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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Zwey und Zwantzigste Geistliche Lection
wurde dieser Geistliche zu letzt ver drießlich/ und beschlosse bey sich/ lieber
den Orden zu verlassen/ als diesem Befelch erwehnter Gestalt zugehorchen.
Da nun am nechst-folgenden Festag an Statt seiner/ ein ander dem
Prediger zugesellet wurde/ und er in Forcht stnnde/ daß solte außgeschickt
werden/ unterliesse er nach dem Mittagmahl die fünff Vatter unser und
Englische Grüß nach Gewonheit mit den andern zu betten/ und macht sich
mit diesem bösen Vorhaben heimlich darvon nach seiner Cellen. Siehe/
da wurde das Kloster eilends von einer sehr grossen Anzahl der heran-
fligenden Raaben gleichsamb bestürmet/ welche mit ihren Flüge-
len und Schnäbelen sich eusserst bemüheten in die Celle deß gemeldten
Bruders hineinzubrechen. Uber dieses ungewöhnliche Geschrey wurde je-
derman verwundert/ und wuste keiner/ was er von selbigem urtheilen
solte/ ausser dem ehrwürdigen Pater Guardian/ welcher unfehlbar dar-
für hielte/ daß diese keine Raaben/ sondern vielmehr lauter Teuffelen
wären/ so da bevollmächtiget/ einen auß der Gemeinde mit sich in den hölli-
schen Abgrund zu schleiffen. Derhalben ein jeder das heilige Sacra-
ment der Buß zu ergreiffen sich befliesse/ ausserhalb diesem Bruder/ welcher
mit Abwendung der Raaben gnug zu schaffen hatte/ diesen beruffete der
Guardian zu sich/ und ermahnete denselben ernstlich/ daß er sein Gewis-
sen erforschen/ und mit gebührenden Entdeckung der verborgenen Sünde
dieser anstehender Gefahr zu entgehen sich unterstehen solte. Es fiele an-
fänglich diesem Geistlichen schwär der so vätterlichen Ermahnung zu
gehorchen; so bald er aber gebeichtet/ und von seinen Sünden loßge-
sprochen worden; seynd die höllische Raaben nicht ohne entsetzlichem
Geschrey verschwunden.

4. Viele seynd/ welche den Befelch der Obrigkeit verrichten/ aber
Serm. de
Obed.
nicht ohne murmelen. Ein wahrer gehorsamer/ sagt der Heil.
Ephrem/ verschmähet seinen Vatter nicht/ er straffet nichts
an ihm/ und widerspricht demselbigen auch mit seinen

Reg. S.
Columb.
1. p. c.
3.
Gedancken nicht. Und der H. Columbanus haltet darfür/ daß/
wann einer murren werde; selbiger seiner gethanen Gelübden gemäß nit
gehorche; und also ein ungehorsamer zu schätzen seye: derhalben soll des-
sen Werck so lang verworffen bleiben/ biß sein guter Will verspühret
werde. Andere seynd auch/ die ihren Ungehorsamb durch allerhand Ent-
schuldigungen bemäntelen/ und gedencken nicht/ daß GOtt mit sich nicht
Bouer.
sup. 566.
Historia.
spotten lasse. Auß dieser Anzahl ist der jenige gewesen/ welcher alle ihm
mißfällige Gebott der Obrigkeit mit herrlich-scheinenden Farben der unrecht-

fertigen

Die Zwey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection
wurde dieſer Geiſtliche zu letzt ver drießlich/ und beſchloſſe bey ſich/ lieber
den Orden zu verlaſſen/ als dieſem Befelch erwehnter Geſtalt zugehorchen.
Da nun am nechſt-folgenden Feſtag an Statt ſeiner/ ein ander dem
Prediger zugeſellet wurde/ und er in Forcht ſtnnde/ daß ſolte außgeſchickt
werden/ unterlieſſe er nach dem Mittagmahl die fuͤnff Vatter unſer und
Engliſche Gruͤß nach Gewonheit mit den andern zu betten/ und macht ſich
mit dieſem boͤſen Vorhaben heimlich darvon nach ſeiner Cellen. Siehe/
da wurde das Kloſter eilends von einer ſehr groſſen Anzahl der heran-
fligenden Raaben gleichſamb beſtuͤrmet/ welche mit ihren Fluͤge-
len und Schnaͤbelen ſich euſſerſt bemuͤheten in die Celle deß gemeldten
Bruders hineinzubrechen. Uber dieſes ungewoͤhnliche Geſchrey wurde je-
derman verwundert/ und wuſte keiner/ was er von ſelbigem urtheilen
ſolte/ auſſer dem ehrwuͤrdigen Pater Guardian/ welcher unfehlbar dar-
fuͤr hielte/ daß dieſe keine Raaben/ ſondern vielmehr lauter Teuffelen
waͤren/ ſo da bevollmaͤchtiget/ einen auß der Gemeinde mit ſich in den hoͤlli-
ſchen Abgrund zu ſchleiffen. Derhalben ein jeder das heilige Sacra-
ment der Buß zu ergreiffen ſich beflieſſe/ auſſerhalb dieſem Bruder/ welcher
mit Abwendung der Raaben gnug zu ſchaffen hatte/ dieſen beruffete der
Guardian zu ſich/ und ermahnete denſelben ernſtlich/ daß er ſein Gewiſ-
ſen erforſchen/ und mit gebuͤhrenden Entdeckung der verborgenen Suͤnde
dieſer anſtehender Gefahr zu entgehen ſich unterſtehen ſolte. Es fiele an-
faͤnglich dieſem Geiſtlichen ſchwaͤr der ſo vaͤtterlichen Ermahnung zu
gehorchen; ſo bald er aber gebeichtet/ und von ſeinen Suͤnden loßge-
ſprochen worden; ſeynd die hoͤlliſche Raaben nicht ohne entſetzlichem
Geſchrey verſchwunden.

4. Viele ſeynd/ welche den Befelch der Obrigkeit verrichten/ aber
Serm. de
Obed.
nicht ohne murmelen. Ein wahrer gehorſamer/ ſagt der Heil.
Ephrem/ verſchmaͤhet ſeinen Vatter nicht/ er ſtraffet nichts
an ihm/ und widerſpricht demſelbigen auch mit ſeinen

Reg. S.
Columb.
1. p. c.
3.
Gedancken nicht. Und der H. Columbanus haltet darfuͤr/ daß/
wann einer murren werde; ſelbiger ſeiner gethanen Geluͤbden gemaͤß nit
gehorche; und alſo ein ungehorſamer zu ſchaͤtzen ſeye: derhalben ſoll deſ-
ſen Werck ſo lang verworffen bleiben/ biß ſein guter Will verſpuͤhret
werde. Andere ſeynd auch/ die ihren Ungehorſamb durch allerhand Ent-
ſchuldigungen bemaͤntelen/ und gedencken nicht/ daß GOtt mit ſich nicht
Bouer.
ſup. 566.
Hiſtoria.
ſpotten laſſe. Auß dieſer Anzahl iſt der jenige geweſen/ welcher alle ihm
mißfaͤllige Gebott der Obrigkeit mit herrlich-ſcheinenden Farben der unrecht-

fertigen
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[270/0298] Die Zwey und Zwantzigſte Geiſtliche Lection wurde dieſer Geiſtliche zu letzt ver drießlich/ und beſchloſſe bey ſich/ lieber den Orden zu verlaſſen/ als dieſem Befelch erwehnter Geſtalt zugehorchen. Da nun am nechſt-folgenden Feſtag an Statt ſeiner/ ein ander dem Prediger zugeſellet wurde/ und er in Forcht ſtnnde/ daß ſolte außgeſchickt werden/ unterlieſſe er nach dem Mittagmahl die fuͤnff Vatter unſer und Engliſche Gruͤß nach Gewonheit mit den andern zu betten/ und macht ſich mit dieſem boͤſen Vorhaben heimlich darvon nach ſeiner Cellen. Siehe/ da wurde das Kloſter eilends von einer ſehr groſſen Anzahl der heran- fligenden Raaben gleichſamb beſtuͤrmet/ welche mit ihren Fluͤge- len und Schnaͤbelen ſich euſſerſt bemuͤheten in die Celle deß gemeldten Bruders hineinzubrechen. Uber dieſes ungewoͤhnliche Geſchrey wurde je- derman verwundert/ und wuſte keiner/ was er von ſelbigem urtheilen ſolte/ auſſer dem ehrwuͤrdigen Pater Guardian/ welcher unfehlbar dar- fuͤr hielte/ daß dieſe keine Raaben/ ſondern vielmehr lauter Teuffelen waͤren/ ſo da bevollmaͤchtiget/ einen auß der Gemeinde mit ſich in den hoͤlli- ſchen Abgrund zu ſchleiffen. Derhalben ein jeder das heilige Sacra- ment der Buß zu ergreiffen ſich beflieſſe/ auſſerhalb dieſem Bruder/ welcher mit Abwendung der Raaben gnug zu ſchaffen hatte/ dieſen beruffete der Guardian zu ſich/ und ermahnete denſelben ernſtlich/ daß er ſein Gewiſ- ſen erforſchen/ und mit gebuͤhrenden Entdeckung der verborgenen Suͤnde dieſer anſtehender Gefahr zu entgehen ſich unterſtehen ſolte. Es fiele an- faͤnglich dieſem Geiſtlichen ſchwaͤr der ſo vaͤtterlichen Ermahnung zu gehorchen; ſo bald er aber gebeichtet/ und von ſeinen Suͤnden loßge- ſprochen worden; ſeynd die hoͤlliſche Raaben nicht ohne entſetzlichem Geſchrey verſchwunden. 4. Viele ſeynd/ welche den Befelch der Obrigkeit verrichten/ aber nicht ohne murmelen. Ein wahrer gehorſamer/ ſagt der Heil. Ephrem/ verſchmaͤhet ſeinen Vatter nicht/ er ſtraffet nichts an ihm/ und widerſpricht demſelbigen auch mit ſeinen Gedancken nicht. Und der H. Columbanus haltet darfuͤr/ daß/ wann einer murren werde; ſelbiger ſeiner gethanen Geluͤbden gemaͤß nit gehorche; und alſo ein ungehorſamer zu ſchaͤtzen ſeye: derhalben ſoll deſ- ſen Werck ſo lang verworffen bleiben/ biß ſein guter Will verſpuͤhret werde. Andere ſeynd auch/ die ihren Ungehorſamb durch allerhand Ent- ſchuldigungen bemaͤntelen/ und gedencken nicht/ daß GOtt mit ſich nicht ſpotten laſſe. Auß dieſer Anzahl iſt der jenige geweſen/ welcher alle ihm mißfaͤllige Gebott der Obrigkeit mit herrlich-ſcheinenden Farben der unrecht- fertigen Serm. de Obed. Reg. S. Columb. 1. p. c. 3. Bouer. ſup. 566. Hiſtoria.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/298>, abgerufen am 24.11.2024.