Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692.

Bild:
<< vorherige Seite

Judas der falsche Bößwicht
ken der Brüder/ die haben das Glück gehabt. Die Braut
in dem Hohen-Lied Salomonis hat ihren Liebsten ge-
sucht/ und hat ihn gefunden/ die hats Glück gehabt.
Das Weiblein im Evangelio hat den verlohrnen Gro-
schen gesucht/ und nach vielen angewondtem Fleiß/ den-
selben auch gefunden/ die hats Glück gehabt. Petrus zu
Abstattung des Tributs hat das erforderte Geld gesucht/
auch selbiges in dem Maul des Fisch gefunden/ der hats
Glück gehabt. Der gute Hirt hat das verlohrne Schäf-
lein gesucht in der Wüsten/ und hat es auch gefunden/
der hats Glück gehabt. Maria und Joseph haben den
zwölff-jährigen JESUM gesucht/ denselben endlich
nach drey Tagen gefunden in dem Tempel/ die haben
das gröste Glück gehabt. Ich aber suche so viel Jahr
nacheinander/ suche oben und unten/ und auf der Sei-
ten/ such allenthalben/ suche über und über/ und hab es
noch nit gefunden/ werd auch das Glück nit haben/ daß
ich es werde finden/ benanntlich die Redlichkeit.

Ich hab mich anfänglich in die Kirchen begeben/ der
gänzlichen Hofnung/ daselbst die liebe Redlichkeit anzu-
treffen/ aber leyder bald mehrer Falschheit gefunden als
anderwerts. Meine Augen waren zum allerersten ge-
worffen auf die Canzel/ und gedachte unfehlbar daselbst
zu sehen/ nach dem ich so lang getracht/ das Widerspiel
aber hat sich bald erzeigt/ indem ich geglaubt/ diese seye
mit dem besten Gold überzogen/ unterdessen war es nur
Metall und von dem Fürneüß in solchen Glanz gezogen.
O GOTT! sagte ich bey mir selbsten/ auf der Canzel soll
alles wahr seyn/ anietzo aber triff ich an das Wider-
spiel. Auf dem Altar erblickte ich sechs grosse Leuchter/
die ich alle vor das beste Silber gehalten/ und schätzte sie
vor Augspurger Prob/ fande aber nachgehends mit eig-
ner schamröthe/ daß sie Lugenburger Prob von Kupfer
also künstlich getrieben/ starck überfilbert; und inwen-

dig

Judas der falſche Boͤßwicht
ken der Bruͤder/ die haben das Gluͤck gehabt. Die Braut
in dem Hohen-Lied Salomonis hat ihren Liebſten ge-
ſucht/ und hat ihn gefunden/ die hats Gluͤck gehabt.
Das Weiblein im Evangelio hat den verlohrnen Gro-
ſchen geſucht/ und nach vielen angewondtem Fleiß/ den-
ſelben auch gefunden/ die hats Gluͤck gehabt. Petrus zu
Abſtattung des Tributs hat das erforderte Geld geſucht/
auch ſelbiges in dem Maul des Fiſch gefunden/ der hats
Gluͤck gehabt. Der gute Hirt hat das verlohrne Schaͤf-
lein geſucht in der Wuͤſten/ und hat es auch gefunden/
der hats Gluͤck gehabt. Maria und Joſeph haben den
zwoͤlff-jaͤhrigen JESUM geſucht/ denſelben endlich
nach drey Tagen gefunden in dem Tempel/ die haben
das groͤſte Gluͤck gehabt. Ich aber ſuche ſo viel Jahr
nacheinander/ ſuche oben und unten/ und auf der Sei-
ten/ ſuch allenthalben/ ſuche uͤber und uͤber/ und hab es
noch nit gefunden/ werd auch das Gluͤck nit haben/ daß
ich es werde finden/ benanntlich die Redlichkeit.

Ich hab mich anfaͤnglich in die Kirchen begeben/ der
gaͤnzlichen Hofnung/ daſelbſt die liebe Redlichkeit anzu-
treffen/ aber leyder bald mehrer Falſchheit gefunden als
anderwerts. Meine Augen waren zum allererſten ge-
worffen auf die Canzel/ und gedachte unfehlbar daſelbſt
zu ſehen/ nach dem ich ſo lang getracht/ das Widerſpiel
aber hat ſich bald erzeigt/ indem ich geglaubt/ dieſe ſeye
mit dem beſten Gold uͤberzogen/ unterdeſſen war es nur
Metall und von dem Fuͤrneuͤß in ſolchen Glanz gezogen.
O GOTT! ſagte ich bey mir ſelbſten/ auf der Canzel ſoll
alles wahr ſeyn/ anietzo aber triff ich an das Wider-
ſpiel. Auf dem Altar erblickte ich ſechs groſſe Leuchter/
die ich alle vor das beſte Silber gehalten/ und ſchaͤtzte ſie
vor Augſpurger Prob/ fande aber nachgehends mit eig-
ner ſchamroͤthe/ daß ſie Lugenburger Prob von Kupfer
alſo kuͤnſtlich getrieben/ ſtarck uͤberfilbert; und inwen-

dig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0300" n="268"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Judas der fal&#x017F;che Bo&#x0364;ßwicht</hi></fw><lb/>
ken der Bru&#x0364;der/ die haben das Glu&#x0364;ck gehabt. Die Braut<lb/>
in dem Hohen-Lied Salomonis hat ihren Lieb&#x017F;ten ge-<lb/>
&#x017F;ucht/ und hat ihn gefunden/ die hats Glu&#x0364;ck gehabt.<lb/>
Das Weiblein im <hi rendition="#aq">Evangelio</hi> hat den verlohrnen Gro-<lb/>
&#x017F;chen ge&#x017F;ucht/ und nach vielen angewondtem Fleiß/ den-<lb/>
&#x017F;elben auch gefunden/ die hats Glu&#x0364;ck gehabt. <hi rendition="#aq">Petrus</hi> zu<lb/>
Ab&#x017F;tattung des Tributs hat das erforderte Geld ge&#x017F;ucht/<lb/>
auch &#x017F;elbiges in dem Maul des Fi&#x017F;ch gefunden/ der hats<lb/>
Glu&#x0364;ck gehabt. Der gute Hirt hat das verlohrne Scha&#x0364;f-<lb/>
lein ge&#x017F;ucht in der Wu&#x0364;&#x017F;ten/ und hat es auch gefunden/<lb/>
der hats Glu&#x0364;ck gehabt. Maria und Jo&#x017F;eph haben den<lb/>
zwo&#x0364;lff-ja&#x0364;hrigen <hi rendition="#g">JESUM</hi> ge&#x017F;ucht/ den&#x017F;elben endlich<lb/>
nach drey Tagen gefunden in dem Tempel/ die haben<lb/>
das gro&#x0364;&#x017F;te Glu&#x0364;ck gehabt. Ich aber &#x017F;uche &#x017F;o viel Jahr<lb/>
nacheinander/ &#x017F;uche oben und unten/ und auf der Sei-<lb/>
ten/ &#x017F;uch allenthalben/ &#x017F;uche u&#x0364;ber und u&#x0364;ber/ und hab es<lb/>
noch nit gefunden/ werd auch das Glu&#x0364;ck nit haben/ daß<lb/>
ich es werde finden/ benanntlich die <hi rendition="#fr">Redlichkeit.</hi></p><lb/>
        <p>Ich hab mich anfa&#x0364;nglich in die Kirchen begeben/ der<lb/>
ga&#x0364;nzlichen Hofnung/ da&#x017F;elb&#x017F;t die liebe Redlichkeit anzu-<lb/>
treffen/ aber leyder bald mehrer Fal&#x017F;chheit gefunden als<lb/>
anderwerts. Meine Augen waren zum allerer&#x017F;ten ge-<lb/>
worffen auf die Canzel/ und gedachte unfehlbar da&#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
zu &#x017F;ehen/ nach dem ich &#x017F;o lang getracht/ das Wider&#x017F;piel<lb/>
aber hat &#x017F;ich bald erzeigt/ indem ich geglaubt/ die&#x017F;e &#x017F;eye<lb/>
mit dem be&#x017F;ten Gold u&#x0364;berzogen/ unterde&#x017F;&#x017F;en war es nur<lb/>
Metall und von dem Fu&#x0364;rneu&#x0364;ß in &#x017F;olchen Glanz gezogen.<lb/>
O GOTT! &#x017F;agte ich bey mir &#x017F;elb&#x017F;ten/ auf der Canzel &#x017F;oll<lb/>
alles wahr &#x017F;eyn/ anietzo aber triff ich an das Wider-<lb/>
&#x017F;piel. Auf dem Altar erblickte ich &#x017F;echs gro&#x017F;&#x017F;e Leuchter/<lb/>
die ich alle vor das be&#x017F;te Silber gehalten/ und &#x017F;cha&#x0364;tzte &#x017F;ie<lb/>
vor Aug&#x017F;purger Prob/ fande aber nachgehends mit eig-<lb/>
ner &#x017F;chamro&#x0364;the/ daß &#x017F;ie Lugenburger Prob von Kupfer<lb/>
al&#x017F;o ku&#x0364;n&#x017F;tlich getrieben/ &#x017F;tarck u&#x0364;berfilbert; und inwen-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">dig</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0300] Judas der falſche Boͤßwicht ken der Bruͤder/ die haben das Gluͤck gehabt. Die Braut in dem Hohen-Lied Salomonis hat ihren Liebſten ge- ſucht/ und hat ihn gefunden/ die hats Gluͤck gehabt. Das Weiblein im Evangelio hat den verlohrnen Gro- ſchen geſucht/ und nach vielen angewondtem Fleiß/ den- ſelben auch gefunden/ die hats Gluͤck gehabt. Petrus zu Abſtattung des Tributs hat das erforderte Geld geſucht/ auch ſelbiges in dem Maul des Fiſch gefunden/ der hats Gluͤck gehabt. Der gute Hirt hat das verlohrne Schaͤf- lein geſucht in der Wuͤſten/ und hat es auch gefunden/ der hats Gluͤck gehabt. Maria und Joſeph haben den zwoͤlff-jaͤhrigen JESUM geſucht/ denſelben endlich nach drey Tagen gefunden in dem Tempel/ die haben das groͤſte Gluͤck gehabt. Ich aber ſuche ſo viel Jahr nacheinander/ ſuche oben und unten/ und auf der Sei- ten/ ſuch allenthalben/ ſuche uͤber und uͤber/ und hab es noch nit gefunden/ werd auch das Gluͤck nit haben/ daß ich es werde finden/ benanntlich die Redlichkeit. Ich hab mich anfaͤnglich in die Kirchen begeben/ der gaͤnzlichen Hofnung/ daſelbſt die liebe Redlichkeit anzu- treffen/ aber leyder bald mehrer Falſchheit gefunden als anderwerts. Meine Augen waren zum allererſten ge- worffen auf die Canzel/ und gedachte unfehlbar daſelbſt zu ſehen/ nach dem ich ſo lang getracht/ das Widerſpiel aber hat ſich bald erzeigt/ indem ich geglaubt/ dieſe ſeye mit dem beſten Gold uͤberzogen/ unterdeſſen war es nur Metall und von dem Fuͤrneuͤß in ſolchen Glanz gezogen. O GOTT! ſagte ich bey mir ſelbſten/ auf der Canzel ſoll alles wahr ſeyn/ anietzo aber triff ich an das Wider- ſpiel. Auf dem Altar erblickte ich ſechs groſſe Leuchter/ die ich alle vor das beſte Silber gehalten/ und ſchaͤtzte ſie vor Augſpurger Prob/ fande aber nachgehends mit eig- ner ſchamroͤthe/ daß ſie Lugenburger Prob von Kupfer alſo kuͤnſtlich getrieben/ ſtarck uͤberfilbert; und inwen- dig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/300
Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 3. Salzburg, 1692, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas03_1692/300>, abgerufen am 22.11.2024.