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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686.

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Judas allzeit ein Dieb/
Simeon seye von GOtt offenbahret worden/ daß zu sei-
nen Zeiten auß 10000. Seelen kaum eine seelig worden.
Ab solchen stehen einem die Haar gen Berg. Wer ist aber
Ursach? Niemand.

Wer ist Vrsach/ daß die Gebott Gottes/ die Ge-
bott der Kirchen/ die Gebott der Natur so offt/ so starck/
so schändlich übertretten werden? wer ist Vrsach? Nie-
mand.

Wer ist Vrsach/ daß der Allmächtige GOtt/ daß
Gottes außerwöhlte Heilige/ daß Gottes heilige Kirchen
so mannigfältig/ so schwär/ so gewissenloß belaydiget wer-
den. Wer ist Vrsach? Niemand.

Wer ist Vrsach alles Vbels/ aller Gottlosigkeit/ al-
ler Laster/ aller Vnthaten/ aller Sünden/ aller Verbre-
chen/ alles Muthwillens/ aller Vnzucht/ aller Missetha-
ten? Niemand/ ja Niemand. O verfluchter Niemand/
der Niemand/ der Nemo, der verursacht alles Vbel;
wann nemblichen der bethörte Sünder sagt. Niemand
sichts: Niemand hörts: Niemand waiß es.

Daß kohlschwartze Raaben nach stinckendem Aaß
trachten/ ist kein Wunder: daß schwartze Kothkefer im
Mist vnnd Vnflath herumb wuellen/ ist kein Wunder:
aber von weissen Tauben wundert mich. Zwey alte Rich-
ter zu Babylon/ schon weiß wie ein Tauben/ haben noch
vngebührende Augen geworffen in die Weibsbilder. Auff
solche Weiß haist es; vnder den grauen Aschen findet
man offt ein Gluet/ vnder den grauen Haaren findet man
offt Kitzl vnd Mueth. Auff solche Weiß ist es wahr: vn-
der dem weissen Schnee findet man offt ein Misthauffen;
vnder den weissen Haaren thut offt Cupido schnauffen.
Solche alte Kraußköpff/ vnd Maußköpff seynd natürlich/
wie die Blätter deß Aeschen-Baums/ welche auff einer

Sey-
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Judas allzeit ein Dieb/
Simeon ſeye von GOtt offenbahret worden/ daß zu ſei-
nen Zeiten auß 10000. Seelen kaum eine ſeelig worden.
Ab ſolchen ſtehen einem die Haar gen Berg. Wer iſt aber
Urſach? Niemand.

Wer iſt Vrſach/ daß die Gebott Gottes/ die Ge-
bott der Kirchen/ die Gebott der Natur ſo offt/ ſo ſtarck/
ſo ſchaͤndlich uͤbertretten werden? wer iſt Vrſach? Nie-
mand.

Wer iſt Vrſach/ daß der Allmaͤchtige GOtt/ daß
Gottes außerwoͤhlte Heilige/ daß Gottes heilige Kirchen
ſo mannigfaͤltig/ ſo ſchwaͤr/ ſo gewiſſenloß belaydiget wer-
den. Wer iſt Vrſach? Niemand.

Wer iſt Vrſach alles Vbels/ aller Gottloſigkeit/ al-
ler Laſter/ aller Vnthaten/ aller Suͤnden/ aller Verbre-
chen/ alles Muthwillens/ aller Vnzucht/ aller Miſſetha-
ten? Niemand/ ja Niemand. O verfluchter Niemand/
der Niemand/ der Nemo, der verurſacht alles Vbel;
wann nemblichen der bethoͤrte Suͤnder ſagt. Niemand
ſichts: Niemand hoͤrts: Niemand waiß es.

Daß kohlſchwartze Raaben nach ſtinckendem Aaß
trachten/ iſt kein Wunder: daß ſchwartze Kothkefer im
Miſt vnnd Vnflath herumb wuellen/ iſt kein Wunder:
aber von weiſſen Tauben wundert mich. Zwey alte Rich-
ter zu Babylon/ ſchon weiß wie ein Tauben/ haben noch
vngebuͤhrende Augen geworffen in die Weibsbilder. Auff
ſolche Weiß haiſt es; vnder den grauen Aſchen findet
man offt ein Gluet/ vnder den grauen Haaren findet man
offt Kitzl vnd Mueth. Auff ſolche Weiß iſt es wahr: vn-
der dem weiſſen Schnee findet man offt ein Miſthauffen;
vnder den weiſſen Haaren thut offt Cupido ſchnauffen.
Solche alte Kraußkoͤpff/ vnd Maußkoͤpff ſeynd natuͤrlich/
wie die Blaͤtter deß Aeſchen-Baums/ welche auff einer

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[421/0457] Judas allzeit ein Dieb/ Simeon ſeye von GOtt offenbahret worden/ daß zu ſei- nen Zeiten auß 10000. Seelen kaum eine ſeelig worden. Ab ſolchen ſtehen einem die Haar gen Berg. Wer iſt aber Urſach? Niemand. Wer iſt Vrſach/ daß die Gebott Gottes/ die Ge- bott der Kirchen/ die Gebott der Natur ſo offt/ ſo ſtarck/ ſo ſchaͤndlich uͤbertretten werden? wer iſt Vrſach? Nie- mand. Wer iſt Vrſach/ daß der Allmaͤchtige GOtt/ daß Gottes außerwoͤhlte Heilige/ daß Gottes heilige Kirchen ſo mannigfaͤltig/ ſo ſchwaͤr/ ſo gewiſſenloß belaydiget wer- den. Wer iſt Vrſach? Niemand. Wer iſt Vrſach alles Vbels/ aller Gottloſigkeit/ al- ler Laſter/ aller Vnthaten/ aller Suͤnden/ aller Verbre- chen/ alles Muthwillens/ aller Vnzucht/ aller Miſſetha- ten? Niemand/ ja Niemand. O verfluchter Niemand/ der Niemand/ der Nemo, der verurſacht alles Vbel; wann nemblichen der bethoͤrte Suͤnder ſagt. Niemand ſichts: Niemand hoͤrts: Niemand waiß es. Daß kohlſchwartze Raaben nach ſtinckendem Aaß trachten/ iſt kein Wunder: daß ſchwartze Kothkefer im Miſt vnnd Vnflath herumb wuellen/ iſt kein Wunder: aber von weiſſen Tauben wundert mich. Zwey alte Rich- ter zu Babylon/ ſchon weiß wie ein Tauben/ haben noch vngebuͤhrende Augen geworffen in die Weibsbilder. Auff ſolche Weiß haiſt es; vnder den grauen Aſchen findet man offt ein Gluet/ vnder den grauen Haaren findet man offt Kitzl vnd Mueth. Auff ſolche Weiß iſt es wahr: vn- der dem weiſſen Schnee findet man offt ein Miſthauffen; vnder den weiſſen Haaren thut offt Cupido ſchnauffen. Solche alte Kraußkoͤpff/ vnd Maußkoͤpff ſeynd natuͤrlich/ wie die Blaͤtter deß Aeſchen-Baums/ welche auff einer Sey- G g g 3

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas01_1686/457>, abgerufen am 25.11.2024.