Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von dem Stillschweigen. Sprach/ mit niemand/ als mit ihrem Beichs-Vatter in der Beicht/ eineintziges Wort geredet. Auch hat der H. Thomas von Aquin so dapffer ge- schwiegen/ daß er von seinen Mit-Schülern ein stummer Ochs genennet worden. Er aber hat auß diesem Schweigen so grosse Wissenschafft und Heiligkeit geschöpffet; daß er nachmahlen auß dem stummen Ochsen ist wor- den ein Englischer Doctor. Jch lebe mit dir/ mein Christliche Seel/ der tröstlichen zuversicht/ daß du nach fleissig geübter dieser Stillschweigung/ dermalen eins sagen werdest: ich hab mir einmahl eingebildet/ daß solche Schätz der Tugenden/ und so kostbahres Kleinod der geistlichen Vollkom- menheit in der Ubung deß Stillschweigens wäre verborgen gewesen. Nun höre den Nutzen desselben/ den dir der Gott-seelige Tomas von Kempis alsoThom. Kemp. de Silent. entwirfft. Jndem du das Stillschweigen beobachtest/ haltest du auch zu- gleich den Gehorsamb/ und behaltest die Demuth; du gibst der Scham- hafftigkeit einen Zierrath; du verehrest die Alten/ und gehest den Jungen mit einem guten Exempel vor; den leichtschlägigen und außgelassenen bistu eine Forcht; den Außländischen verursachestu einen guten Nahmen/ und den Jnländischen Fried und Einigkeit. Dieses bekräfftiget der seelige Lau- rentius Justinianus mit diesen Worten: Nachdem die Stillschweigungin Fascic, den Eingang der unnutzbaren Worten verstopffet; alsdann kan das ver- schlossene Feur der Liebe die Gedancken zum guten Standt bringen; das Gemüth bewegen; die Laster vertreiben; die Zähren herauß führen; den Frie- den lieben; das Hertz zu GOTT erheben/ und mit ihm selbiges verei- nigen. 6. Dieserthalben haben die H. H. Alt-Vätter die Stillschweigung und
Von dem Stillſchweigen. Sprach/ mit niemand/ als mit ihrem Beichs-Vatter in der Beicht/ eineintziges Wort geredet. Auch hat der H. Thomas von Aquin ſo dapffer ge- ſchwiegen/ daß er von ſeinen Mit-Schuͤlern ein ſtummer Ochs genennet worden. Er aber hat auß dieſem Schweigen ſo groſſe Wiſſenſchafft und Heiligkeit geſchoͤpffet; daß er nachmahlen auß dem ſtummen Ochſen iſt wor- den ein Engliſcher Doctor. Jch lebe mit dir/ mein Chriſtliche Seel/ der troͤſtlichen zuverſicht/ daß du nach fleiſſig geuͤbter dieſer Stillſchweigung/ dermalen eins ſagen werdeſt: ich hab mir einmahl eingebildet/ daß ſolche Schaͤtz der Tugenden/ und ſo koſtbahres Kleinod der geiſtlichen Vollkom- menheit in der Ubung deß Stillſchweigens waͤre verborgen geweſen. Nun hoͤre den Nutzen deſſelben/ den dir der Gott-ſeelige Tomas von Kempis alſoThom. Kemp. de Silent. entwirfft. Jndem du das Stillſchweigen beobachteſt/ halteſt du auch zu- gleich den Gehorſamb/ und behalteſt die Demuth; du gibſt der Scham- hafftigkeit einen Zierrath; du verehreſt die Alten/ und geheſt den Jungen mit einem guten Exempel vor; den leichtſchlaͤgigen und außgelaſſenen biſtu eine Forcht; den Außlaͤndiſchen verurſacheſtu einen guten Nahmen/ und den Jnlaͤndiſchen Fried und Einigkeit. Dieſes bekraͤfftiget der ſeelige Lau- rentius Juſtinianus mit dieſen Worten: Nachdem die Stillſchweigungin Faſcic, den Eingang der unnutzbaren Worten verſtopffet; alsdann kan das ver- ſchloſſene Feur der Liebe die Gedancken zum guten Standt bringen; das Gemuͤth bewegen; die Laſter vertreiben; die Zaͤhren herauß fuͤhren; den Frie- den lieben; das Hertz zu GOTT erheben/ und mit ihm ſelbiges verei- nigen. 6. Dieſerthalben haben die H. H. Alt-Vaͤtter die Stillſchweigung und
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Von dem Stillſchweigen.
Sprach/ mit niemand/ als mit ihrem Beichs-Vatter in der Beicht/ ein
eintziges Wort geredet. Auch hat der H. Thomas von Aquin ſo dapffer ge-
ſchwiegen/ daß er von ſeinen Mit-Schuͤlern ein ſtummer Ochs genennet
worden. Er aber hat auß dieſem Schweigen ſo groſſe Wiſſenſchafft und
Heiligkeit geſchoͤpffet; daß er nachmahlen auß dem ſtummen Ochſen iſt wor-
den ein Engliſcher Doctor. Jch lebe mit dir/ mein Chriſtliche Seel/ der
troͤſtlichen zuverſicht/ daß du nach fleiſſig geuͤbter dieſer Stillſchweigung/
dermalen eins ſagen werdeſt: ich hab mir einmahl eingebildet/ daß ſolche
Schaͤtz der Tugenden/ und ſo koſtbahres Kleinod der geiſtlichen Vollkom-
menheit in der Ubung deß Stillſchweigens waͤre verborgen geweſen. Nun
hoͤre den Nutzen deſſelben/ den dir der Gott-ſeelige Tomas von Kempis alſo
entwirfft. Jndem du das Stillſchweigen beobachteſt/ halteſt du auch zu-
gleich den Gehorſamb/ und behalteſt die Demuth; du gibſt der Scham-
hafftigkeit einen Zierrath; du verehreſt die Alten/ und geheſt den Jungen
mit einem guten Exempel vor; den leichtſchlaͤgigen und außgelaſſenen biſtu
eine Forcht; den Außlaͤndiſchen verurſacheſtu einen guten Nahmen/ und
den Jnlaͤndiſchen Fried und Einigkeit. Dieſes bekraͤfftiget der ſeelige Lau-
rentius Juſtinianus mit dieſen Worten: Nachdem die Stillſchweigung
den Eingang der unnutzbaren Worten verſtopffet; alsdann kan das ver-
ſchloſſene Feur der Liebe die Gedancken zum guten Standt bringen; das
Gemuͤth bewegen; die Laſter vertreiben; die Zaͤhren herauß fuͤhren; den Frie-
den lieben; das Hertz zu GOTT erheben/ und mit ihm ſelbiges verei-
nigen.
Thom.
Kemp.
de Silent.
in Faſcic,
6. Dieſerthalben haben die H. H. Alt-Vaͤtter die Stillſchweigung
ſo ſehr geliebet: deren der H. Hieronymus viele gefunden/ ſo in ſieben Jah-
ren kein entziges Woͤrtlein geredet: und ſolcher Geſtalt haben ſie ſich der
Goͤttlichen Gnaden ſo wuͤrdig und faͤhig gemacht; daß ſie mehr im Himmel
als auff Erden zu leben ſcheineten; zumahlen die Einigkeit/ der Fried und
die geiſtliche Freuden derſelben nicht irrdiſch/ ſondern himmliſch waren. Da-
hero hat der groſſe und heilige Abt Ammon in ſeiner Wuͤſten in einem Klo-
ſter anderthalb tauſend Muͤnchen mit viel leichterer Muͤhe vorgeſtanden/ als
zu heutigen kaum zehn zu regieren ſeynd. Woher kombt das? dieweilen alle
das Gebott der Stillſchweigung ſo genau beobachtet; daß zur Zeit deß Still-
ſchweigens/ die weltliche Leuth/ ſo offtmahls in dieſes Kloſter zu kom-
men pflegten/ vermeinet/ es ſeye von dieſen tauſend und fuͤnffhundert
Geiſtlichen niemand im Kloſter; biß ſie zu denſelben hinein gangen/
und
In Reg.
Mon.
In Spec.
Exempl.
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/235>, abgerufen am 16.02.2025. |