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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von dem Gehorsamb.
Vorsteherin auß gewissen Ursachen dieses oder jenes/ diesem und nicht je-
nem schaffe/ und der Unterthan immittels seine Obrigkeit einer Unvollkom-
menheit bey sich selbsten bestraffe. Wann aber einem solchen wohl bewust
ist/ daß auch die offenbahre Fehler (die zweiffelhafftige zu geschweigen) von
uns nicht sollen geurtheilet werden; so muß er ja vernünfftiglich schliessen/
daß der Will GOttes in dem Willen der Obrigkeit bestehe/ und er nicht
sündigen könne/ indem die Obrigkeit ihre verborgene Ursachen zu offenbah-
ren nicht allzeit schuldig ist. Und wann schon der Obere mit diesem oder
jenem Befelch scheinbarlich sündigen solte; so ist doch der Unterthan ver-
bunden/ demselben zu gehorsamen/ wann nur die Sach/ so befohlen wird/
der Ehrbarkeit gemäß ist: und auff solche Weiß gebraucht sich GOtt der-
jenigen Obrigkeit als eines Jnstruments oder Werck- Zeugs/ seinen Wil-
len zu offenbahren/ wie die Göttliche Weißheit offtmahlen zu thun pfleget.
Dieserthalben hat die Allerseeligste Jungfrau Maria dem Gebott deß heyd-
nischen Kaysers Augusti ohne einige Entschuldung gehorchen wollen/ und
ist unangesehen der schwähren und kalten Winters-Zeit der eusseresten Ge-
fahr ihrer Leibs-Gesundheit/ und der herannahenden Niederkunfft nach
Bethlehem gereiset. Und ob sie schon wuste/ daß diese Welt- Beschreibung
von der Hoffart und Ehrgeitz deß obgemeldten Kaysers entstunde/ so hat sie
dannoch demselben/ der zwarn ein gerechte Sach/ aber ungerechter Weiß be-
fohlen/ gehorchen wollen; dieweiln ihr bekandt ware/ daß Gott sich der Hoffart
deß Augusti als eines Jnstruments gebrauchete/ Krafft dessen sein von Ewig-
keit her gemachter Beschluß über solche Beschreibung erfüllet/ und sein Eini-
ger Sohn in Bethlehem gebohren würde. Dahero hat diese Glorwürdige
Jungfrau ihre Augen nit auff den Befehlenden/ sondern auff die befohlene
Sach geschlagen/ und allen Christglaubigen fürnemblich aber den Geistlichen
ein herrliches Exempel hinterlassen.

12. Nicht wenig kan dich auch/ mein Christliche Seel/ zum blinden Gehor-
samb antreiben/ wann du nemblich ungezweiffelt darfür haltest/ daß dir deine
Obrigkeit/ ob sie schon ihre Mängel und Fehler hat/ von GOtt also vorgese-
hen seye: dann dieses hat GOtt seiner außerwählten Braut/ der H. Gertrudi
gnugsam zu verstehen gegeben/ da sie bey selbigem über die Strengheit ihrer
Vorsteherin sich beklaget/ und zur Antwort bekommen/ daß sie von solchen
Klag-Reden ablassen/ und sich versicheren solte/ daß er dieses alles zu ihrer
und der Vorsteherin Heyl gedeyen werde. Ein andersmahl hat die
gemeldte Heil. Jungfrau für die Mängel einer sichern Person gebetten;
Gott aber ist ihr erschienen und hat ihr gesagt: Auß dem Uberfluß meiner
Güte/ meiner Süssigkeit und Göttlichen Liebe/ vermög deren ich die-
se Versamblung erwählet hab/ lasse ich auch den jenigen/ so andern

vor-

Von dem Gehorſamb.
Vorſteherin auß gewiſſen Urſachen dieſes oder jenes/ dieſem und nicht je-
nem ſchaffe/ und der Unterthan immittels ſeine Obrigkeit einer Unvollkom-
menheit bey ſich ſelbſten beſtraffe. Wann aber einem ſolchen wohl bewuſt
iſt/ daß auch die offenbahre Fehler (die zweiffelhafftige zu geſchweigen) von
uns nicht ſollen geurtheilet werden; ſo muß er ja vernuͤnfftiglich ſchlieſſen/
daß der Will GOttes in dem Willen der Obrigkeit beſtehe/ und er nicht
ſuͤndigen koͤnne/ indem die Obrigkeit ihre verborgene Urſachen zu offenbah-
ren nicht allzeit ſchuldig iſt. Und wann ſchon der Obere mit dieſem oder
jenem Befelch ſcheinbarlich ſuͤndigen ſolte; ſo iſt doch der Unterthan ver-
bunden/ demſelben zu gehorſamen/ wann nur die Sach/ ſo befohlen wird/
der Ehrbarkeit gemaͤß iſt: und auff ſolche Weiß gebraucht ſich GOtt der-
jenigen Obrigkeit als eines Jnſtruments oder Werck- Zeugs/ ſeinen Wil-
len zu offenbahren/ wie die Goͤttliche Weißheit offtmahlen zu thun pfleget.
Dieſerthalben hat die Allerſeeligſte Jungfrau Maria dem Gebott deß heyd-
niſchen Kayſers Auguſti ohne einige Entſchuldung gehorchen wollen/ und
iſt unangeſehen der ſchwaͤhren und kalten Winters-Zeit der euſſereſten Ge-
fahr ihrer Leibs-Geſundheit/ und der herannahenden Niederkunfft nach
Bethlehem gereiſet. Und ob ſie ſchon wuſte/ daß dieſe Welt- Beſchreibung
von der Hoffart und Ehrgeitz deß obgemeldten Kayſers entſtunde/ ſo hat ſie
dannoch demſelben/ der zwarn ein gerechte Sach/ aber ungerechter Weiß be-
fohlen/ gehorchen wollen; dieweiln ihr bekandt ware/ daß Gott ſich der Hoffart
deß Auguſti als eines Jnſtruments gebrauchete/ Krafft deſſen ſein von Ewig-
keit her gemachter Beſchluß uͤber ſolche Beſchreibung erfuͤllet/ und ſein Eini-
ger Sohn in Bethlehem gebohren wuͤrde. Dahero hat dieſe Glorwuͤrdige
Jungfrau ihre Augen nit auff den Befehlenden/ ſondern auff die befohlene
Sach geſchlagen/ und allen Chriſtglaubigen fuͤrnemblich aber den Geiſtlichen
ein herrliches Exempel hinterlaſſen.

12. Nicht wenig kan dich auch/ mein Chriſtliche Seel/ zum blinden Gehor-
ſamb antreiben/ wann du nemblich ungezweiffelt darfuͤr halteſt/ daß dir deine
Obrigkeit/ ob ſie ſchon ihre Maͤngel und Fehler hat/ von GOtt alſo vorgeſe-
hen ſeye: dann dieſes hat GOtt ſeiner außerwaͤhlten Braut/ der H. Gertrudi
gnugſam zu verſtehen gegeben/ da ſie bey ſelbigem uͤber die Strengheit ihrer
Vorſteherin ſich beklaget/ und zur Antwort bekommen/ daß ſie von ſolchen
Klag-Reden ablaſſen/ und ſich verſicheren ſolte/ daß er dieſes alles zu ihrer
und der Vorſteherin Heyl gedeyen werde. Ein andersmahl hat die
gemeldte Heil. Jungfrau fuͤr die Maͤngel einer ſichern Perſon gebetten;
Gott aber iſt ihr erſchienen und hat ihr geſagt: Auß dem Uberfluß meiner
Guͤte/ meiner Suͤſſigkeit und Goͤttlichen Liebe/ vermoͤg deren ich die-
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vor-
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[255/0283] Von dem Gehorſamb. Vorſteherin auß gewiſſen Urſachen dieſes oder jenes/ dieſem und nicht je- nem ſchaffe/ und der Unterthan immittels ſeine Obrigkeit einer Unvollkom- menheit bey ſich ſelbſten beſtraffe. Wann aber einem ſolchen wohl bewuſt iſt/ daß auch die offenbahre Fehler (die zweiffelhafftige zu geſchweigen) von uns nicht ſollen geurtheilet werden; ſo muß er ja vernuͤnfftiglich ſchlieſſen/ daß der Will GOttes in dem Willen der Obrigkeit beſtehe/ und er nicht ſuͤndigen koͤnne/ indem die Obrigkeit ihre verborgene Urſachen zu offenbah- ren nicht allzeit ſchuldig iſt. Und wann ſchon der Obere mit dieſem oder jenem Befelch ſcheinbarlich ſuͤndigen ſolte; ſo iſt doch der Unterthan ver- bunden/ demſelben zu gehorſamen/ wann nur die Sach/ ſo befohlen wird/ der Ehrbarkeit gemaͤß iſt: und auff ſolche Weiß gebraucht ſich GOtt der- jenigen Obrigkeit als eines Jnſtruments oder Werck- Zeugs/ ſeinen Wil- len zu offenbahren/ wie die Goͤttliche Weißheit offtmahlen zu thun pfleget. Dieſerthalben hat die Allerſeeligſte Jungfrau Maria dem Gebott deß heyd- niſchen Kayſers Auguſti ohne einige Entſchuldung gehorchen wollen/ und iſt unangeſehen der ſchwaͤhren und kalten Winters-Zeit der euſſereſten Ge- fahr ihrer Leibs-Geſundheit/ und der herannahenden Niederkunfft nach Bethlehem gereiſet. Und ob ſie ſchon wuſte/ daß dieſe Welt- Beſchreibung von der Hoffart und Ehrgeitz deß obgemeldten Kayſers entſtunde/ ſo hat ſie dannoch demſelben/ der zwarn ein gerechte Sach/ aber ungerechter Weiß be- fohlen/ gehorchen wollen; dieweiln ihr bekandt ware/ daß Gott ſich der Hoffart deß Auguſti als eines Jnſtruments gebrauchete/ Krafft deſſen ſein von Ewig- keit her gemachter Beſchluß uͤber ſolche Beſchreibung erfuͤllet/ und ſein Eini- ger Sohn in Bethlehem gebohren wuͤrde. Dahero hat dieſe Glorwuͤrdige Jungfrau ihre Augen nit auff den Befehlenden/ ſondern auff die befohlene Sach geſchlagen/ und allen Chriſtglaubigen fuͤrnemblich aber den Geiſtlichen ein herrliches Exempel hinterlaſſen. 12. Nicht wenig kan dich auch/ mein Chriſtliche Seel/ zum blinden Gehor- ſamb antreiben/ wann du nemblich ungezweiffelt darfuͤr halteſt/ daß dir deine Obrigkeit/ ob ſie ſchon ihre Maͤngel und Fehler hat/ von GOtt alſo vorgeſe- hen ſeye: dann dieſes hat GOtt ſeiner außerwaͤhlten Braut/ der H. Gertrudi gnugſam zu verſtehen gegeben/ da ſie bey ſelbigem uͤber die Strengheit ihrer Vorſteherin ſich beklaget/ und zur Antwort bekommen/ daß ſie von ſolchen Klag-Reden ablaſſen/ und ſich verſicheren ſolte/ daß er dieſes alles zu ihrer und der Vorſteherin Heyl gedeyen werde. Ein andersmahl hat die gemeldte Heil. Jungfrau fuͤr die Maͤngel einer ſichern Perſon gebetten; Gott aber iſt ihr erſchienen und hat ihr geſagt: Auß dem Uberfluß meiner Guͤte/ meiner Suͤſſigkeit und Goͤttlichen Liebe/ vermoͤg deren ich die- ſe Verſamblung erwaͤhlet hab/ laſſe ich auch den jenigen/ ſo andern vor-

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/283>, abgerufen am 28.11.2024.