Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.

Bild:
<< vorherige Seite

Judas Jscarioth wegen der Leut ihrer Reden
windliche Hercules der Welt/ ist in gemeinen wollenen Kleideren
aufgezogen/ dergleichen sich der Zeit etwan ein Burger schämbte.
Ludovicus IX. dieser Sieghaffte König in Franckreich/ hat sich
so gemein in Kleidern gehalten/ daß man ihn fast nicht von dem
Pöfel konte unterscheiden. Es ist wohl war/ daß eine von Gold
gestickte Schabracken oder Decken das Pferd nicht besser mache.
Es ist wahr/ daß S. V. ein Misthauffen im Winter nicht darumb
mehrer ist/ weil er mit dem schönen weissen Schnee verhüllt ist.
Es ist wahr/ daß ein Buch nicht dessentwegen höher zu schätzen/
weil es in Sammet eingebunden/ und ein guldenen Schnitt hat/
also folgsam dem Menschen nicht mehrer Ehr zuwachse/ umb weil
er in kostbaren Kleidern daher prangt.

Jch muß bekennen/ der stattliche und theure Procath thut
dermahlen einem manchen armen Bettler einen guten Brocken
abstehlen; wegen der überflüssigen langen Röcken kommt jetzt
mancher Bettler zu kurtz: die silberne und guldene Spitz stechen
die arme Leuth nicht ein wenig: der Uberfluß der Kleider ist ein
Ursach deß grossen Abgangs bey den Armen/ etc. Wie wird
sich einmal die Seyden schämen! wann am jüngsten Tag die ar-
me Bettler Joppen sie bey dem gerechten Göttlichen Richter wird
anklagen.

Uber alles dieses muß ich auch bestehen/ daß die zwölff Apo-
stel/ obschon zwölff Fürsten der Kirchen in gantz gemeinen Kleide-
ren aufgezogen/ ja so gar der H Bartholomäus/ so von Königli-
chem Geschlecht herstammt/ gantzer fünff und zwantzig Jahr ein
Kleid getragen. Der Heil. Eremit Paulus hatte keinen ande-
ren Mantel/ als von Palmen Blättern geflochten/ nach dessen
Tod besagten Mantel der H. Antonius in so grossem Werth ge-
halten/ daß er denselben nur an vornehmen Fest-Tägen an statt
deß Gala Kleid gebraucht hat.

Jch weiß auch gar wol/ daß/ wie der Gottseelige und Sieg-
haffte Kayser Heraclius das Heilige Creutz/ so lange Zeit in

Per-

Judas Jſcarioth wegen der Leut ihrer Reden
windliche Hercules der Welt/ iſt in gemeinen wollenen Kleideren
aufgezogen/ dergleichen ſich der Zeit etwan ein Burger ſchaͤmbte.
Ludovicus IX. dieſer Sieghaffte Koͤnig in Franckreich/ hat ſich
ſo gemein in Kleidern gehalten/ daß man ihn faſt nicht von dem
Poͤfel konte unterſcheiden. Es iſt wohl war/ daß eine von Gold
geſtickte Schabracken oder Decken das Pferd nicht beſſer mache.
Es iſt wahr/ daß S. V. ein Miſthauffen im Winter nicht darumb
mehrer iſt/ weil er mit dem ſchoͤnen weiſſen Schnee verhuͤllt iſt.
Es iſt wahr/ daß ein Buch nicht deſſentwegen hoͤher zu ſchaͤtzen/
weil es in Sammet eingebunden/ und ein guldenen Schnitt hat/
alſo folgſam dem Menſchen nicht mehrer Ehr zuwachſe/ umb weil
er in koſtbaren Kleidern daher prangt.

Jch muß bekennen/ der ſtattliche und theure Procath thut
dermahlen einem manchen armen Bettler einen guten Brocken
abſtehlen; wegen der uͤberfluͤſſigen langen Roͤcken kommt jetzt
mancher Bettler zu kurtz: die ſilberne und guldene Spitz ſtechen
die arme Leuth nicht ein wenig: der Uberfluß der Kleider iſt ein
Urſach deß groſſen Abgangs bey den Armen/ ꝛc. Wie wird
ſich einmal die Seyden ſchaͤmen! wann am juͤngſten Tag dıe ar-
me Bettler Joppen ſie bey dem gerechten Goͤttlichen Richter wird
anklagen.

Uber alles dieſes muß ich auch beſtehen/ daß die zwoͤlff Apo-
ſtel/ obſchon zwoͤlff Fuͤrſten der Kirchen in gantz gemeinen Kleıde-
ren aufgezogen/ ja ſo gar der H Bartholomaͤus/ ſo von Koͤnigli-
chem Geſchlecht herſtammt/ gantzer fuͤnff und zwantzig Jahr ein
Kleid getragen. Der Heil. Eremit Paulus hatte keinen ande-
ren Mantel/ als von Palmen Blaͤttern geflochten/ nach deſſen
Tod beſagten Mantel der H. Antonius in ſo groſſem Werth ge-
halten/ daß er denſelben nur an vornehmen Feſt-Taͤgen an ſtatt
deß Gala Kleid gebraucht hat.

Jch weiß auch gar wol/ daß/ wie der Gottſeelige und Sieg-
haffte Kayſer Heraclius das Heilige Creutz/ ſo lange Zeit in

Per-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0396" n="384"/><fw type="header" place="top">Judas J&#x017F;carioth wegen der Leut ihrer Reden</fw><lb/>
windliche <hi rendition="#aq">Hercules</hi> der Welt/ i&#x017F;t in gemeinen wollenen Kleideren<lb/>
aufgezogen/ dergleichen &#x017F;ich der Zeit etwan ein Burger &#x017F;cha&#x0364;mbte.<lb/><hi rendition="#aq">Ludovicus IX.</hi> die&#x017F;er Sieghaffte Ko&#x0364;nig in Franckreich/ hat &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o gemein in Kleidern gehalten/ daß man ihn fa&#x017F;t nicht von dem<lb/>
Po&#x0364;fel konte unter&#x017F;cheiden. Es i&#x017F;t wohl war/ daß eine von Gold<lb/>
ge&#x017F;tickte Schabracken oder Decken das Pferd nicht be&#x017F;&#x017F;er mache.<lb/>
Es i&#x017F;t wahr/ daß <hi rendition="#aq">S. V.</hi> ein Mi&#x017F;thauffen im Winter nicht darumb<lb/>
mehrer i&#x017F;t/ weil er mit dem &#x017F;cho&#x0364;nen wei&#x017F;&#x017F;en Schnee verhu&#x0364;llt i&#x017F;t.<lb/>
Es i&#x017F;t wahr/ daß ein Buch nicht de&#x017F;&#x017F;entwegen ho&#x0364;her zu &#x017F;cha&#x0364;tzen/<lb/>
weil es in Sammet eingebunden/ und ein guldenen Schnitt hat/<lb/>
al&#x017F;o folg&#x017F;am dem Men&#x017F;chen nicht mehrer Ehr zuwach&#x017F;e/ umb weil<lb/>
er in ko&#x017F;tbaren Kleidern daher prangt.</p><lb/>
        <p>Jch muß bekennen/ der &#x017F;tattliche und theure <hi rendition="#aq">Procath</hi> thut<lb/>
dermahlen einem manchen armen Bettler einen guten Brocken<lb/>
ab&#x017F;tehlen; wegen der u&#x0364;berflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen langen Ro&#x0364;cken kommt jetzt<lb/>
mancher Bettler zu kurtz: die &#x017F;ilberne und guldene Spitz &#x017F;techen<lb/>
die arme Leuth nicht ein wenig: der Uberfluß der Kleider i&#x017F;t ein<lb/>
Ur&#x017F;ach deß gro&#x017F;&#x017F;en Abgangs bey den Armen/ &#xA75B;c. Wie wird<lb/>
&#x017F;ich einmal die Seyden &#x017F;cha&#x0364;men! wann am ju&#x0364;ng&#x017F;ten Tag d&#x0131;e ar-<lb/>
me Bettler Joppen &#x017F;ie bey dem gerechten Go&#x0364;ttlichen Richter wird<lb/>
anklagen.</p><lb/>
        <p>Uber alles die&#x017F;es muß ich auch be&#x017F;tehen/ daß die zwo&#x0364;lff Apo-<lb/>
&#x017F;tel/ ob&#x017F;chon zwo&#x0364;lff Fu&#x0364;r&#x017F;ten der Kirchen in gantz gemeinen Kle&#x0131;de-<lb/>
ren aufgezogen/ ja &#x017F;o gar der H Bartholoma&#x0364;us/ &#x017F;o von Ko&#x0364;nigli-<lb/>
chem Ge&#x017F;chlecht her&#x017F;tammt/ gantzer fu&#x0364;nff und zwantzig Jahr ein<lb/>
Kleid getragen. Der Heil. <hi rendition="#aq">Eremit Paulus</hi> hatte keinen ande-<lb/>
ren Mantel/ als von Palmen Bla&#x0364;ttern geflochten/ nach de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Tod be&#x017F;agten Mantel der H. Antonius in &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;em Werth ge-<lb/>
halten/ daß er den&#x017F;elben nur an vornehmen Fe&#x017F;t-Ta&#x0364;gen an &#x017F;tatt<lb/>
deß <hi rendition="#aq">Gala</hi> Kleid gebraucht hat.</p><lb/>
        <p>Jch weiß auch gar wol/ daß/ wie der Gott&#x017F;eelige und Sieg-<lb/>
haffte Kay&#x017F;er <hi rendition="#aq">Heraclius</hi> das Heilige Creutz/ &#x017F;o lange Zeit in<lb/>
<fw type="catch" place="bottom"><hi rendition="#aq">Per-</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[384/0396] Judas Jſcarioth wegen der Leut ihrer Reden windliche Hercules der Welt/ iſt in gemeinen wollenen Kleideren aufgezogen/ dergleichen ſich der Zeit etwan ein Burger ſchaͤmbte. Ludovicus IX. dieſer Sieghaffte Koͤnig in Franckreich/ hat ſich ſo gemein in Kleidern gehalten/ daß man ihn faſt nicht von dem Poͤfel konte unterſcheiden. Es iſt wohl war/ daß eine von Gold geſtickte Schabracken oder Decken das Pferd nicht beſſer mache. Es iſt wahr/ daß S. V. ein Miſthauffen im Winter nicht darumb mehrer iſt/ weil er mit dem ſchoͤnen weiſſen Schnee verhuͤllt iſt. Es iſt wahr/ daß ein Buch nicht deſſentwegen hoͤher zu ſchaͤtzen/ weil es in Sammet eingebunden/ und ein guldenen Schnitt hat/ alſo folgſam dem Menſchen nicht mehrer Ehr zuwachſe/ umb weil er in koſtbaren Kleidern daher prangt. Jch muß bekennen/ der ſtattliche und theure Procath thut dermahlen einem manchen armen Bettler einen guten Brocken abſtehlen; wegen der uͤberfluͤſſigen langen Roͤcken kommt jetzt mancher Bettler zu kurtz: die ſilberne und guldene Spitz ſtechen die arme Leuth nicht ein wenig: der Uberfluß der Kleider iſt ein Urſach deß groſſen Abgangs bey den Armen/ ꝛc. Wie wird ſich einmal die Seyden ſchaͤmen! wann am juͤngſten Tag dıe ar- me Bettler Joppen ſie bey dem gerechten Goͤttlichen Richter wird anklagen. Uber alles dieſes muß ich auch beſtehen/ daß die zwoͤlff Apo- ſtel/ obſchon zwoͤlff Fuͤrſten der Kirchen in gantz gemeinen Kleıde- ren aufgezogen/ ja ſo gar der H Bartholomaͤus/ ſo von Koͤnigli- chem Geſchlecht herſtammt/ gantzer fuͤnff und zwantzig Jahr ein Kleid getragen. Der Heil. Eremit Paulus hatte keinen ande- ren Mantel/ als von Palmen Blaͤttern geflochten/ nach deſſen Tod beſagten Mantel der H. Antonius in ſo groſſem Werth ge- halten/ daß er denſelben nur an vornehmen Feſt-Taͤgen an ſtatt deß Gala Kleid gebraucht hat. Jch weiß auch gar wol/ daß/ wie der Gottſeelige und Sieg- haffte Kayſer Heraclius das Heilige Creutz/ ſo lange Zeit in Per-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/396
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/396>, abgerufen am 05.12.2024.