Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680.[Spaltenumbruch]
At sicut Graecis victoribus asto tro- Die Persen hatten mich/ als Stein/ hieher geführet/ zum Zeichen ihres Siegs sollt ich seyn aus- gezieret/ den sie vom Griechenland zu haben vor gewiß sich hatten eingebildt. Nun bin ich Ne- mesis. Gleichwie ich aber izt zur Sieges-Seulen diene dem edlen Griechen-Volck auf ihrer Er- den-Bühne/ So pfleg im Gegentheil ich ohne alle Scheu also zu straffen ab der Persen Prah- lerey. Diese Bildnus hatte eine Kron auf dem Haupt/ an welcher Hirschen und kleine Siegsbilder zu sehen waren: in der einen Hand hielte sie einen Ast von einem Eschbaum/ in der andern eine Büchsen oder Schale/ worauf einige Mohren abgebildet waren/ dessen Ursach Pausanias nicht errahten können. Eben dieser sagt ferner/ es habe weder das Bild der Nemesis/ noch einiges anders bey den Alten Nemesis ohne Flügel. Flügel gehabt: nachgehends aber sind sie bey denen zu Smyrna geflügelt gemachet/ und auch der Nemesi/ wie auch dem Cupido selbst Flügel angefügt worden; weil sie vermeinten/ es liesse die Krafft dieser Göttin sich allermeist bey den Verliebten spühren/ und pflegte diejenigen abzustraffen/ welche ihrer Gestalt wegen sich hoffärtig brüsteten/ und andere neben sich verachteten/ wie Ovidius in dem Gedicht vom Narcissus meldet/ so im III Buch seiner Verwandlung zu finden/ dahero auch Catullus sagt: Sieh' zu/ daß Nemesis sich nicht zu straffen setze: Die Göttin ist voll Ernst; darum sie nicht verletze. Die Justitz oder Gerechtigkeit. Dieweil aber diese Göttin die Menschen um ihrer hochmütigen Thaten willen zu bestraffen geglaubt ward/ haben Einige sie auch für die Justitz gehalten. Diese hat Chrysippus (wie Agellius im XIV Buche erzehlet) von jungfräulicher Gestalt und Lineamenten beschrieben/ sie mit einem ernstlichen und erschrecklichen Gesicht/ wie auch scharffen Augen begabet/ die weder demütig/ noch zornsüchtig/ sondern[Spaltenumbruch] von einem traurig-ehrerbietigen Ansehen seye. Dannenhero hat Plato gesagt/ die Justitz sehe alles/ und sey deßwegen von den alten Priestern eine Beobachterin und Aufseherin aller Dinge genennet worden. Apulejus schwöret an einem Orte gar beym Auge der Sonnen/ und der Justitz oder Gerechtigkeit/ gleichsam als ob diese nicht weniger Krafft und Vermögen zu sehen habe als die Sonne selbst: woraus wir zu mercken haben/ wie die Diener der Gerechtigkeit beschaffen seyn sollen/ als welche mit den Augen ihres scharffen Verstandes die Warheit von Grund-aus erforschen Wie die Richter sollen beschaffen seyn. und durchsehen müssen; ja eben dieselben sollen auch mit solcher Reinigkeit begabt seyn/ als die keuscheste Jungfrauen zu seyn pflegen/ also daß sie weder mit Geschencken/ oder Schmeicheleyen/ noch auf einige andere Weise jemals sich bestechen lassen/ sondern dem/ was gerecht und billig ist/ jederzeit mit Ernst nachtrachten sollen: wie dann auch vonnöthen ist/ daß sie gegen die Gottlosen sich schreckbar/ gegen die Unschuldigen aber gütig erweisen. Die Mahler pflegen die Justitz auch mit einer Wag in der Hand/ ingleichen mit einem Büschel Stäben/ darinnen ein Beil gesteckt/ bald wiederum anders/ abzumahlen und vorzustellen. Einige bilden sie auf solche Weise aus: Es sitzet eine nackte Jungfer auf einem viereckigten Stein/ hält in der einen Hand eine gleich instehende Wag/ und verbirgt gleichsam mit der andern unter der Achsel ein entblöstes Schwert. Diodorus schreibet/ man habe an einem gewissen Orte in Egypten/ allda Statue der Justitz ohne Kopf. die Warheits-Pforten gewesen/ eine Justitz-Statue gesehen/ die keinen Kopf gehabt habe/ dessen Ursach er aber nicht zu geben weiß. Eben diese ward von den Egyptern gebildet durch eine aufgethane lincke Hand/ die ihre Fläche zu sehen zeigte/ weil die lincke Hand die selbste Faulheit/ und mit keiner Verschlagenheit begabt zu seyn scheinet; weßwegen sie auch zur Billigkeit tüchtiger als die Rechte geachtet wird. Pausanias in Eliacis prioribus sagt/ sie sey also an des Cypselus Truhe abgebildet gewesen: das schöne Weibsbild/ sagt er/ so mit der lincken Hand eine andere scheußliche Weibsperson beym Halse würget/ und mit der Rechten/ vermittels eines Prügels/ sie wol abschmieret/ deutet an die Gerechtigkeit/ welche die Unbilligkeit gebührlich abstrafft/ dann gerechte Richter müssen die Ungerechtigkeit/ oder/ welches eben so viel ist/ die Unbilligkeit allzeit unterdrücken/ und Fleiß anwenden/ daß ein jeder Unrecht Leidender Vergnügung bekomme. Diese sollen auch zusehen/ daß sie hinter die Warheit kommen/ daher sie jedesmal beyde Partheyen anhören/ und niemals des Klägers blosen Worten glauben/ und den Beklagten verdammen sollen. Dieser Meinung erzehlet Lucianus/ im [Spaltenumbruch]
At sicut Graecis victoribus asto tro- Die Persen hatten mich/ als Stein/ hieher geführet/ zum Zeichen ihres Siegs sollt ich seyn aus- gezieret/ den sie vom Griechenland zu haben vor gewiß sich hatten eingebildt. Nun bin ich Ne- mesis. Gleichwie ich aber izt zur Sieges-Seulen diene dem edlen Griechen-Volck auf ihrer Er- den-Bühne/ So pfleg im Gegentheil ich ohne alle Scheu also zu straffen ab der Persen Prah- lerey. Diese Bildnus hatte eine Kron auf dem Haupt/ an welcher Hirschen und kleine Siegsbilder zu sehen waren: in der einen Hand hielte sie einen Ast von einem Eschbaum/ in der andern eine Büchsen oder Schale/ worauf einige Mohren abgebildet waren/ dessen Ursach Pausanias nicht errahten können. Eben dieser sagt ferner/ es habe weder das Bild der Nemesis/ noch einiges anders bey den Alten Nemesis ohne Flügel. Flügel gehabt: nachgehends aber sind sie bey denen zu Smyrna geflügelt gemachet/ und auch der Nemesi/ wie auch dem Cupido selbst Flügel angefügt worden; weil sie vermeinten/ es liesse die Krafft dieser Göttin sich allermeist bey den Verliebten spühren/ und pflegte diejenigen abzustraffen/ welche ihrer Gestalt wegen sich hoffärtig brüsteten/ und andere neben sich verachteten/ wie Ovidius in dem Gedicht vom Narcissus meldet/ so im III Buch seiner Verwandlung zu finden/ dahero auch Catullus sagt: Sieh’ zu/ daß Nemesis sich nicht zu straffen setze: Die Göttin ist voll Ernst; darum sie nicht verletze. Die Justitz oder Gerechtigkeit. Dieweil aber diese Göttin die Menschen um ihrer hochmütigen Thaten willen zu bestraffen geglaubt ward/ haben Einige sie auch für die Justitz gehalten. Diese hat Chrysippus (wie Agellius im XIV Buche erzehlet) von jungfräulicher Gestalt und Lineamenten beschrieben/ sie mit einem ernstlichen und erschrecklichen Gesicht/ wie auch scharffen Augen begabet/ die weder demütig/ noch zornsüchtig/ sondern[Spaltenumbruch] von einem traurig-ehrerbietigen Ansehen seye. Dannenhero hat Plato gesagt/ die Justitz sehe alles/ und sey deßwegen von den alten Priestern eine Beobachterin und Aufseherin aller Dinge genennet worden. Apulejus schwöret an einem Orte gar beym Auge der Sonnen/ und der Justitz oder Gerechtigkeit/ gleichsam als ob diese nicht weniger Krafft und Vermögen zu sehen habe als die Sonne selbst: woraus wir zu mercken haben/ wie die Diener der Gerechtigkeit beschaffen seyn sollen/ als welche mit den Augen ihres scharffen Verstandes die Warheit von Grund-aus erforschen Wie die Richter sollen beschaffen seyn. und durchsehen müssen; ja eben dieselben sollen auch mit solcher Reinigkeit begabt seyn/ als die keuscheste Jungfrauen zu seyn pflegen/ also daß sie weder mit Geschencken/ oder Schmeicheleyen/ noch auf einige andere Weise jemals sich bestechen lassen/ sondern dem/ was gerecht und billig ist/ jederzeit mit Ernst nachtrachten sollen: wie dann auch vonnöthen ist/ daß sie gegen die Gottlosen sich schreckbar/ gegen die Unschuldigen aber gütig erweisen. Die Mahler pflegen die Justitz auch mit einer Wag in der Hand/ ingleichen mit einem Büschel Stäben/ darinnen ein Beil gesteckt/ bald wiederum anders/ abzumahlen und vorzustellen. Einige bilden sie auf solche Weise aus: Es sitzet eine nackte Jungfer auf einem viereckigten Stein/ hält in der einen Hand eine gleich instehende Wag/ und verbirgt gleichsam mit der andern unter der Achsel ein entblöstes Schwert. Diodorus schreibet/ man habe an einem gewissen Orte in Egypten/ allda Statue der Justitz ohne Kopf. die Warheits-Pforten gewesen/ eine Justitz-Statue gesehen/ die keinen Kopf gehabt habe/ dessen Ursach er aber nicht zu geben weiß. Eben diese ward von den Egyptern gebildet durch eine aufgethane lincke Hand/ die ihre Fläche zu sehen zeigte/ weil die lincke Hand die selbste Faulheit/ und mit keiner Verschlagenheit begabt zu seyn scheinet; weßwegen sie auch zur Billigkeit tüchtiger als die Rechte geachtet wird. Pausanias in Eliacis prioribus sagt/ sie sey also an des Cypselus Truhe abgebildet gewesen: das schöne Weibsbild/ sagt er/ so mit der lincken Hand eine andere scheußliche Weibsperson beym Halse würget/ und mit der Rechten/ vermittels eines Prügels/ sie wol abschmieret/ deutet an die Gerechtigkeit/ welche die Unbilligkeit gebührlich abstrafft/ dann gerechte Richter müssen die Ungerechtigkeit/ oder/ welches eben so viel ist/ die Unbilligkeit allzeit unterdrücken/ und Fleiß anwenden/ daß ein jeder Unrecht Leidender Vergnügung bekomme. Diese sollen auch zusehen/ daß sie hinter die Warheit kommen/ daher sie jedesmal beyde Partheyen anhören/ und niemals des Klägers blosen Worten glauben/ und den Beklagten verdammen sollen. 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Einige bilden sie auf solche Weise aus: Es sitzet eine nackte Jungfer auf einem viereckigten Stein/ hält in der einen Hand eine gleich instehende Wag/ und verbirgt gleichsam mit der andern unter der Achsel ein entblöstes Schwert. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-97 http://d-nb.info/gnd/118679627 http://viaf.org/viaf/10639948">Diodorus</persName> schreibet/ man habe an einem gewissen Orte in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-331 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=7014986">Egypten</placeName>/ allda <note xml:id="n1526.1" place="right">Statue der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-360 http://d-nb.info/gnd/118714368 http://viaf.org/viaf/91602557">Justitz</persName> ohne Kopf.</note> die Warheits-Pforten gewesen/ eine <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-360 http://d-nb.info/gnd/118714368 http://viaf.org/viaf/91602557">Justitz</persName>-Statue gesehen/ die keinen Kopf gehabt habe/ dessen Ursach er aber nicht zu geben weiß. 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Diese sollen auch zusehen/ daß sie hinter die Warheit kommen/ daher sie jedesmal beyde Partheyen anhören/ und niemals des Klägers blosen Worten glauben/ und den Beklagten verdammen sollen.</p> <p>Dieser Meinung erzehlet <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-119 http://d-nb.info/gnd/118575228 http://viaf.org/viaf/89552688">Lucianus</persName>/ im </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [TA 1680, Iconologia Deorum, S. 164/0250]
At sicut Graecis victoribus asto tro-
phaeum,
Punio sic Persas vaniloquos Ne-
mesis.
Die Persen hatten mich/ als Stein/ hieher
geführet/
zum Zeichen ihres Siegs sollt ich seyn aus-
gezieret/
den sie vom Griechenland zu haben vor
gewiß
sich hatten eingebildt. Nun bin ich Ne-
mesis.
Gleichwie ich aber izt zur Sieges-Seulen
diene
dem edlen Griechen-Volck auf ihrer Er-
den-Bühne/
So pfleg im Gegentheil ich ohne alle
Scheu
also zu straffen ab der Persen Prah-
lerey.
Diese Bildnus hatte eine Kron auf dem Haupt/ an welcher Hirschen und kleine Siegsbilder zu sehen waren: in der einen Hand hielte sie einen Ast von einem Eschbaum/ in der andern eine Büchsen oder Schale/ worauf einige Mohren abgebildet waren/ dessen Ursach Pausanias nicht errahten können. Eben dieser sagt ferner/ es habe weder das Bild der Nemesis/ noch einiges anders bey den Alten Flügel gehabt: nachgehends aber sind sie bey denen zu Smyrna geflügelt gemachet/ und auch der Nemesi/ wie auch dem Cupido selbst Flügel angefügt worden; weil sie vermeinten/ es liesse die Krafft dieser Göttin sich allermeist bey den Verliebten spühren/ und pflegte diejenigen abzustraffen/ welche ihrer Gestalt wegen sich hoffärtig brüsteten/ und andere neben sich verachteten/ wie Ovidius in dem Gedicht vom Narcissus meldet/ so im III Buch seiner Verwandlung zu finden/ dahero auch Catullus sagt:
Nemesis ohne Flügel.Ne poenas Nemesis reposcat à te:
Est vehemens Dea; laedere hanc ca-
veto.
Sieh’ zu/ daß Nemesis sich nicht zu straffen
setze:
Die Göttin ist voll Ernst; darum sie nicht
verletze.
Dieweil aber diese Göttin die Menschen um ihrer hochmütigen Thaten willen zu bestraffen geglaubt ward/ haben Einige sie auch für die Justitz gehalten. Diese hat Chrysippus (wie Agellius im XIV Buche erzehlet) von jungfräulicher Gestalt und Lineamenten beschrieben/ sie mit einem ernstlichen und erschrecklichen Gesicht/ wie auch scharffen Augen begabet/ die weder demütig/ noch zornsüchtig/ sondern
von einem traurig-ehrerbietigen Ansehen seye. Dannenhero hat Plato gesagt/ die Justitz sehe alles/ und sey deßwegen von den alten Priestern eine Beobachterin und Aufseherin aller Dinge genennet worden. Apulejus schwöret an einem Orte gar beym Auge der Sonnen/ und der Justitz oder Gerechtigkeit/ gleichsam als ob diese nicht weniger Krafft und Vermögen zu sehen habe als die Sonne selbst: woraus wir zu mercken haben/ wie die Diener der Gerechtigkeit beschaffen seyn sollen/ als welche mit den Augen ihres scharffen Verstandes die Warheit von Grund-aus erforschen und durchsehen müssen; ja eben dieselben sollen auch mit solcher Reinigkeit begabt seyn/ als die keuscheste Jungfrauen zu seyn pflegen/ also daß sie weder mit Geschencken/ oder Schmeicheleyen/ noch auf einige andere Weise jemals sich bestechen lassen/ sondern dem/ was gerecht und billig ist/ jederzeit mit Ernst nachtrachten sollen: wie dann auch vonnöthen ist/ daß sie gegen die Gottlosen sich schreckbar/ gegen die Unschuldigen aber gütig erweisen.
Die Justitz oder Gerechtigkeit.
Wie die Richter sollen beschaffen seyn.Die Mahler pflegen die Justitz auch mit einer Wag in der Hand/ ingleichen mit einem Büschel Stäben/ darinnen ein Beil gesteckt/ bald wiederum anders/ abzumahlen und vorzustellen. Einige bilden sie auf solche Weise aus: Es sitzet eine nackte Jungfer auf einem viereckigten Stein/ hält in der einen Hand eine gleich instehende Wag/ und verbirgt gleichsam mit der andern unter der Achsel ein entblöstes Schwert. Diodorus schreibet/ man habe an einem gewissen Orte in Egypten/ allda die Warheits-Pforten gewesen/ eine Justitz-Statue gesehen/ die keinen Kopf gehabt habe/ dessen Ursach er aber nicht zu geben weiß. Eben diese ward von den Egyptern gebildet durch eine aufgethane lincke Hand/ die ihre Fläche zu sehen zeigte/ weil die lincke Hand die selbste Faulheit/ und mit keiner Verschlagenheit begabt zu seyn scheinet; weßwegen sie auch zur Billigkeit tüchtiger als die Rechte geachtet wird.
Statue der Justitz ohne Kopf.Pausanias in Eliacis prioribus sagt/ sie sey also an des Cypselus Truhe abgebildet gewesen: das schöne Weibsbild/ sagt er/ so mit der lincken Hand eine andere scheußliche Weibsperson beym Halse würget/ und mit der Rechten/ vermittels eines Prügels/ sie wol abschmieret/ deutet an die Gerechtigkeit/ welche die Unbilligkeit gebührlich abstrafft/ dann gerechte Richter müssen die Ungerechtigkeit/ oder/ welches eben so viel ist/ die Unbilligkeit allzeit unterdrücken/ und Fleiß anwenden/ daß ein jeder Unrecht Leidender Vergnügung bekomme. Diese sollen auch zusehen/ daß sie hinter die Warheit kommen/ daher sie jedesmal beyde Partheyen anhören/ und niemals des Klägers blosen Worten glauben/ und den Beklagten verdammen sollen.
Dieser Meinung erzehlet Lucianus/ im
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: ICONOLOGIA DEORUM. Nürnberg, 1680, S. TA 1680, Iconologia Deorum, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_iconologia_1680/250>, abgerufen am 16.02.2025. |