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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von dem Ehrgeitz.
men. Solcher Gestalt hat dieser heilige Mann Krafft deß Gehorsambs in
sothane Würden müssen einwilligen/ die er mit vielen Zähren zu meiden
sich unterstanden hatte.

14. Höre noch eins mein geneigter Leser/ so mir eben einfallet von dem
gottseeligen Petro Damiano: von dem der andächtige Pater Laurentius
Surius
schreibt/ daß er zur Cardinal-Würde der Römischen Kirchen mehr
seye gezogen als beruffen worden/ und obwohl der Papst Stephanus ihnen
zum Dechanten der hochwürdigen Versammlung der Cardmälen und
Ostiensischen Bischoff ernennet hat; so habe er sich dieser hohen Ehren doch
freylig enteusseret/ damit er dem Dienst GOttes und Beschauung der
Göttlichen Dingen besser obligen mögte. Dieweilen aber allerhöchst-ge-
dachte Päbstliche Heiligkeit denselben zu abermahliger Annehmung zwin-
gen wollen; und er mit grosser Standhafftigkeit sich zu entschuldigen nicht
nachgelassen; als hat der allerhöchst-ermeldte Pabst in sothaner Weigerung
jedoch mit dieser Condition eingewilliget: daß er hundert Jahr alle Tag
hundertmahl den vierten Buß-Psalmen mit zugleich gehender Casteyung
seines Leibs betten solte. Diese Straff hat der Gottselige Petrus mit
Freuden angenommen/ und mit solchem Eyffer verrichtet; daß er inner-
halb eines Jahrs-Frist dieselbe völliglich bezahlt hat. O unerhörtes Wun-
der! und wann GOtt in seinen heiligen nicht wunderbarlich wäre; wer sol-
te glauben/ daß ein Mensch innerhalb vier und zwantzig Stunden/ und daß
nicht einen/ sondern alle Tage eines gantzen Jahrs/ über zehn tausendmahl
den vierten Buß-Psalmen mit beygefügter Casteyung deß Leibs widerho-
len könnte? und nichts desto weniger hat der demütige Petrus eines so harten
Wercks sich lieber unterfangen/ als die ihm auffgetragene Würden anneh-
men wollen. Auß deme nun/ und andern Beyspielen gnugsamb erhellet/
daß in den Vorstehungen sehr grosse Gefahren verborgen ligen; zumahln
selbige so viel GOttgefällige/ und mie dem H. Geist erfüllete Männer so
ernstlich geflohen haben. Wann du aber/ mein Christliche Seel/ dir vil-
leicht einbildest/ daß die Gefahr nicht so erheblich seye/ als sie gemacht wer-
de/ so höre die Wort dessen/ so auß dem Mund deß Weysen dir bedeutet:
Es wird ein sehr hartes Vrtheil uber die ergehen/ so dasSap. c. 6.
v.
6.

Regiment fuhren. Dieses solle dir und mir billig gnug seyn: und was ist
erschröcklicher/ als das ein Vorsteher in Würden und keines Tags versichert
lebe/ und durch die H. Schrifft/ so da nicht fehlen kan/ betröhet werde/ daß
er vor allen andern Menschen am scharffesten werde gerichtet werden? Es ist
warhafftig ein unerhörte Blindheit; ein unerträglicher fehl/ daß ein schwacher

Mensch

Von dem Ehrgeitz.
men. Solcher Geſtalt hat dieſer heilige Mann Krafft deß Gehorſambs in
ſothane Wuͤrden muͤſſen einwilligen/ die er mit vielen Zaͤhren zu meiden
ſich unterſtanden hatte.

14. Hoͤre noch eins mein geneigter Leſer/ ſo mir eben einfallet von dem
gottſeeligen Petro Damiano: von dem der andaͤchtige Pater Laurentius
Surius
ſchreibt/ daß er zur Cardinal-Wuͤrde der Roͤmiſchen Kirchen mehr
ſeye gezogen als beruffen worden/ und obwohl der Papſt Stephanus ihnen
zum Dechanten der hochwuͤrdigen Verſammlung der Cardmaͤlen und
Oſtienſiſchen Biſchoff ernennet hat; ſo habe er ſich dieſer hohen Ehren doch
freylig enteuſſeret/ damit er dem Dienſt GOttes und Beſchauung der
Goͤttlichen Dingen beſſer obligen moͤgte. Dieweilen aber allerhoͤchſt-ge-
dachte Paͤbſtliche Heiligkeit denſelben zu abermahliger Annehmung zwin-
gen wollen; und er mit groſſer Standhafftigkeit ſich zu entſchuldigen nicht
nachgelaſſen; als hat der allerhoͤchſt-ermeldte Pabſt in ſothaner Weigerung
jedoch mit dieſer Condition eingewilliget: daß er hundert Jahr alle Tag
hundertmahl den vierten Buß-Pſalmen mit zugleich gehender Caſteyung
ſeines Leibs betten ſolte. Dieſe Straff hat der Gottſelige Petrus mit
Freuden angenommen/ und mit ſolchem Eyffer verrichtet; daß er inner-
halb eines Jahrs-Friſt dieſelbe voͤlliglich bezahlt hat. O unerhoͤrtes Wun-
der! und wann GOtt in ſeinen heiligen nicht wunderbarlich waͤre; wer ſol-
te glauben/ daß ein Menſch innerhalb vier und zwantzig Stunden/ und daß
nicht einen/ ſondern alle Tage eines gantzen Jahrs/ uͤber zehn tauſendmahl
den vierten Buß-Pſalmen mit beygefuͤgter Caſteyung deß Leibs widerho-
len koͤnnte? und nichts deſto weniger hat der demuͤtige Petrus eines ſo harten
Wercks ſich lieber unterfangen/ als die ihm auffgetragene Wuͤrden anneh-
men wollen. Auß deme nun/ und andern Beyſpielen gnugſamb erhellet/
daß in den Vorſtehungen ſehr groſſe Gefahren verborgen ligen; zumahln
ſelbige ſo viel GOttgefaͤllige/ und mie dem H. Geiſt erfuͤllete Maͤnner ſo
ernſtlich geflohen haben. Wann du aber/ mein Chriſtliche Seel/ dir vil-
leicht einbildeſt/ daß die Gefahr nicht ſo erheblich ſeye/ als ſie gemacht wer-
de/ ſo hoͤre die Wort deſſen/ ſo auß dem Mund deß Weyſen dir bedeutet:
Es wird ein ſehr hartes Vrtheil ůber die ergehen/ ſo dasSap. c. 6.
v.
6.

Regiment fůhren. Dieſes ſolle dir und mir billig gnug ſeyn: und was iſt
erſchroͤcklicher/ als das ein Vorſteher in Wuͤrden und keines Tags verſichert
lebe/ und durch die H. Schrifft/ ſo da nicht fehlen kan/ betroͤhet werde/ daß
er vor allen andern Menſchen am ſcharffeſten werde gerichtet werden? Es iſt
warhafftig ein unerhoͤrte Blindheit; ein unertraͤglicher fehl/ daß ein ſchwacher

Menſch
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[159/0187] Von dem Ehrgeitz. men. Solcher Geſtalt hat dieſer heilige Mann Krafft deß Gehorſambs in ſothane Wuͤrden muͤſſen einwilligen/ die er mit vielen Zaͤhren zu meiden ſich unterſtanden hatte. 14. Hoͤre noch eins mein geneigter Leſer/ ſo mir eben einfallet von dem gottſeeligen Petro Damiano: von dem der andaͤchtige Pater Laurentius Surius ſchreibt/ daß er zur Cardinal-Wuͤrde der Roͤmiſchen Kirchen mehr ſeye gezogen als beruffen worden/ und obwohl der Papſt Stephanus ihnen zum Dechanten der hochwuͤrdigen Verſammlung der Cardmaͤlen und Oſtienſiſchen Biſchoff ernennet hat; ſo habe er ſich dieſer hohen Ehren doch freylig enteuſſeret/ damit er dem Dienſt GOttes und Beſchauung der Goͤttlichen Dingen beſſer obligen moͤgte. Dieweilen aber allerhoͤchſt-ge- dachte Paͤbſtliche Heiligkeit denſelben zu abermahliger Annehmung zwin- gen wollen; und er mit groſſer Standhafftigkeit ſich zu entſchuldigen nicht nachgelaſſen; als hat der allerhoͤchſt-ermeldte Pabſt in ſothaner Weigerung jedoch mit dieſer Condition eingewilliget: daß er hundert Jahr alle Tag hundertmahl den vierten Buß-Pſalmen mit zugleich gehender Caſteyung ſeines Leibs betten ſolte. Dieſe Straff hat der Gottſelige Petrus mit Freuden angenommen/ und mit ſolchem Eyffer verrichtet; daß er inner- halb eines Jahrs-Friſt dieſelbe voͤlliglich bezahlt hat. O unerhoͤrtes Wun- der! und wann GOtt in ſeinen heiligen nicht wunderbarlich waͤre; wer ſol- te glauben/ daß ein Menſch innerhalb vier und zwantzig Stunden/ und daß nicht einen/ ſondern alle Tage eines gantzen Jahrs/ uͤber zehn tauſendmahl den vierten Buß-Pſalmen mit beygefuͤgter Caſteyung deß Leibs widerho- len koͤnnte? und nichts deſto weniger hat der demuͤtige Petrus eines ſo harten Wercks ſich lieber unterfangen/ als die ihm auffgetragene Wuͤrden anneh- men wollen. Auß deme nun/ und andern Beyſpielen gnugſamb erhellet/ daß in den Vorſtehungen ſehr groſſe Gefahren verborgen ligen; zumahln ſelbige ſo viel GOttgefaͤllige/ und mie dem H. Geiſt erfuͤllete Maͤnner ſo ernſtlich geflohen haben. Wann du aber/ mein Chriſtliche Seel/ dir vil- leicht einbildeſt/ daß die Gefahr nicht ſo erheblich ſeye/ als ſie gemacht wer- de/ ſo hoͤre die Wort deſſen/ ſo auß dem Mund deß Weyſen dir bedeutet: Es wird ein ſehr hartes Vrtheil ůber die ergehen/ ſo das Regiment fůhren. Dieſes ſolle dir und mir billig gnug ſeyn: und was iſt erſchroͤcklicher/ als das ein Vorſteher in Wuͤrden und keines Tags verſichert lebe/ und durch die H. Schrifft/ ſo da nicht fehlen kan/ betroͤhet werde/ daß er vor allen andern Menſchen am ſcharffeſten werde gerichtet werden? Es iſt warhafftig ein unerhoͤrte Blindheit; ein unertraͤglicher fehl/ daß ein ſchwacher Menſch Sap. c. 6. v. 6.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/187>, abgerufen am 25.11.2024.