Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Eilffte Geistliche Lection vorhanden/ wann du auch einem eintzigen in deinen Gedancken dich vor-ziehest: Eben selbiges lehret uns die glorwürdige Himmels Königin mit ihrem eigenen Vorgang/ da sie der Heil. Brigittä zur Nachfolgung ihrer Demuth also zuredet: Meine Tochter/ fliehe zu dem Mantel meiner Demuth/ und gedencke/ du seyest ein grössere Sünderin als andere; Dann ob du sehest einige Böse; so weist du doch nicht/ was morgen auß ihnen werde: du weist auch nicht/ auß was vor Meinung und Wissenschafft sie solches Ubel begehen/ ob sie auß Schwachheit/ oder fürsetzlich solches thuen: Der- halben ziehe dich keinem Menschen vor/ und richte keinen in deinem Her- tzen: Watz ist schmertzlicher bey den Welt-Kindern/ als das empfangene Unrecht verhälen/ und sich unter allen vor den unwürdigsten halten? ein sol- che Demuth/ meine Tochter/ ware die meinige. Diese seynd die Wort Ma- riä zu ihrer Tochter Brigittä. 14. Es gehöret auch zu der Demuth/ daß man die Ehren und Würden Bischoff
Die Eilffte Geiſtliche Lection vorhanden/ wann du auch einem eintzigen in deinen Gedancken dich vor-zieheſt: Eben ſelbiges lehret uns die glorwuͤrdige Himmels Koͤnigin mit ihrem eigenen Vorgang/ da ſie der Heil. Brigittaͤ zur Nachfolgung ihrer Demuth alſo zuredet: Meine Tochter/ fliehe zu dem Mantel meiner Demuth/ und gedencke/ du ſeyeſt ein groͤſſere Suͤnderin als andere; Dann ob du ſeheſt einige Boͤſe; ſo weiſt du doch nicht/ was morgen auß ihnen werde: du weiſt auch nicht/ auß was vor Meinung und Wiſſenſchafft ſie ſolches Ubel begehen/ ob ſie auß Schwachheit/ oder fuͤrſetzlich ſolches thuen: Der- halben ziehe dich keinem Menſchen vor/ und richte keinen in deinem Her- tzen: Watz iſt ſchmertzlicher bey den Welt-Kindern/ als das empfangene Unrecht verhaͤlen/ und ſich unter allen vor den unwuͤrdigſten halten? ein ſol- che Demuth/ meine Tochter/ ware die meinige. Dieſe ſeynd die Wort Ma- riaͤ zu ihrer Tochter Brigittaͤ. 14. Es gehoͤret auch zu der Demuth/ daß man die Ehren und Wuͤrden Biſchoff
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Die Eilffte Geiſtliche Lection
vorhanden/ wann du auch einem eintzigen in deinen Gedancken dich vor-
zieheſt: Eben ſelbiges lehret uns die glorwuͤrdige Himmels Koͤnigin
mit ihrem eigenen Vorgang/ da ſie der Heil. Brigittaͤ zur Nachfolgung
ihrer Demuth alſo zuredet: Meine Tochter/ fliehe zu dem Mantel meiner
Demuth/ und gedencke/ du ſeyeſt ein groͤſſere Suͤnderin als andere; Dann
ob du ſeheſt einige Boͤſe; ſo weiſt du doch nicht/ was morgen auß ihnen werde:
du weiſt auch nicht/ auß was vor Meinung und Wiſſenſchafft ſie ſolches
Ubel begehen/ ob ſie auß Schwachheit/ oder fuͤrſetzlich ſolches thuen: Der-
halben ziehe dich keinem Menſchen vor/ und richte keinen in deinem Her-
tzen: Watz iſt ſchmertzlicher bey den Welt-Kindern/ als das empfangene
Unrecht verhaͤlen/ und ſich unter allen vor den unwuͤrdigſten halten? ein ſol-
che Demuth/ meine Tochter/ ware die meinige. Dieſe ſeynd die Wort Ma-
riaͤ zu ihrer Tochter Brigittaͤ.
14. Es gehoͤret auch zu der Demuth/ daß man die Ehren und Wuͤrden
fliehe nach dem herrlichen Exempel deß heiligen Ephrem; welcher von kei-
nem Menſchen wolte gelobet ſeyn/ ja er entwiche uͤber all den jenigen/ ſo ihn
preiſeten/ nicht anders als ſeinen aͤrgiſten Feinden: und da man ihm die
Biſchoffliche Wuͤrden hat aufftragen wollen; iſt er auff oͤffentlichem
Marck als ein unſinniger Menſch herumb gelauffen/ hat ſeine Kleider zer-
riſſen/ und dergleichen andere Boſſen veruͤbet/ daß ihn ſeine Geſellen als ei-
nen Narren von ſich gelaſſen/ und dieſes hohen Ambts zumahlen unfaͤhig ge-
halten haben. Was hat nicht gethan der heilige Gregorius? der zum all-
gemeinen groſſen Hirten der Schaͤfflein CHRJSTJ/ durch einhaͤl-
lige Stimmen/ und mit unglaublichem Frolocken aller Menſchen erwaͤh-
let worden; und hat dannoch weder durch Bitten/ weder durch andere
Beredungen zu ſolcher Ehren koͤnnen gezogen werden: und er gefehen/ daß
ihm der Weeg zum Fliehen verſperret geweſen/ hat er ſich in einem Faß auff
den nechſt gelegenen Berg tragen laſſen/ und iſt daſelbſt in einer Hoͤhlen
ſo lang verborgen geweſen/ biß er durch eine fewrige Seul verrathen/ in
der Klufften gefunden/ und die obgemeldte Wuͤrden anzunehmen gezwun-
gen worden. Nicht weniger hat auch die weltliehe Ehren gemeydet der
glorwuͤrdige Vatter Auguſtinus/ welcher von ſich ſelbſten alſo ſchreibet:
ſo ſehr hab ich das Biſchtumb gefoͤrchtet/ daß ich/ weilen der Ruff
meines Nahmens nunmehro hin und wieder zu erſchallen angefan-
gen/ mich ſonderbahr gehuͤtet/ dahin zu kommen/ allwo kein
Biſchoff
De Div.
Serm. 5.
40.
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