Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von dem Gehorsamb. nommen werden: Zum Exempel: Es wird ein Geistlicher von sei-ner Obrigkeit zum Gastmahl der Weltlichen/ oder zu einer andern der- gleichen Erlüstigung geschicket/ der ein Mensch seiner natürlichen Neigung gemäß ist zugethan/ und dardurch öffters eine schäd- liche Läwigkeit deß Geistes der Seelen zustosset: in diesem und dergleichen Fällen kan der Unterthan ohne Verletzung deß vollkommenen Gehorsambs seine Obrigkeit demütiglich und ehrbietsamblich ersuchen/ daß er ihn von sothaner Ergötzlichkeit befreyen wolle: soll aber die Obrigkeit die- sem Begehren nicht einwilligen; sondern den Ersuchenden gleichwohl zu Be- felchen fortfahren; so muß solcher auß Gehorsamb geschickte Geistliche/ wan er deß Verdiensts deß Gehorsambs geniessen/ und die erworbene Hitze deß Geistes nicht verliehren will/ dieses fleissig beobachten; daß er nemblich/ wie oben gemeldet/ derhalben allein gehorche/ weil es ein befelch der Obrigkeit ist/ und zum andern/ in sothaner Ergötzligkeit muß er behutsamb seyn/ auff daß so wohl seines als auch deß Nechsten Gewissens-Ruhe/ die gefaste Brunst der Andacht/ und die gebührende geistliche Eingezogenheit keinen Schaden leide/ und von ihme die Regel der Nüchterkeit unsträfflich gehalten werde. 21. Daß nun diesem also seye/ und dem Gehorsamb mit nichten widerstre- dern L l
Von dem Gehorſamb. nommen werden: Zum Exempel: Es wird ein Geiſtlicher von ſei-ner Obrigkeit zum Gaſtmahl der Weltlichen/ oder zu einer andern der- gleichen Erluͤſtigung geſchicket/ der ein Menſch ſeiner natuͤrlichen Neigung gemaͤß iſt zugethan/ und dardurch oͤffters eine ſchaͤd- liche Laͤwigkeit deß Geiſtes der Seelen zuſtoſſet: in dieſem und dergleichen Faͤllen kan der Unterthan ohne Verletzung deß vollkommenen Gehorſambs ſeine Obrigkeit demuͤtiglich und ehrbietſamblich erſuchen/ daß er ihn von ſothaner Ergoͤtzlichkeit befreyen wolle: ſoll aber die Obrigkeit die- ſem Begehren nicht einwilligen; ſondern den Erſuchenden gleichwohl zu Be- felchen fortfahren; ſo muß ſolcher auß Gehorſamb geſchickte Geiſtliche/ wan er deß Verdienſts deß Gehorſambs genieſſen/ und die erworbene Hitze deß Geiſtes nicht verliehren will/ dieſes fleiſſig beobachten; daß er nemblich/ wie oben gemeldet/ derhalben allein gehorche/ weil es ein befelch der Obrigkeit iſt/ und zum andern/ in ſothaner Ergoͤtzligkeit muß er behutſamb ſeyn/ auff daß ſo wohl ſeines als auch deß Nechſten Gewiſſens-Ruhe/ die gefaſte Brunſt der Andacht/ und die gebuͤhrende geiſtliche Eingezogenheit keinen Schaden leide/ und von ihme die Regel der Nuͤchterkeit unſtraͤfflich gehalten werde. 21. Daß nun dieſem alſo ſeye/ und dem Gehorſamb mit nichten widerſtre- dern L l
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Von dem Gehorſamb.
nommen werden: Zum Exempel: Es wird ein Geiſtlicher von ſei-
ner Obrigkeit zum Gaſtmahl der Weltlichen/ oder zu einer andern der-
gleichen Erluͤſtigung geſchicket/ der ein Menſch ſeiner natuͤrlichen
Neigung gemaͤß iſt zugethan/ und dardurch oͤffters eine ſchaͤd-
liche Laͤwigkeit deß Geiſtes der Seelen zuſtoſſet: in dieſem und
dergleichen Faͤllen kan der Unterthan ohne Verletzung deß vollkommenen
Gehorſambs ſeine Obrigkeit demuͤtiglich und ehrbietſamblich erſuchen/ daß
er ihn von ſothaner Ergoͤtzlichkeit befreyen wolle: ſoll aber die Obrigkeit die-
ſem Begehren nicht einwilligen; ſondern den Erſuchenden gleichwohl zu Be-
felchen fortfahren; ſo muß ſolcher auß Gehorſamb geſchickte Geiſtliche/ wan
er deß Verdienſts deß Gehorſambs genieſſen/ und die erworbene Hitze deß
Geiſtes nicht verliehren will/ dieſes fleiſſig beobachten; daß er nemblich/ wie
oben gemeldet/ derhalben allein gehorche/ weil es ein befelch der Obrigkeit iſt/
und zum andern/ in ſothaner Ergoͤtzligkeit muß er behutſamb ſeyn/ auff daß ſo
wohl ſeines als auch deß Nechſten Gewiſſens-Ruhe/ die gefaſte Brunſt der
Andacht/ und die gebuͤhrende geiſtliche Eingezogenheit keinen Schaden leide/
und von ihme die Regel der Nuͤchterkeit unſtraͤfflich gehalten werde.
21. Daß nun dieſem alſo ſeye/ und dem Gehorſamb mit nichten widerſtre-
be/ wann der Untergebene zu dergleichen ſchmeichlenden Erfriſchungen ſich
nicht eben willig und bereit finden laſſe; lehret uns mit ſeinem Exempel der
Heil. Nicolaus von Tolentin, welcher in einer ſehr gefaͤhrlichen Kranckheit
zum Fleiſch-Eſſen gar ernſtlich ermahnet worden; und da er ſich aller maſſen
entſchuldiget/ iſt ihm zu letzt auch von dem Generalen ſelbſt befohlen worden/
daß er dem Rath der Artzen folgen ſolte; deme er ſich dann im geringſten nicht
widerſetzet hat/ ſondern ein Bißlein deß zugerichteten Fleiſches gekoſtet/ und
geſagt; ſehet/ nun hab ich gethan was mir befohlen worde/ im uͤbrigen ſchaffet
alsbald dieſe ſchmeichlende Freſſerey hinweg: alſo hat dieſer gottſelige Nico-
laus gleichwoͤhl den Gehorſamb/ und zwar ſo unbefleckt gehalten/ daß der H.
Auguſtiner Orden von ſelbigem dieſes Lob ſinge: Nicolaus ein wahrer
Armer CHriſti/ hat den Gehorſamb gehalten allezeit: daß
aber dem lieben GOtt dieſer Gehorſamb gefaͤllig geweſen/ kan man gnug-
ſamb dar auß abnehmen/ weil nemblich dieſer heilige Mann ohne einige Ar-
tzeney bald hernach die vorige Geſundheit erlangt hat. Es kan auch ein Geiſt-
licher/ wann er vielleicht foͤrchtet/ daß auff vorbeſagte Weiß von andern fuͤr
einen beſondern Heiligen wuͤrde gehalten werden/ die vorgeſetzte Manier fah-
ren laſſen/ und wegen der auß Gehorſamb genoſſenen Ergoͤtzlichkeit in an-
dern
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/293>, abgerufen am 16.07.2024. |