Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Neunte Geistliche Lection seiner und auch der geistlichen Jungfrawen verderbten zweyen Seelen/billig müsse in den Band der Excommunication geschlagen werden; hat sie der Heyl. Mann gestillet/ und gesagt: nicht meine Kinder/ nichtfählet so leichtlich von ewerem Nechsten das Urtheil; dann hierdurch stürtzet ihr euch in zwey sehr grosse Ubelen: deren das erste ist daß ihr nemblieh deß je- nigen Gebott überschreitet/ der da spricht: Richtet nicht vor der Zeit. Das zweyte ist/ daß ihr nicht ohne höchste Vermessenheit euch selb- sten Richter stellet über andere: es ist zumahlen unsicher/ ob diese beyde in ihren Sünden bißhero verharret seyen; oder ob sie durch die Gütigkeit GOttes den Last ihrer Missethaten von sich geworffen haben. Wisset ihr dann nicht/ sagt er/ daß ihr in demselben Gericht/ in dem ihr richtet/ sollet gerichtet werden? 9. Wann aber diese Lehr deß gottseeligen Joannis, bey einigen zur gestalt
Die Neunte Geiſtliche Lection ſeiner und auch der geiſtlichen Jungfrawen verderbten zweyen Seelen/billig muͤſſe in den Band der Excommunication geſchlagen werden; hat ſie der Heyl. Mann geſtillet/ und geſagt: nicht meine Kinder/ nichtfaͤhlet ſo leichtlich von ewerem Nechſten das Urtheil; dann hierdurch ſtuͤrtzet ihr euch in zwey ſehr groſſe Ubelen: deren das erſte iſt daß ihr nemblieh deß je- nigen Gebott uͤberſchreitet/ der da ſpricht: Richtet nicht vor der Zeit. Das zweyte iſt/ daß ihr nicht ohne hoͤchſte Vermeſſenheit euch ſelb- ſten Richter ſtellet uͤber andere: es iſt zumahlen unſicher/ ob dieſe beyde in ihren Suͤnden bißhero verharret ſeyen; oder ob ſie durch die Guͤtigkeit GOttes den Laſt ihrer Miſſethaten von ſich geworffen haben. Wiſſet ihr dann nicht/ ſagt er/ daß ihr in demſelben Gericht/ in dem ihr richtet/ ſollet gerichtet werden? 9. Wann aber dieſe Lehr deß gottſeeligen Joannis, bey einigen zur geſtalt
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0118" n="90"/><fw place="top" type="header">Die Neunte Geiſtliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/> ſeiner und auch der geiſtlichen Jungfrawen verderbten zweyen Seelen/<lb/> billig muͤſſe in den Band der <hi rendition="#aq">Excommunication</hi> geſchlagen werden; hat<lb/> ſie der Heyl. Mann geſtillet/ und geſagt: nicht meine Kinder/ nichtfaͤhlet<lb/> ſo leichtlich von ewerem Nechſten das Urtheil; dann hierdurch ſtuͤrtzet ihr<lb/> euch in zwey ſehr groſſe Ubelen: deren das erſte iſt daß ihr nemblieh deß je-<lb/> nigen Gebott uͤberſchreitet/ der da ſpricht: <hi rendition="#fr">Richtet nicht vor der<lb/> Zeit.</hi> Das zweyte iſt/ daß ihr nicht ohne hoͤchſte Vermeſſenheit euch ſelb-<lb/> ſten Richter ſtellet uͤber andere: es iſt zumahlen unſicher/ ob dieſe beyde in<lb/> ihren Suͤnden bißhero verharret ſeyen; oder ob ſie durch die Guͤtigkeit<lb/> GOttes den Laſt ihrer Miſſethaten von ſich geworffen haben. Wiſſet ihr<lb/> dann nicht/ ſagt er/ daß ihr in demſelben Gericht/ in dem ihr richtet/ ſollet<lb/> gerichtet werden?</p><lb/> <p>9. Wann aber dieſe Lehr deß gottſeeligen <hi rendition="#aq">Joannis,</hi> bey einigen zur<lb/> Vernichtigung deß loſen Urtheils keinen Platz findet; der laſſe ſich zum<lb/> wenigſten abſchrecken durch den H. <hi rendition="#aq">Dorotheum,</hi> den wir anjetzo fuͤr uns<lb/> zur Red ſtellen/ und dieſes groſſen Diener GOTTES treuhertzigen Er-<lb/> mahnungen du und ich/ mein Chriſtliche Seel/ mit allem Fleiß auffmercken<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">c. 6. Bibl.<lb/> PP.<lb/> Tom.</hi> 2.</note>wollen: nicht iſt boͤſer ſagt er/ nichts ſchwaͤrer/ als ſeinen Nechſten urtheilen<lb/> und verachten: warumb richten wir uns ſelbſten nicht uͤber unſere eigene<lb/> Verbrechen/ die wir am beſten kennen/ und von denen wir auch ungern<lb/> GOtt Rechenſchafft zu geben gezwungen werden? Was gebrauchen wir<lb/> uns des Urtheils GOttes? was gehen uns die Geſchoͤpffe Gottes an? was<lb/> haben wir mit frembden Knechten zu ſchaffen? ſollen wir nicht an gantzem<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Hiſtoria.</hi></note>Leib zittern/ wann wir uns erinneren/ was jenem groſſen Altvatter wider-<lb/> fahren iſt? da dieſer gehoͤret hatte/ daß einer auß den Bruͤdern in einem Ehe-<lb/> bruch gefallen waͤre/ ſagte er: <hi rendition="#fr">Dieſer hat ſehr ůbel gethan:</hi> und<lb/> ſiehe alsbald brachte ein Eugel <hi rendition="#g">GOTTES</hi> die Seel deß obgedachten<lb/> Suͤnders/ nachdem ſie durch den zeitliehen Hintritt ſchon vom Leib ge-<lb/> ſcheiden ware/ zu dieſem Altvatter/ und ſagte; ſchaue zu/ den du gerichtet<lb/> haſt/ iſt ſchon geſtorben/ hier bringe ich dir deſſen Seel/ und erwarte deinen<lb/> Befelch daruͤber/ ob ſie zu der Hoͤllen/ oder zum Himmel ſolle gefuͤhret wer-<lb/> den: mit dieſen Worten hat der Engel dem alten Einſidler nichts anders<lb/> bedeuten wollen/ als eben dieſes: wann du allbereits worden biſt ein Richter<lb/> der Gerechten; ſo bitte ich dich/ ſage mir deine Meinung uͤber dieſe arme<lb/> Seele/ ob du dich derſelben erbarmen/ oder ob du ſie ewiglich ſtraffen wolleſt?<lb/> da ſolches der heilige Mann gehoͤret/ iſt er ab dieſer ſo frembden Frag der-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">geſtalt</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0118]
Die Neunte Geiſtliche Lection
ſeiner und auch der geiſtlichen Jungfrawen verderbten zweyen Seelen/
billig muͤſſe in den Band der Excommunication geſchlagen werden; hat
ſie der Heyl. Mann geſtillet/ und geſagt: nicht meine Kinder/ nichtfaͤhlet
ſo leichtlich von ewerem Nechſten das Urtheil; dann hierdurch ſtuͤrtzet ihr
euch in zwey ſehr groſſe Ubelen: deren das erſte iſt daß ihr nemblieh deß je-
nigen Gebott uͤberſchreitet/ der da ſpricht: Richtet nicht vor der
Zeit. Das zweyte iſt/ daß ihr nicht ohne hoͤchſte Vermeſſenheit euch ſelb-
ſten Richter ſtellet uͤber andere: es iſt zumahlen unſicher/ ob dieſe beyde in
ihren Suͤnden bißhero verharret ſeyen; oder ob ſie durch die Guͤtigkeit
GOttes den Laſt ihrer Miſſethaten von ſich geworffen haben. Wiſſet ihr
dann nicht/ ſagt er/ daß ihr in demſelben Gericht/ in dem ihr richtet/ ſollet
gerichtet werden?
9. Wann aber dieſe Lehr deß gottſeeligen Joannis, bey einigen zur
Vernichtigung deß loſen Urtheils keinen Platz findet; der laſſe ſich zum
wenigſten abſchrecken durch den H. Dorotheum, den wir anjetzo fuͤr uns
zur Red ſtellen/ und dieſes groſſen Diener GOTTES treuhertzigen Er-
mahnungen du und ich/ mein Chriſtliche Seel/ mit allem Fleiß auffmercken
wollen: nicht iſt boͤſer ſagt er/ nichts ſchwaͤrer/ als ſeinen Nechſten urtheilen
und verachten: warumb richten wir uns ſelbſten nicht uͤber unſere eigene
Verbrechen/ die wir am beſten kennen/ und von denen wir auch ungern
GOtt Rechenſchafft zu geben gezwungen werden? Was gebrauchen wir
uns des Urtheils GOttes? was gehen uns die Geſchoͤpffe Gottes an? was
haben wir mit frembden Knechten zu ſchaffen? ſollen wir nicht an gantzem
Leib zittern/ wann wir uns erinneren/ was jenem groſſen Altvatter wider-
fahren iſt? da dieſer gehoͤret hatte/ daß einer auß den Bruͤdern in einem Ehe-
bruch gefallen waͤre/ ſagte er: Dieſer hat ſehr ůbel gethan: und
ſiehe alsbald brachte ein Eugel GOTTES die Seel deß obgedachten
Suͤnders/ nachdem ſie durch den zeitliehen Hintritt ſchon vom Leib ge-
ſcheiden ware/ zu dieſem Altvatter/ und ſagte; ſchaue zu/ den du gerichtet
haſt/ iſt ſchon geſtorben/ hier bringe ich dir deſſen Seel/ und erwarte deinen
Befelch daruͤber/ ob ſie zu der Hoͤllen/ oder zum Himmel ſolle gefuͤhret wer-
den: mit dieſen Worten hat der Engel dem alten Einſidler nichts anders
bedeuten wollen/ als eben dieſes: wann du allbereits worden biſt ein Richter
der Gerechten; ſo bitte ich dich/ ſage mir deine Meinung uͤber dieſe arme
Seele/ ob du dich derſelben erbarmen/ oder ob du ſie ewiglich ſtraffen wolleſt?
da ſolches der heilige Mann gehoͤret/ iſt er ab dieſer ſo frembden Frag der-
geſtalt
c. 6. Bibl.
PP.
Tom. 2.
Hiſtoria.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |