Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Neunte Geistliche Lection 16. Damit wir dann auch auß eines andern Fall einigen Nutzen zu Maria de Victo- ria. 17. Nachdem die seelige Jungfrau Maria de Victoria einen Geistlichen eine
Die Neunte Geiſtliche Lection 16. Damit wir dann auch auß eines andern Fall einigen Nutzen zu Maria de Victo- ria. 17. Nachdem die ſeelige Jungfrau Maria de Victoria einen Geiſtlichen eine
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Die Neunte Geiſtliche Lection
16. Damit wir dann auch auß eines andern Fall einigen Nutzen zu
ſchoͤpffen gewuͤrdiget werden; were rathſamb/ daß wir einen ſichern heili-
gen Einſidler uns zum Beyſpiel vor Augen ſtelleten/ welcher einsmals/
nachdem er den Miß-Tritt ſeines Bruders verſtanden/ ſeuffzend geſagt
hat: O wehe mir! Er heut und ich morgen; O wie geſchwind hat dieſer
eineu Außweg gefunden/ dem boͤſen Urtheil uͤber ſeinem Bruder zu entwei-
chen! durch dieſe zwey Woͤrtlein; ich morgen: hat in ſeinem Hertzen
eine ſo heylſame Forcht erwecket; daß er der Gefahr deß Gerichts zumahln
entgangen iſt. Es muß auch in dergleichen Zufaͤllen ein jeder gedencken/
oͤffentlich oder heimblich bey ſich ſelbſten ſagen. Jch zweiffle nicht/ wann
ich mit ſot haner Gelegenheit und Stricken waͤre umbgeben geweſen/ daß ich
eben ſo wohl als mein Naͤchſter gefallen waͤre: derhalben ſage ich meinem
GOtt und HErrn danck/ daß er mich unwuͤrdigen Menſchen ſolcher Ge-
fahr entzogen hat. Jm uͤbrigen iſt auch gegen dieſes ſchaͤdliche Urtheil ein
ſichere Artzeney; wann man nemblich dieſes fleiſſig beobachtet; daß viele
oͤffter laͤßlich allein ſuͤndigen/ ob man ſchon dem euſſerlichen Schein gemaͤß
vermeinen ſolte/ daß ſie toͤdtliche Suͤnden begingen; dieweilen ſie in iheer
Einfalt darfuͤr halten/ es ſeye nicht boͤß/ was ſie thuen: und offtermahlen
iſt bey denenſelben eine unſtraffbare Unwiſſenheit/ und andere Urſachen/ ſo
uns unbekannt ſeynd; in Anſehung deren GOtt ihnen ihre ſuͤndige Werck
nicht uͤbel außdeutet. Wann wir nun ohne einiges Nachſinnen uͤber der-
gleichen Dinge unſern Naͤchſten alsbald zu ſtraffen uns erkuͤhnen/ den doch
GOtt entſchuldiget; machen wir uns hierdurch ſehr ſtraffmaͤſſig? Wohl
dann/ und abermahl wohl ermahnet uns hieruͤber der Heil. Bernardus mit
dieſen Worten: Entſchuͤldige/ O Menſch/ die Meynung/ wann du
nicht kanſt entſchuldigen die That deines Naͤchſten: bilde dir ein/ ſie ſeyen
geſchehen auß Unwiſſenheit; halte ſie fuͤr ein unbehutſame Einſchleichung;
meſſe ſie zu einem Urploͤtzlichen Zufall: dann ſo viel der Himmel erhoͤhet iſt
von der Erden/ ſo weit ſeynd die Weege deß HErrn (wie der Prophet
Jſaias ſagt) entfernet von den unſrigen: das iſt/ die Urtheilen GOttes
von den Urtheilen der Menſchen. Viele Sachen ſcheinen uns Gerecht
zu ſeyn; und ſeynd in dem Urtheil deß HErrn unrecht: und hergegen/
das jenige ſo wir offtmahl fuͤr Gut anſehen/ wird von GOtt verworffen:
derhalben fehlen wir in unſern Urtheilen vielmahl ſehr groͤblich/ wie auß
folgender Geſchicht zu ſehen iſt.
S. Doro
th. Doct.
8.
Serm. 4.
in Cant.
c. 54.
17. Nachdem die ſeelige Jungfrau Maria de Victoria einen Geiſtlichen
Orden der Kloſter-Jungfrauen geſtifftet; iſt ihr zu Ohren kommen/ daß
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