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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] ihre Leichtfertigkeit desto besser abzubilden. Auch haben sie ihr Flügel/ die allenthalben voller Augen waren/ zugeeignet. Virgilius nennet sie ein grausames Monstrum, oder Unthier/ stellet sie gantz gefedert/ und mit so viel offenen Augen/ als Federn/ vor; auch mit eben so viel Zungen und Mäulern/ die nimmer schweigen; wie auch Ohren/ so allezeit horchen und lauschen/ damit sie alles hören mögen. Er meldet gleichfalls/ daß sie ohne Schlaff die gantze Nacht über flieget/ und des Tages sich niederlasse auf die hohe Thürne/ von dannen sie die armen Menschen zu erschrecken pflege/ indeme sie mehrentheils böse neue Gerüchten; iedoch unterweilen mit-unter auch einige gute bringe. Darum muste sie/ meines Bedünckens/ zwo Trompeten haben/ weil sie gute und böse/ wahre und lügenhaffte Zeitungen/ abbläset und ausstreuet. Einige aber meinen/ daß zwo Mähren seyn/ die gute und warhafftige mit weissen/ und die andere lügenhafftige/ oder böse mit schwartzen/ oder Flätermaus-Flügeln. Die Fama/ oder Mähr wird auch abgebildet/ daß sie/ mit schlagenden Flügeln/ vor Martis Wagen herfliege: Dieweil/ von einem bevorstehendem Kriege/ ins gemein das Gerücht grösser/ als das Werck in der Warheit selbst ist/ gemachet wird. Unser Poet setzet neben der Fama/ oder Mähr/ auch einige fügliche Gesellinnen von gleicher Art; nemlich die Leichtglaubigkeit den närrischen Irrthum/ vergebliche Furcht/ eitle Freude/ Aufruhr und Zwietracht und andere dergleichen Gesellschafft Die Art der neubegierigen Plauderer. mehr. Wormit er dann sehr artlich ausbildet/ und zu erkennen giebt/ die Art des gemeinen leichten Volcks/ das auf Märckten und gemeinen Plätzen allerley neue Mähre/ aufklaubt/ die neulichst erst aus der Brut hervor gekrochen/ und kaum Flügel erlangt haben: Da dann ein ieder das Seine darzu thut. Unter welchen auch sind die erzehlt Spielgenossen/ Leichtglaubigkeit/ eitle Freude/ Furcht/ Aufruhr/ Zwietracht und alle andere Freundschafft der falschen neuen Mähre. Welche Dinge offtermalen viel Leichtfertigkeit/ Mühe und Schwerigkeit verursachen können: Dann die Zunge zwar ein kleines Glied/ das aber grosse Wercke verrichtet/ oder ausspricht/ und die härtesten Beine/ ja/ gar Eisen brechen/ und Steine zermalmen kan. Plutarchus erzehlt von einigen/ da er von der Neugierigkeit handelt/ die ihr Land oder Handwerck liederlich/ und als ein unnütz Ding verrichten; und dargegen/ bey denen Burgermeistern und Gerichten/ sich eindringen/ auf den Marckt/ oder an den Häfen/ allda die Schiffe ankommen/ lauffen/ und allenthalben fragen/ was es neues gebe? Solchen Leuten aber jucken die Ohren mehr etwas böses/ als etwas gutes zu hören. Dannenhero die Locrensische Obrigkeit eine weisliche Zu Locris in Calabria hatte die Obrigkeit ein Gesetz gemacht/ daß niemand nach etwas neues fragen dorffte. Verordnung stellte. Dann wann ein Burger/ von seinem Landgut/ oder Hofe in die Stadt kam/ und nach etwas neues fragte/ wurde er alsobald zu einer gewissen Geldstraffe/ die er auch unverzüglich bezahlen muste/ verdammet: dieweil ein solcher Burger eines unruhigen/ und zu Verändrung geneigten Kopffs zu seyn schiene/ oder sich gleichsam erfreute/ die Stadt voller Aufruhr/ Schwerigkeit und Mühe zu finden/ und das Hertz [Spaltenumbruch] nicht zum friedlichen/ geruhsamen/ stillen Leben/ wie Daß nöhtig. ist Heimligkeit zu verbergen/ insonderheit wann sie das gemeine Bäste angehet. einem ehrlichem Manne gebühret/ der die gemeine Wolfahrt liebt/ gewöhnet hätte. Auch befindet man vielfältig/ daß ein solcher neu-süchtiger Wäscher mehrentheils geneigt ist zu wissen und offenbar zu machen/ solche Sachen/ deren wigtige Angelegenheit anders nicht/ als in geheimer Verborgenheit/ reiffen und gelingen kan: also daß die Obrigkeit vor dergleichen Leuten sich mit Fleiß zu hüten/ und den Zungen-Zwang wol zu behertzigen hat/ auch keinen bey sich heimlich-beschlossenen Raht/ der nur von einiger Wichtigkeit ist/ zu offenbaren/ und für der Ungunst ihrer Weiber/ oder anderer guter Freunde/ die wegen dieses Mistrauens übel zu frieden seyn möchten/ sich keinesweges zu entsetzen: Dann ja/ besser ist/ solches zu leiden/ als durch seine leichte Vertraulichkeit/ in Schande/ Bekümmernus und Schaden kommen/ oder dem Gemeinem Besten hinderlich seyn. Man befindet/ nach einiger weisen Raht/ daß die ausgeredete Worte so viel Nutz niemal geschafft haben/ als die verschwiegene und versiegelte: Auch kan man noch allezeit sagen/ was man verschwiegen; aber nicht verschweigen/ was man allbereit geredet hat. Homerus/ der Fürst aller andern Poeten/ stellet/ die Menschen zu unterweisen/ wie sie ihr Leben und Merckwürdiges Vorbild des Ulysses. Wesen wol anordnen sollen/ vor einen gedichteten vorsichtigen Ulysses/ welcher so heim- und künstlich im Schweigen/ als im wol-reden/ war: Dann als er/ nach seiner zehenjärigen Reise/ unbekant nach Hause kommen/ und bey seiner Gemahlin/ die er wie sich selbsten hertzlich liebte/niedersaß/ auch mit ihren Thränen grosses Mitleiden hatte; konte er doch seine Augen und Angesicht gantz unbeweglich halten; sein Mund war dermassen voll Gedult/ und die Vernunfft hatte alle seine Leibsglieder in solchem Gehorsam unter ihrem Gebot/ daß sie den Augen/ das Weinen; der Zunge/ das Reden/ und dem Hertzen/ das Beben und Seuffzen gäntzlich verwehrete: Dieweils ihm/ wegen der ungeschickten Buhler seines Weibs/ die sie eine Wittwe zu seyn glaubten/ ungelegen war/ sich zu offenbaren/ oder zu erkennen zugeben. Sehr weislich thut der/ welcher seine Inwendigkeit dergestalt beherrschen kan; dann er ist ein König sein selbst/ und ein grosser Herr. Hingegen gleicht der ungeschickte Plauderer einer unbemaurten Stadt; einem Hause ohne Beschwerligkeit eines unverschämten Plauderers. Thür; einem unverschnürten Beutel/ und ist iedermanns Verdruß. Gehet er/ einen Krancken zu besuchen/ thut er ihme weher/ als die Kranckheit selbst; ist er in einem Schiff/ so fällt er seinen Gefärten beschwerlicher/ weder die See; lobet er iemand/ so ist es ihm schädlicher/ als wann er ihn verachtete. Also/ daß mancher Mensch/ ober wol nicht unehrlich/ oder eines bösen Lebens ist/ durch Zenon der Philosophus ein Vorbild die Zunge zubezwingen. seine vielredende ungeschickte Zunge/ sich selbsten aufs häßlichste schändet. Dannenhero der weise Zeno uns wol/ zu einem Lehr-Spiegel/ hierinne dienen mag. Dann/ zu Athen/ war ein vortreflicher Burger/ der/ als er des Königs in Persien Gesandten zu Gast hatte/ und wuste/ daß sie daran einen Gefallen haben würden/ die Philosophus der Stadt Athen darzu er bitten ließ. Da nun die Andere mit denn Gesandten begunten zu reden/ und

[Spaltenumbruch] ihre Leichtfertigkeit desto besser abzubilden. Auch haben sie ihr Flügel/ die allenthalben voller Augen waren/ zugeeignet. Virgilius nennet sie ein grausames Monstrum, oder Unthier/ stellet sie gantz gefedert/ und mit so viel offenen Augen/ als Federn/ vor; auch mit eben so viel Zungen und Mäulern/ die nimmer schweigen; wie auch Ohren/ so allezeit horchen und lauschen/ damit sie alles hören mögen. Er meldet gleichfalls/ daß sie ohne Schlaff die gantze Nacht über flieget/ und des Tages sich niederlasse auf die hohe Thürne/ von dannen sie die armen Menschen zu erschrecken pflege/ indeme sie mehrentheils böse neue Gerüchten; iedoch unterweilen mit-unter auch einige gute bringe. Darum muste sie/ meines Bedünckens/ zwo Trompeten haben/ weil sie gute und böse/ wahre und lügenhaffte Zeitungen/ abbläset und ausstreuet. Einige aber meinen/ daß zwo Mähren seyn/ die gute und warhafftige mit weissen/ und die andere lügenhafftige/ oder böse mit schwartzen/ oder Flätermaus-Flügeln. Die Fama/ oder Mähr wird auch abgebildet/ daß sie/ mit schlagenden Flügeln/ vor Martis Wagen herfliege: Dieweil/ von einem bevorstehendem Kriege/ ins gemein das Gerücht grösser/ als das Werck in der Warheit selbst ist/ gemachet wird. Unser Poet setzet neben der Fama/ oder Mähr/ auch einige fügliche Gesellinnen von gleicher Art; nemlich die Leichtglaubigkeit den närrischen Irrthum/ vergebliche Furcht/ eitle Freude/ Aufruhr und Zwietracht und andere dergleichen Gesellschafft Die Art der neubegierigen Plauderer. mehr. Wormit er dann sehr artlich ausbildet/ und zu erkennen giebt/ die Art des gemeinen leichten Volcks/ das auf Märckten und gemeinen Plätzen allerley neue Mähre/ aufklaubt/ die neulichst erst aus der Brut hervor gekrochen/ und kaum Flügel erlangt haben: Da dann ein ieder das Seine darzu thut. Unter welchen auch sind die erzehlt Spielgenossen/ Leichtglaubigkeit/ eitle Freude/ Furcht/ Aufruhr/ Zwietracht und alle andere Freundschafft der falschen neuen Mähre. Welche Dinge offtermalen viel Leichtfertigkeit/ Mühe und Schwerigkeit verursachen können: Dann die Zunge zwar ein kleines Glied/ das aber grosse Wercke verrichtet/ oder ausspricht/ und die härtesten Beine/ ja/ gar Eisen brechen/ und Steine zermalmen kan. Plutarchus erzehlt von einigen/ da er von der Neugierigkeit handelt/ die ihr Land oder Handwerck liederlich/ und als ein unnütz Ding verrichten; und dargegen/ bey denen Burgermeistern und Gerichten/ sich eindringen/ auf den Marckt/ oder an den Häfen/ allda die Schiffe ankommen/ lauffen/ und allenthalben fragen/ was es neues gebe? Solchen Leuten aber jucken die Ohren mehr etwas böses/ als etwas gutes zu hören. Dannenhero die Locrensische Obrigkeit eine weisliche Zu Locris in Calabria hatte die Obrigkeit ein Gesetz gemacht/ daß niemand nach etwas neues fragen dorffte. Verordnung stellte. Dann wann ein Burger/ von seinem Landgut/ oder Hofe in die Stadt kam/ und nach etwas neues fragte/ wurde er alsobald zu einer gewissen Geldstraffe/ die er auch unverzüglich bezahlen muste/ verdammet: dieweil ein solcher Burger eines unruhigen/ und zu Verändrung geneigten Kopffs zu seyn schiene/ oder sich gleichsam erfreute/ die Stadt voller Aufruhr/ Schwerigkeit und Mühe zu finden/ und das Hertz [Spaltenumbruch] nicht zum friedlichen/ geruhsamen/ stillen Leben/ wie Daß nöhtig. ist Heimligkeit zu verbergen/ insonderheit wann sie das gemeine Bäste angehet. einem ehrlichem Manne gebühret/ der die gemeine Wolfahrt liebt/ gewöhnet hätte. Auch befindet man vielfältig/ daß ein solcher neu-süchtiger Wäscher mehrentheils geneigt ist zu wissen und offenbar zu machen/ solche Sachen/ deren wigtige Angelegenheit anders nicht/ als in geheimer Verborgenheit/ reiffen und gelingen kan: also daß die Obrigkeit vor dergleichen Leuten sich mit Fleiß zu hüten/ und den Zungen-Zwang wol zu behertzigen hat/ auch keinen bey sich heimlich-beschlossenen Raht/ der nur von einiger Wichtigkeit ist/ zu offenbaren/ und für der Ungunst ihrer Weiber/ oder anderer guter Freunde/ die wegen dieses Mistrauens übel zu frieden seyn möchten/ sich keinesweges zu entsetzen: Dann ja/ besser ist/ solches zu leiden/ als durch seine leichte Vertraulichkeit/ in Schande/ Bekümmernus und Schaden kommen/ oder dem Gemeinem Besten hinderlich seyn. Man befindet/ nach einiger weisen Raht/ daß die ausgeredete Worte so viel Nutz niemal geschafft haben/ als die verschwiegene und versiegelte: Auch kan man noch allezeit sagen/ was man verschwiegen; aber nicht verschweigen/ was man allbereit geredet hat. Homerus/ der Fürst aller andern Poeten/ stellet/ die Menschen zu unterweisen/ wie sie ihr Leben und Merckwürdiges Vorbild des Ulysses. Wesen wol anordnen sollen/ vor einen gedichteten vorsichtigen Ulysses/ welcher so heim- und künstlich im Schweigen/ als im wol-reden/ war: Dann als er/ nach seiner zehenjärigen Reise/ unbekant nach Hause kommen/ und bey seiner Gemahlin/ die er wie sich selbsten hertzlich liebte/niedersaß/ auch mit ihren Thränen grosses Mitleiden hatte; konte er doch seine Augen und Angesicht gantz unbeweglich halten; sein Mund war dermassen voll Gedult/ und die Vernunfft hatte alle seine Leibsglieder in solchem Gehorsam unter ihrem Gebot/ daß sie den Augen/ das Weinen; der Zunge/ das Reden/ und dem Hertzen/ das Beben und Seuffzen gäntzlich verwehrete: Dieweils ihm/ wegen der ungeschickten Buhler seines Weibs/ die sie eine Wittwe zu seyn glaubten/ ungelegen war/ sich zu offenbaren/ oder zu erkennen zugeben. Sehr weislich thut der/ welcher seine Inwendigkeit dergestalt beherrschen kan; dann er ist ein König sein selbst/ und ein grosser Herr. Hingegen gleicht der ungeschickte Plauderer einer unbemaurten Stadt; einem Hause ohne Beschwerligkeit eines unverschämten Plauderers. Thür; einem unverschnürten Beutel/ und ist iedermanns Verdruß. Gehet er/ einen Krancken zu besuchen/ thut er ihme weher/ als die Kranckheit selbst; ist er in einem Schiff/ so fällt er seinen Gefärten beschwerlicher/ weder die See; lobet er iemand/ so ist es ihm schädlicher/ als wann er ihn verachtete. Also/ daß mancher Mensch/ ober wol nicht unehrlich/ oder eines bösen Lebens ist/ durch Zenon der Philosophus ein Vorbild die Zunge zubezwingen. seine vielredende ungeschickte Zunge/ sich selbsten aufs häßlichste schändet. Dannenhero der weise Zeno uns wol/ zu einem Lehr-Spiegel/ hierinne dienen mag. Dann/ zu Athen/ war ein vortreflicher Burger/ der/ als er des Königs in Persien Gesandten zu Gast hatte/ und wuste/ daß sie daran einen Gefallen haben würden/ die Philosophus der Stadt Athen darzu er bitten ließ. 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nicht zum friedlichen/ geruhsamen/ stillen Leben/ wie <note place="right">Daß nöhtig. ist Heimligkeit zu verbergen/ insonderheit wann sie das gemeine Bäste angehet.</note> einem ehrlichem Manne gebühret/ der die gemeine Wolfahrt liebt/ gewöhnet hätte. Auch befindet man vielfältig/ daß ein solcher neu-süchtiger Wäscher mehrentheils geneigt ist zu wissen und offenbar zu machen/ solche Sachen/ deren wigtige Angelegenheit anders nicht/ als in geheimer Verborgenheit/ reiffen und gelingen kan: also daß die Obrigkeit vor dergleichen Leuten sich mit Fleiß zu hüten/ und den Zungen-Zwang wol zu behertzigen hat/ auch keinen bey sich heimlich-beschlossenen Raht/ der nur von einiger Wichtigkeit ist/ zu offenbaren/ und für der Ungunst ihrer Weiber/ oder anderer guter Freunde/ die wegen dieses Mistrauens übel zu frieden seyn möchten/ sich keinesweges zu entsetzen: Dann ja/ besser ist/ solches zu leiden/ als durch seine leichte Vertraulichkeit/ in Schande/ Bekümmernus und Schaden kommen/ oder dem Gemeinem Besten hinderlich seyn. Man befindet/ nach einiger weisen Raht/ daß die ausgeredete Worte so viel Nutz niemal geschafft haben/ als die verschwiegene und versiegelte: Auch kan man noch allezeit sagen/ was man verschwiegen; aber nicht verschweigen/ was man allbereit geredet hat. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-109 http://d-nb.info/gnd/11855333X http://viaf.org/viaf/63292865">Homerus</persName>/ der Fürst aller andern Poeten/ stellet/ die Menschen zu unterweisen/ wie sie ihr Leben und <note place="right">Merckwürdiges Vorbild des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-488 http://d-nb.info/gnd/118589385 http://viaf.org/viaf/120700269">Ulysses</persName>.</note> Wesen wol anordnen sollen/ vor einen gedichteten vorsichtigen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-488 http://d-nb.info/gnd/118589385 http://viaf.org/viaf/120700269">Ulysses</persName>/ welcher so heim- und künstlich im Schweigen/ als im wol-reden/ war: Dann als er/ nach seiner zehenjärigen Reise/ unbekant nach Hause kommen/ und bey seiner Gemahlin/ die er wie sich selbsten hertzlich liebte/niedersaß/ auch mit ihren Thränen grosses Mitleiden hatte; konte er doch seine Augen und Angesicht gantz unbeweglich halten; sein Mund war dermassen voll Gedult/ und die Vernunfft hatte alle seine Leibsglieder in solchem Gehorsam unter ihrem Gebot/ daß sie den Augen/ das Weinen; der Zunge/ das Reden/ und dem Hertzen/ das Beben und Seuffzen gäntzlich verwehrete: Dieweils ihm/ wegen der ungeschickten Buhler seines Weibs/ die sie eine Wittwe zu seyn glaubten/ ungelegen war/ sich zu offenbaren/ oder zu erkennen zugeben. Sehr weislich thut der/ welcher seine Inwendigkeit dergestalt beherrschen kan; dann er ist ein König sein selbst/ und ein grosser Herr. Hingegen gleicht der ungeschickte Plauderer einer unbemaurten Stadt; einem Hause ohne <note place="right">Beschwerligkeit eines unverschämten Plauderers.</note> Thür; einem unverschnürten Beutel/ und ist iedermanns Verdruß. Gehet er/ einen Krancken zu besuchen/ thut er ihme weher/ als die Kranckheit selbst; ist er in einem Schiff/ so fällt er seinen Gefärten beschwerlicher/ weder die See; lobet er iemand/ so ist es ihm schädlicher/ als wann er ihn verachtete. Also/ daß mancher Mensch/ ober wol nicht unehrlich/ oder eines bösen Lebens ist/ durch <note place="right"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1554">Zenon</persName> der Philosophus ein Vorbild die Zunge zubezwingen.</note> seine vielredende ungeschickte Zunge/ sich selbsten aufs häßlichste schändet. Dannenhero der weise <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1554">Zeno</persName> uns wol/ zu einem Lehr-Spiegel/ hierinne dienen mag. Dann/ zu <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-25 http://www.geonames.org/264371/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7001393">Athen</placeName>/ war ein vortreflicher Burger/ der/ als er des Königs in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-114 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7024079">Persien</placeName> Gesandten zu Gast hatte/ und wuste/ daß sie daran einen Gefallen haben würden/ die Philosophus der Stadt <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-25 http://www.geonames.org/264371/ http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&amp;place=&amp;nation=&amp;subjectid=7001393">Athen</placeName> darzu er bitten ließ. Da nun die Andere mit denn Gesandten begunten zu reden/ und
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[[Metamorphosis, S. 139]/0315] ihre Leichtfertigkeit desto besser abzubilden. Auch haben sie ihr Flügel/ die allenthalben voller Augen waren/ zugeeignet. Virgilius nennet sie ein grausames Monstrum, oder Unthier/ stellet sie gantz gefedert/ und mit so viel offenen Augen/ als Federn/ vor; auch mit eben so viel Zungen und Mäulern/ die nimmer schweigen; wie auch Ohren/ so allezeit horchen und lauschen/ damit sie alles hören mögen. Er meldet gleichfalls/ daß sie ohne Schlaff die gantze Nacht über flieget/ und des Tages sich niederlasse auf die hohe Thürne/ von dannen sie die armen Menschen zu erschrecken pflege/ indeme sie mehrentheils böse neue Gerüchten; iedoch unterweilen mit-unter auch einige gute bringe. Darum muste sie/ meines Bedünckens/ zwo Trompeten haben/ weil sie gute und böse/ wahre und lügenhaffte Zeitungen/ abbläset und ausstreuet. Einige aber meinen/ daß zwo Mähren seyn/ die gute und warhafftige mit weissen/ und die andere lügenhafftige/ oder böse mit schwartzen/ oder Flätermaus-Flügeln. Die Fama/ oder Mähr wird auch abgebildet/ daß sie/ mit schlagenden Flügeln/ vor Martis Wagen herfliege: Dieweil/ von einem bevorstehendem Kriege/ ins gemein das Gerücht grösser/ als das Werck in der Warheit selbst ist/ gemachet wird. Unser Poet setzet neben der Fama/ oder Mähr/ auch einige fügliche Gesellinnen von gleicher Art; nemlich die Leichtglaubigkeit den närrischen Irrthum/ vergebliche Furcht/ eitle Freude/ Aufruhr und Zwietracht und andere dergleichen Gesellschafft mehr. Wormit er dann sehr artlich ausbildet/ und zu erkennen giebt/ die Art des gemeinen leichten Volcks/ das auf Märckten und gemeinen Plätzen allerley neue Mähre/ aufklaubt/ die neulichst erst aus der Brut hervor gekrochen/ und kaum Flügel erlangt haben: Da dann ein ieder das Seine darzu thut. Unter welchen auch sind die erzehlt Spielgenossen/ Leichtglaubigkeit/ eitle Freude/ Furcht/ Aufruhr/ Zwietracht und alle andere Freundschafft der falschen neuen Mähre. Welche Dinge offtermalen viel Leichtfertigkeit/ Mühe und Schwerigkeit verursachen können: Dann die Zunge zwar ein kleines Glied/ das aber grosse Wercke verrichtet/ oder ausspricht/ und die härtesten Beine/ ja/ gar Eisen brechen/ und Steine zermalmen kan. Plutarchus erzehlt von einigen/ da er von der Neugierigkeit handelt/ die ihr Land oder Handwerck liederlich/ und als ein unnütz Ding verrichten; und dargegen/ bey denen Burgermeistern und Gerichten/ sich eindringen/ auf den Marckt/ oder an den Häfen/ allda die Schiffe ankommen/ lauffen/ und allenthalben fragen/ was es neues gebe? Solchen Leuten aber jucken die Ohren mehr etwas böses/ als etwas gutes zu hören. Dannenhero die Locrensische Obrigkeit eine weisliche Verordnung stellte. Dann wann ein Burger/ von seinem Landgut/ oder Hofe in die Stadt kam/ und nach etwas neues fragte/ wurde er alsobald zu einer gewissen Geldstraffe/ die er auch unverzüglich bezahlen muste/ verdammet: dieweil ein solcher Burger eines unruhigen/ und zu Verändrung geneigten Kopffs zu seyn schiene/ oder sich gleichsam erfreute/ die Stadt voller Aufruhr/ Schwerigkeit und Mühe zu finden/ und das Hertz nicht zum friedlichen/ geruhsamen/ stillen Leben/ wie einem ehrlichem Manne gebühret/ der die gemeine Wolfahrt liebt/ gewöhnet hätte. Auch befindet man vielfältig/ daß ein solcher neu-süchtiger Wäscher mehrentheils geneigt ist zu wissen und offenbar zu machen/ solche Sachen/ deren wigtige Angelegenheit anders nicht/ als in geheimer Verborgenheit/ reiffen und gelingen kan: also daß die Obrigkeit vor dergleichen Leuten sich mit Fleiß zu hüten/ und den Zungen-Zwang wol zu behertzigen hat/ auch keinen bey sich heimlich-beschlossenen Raht/ der nur von einiger Wichtigkeit ist/ zu offenbaren/ und für der Ungunst ihrer Weiber/ oder anderer guter Freunde/ die wegen dieses Mistrauens übel zu frieden seyn möchten/ sich keinesweges zu entsetzen: Dann ja/ besser ist/ solches zu leiden/ als durch seine leichte Vertraulichkeit/ in Schande/ Bekümmernus und Schaden kommen/ oder dem Gemeinem Besten hinderlich seyn. Man befindet/ nach einiger weisen Raht/ daß die ausgeredete Worte so viel Nutz niemal geschafft haben/ als die verschwiegene und versiegelte: Auch kan man noch allezeit sagen/ was man verschwiegen; aber nicht verschweigen/ was man allbereit geredet hat. Homerus/ der Fürst aller andern Poeten/ stellet/ die Menschen zu unterweisen/ wie sie ihr Leben und Wesen wol anordnen sollen/ vor einen gedichteten vorsichtigen Ulysses/ welcher so heim- und künstlich im Schweigen/ als im wol-reden/ war: Dann als er/ nach seiner zehenjärigen Reise/ unbekant nach Hause kommen/ und bey seiner Gemahlin/ die er wie sich selbsten hertzlich liebte/niedersaß/ auch mit ihren Thränen grosses Mitleiden hatte; konte er doch seine Augen und Angesicht gantz unbeweglich halten; sein Mund war dermassen voll Gedult/ und die Vernunfft hatte alle seine Leibsglieder in solchem Gehorsam unter ihrem Gebot/ daß sie den Augen/ das Weinen; der Zunge/ das Reden/ und dem Hertzen/ das Beben und Seuffzen gäntzlich verwehrete: Dieweils ihm/ wegen der ungeschickten Buhler seines Weibs/ die sie eine Wittwe zu seyn glaubten/ ungelegen war/ sich zu offenbaren/ oder zu erkennen zugeben. Sehr weislich thut der/ welcher seine Inwendigkeit dergestalt beherrschen kan; dann er ist ein König sein selbst/ und ein grosser Herr. Hingegen gleicht der ungeschickte Plauderer einer unbemaurten Stadt; einem Hause ohne Thür; einem unverschnürten Beutel/ und ist iedermanns Verdruß. Gehet er/ einen Krancken zu besuchen/ thut er ihme weher/ als die Kranckheit selbst; ist er in einem Schiff/ so fällt er seinen Gefärten beschwerlicher/ weder die See; lobet er iemand/ so ist es ihm schädlicher/ als wann er ihn verachtete. Also/ daß mancher Mensch/ ober wol nicht unehrlich/ oder eines bösen Lebens ist/ durch seine vielredende ungeschickte Zunge/ sich selbsten aufs häßlichste schändet. Dannenhero der weise Zeno uns wol/ zu einem Lehr-Spiegel/ hierinne dienen mag. Dann/ zu Athen/ war ein vortreflicher Burger/ der/ als er des Königs in Persien Gesandten zu Gast hatte/ und wuste/ daß sie daran einen Gefallen haben würden/ die Philosophus der Stadt Athen darzu er bitten ließ. Da nun die Andere mit denn Gesandten begunten zu reden/ und Die Art der neubegierigen Plauderer. Zu Locris in Calabria hatte die Obrigkeit ein Gesetz gemacht/ daß niemand nach etwas neues fragen dorffte. Daß nöhtig. ist Heimligkeit zu verbergen/ insonderheit wann sie das gemeine Bäste angehet. Merckwürdiges Vorbild des Ulysses. Beschwerligkeit eines unverschämten Plauderers. Zenon der Philosophus ein Vorbild die Zunge zubezwingen.

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Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 139]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/315>, abgerufen am 27.11.2024.