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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der einsambkeit.
sagen/ daß/ ob schon der Mensch von vielen Feinden stets angezöpffet wer-
de/ so seyen doch unter denen drey sonderliche und sehr gefährliche Feinde/
und derhalben mehr zu förchten/ weil sie einheimisch/ und mit uns zugleich ge-
bohren seynd; als nemblich die Zung/ die Augen und Ohren; Krafft deren auch
die allervollkommenste Männer offimahl in den Abgrund deß Verderbens
gestürtzet werden. Es seye aber ein eintziger Art von Menschen/ welchen
dieser dreyfachige starcke Feind nicht angreiffen kan/ als nemblich die jenige
Geistliche/ so sich der Einsambkeit der Cellen gemidmet haben: dann die-
se/ sagt er/ dieweil sie von der eitelen Welt seynd abgesöndert/ lassen sie ih-
re Zung und Ohren einen ewigen Feyertag halten: und ob ihnen schon biß-
weilen zugelassen wäre/ die Augen zu eröffnen/ so finden sie doch nichts/
wohin sie selbige schlagen können/ als auff die an der Wand hangende lieb-
reiche Bildnuß deß geereutzigsten JESU und MARJA; oder auff ein
geistliches Büchlein/ durch dessen heilsame Unterweisung/ und hertzhafftes
Zusprechen sie in ihrer Einsambkeit gelehret und auffgemuntert werden. Und
also versperren sie durch die Einsambkeit den Eingang allem weltlichen Ge-
tümmel/ allem eitelem Geschwätz/ allem Widersprechen/ und Ehr abschnei-
den/ allen Lästerungen/ Scheld- und Schmähworten/ allem unziemli-
chen Argwohn/ und allen dergleichen Ubelen/ denen die Zung/ Augen und
Ohren unterworffen seynd.

3. Obwohln nun der höllische Feind wie ein brüllender Löw allenthalben
herumb streiche/ und suche/ wen er verschlingen möge; so verlieret er doch alle
seine Kräffien an denen/ die wahre Liebhaber seynd der Einsambkeit; diewei-
len diese an einem allersieheristen Orth ihr Läger geschlagen haben. Dero-Luc. 25.
wegen hat auch der Evangelische Hirt seine neun und neuntzig Schäfflein
hinterlassen und das eintzige verlohrne gesucht; dieweiln er wohl gewust hat/
daß die verlassene Heerde in der Einöde/ als an einem sichern und freyen
Orth sich keines Bösen zu beförchten habe. Wilstu/ mein geistliche Seel/
für dem grimmigen Maul deß höllischen Wolffs auch beschützet seyen und
bleiben/ so begebe dich in die Einöde oder Wüsten deiner Cellen; zumahlen
du täglich gnugsamb erfahren hast/ daß deine unbändige und Zaum-lose
Sinnen gleich einem ungezaumten Pferd/ in allerhand Sünden und Ver-
lust der ewigen Seeligkeit dich zu stürtzen bestandt seynd. Bilde dir ein/ duVit. P. P.
L. 3. §.
190. Edit.
Rossvv.

hörest mit dem Arsenid diese Stimm deines HErrn: Fliehe die Men-
schen/ so wirstu seelig werden.
Da dieser fromme Geistliche

nun
G g 3

Von der einſambkeit.
ſagen/ daß/ ob ſchon der Menſch von vielen Feinden ſtets angezoͤpffet wer-
de/ ſo ſeyen doch unter denen drey ſonderliche und ſehr gefaͤhrliche Feinde/
und derhalben mehr zu foͤrchten/ weil ſie einheimiſch/ und mit uns zugleich ge-
bohren ſeynd; als nemblich die Zung/ die Augen und Ohren; Krafft deren auch
die allervollkommenſte Maͤnner offimahl in den Abgrund deß Verderbens
geſtuͤrtzet werden. Es ſeye aber ein eintziger Art von Menſchen/ welchen
dieſer dreyfachige ſtarcke Feind nicht angreiffen kan/ als nemblich die jenige
Geiſtliche/ ſo ſich der Einſambkeit der Cellen gemidmet haben: dann die-
ſe/ ſagt er/ dieweil ſie von der eitelen Welt ſeynd abgeſoͤndert/ laſſen ſie ih-
re Zung und Ohren einen ewigen Feyertag halten: und ob ihnen ſchon biß-
weilen zugelaſſen waͤre/ die Augen zu eroͤffnen/ ſo finden ſie doch nichts/
wohin ſie ſelbige ſchlagen koͤnnen/ als auff die an der Wand hangende lieb-
reiche Bildnuß deß geereutzigſten JESU und MARJA; oder auff ein
geiſtliches Buͤchlein/ durch deſſen heilſame Unterweiſung/ und hertzhafftes
Zuſprechen ſie in ihrer Einſambkeit gelehret und auffgemuntert werden. Und
alſo verſperren ſie durch die Einſambkeit den Eingang allem weltlichen Ge-
tuͤmmel/ allem eitelem Geſchwaͤtz/ allem Widerſprechen/ und Ehr abſchnei-
den/ allen Laͤſterungen/ Scheld- und Schmaͤhworten/ allem unziemli-
chen Argwohn/ und allen dergleichen Ubelen/ denen die Zung/ Augen und
Ohren unterworffen ſeynd.

3. Obwohln nun der hoͤlliſche Feind wie ein bruͤllender Loͤw allenthalben
herumb ſtreiche/ und ſuche/ wen er verſchlingen moͤge; ſo verlieret er doch alle
ſeine Kraͤffien an denen/ die wahre Liebhaber ſeynd der Einſambkeit; diewei-
len dieſe an einem allerſieheriſten Orth ihr Laͤger geſchlagen haben. Dero-Luc. 25.
wegen hat auch der Evangeliſche Hirt ſeine neun und neuntzig Schaͤfflein
hinterlaſſen und das eintzige verlohrne geſucht; dieweiln er wohl gewuſt hat/
daß die verlaſſene Heerde in der Einoͤde/ als an einem ſichern und freyen
Orth ſich keines Boͤſen zu befoͤrchten habe. Wilſtu/ mein geiſtliche Seel/
fuͤr dem grimmigen Maul deß hoͤlliſchen Wolffs auch beſchuͤtzet ſeyen und
bleiben/ ſo begebe dich in die Einoͤde oder Wuͤſten deiner Cellen; zumahlen
du taͤglich gnugſamb erfahren haſt/ daß deine unbaͤndige und Zaum-loſe
Sinnen gleich einem ungezaumten Pferd/ in allerhand Suͤnden und Ver-
luſt der ewigen Seeligkeit dich zu ſtuͤrtzen beſtandt ſeynd. Bilde dir ein/ duVit. P. P.
L. 3. §.
190. Edit.
Roſſvv.

hoͤreſt mit dem Arſenid dieſe Stimm deines HErrn: Fliehe die Men-
ſchen/ ſo wirſtu ſeelig werden.
Da dieſer fromme Geiſtliche

nun
G g 3
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[237/0265] Von der einſambkeit. ſagen/ daß/ ob ſchon der Menſch von vielen Feinden ſtets angezoͤpffet wer- de/ ſo ſeyen doch unter denen drey ſonderliche und ſehr gefaͤhrliche Feinde/ und derhalben mehr zu foͤrchten/ weil ſie einheimiſch/ und mit uns zugleich ge- bohren ſeynd; als nemblich die Zung/ die Augen und Ohren; Krafft deren auch die allervollkommenſte Maͤnner offimahl in den Abgrund deß Verderbens geſtuͤrtzet werden. Es ſeye aber ein eintziger Art von Menſchen/ welchen dieſer dreyfachige ſtarcke Feind nicht angreiffen kan/ als nemblich die jenige Geiſtliche/ ſo ſich der Einſambkeit der Cellen gemidmet haben: dann die- ſe/ ſagt er/ dieweil ſie von der eitelen Welt ſeynd abgeſoͤndert/ laſſen ſie ih- re Zung und Ohren einen ewigen Feyertag halten: und ob ihnen ſchon biß- weilen zugelaſſen waͤre/ die Augen zu eroͤffnen/ ſo finden ſie doch nichts/ wohin ſie ſelbige ſchlagen koͤnnen/ als auff die an der Wand hangende lieb- reiche Bildnuß deß geereutzigſten JESU und MARJA; oder auff ein geiſtliches Buͤchlein/ durch deſſen heilſame Unterweiſung/ und hertzhafftes Zuſprechen ſie in ihrer Einſambkeit gelehret und auffgemuntert werden. Und alſo verſperren ſie durch die Einſambkeit den Eingang allem weltlichen Ge- tuͤmmel/ allem eitelem Geſchwaͤtz/ allem Widerſprechen/ und Ehr abſchnei- den/ allen Laͤſterungen/ Scheld- und Schmaͤhworten/ allem unziemli- chen Argwohn/ und allen dergleichen Ubelen/ denen die Zung/ Augen und Ohren unterworffen ſeynd. 3. Obwohln nun der hoͤlliſche Feind wie ein bruͤllender Loͤw allenthalben herumb ſtreiche/ und ſuche/ wen er verſchlingen moͤge; ſo verlieret er doch alle ſeine Kraͤffien an denen/ die wahre Liebhaber ſeynd der Einſambkeit; diewei- len dieſe an einem allerſieheriſten Orth ihr Laͤger geſchlagen haben. Dero- wegen hat auch der Evangeliſche Hirt ſeine neun und neuntzig Schaͤfflein hinterlaſſen und das eintzige verlohrne geſucht; dieweiln er wohl gewuſt hat/ daß die verlaſſene Heerde in der Einoͤde/ als an einem ſichern und freyen Orth ſich keines Boͤſen zu befoͤrchten habe. Wilſtu/ mein geiſtliche Seel/ fuͤr dem grimmigen Maul deß hoͤlliſchen Wolffs auch beſchuͤtzet ſeyen und bleiben/ ſo begebe dich in die Einoͤde oder Wuͤſten deiner Cellen; zumahlen du taͤglich gnugſamb erfahren haſt/ daß deine unbaͤndige und Zaum-loſe Sinnen gleich einem ungezaumten Pferd/ in allerhand Suͤnden und Ver- luſt der ewigen Seeligkeit dich zu ſtuͤrtzen beſtandt ſeynd. Bilde dir ein/ du hoͤreſt mit dem Arſenid dieſe Stimm deines HErrn: Fliehe die Men- ſchen/ ſo wirſtu ſeelig werden. Da dieſer fromme Geiſtliche nun Luc. 25. Vit. P. P. L. 3. §. 190. Edit. Roſſvv. G g 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/265>, abgerufen am 24.11.2024.