Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Eilffte Geistliche Lection 10. Solten wir wohl diesen heiligen Männern in solchen Tugenden fol- der
Die Eilffte Geiſtliche Lection 10. Solten wir wohl dieſen heiligen Maͤnnern in ſolchen Tugenden fol- der
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Die Eilffte Geiſtliche Lection
10. Solten wir wohl dieſen heiligen Maͤnnern in ſolchen Tugenden fol-
gen koͤnnen? Wanns waͤre ein ſtrenges Faſten/ waͤre es ein haͤrenes Kleid/
oder ſolten es andere ſchwehre Buß-Werck ſeyn/ oder gar auch/ wann wir
ihre gethane Wunder-Werck nachzufolgen geladen wuͤrden; ſolte mancher
Urſach finden ſich zu entſchuldigen: nun aber/ da wir nur allein die bloſſe
Warheit von uns ſelbſten zu bekennen geforderet werden; ſeynd dannoch ſo
nachlaͤſſig und trewloß in dieſer Bekaͤndtnuß/ daß wir gegen unſer Wiſſen
und Gewiſſen uns unſerm Naͤchſten vorziehen/ und nicht gedencken/ daß
wir eben ſo wohl haͤtten fallen koͤnnen als andere; daß wir eben ſo ſchwach
als ſelbige/ und alle uns widerfahrne Gnad der vermaͤßlichen Guͤtigkeit
GOttes allein zuzuſchreiben ſeye. Was iſt leichter zu thuen/ als das/
wann ich meinen Neben-Menſchen ſehe oder hoͤre in vielerley Suͤnden fal-
len/ ich alsdann mich uͤber ſelbigen nicht erhoͤhe; ſondern gedencke/ das die
jenige Suͤnden ich eben ſo wohl wuͤrde begangen haben/ als dieſer oder jener/
wann mich nicht GOtt durch ſeine Gnad davon abgehalten haͤtte. Sage
mir/ mein Chriſtliche Seel; ſolche Warheit von Hertzen zu bekennen/ iſt
das ein ſchwehre Sach? Jch hoͤre du ſagſt nein/ ſondern es ſeye leicht zu thun;
und gleichwohl fallet dir nicht ein/ daß/ gleich wie einen den jenigen Schatz/
ſo ihme von einem andern reichen Mann zu bewahren anvertrauet wird/ den-
ſelben nicht als den ſeinigen ſich zumaͤſſet/ ſondern ſeine Armuth gerne beken-
net/ daß er nemblich nicht daruͤber zu ſchalten habe; alſo auch der jenige leben
muͤſſe/ der die Gnad GOttes erlanget hat/ daß er/ ſage ich/ gern geſtehe
ſeine Wenigkeit/ und ſich nur allein als einen Huͤter dieſer Reichthumben
vor jederman erkenne. Nehme derhalben an die guͤldene Lehr deines Crloͤ-
ſers/ der da ſpricht: Wann du geladen wirſt/ ſo gehe hin/ und
ſetze dich unten an; damit wann der kombt/ der dich ge-
laden hat/ zu dir ſpreche: Freund/ rucke hinauff/ alsdan
wirſta Ehr haben vor denen/ welche mit zu Tiſch ſitzen.
Welcher aber iſt dieſer unterſte Orth anders/ als die Hoͤlle? dann durch die
Hochzeit wird verſtanden das Reich der Himmelen/ zu deme wir alle eingela-
den ſeynd: dieſes Reich aber erſtrecket ſich biß zu der Hoͤllen/ nach dieſen
Worten deß H. Evangeliſten Matthæi: Wer eins von dieſen ge-
ringſten Gebotten auffloͤſet/ und die Menſchen alſo lehret/
der wird der geringſte im Himmelreich genannt werden:
das iſt: wie es die H. H. Vaͤtter außlegen/ er wird inder Hoͤllen ſeinen Sitz
haben. So laſſet dann uns in unſern Gedancken an dieſen niedrigen
Orth ſetzen/ indem wir darfuͤr halten/ daß wir unſerer Suͤnden halber
der
Luc. 14.
v. 10.
G. 5 19.
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