Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von dem Stillschweigen. dem er einwenig in der Stille gebettet; hat er die so lang gebundene Zungloß gelassen/ und mit diesen Worten hervor gebrochen: Stehe still du Fewer in diesem Augenblick/ und werde gäntzlich vernich- tiget: O Wunder! siehe daß Fewer hat alsbald auff den Befelch deß ver- schwiegenen Radolphi seine Krafft verlohren/ und ist ohne menschliches Zu- thuen zumahlen erlöschet. Ein ander frommer Geistlicher/ so der Stillschwei- gung sich höchstens beflissen/ hat in der Nacht einen Dieb gesehen/ so ein Pferd auß dem Closter zu entführen willens gewesen: und ob er dieses schonVit. S. O- donis l. 2. c 8. Historia. In vita ejus. Historia. allein vermercket/ so hat er doch auß Liebe deß Stillschweigens nichts gesagt: welches der Göttlichen Majestät also gefallen/ daß der Dieb keinen Schritt weiter hat gehen können. Jn dem Keller deß H. Corbiniani hat einsmahls der newe Wein in einem Faß bey nächtlicher Weil so hefftig gesotten/ daß der Zapffen mit grossem Knall außgesprungen: dieses hat der H. Mann al- les angehöret; damit er aber die Schrancken deß Silentii nicht überschreiten möchte/ hat er die gantze Nacht geschwiegen/ und nur gebettet: deß Mor- gens/ so bald es zu reden erlaubt gewesen/ hat er gesagt/ was er gehört habe: worauff man zugesehen/ und befunden/ daß auß dem eröffneten Faß unnatür- licher Weise nichts auß gelauffen gewesen. 12. Wann nun Gott solche Stillschweigung dergestalt belohnet in diesem Der dritte Theil. 13. OB nun zwarn auß dem vorgesachten/ die Heylsamkeit und Voll- D d 2
Von dem Stillſchweigen. dem er einwenig in der Stille gebettet; hat er die ſo lang gebundene Zungloß gelaſſen/ und mit dieſen Worten hervor gebrochen: Stehe ſtill du Fewer in dieſem Augenblick/ und werde gaͤntzlich vernich- tiget: O Wunder! ſiehe daß Fewer hat alsbald auff den Befelch deß ver- ſchwiegenen Radolphi ſeine Krafft verlohren/ und iſt ohne menſchliches Zu- thuen zumahlen erloͤſchet. Ein ander frommer Geiſtlicher/ ſo der Stillſchwei- gung ſich hoͤchſtens befliſſen/ hat in der Nacht einen Dieb geſehen/ ſo ein Pferd auß dem Cloſter zu entfuͤhren willens geweſen: und ob er dieſes ſchonVit. S. O- donis l. 2. c 8. Hiſtoria. In vita ejus. Hiſtoria. allein vermercket/ ſo hat er doch auß Liebe deß Stillſchweigens nichts geſagt: welches der Goͤttlichen Majeſtaͤt alſo gefallen/ daß der Dieb keinen Schritt weiter hat gehen koͤnnen. Jn dem Keller deß H. Corbiniani hat einsmahls der newe Wein in einem Faß bey naͤchtlicher Weil ſo hefftig geſotten/ daß der Zapffen mit groſſem Knall außgeſprungen: dieſes hat der H. Mann al- les angehoͤret; damit er aber die Schrancken deß Silentii nicht uͤberſchreiten moͤchte/ hat er die gantze Nacht geſchwiegen/ und nur gebettet: deß Mor- gens/ ſo bald es zu reden erlaubt geweſen/ hat er geſagt/ was er gehoͤrt habe: worauff man zugeſehen/ und befunden/ daß auß dem eroͤffneten Faß unnatuͤr- licher Weiſe nichts auß gelauffen geweſen. 12. Wann nun Gott ſolche Stillſchweigung dergeſtalt belohnet in dieſem Der dritte Theil. 13. OB nun zwarn auß dem vorgeſachten/ die Heylſamkeit und Voll- D d 2
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Von dem Stillſchweigen.
dem er einwenig in der Stille gebettet; hat er die ſo lang gebundene Zung
loß gelaſſen/ und mit dieſen Worten hervor gebrochen: Stehe ſtill du
Fewer in dieſem Augenblick/ und werde gaͤntzlich vernich-
tiget: O Wunder! ſiehe daß Fewer hat alsbald auff den Befelch deß ver-
ſchwiegenen Radolphi ſeine Krafft verlohren/ und iſt ohne menſchliches Zu-
thuen zumahlen erloͤſchet. Ein ander frommer Geiſtlicher/ ſo der Stillſchwei-
gung ſich hoͤchſtens befliſſen/ hat in der Nacht einen Dieb geſehen/ ſo ein
Pferd auß dem Cloſter zu entfuͤhren willens geweſen: und ob er dieſes ſchon
allein vermercket/ ſo hat er doch auß Liebe deß Stillſchweigens nichts geſagt:
welches der Goͤttlichen Majeſtaͤt alſo gefallen/ daß der Dieb keinen Schritt
weiter hat gehen koͤnnen. Jn dem Keller deß H. Corbiniani hat einsmahls
der newe Wein in einem Faß bey naͤchtlicher Weil ſo hefftig geſotten/ daß
der Zapffen mit groſſem Knall außgeſprungen: dieſes hat der H. Mann al-
les angehoͤret; damit er aber die Schrancken deß Silentii nicht uͤberſchreiten
moͤchte/ hat er die gantze Nacht geſchwiegen/ und nur gebettet: deß Mor-
gens/ ſo bald es zu reden erlaubt geweſen/ hat er geſagt/ was er gehoͤrt habe:
worauff man zugeſehen/ und befunden/ daß auß dem eroͤffneten Faß unnatuͤr-
licher Weiſe nichts auß gelauffen geweſen.
Vit. S. O-
donis l.
2. c 8.
Hiſtoria.
In vita
ejus.
Hiſtoria.
12. Wann nun Gott ſolche Stillſchweigung dergeſtalt belohnet in dieſem
Jammerthal/ der fuͤrwahr kein Orth der Belohnung iſt; was wird dann
nicht geſchehen im himmliſchen Vatterland/ ſo ein beſtimbte Platz der Ver-
geltung iſt? derhalben laſſe dir/ mein Chriſtliche Seel/ keine Gelegenheit ent-
wiſchen/ ſo GOtt gefaͤllige Stillſchweigung zu uͤben. Befleiſſe dich/ deine
Mit-Bruͤder und Mit-Schweſtern durch deine Verſchwiegenheit mit dem
Heil. Pambone zu aufferbawen; ſo wirſt du auch mit dem verſchwiegenen
Mauro, nicht von einem irrdiſchen Koͤnig/ ſondern vom Koͤnig aller Koͤni-
gen geehret werden: Jch zweiffle auch nicht daran/ daß du durch dieſen Eyffer
deß Stillſchweigens/ das Fewer der boͤſen Begirden/ ſo der leidige Sathan
in deinem Hertzen erwecket/ mit dem H. Radolpho gaͤntzlich erloͤſchen; und
mit dem H. Corb niano den Wein der heylſamen Rew uͤber deine begange-
ne Suͤnden/ in dem Faß deines Hertzen behalten werdeſt.
Der dritte Theil.
13. OB nun zwarn auß dem vorgeſachten/ die Heylſamkeit und
Fruchtbarkeit der Stillſchweigung zur Gnuͤgen koͤnne
verſtanden werden; ſo vermeine ichs jedoch dienlich zu
ſeyn/ daß ich derſelben Nothwendigkeit auff den Weege zur
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/239>, abgerufen am 17.07.2024. |