Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Neunte Geistliche Lection den; und weil derselben eine grosse Anzahl ist/ derowegen hab ich sie auff denRucken geworffen/ damit ich sie nicht sehen/ und darüber Leyd haben mög- te: aber/ die wenige Sünden meines Mit-Bruders hab ich vor meine Au- gen gehangen/ und bemühe mich/ wie ich selbige doch richten möge. Nun aber ist gewiß/ daß man nicht solcher Gestalt richten müsse; derhalben wirds besser seyn/ daß ich meine eigene Sünden vor mich nehme/ dieselbe bedencke/ und GOtt bitte/ daß er sie mir verzeyhe. Da dieses die andere Einsidler gehört haben/ ist diese Bekändtnuß von ihnen sämbtlichen hervorgebrochen: Jn Warheit dieser ist der Weeg deß ewigen Heyls. Hastu mich verstanden/ mein Christliche Seel/ wie schwär es seye/ auch über die öffentliche Sünden seinen Nächsten richten? Wolan dann/ so ergreiffe nun das zur Hand gebrachte Mittel gegen solches Laster; oder/ wans dir also gefällig/ suche dir eins auß den folgenden. Der dritte Theil. 14. DJeses muß uns ebenfals von dem freventlichen Urtheilen abschre- Ubels
Die Neunte Geiſtliche Lection den; und weil derſelben eine groſſe Anzahl iſt/ derowegen hab ich ſie auff denRucken geworffen/ damit ich ſie nicht ſehen/ und daruͤber Leyd haben moͤg- te: aber/ die wenige Suͤnden meines Mit-Bruders hab ich vor meine Au- gen gehangen/ und bemuͤhe mich/ wie ich ſelbige doch richten moͤge. Nun aber iſt gewiß/ daß man nicht ſolcher Geſtalt richten muͤſſe; derhalben wirds beſſer ſeyn/ daß ich meine eigene Suͤnden vor mich nehme/ dieſelbe bedencke/ und GOtt bitte/ daß er ſie mir verzeyhe. Da dieſes die andere Einſidler gehoͤrt haben/ iſt dieſe Bekaͤndtnuß von ihnen ſaͤmbtlichen hervorgebrochen: Jn Warheit dieſer iſt der Weeg deß ewigen Heyls. Haſtu mich verſtanden/ mein Chriſtliche Seel/ wie ſchwaͤr es ſeye/ auch uͤber die oͤffentliche Suͤnden ſeinen Naͤchſten richten? Wolan dann/ ſo ergreiffe nun das zur Hand gebrachte Mittel gegen ſolches Laſter; oder/ wans dir alſo gefaͤllig/ ſuche dir eins auß den folgenden. Der dritte Theil. 14. DJeſes muß uns ebenfals von dem freventlichen Urtheilen abſchre- Ubels
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Die Neunte Geiſtliche Lection
den; und weil derſelben eine groſſe Anzahl iſt/ derowegen hab ich ſie auff den
Rucken geworffen/ damit ich ſie nicht ſehen/ und daruͤber Leyd haben moͤg-
te: aber/ die wenige Suͤnden meines Mit-Bruders hab ich vor meine Au-
gen gehangen/ und bemuͤhe mich/ wie ich ſelbige doch richten moͤge. Nun
aber iſt gewiß/ daß man nicht ſolcher Geſtalt richten muͤſſe; derhalben wirds
beſſer ſeyn/ daß ich meine eigene Suͤnden vor mich nehme/ dieſelbe bedencke/
und GOtt bitte/ daß er ſie mir verzeyhe. Da dieſes die andere Einſidler
gehoͤrt haben/ iſt dieſe Bekaͤndtnuß von ihnen ſaͤmbtlichen hervorgebrochen:
Jn Warheit dieſer iſt der Weeg deß ewigen Heyls. Haſtu
mich verſtanden/ mein Chriſtliche Seel/ wie ſchwaͤr es ſeye/ auch uͤber die
oͤffentliche Suͤnden ſeinen Naͤchſten richten? Wolan dann/ ſo ergreiffe nun
das zur Hand gebrachte Mittel gegen ſolches Laſter; oder/ wans dir alſo
gefaͤllig/ ſuche dir eins auß den folgenden.
Der dritte Theil.
14. DJeſes muß uns ebenfals von dem freventlichen Urtheilen abſchre-
cken/ wann wir gedencken/ und uns verſicheren; daß GOTT
einmahlen einen wuͤrde laſſen in eine Suͤnd fallen/ wann er
nicht wuͤſte dieſen Fall in ein Gutes zu verkehren. Derhalben lehren die
Thomiſten/ da ſie von der Verordnung oder Verſuchung handlen/ daß die
Zulaſſung der Suͤnde in den Außerwaͤhlten ſeye eine Wirckung oder Auß-
gang ihrer Verordnung zum ewigen Leben; dann da ſie in vielerley Suͤn-
de fallen/ ſtehen ſie muͤtiger und dapfferer auff zu lauffen den Weeg der Voll-
kommenheit/ Laut Zeugnuß deß H. Apoſtels Pauli: Den jenigen/ ſo
GOtt Lieb haben/ wircken mit alle Ding zum Guten.
Hieruͤber ſagen die Dollmetſcher der H. Schrifft/ daß unter denen allen
Dingen/ auch die Suͤnd begriffen werde. Und der H. Thomas lehret da-
ſelbſten/ daß die Suͤnden der Verordneten zur Seeligkeit denenſelbigen
mitwircken zum Guten. Dieſes ſagen ebenfals alle H. H. Vaͤtter; auß
denen der H. Auguſtinus alſo ſchreibet: Den jenigen/ ſo GOtt lieb hat/
mitwircken alle Ding zum Guten; ſo gar auch alles; daß/ wann einige auß
ihnen den Weeg der Gerechtigkeit verfehlen und ſuͤndigen/ daſſelbige ſie auch
mache zunehmen im Guten/ dann ſie werden nach ihrer Wider-Kehr beſſer
und vorſichtiger. Darzu iſt die Zulaſſung der Suͤnde von GOtt gewilliget
zu einem guten Ende: dieweilen GOtt (wie das groſſe Kirchen-Licht Au-
guſtinus dagt) indem er unendlich gut iſt/ nicht wuͤrde zulaſſen/ daß etwas
Ubels
Rom. 8. v. 28.
De cor-
rept. &
grat. c. 9.
In Enchi.
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