Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695.Judas der Gewissenlose Bößwicht von dem Lamech schreiben etliche/ daß er also dem Jagen undHetzen ergeben gewest/ daß er auch solches in dem höchsten Al- ter nit lassen können. Was thut nit die Gewonheit? das grosse Alter hatte bereits ihme das Gesicht also geschwächt/ daß er ohn Führer und Weiser keinen sicheren Schritt kunte thun. Einmal sticht den alten Gecken der Lust/ daß er von freyen Stucken den Bogen selbst gespannt/ mit seinen Buben in die grüne Au hinaus gangen/ zusehen um ein Wild-Brät; kaum daß er in die dicke Hecken und grüne Gebüsch kommen/ da ver- merckt er ein Geräusch/ and glaubt/ es seye ein Wildstuck/ ein muthiger Reh Bock/ oder ein erwachsener Hirsch; ergreifft demnach alsbald sein Bogen/ zihlt mit demselben durch Hülff seines Buben an das Orth/ wo er das Geräusch wahrgenom- men/ truckt/ schiest/ trift/ aber was? nit ein Wildstuck/ wol aber etwas wildes/ nit ein Sau/ wol aber etwas säuisch/ nit einen Haasen/ wol aber etwas Haasenhertzig/ nemlich den Cain, sei- nen nechst Anverwandten und Befreunden; erlegt also und bringt umb nit ein Bestia, wol aber einen bestialischen Menschen. Ob disfahls der Lamech gesündiget/ fragstu; dann Cain hat gesündiget/ umb weil er den Abel hat er mordet/ so hat ja nit minder gethan der Lamech, als er den Cain erlegt? die Frag wird beantwortet/ daß der schlimme und Gottlose Cain habe gesündiget/ weil er im Sinn hat gehabt den Bruder zu ermor- den/ der alte und betagte Lamech aber hat es nit im Sinn ge- habt/ hat nie einen Gedancken gehabt den Cain zu erlegen/ und derenthalben hat er nit gesündiget. So rühret dann die gantze und völlige Bosheit einer That von denen bösen Gedancken her/ und können folgsam böse und sündhaffte Gedancken seyn ohne das Werck; da hingegen das Werck nit kan böß und sträff- lich seyn ohne die Gedancken: und sollen noch so übermüthige Welt Kinder gefunden werden/ welche auch den lasterhaffti- gen Gedancken wollen den freyen Paß ohne Scrupl und Ge- wissens-Wurm vergonnen? Wie
Judas der Gewiſſenloſe Boͤßwicht von dem Lamech ſchreıben etliche/ daß er alſo dem Jagen undHetzen ergeben geweſt/ daß er auch ſolches in dem hoͤchſten Al- ter nit laſſen koͤnnen. Was thut nit die Gewonheit? das groſſe Alter hatte bereits ihme das Geſicht alſo geſchwaͤcht/ daß er ohn Fuͤhrer und Weiſer keinen ſicheren Schritt kunte thun. Einmal ſticht den alten Gecken der Luſt/ daß er von freyen Stucken den Bogen ſelbſt geſpannt/ mit ſeinen Buben in die gruͤne Au hinaus gangen/ zuſehen um ein Wild-Braͤt; kaum daß er in die dicke Hecken und gruͤne Gebuͤſch kommen/ da ver- merckt er ein Geraͤuſch/ and glaubt/ es ſeye ein Wildſtuck/ ein muthiger Reh Bock/ oder ein erwachſener Hirſch; ergreifft demnach alsbald ſein Bogen/ zihlt mit demſelben durch Huͤlff ſeines Buben an das Orth/ wo er das Geraͤuſch wahrgenom- men/ truckt/ ſchieſt/ trift/ aber was? nit ein Wildſtuck/ wol aber etwas wildes/ nit ein Sau/ wol aber etwas ſaͤuiſch/ nit einen Haaſen/ wol aber etwas Haaſenhertzig/ nemlich den Cain, ſei- nen nechſt Anverwandten und Befreunden; erlegt alſo und bringt umb nit ein Beſtia, wol aber einen beſtialiſchẽ Menſchen. Ob disfahls der Lamech geſuͤndiget/ fragſtu; dann Cain hat geſuͤndiget/ umb weil er den Abel hat er mordet/ ſo hat ja nit minder gethan der Lamech, als er den Cain erlegt? die Frag wird beantwortet/ daß der ſchlimme und Gottloſe Cain habe geſuͤndiget/ weil er im Sinn hat gehabt den Bruder zu ermor- den/ der alte und betagte Lamech aber hat es nit im Sinn ge- habt/ hat nie einen Gedancken gehabt den Cain zu erlegen/ und derenthalben hat er nit geſuͤndiget. So ruͤhret dann die gantze und voͤllige Bosheit einer That von denen boͤſen Gedancken her/ und koͤnnen folgſam boͤſe und ſuͤndhaffte Gedancken ſeyn ohne das Werck; da hingegen das Werck nit kan boͤß und ſtraͤff- lich ſeyn ohne die Gedancken: und ſollen noch ſo uͤbermuͤthige Welt Kinder gefunden werden/ welche auch den laſterhaffti- gen Gedancken wollen den freyen Paß ohne Scrupl und Ge- wiſſens-Wurm vergonnen? Wie
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Judas der Gewiſſenloſe Boͤßwicht
von dem Lamech ſchreıben etliche/ daß er alſo dem Jagen und
Hetzen ergeben geweſt/ daß er auch ſolches in dem hoͤchſten Al-
ter nit laſſen koͤnnen. Was thut nit die Gewonheit? das groſſe
Alter hatte bereits ihme das Geſicht alſo geſchwaͤcht/ daß er
ohn Fuͤhrer und Weiſer keinen ſicheren Schritt kunte thun.
Einmal ſticht den alten Gecken der Luſt/ daß er von freyen
Stucken den Bogen ſelbſt geſpannt/ mit ſeinen Buben in die
gruͤne Au hinaus gangen/ zuſehen um ein Wild-Braͤt; kaum
daß er in die dicke Hecken und gruͤne Gebuͤſch kommen/ da ver-
merckt er ein Geraͤuſch/ and glaubt/ es ſeye ein Wildſtuck/ ein
muthiger Reh Bock/ oder ein erwachſener Hirſch; ergreifft
demnach alsbald ſein Bogen/ zihlt mit demſelben durch Huͤlff
ſeines Buben an das Orth/ wo er das Geraͤuſch wahrgenom-
men/ truckt/ ſchieſt/ trift/ aber was? nit ein Wildſtuck/ wol aber
etwas wildes/ nit ein Sau/ wol aber etwas ſaͤuiſch/ nit einen
Haaſen/ wol aber etwas Haaſenhertzig/ nemlich den Cain, ſei-
nen nechſt Anverwandten und Befreunden; erlegt alſo und
bringt umb nit ein Beſtia, wol aber einen beſtialiſchẽ Menſchen.
Ob disfahls der Lamech geſuͤndiget/ fragſtu; dann Cain hat
geſuͤndiget/ umb weil er den Abel hat er mordet/ ſo hat ja nit
minder gethan der Lamech, als er den Cain erlegt? die Frag
wird beantwortet/ daß der ſchlimme und Gottloſe Cain habe
geſuͤndiget/ weil er im Sinn hat gehabt den Bruder zu ermor-
den/ der alte und betagte Lamech aber hat es nit im Sinn ge-
habt/ hat nie einen Gedancken gehabt den Cain zu erlegen/ und
derenthalben hat er nit geſuͤndiget. So ruͤhret dann die gantze
und voͤllige Bosheit einer That von denen boͤſen Gedancken
her/ und koͤnnen folgſam boͤſe und ſuͤndhaffte Gedancken ſeyn
ohne das Werck; da hingegen das Werck nit kan boͤß und ſtraͤff-
lich ſeyn ohne die Gedancken: und ſollen noch ſo uͤbermuͤthige
Welt Kinder gefunden werden/ welche auch den laſterhaffti-
gen Gedancken wollen den freyen Paß ohne Scrupl und Ge-
wiſſens-Wurm vergonnen?
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Zitationshilfe: | Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 4. Salzburg, 1695, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas04_1695/224>, abgerufen am 22.07.2024. |