß verſperret/ ſo ſeynd wir geſchlagen/ und ver- L. 1. c. 13. §. 5.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/347>, abgerufen am 28.11.2024.