Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.[Spaltenumbruch] wurden sie nirgend eines einigen gewar/ oder daß das Wasser gewachsen seyn möchte/ oder dergleichen anders Kennzeichen/ konten auch anders nichts erblicken/ dann Frösche/ auch nichts hören/ als derselben unangenehmen Gesang. Und hieraus ist dieses Gedicht genommen/ von der Latona Durst/ und der Frösch-Verwandlung der unfreundlichen Bauren. Hiermit werden getroffen die unverständige/ misgünstige/ geitzige Menschen/ welche so unbeweglich/ grob und bäurisch/ daß sie denen nohtdürfftigen/ armen oder reisenden Menschen/ auch die geringste Freundschafft von der Welt/ als die Vergünstigung eines Trunck Wassers/ zu versagen pflegen/ und ob sie wüsten/ daß sie endlich/ in ihrem Uberfluß/ ersauffen/ und zu grunde gehen müsten. Von dem Marsyas. MArsyas war der Sohn Hyagnis/ so der erste/ welcher andern die Gesetze/ Maß und Harmoni wolgestimmter Music/ welche den Göttern zu Ehren/ und von denen Griechen/ sonderlich an hohen Festen/ gehalten ward/ beygebracht. Marsyas war geboren zu Celena/ einer Stadt in Phrygia; und hatte grosse Gemeinschafft mit der Cybele: Weil er viel gereist/ kam er auch nach Nysa/ den Bachus zu besuchen/ welcher damaliger Zeit/ allda die Herrschafft hatte. Daselbsten fand er den Apollo: Der in grossen Ehren und Ansehen war/ dieweiln er viel schöne Dinge erfunden hatte/ insonderheit die Harffe/ und die Kunst annehmlich darauf zu spielen. Minerva hatte die erste Pfeiffe erfunden/ und aus einem Hirschbeine gemacht/ worauf sie über einer Mahlzeit der Götter spielte: Allein die Juno und Venus spotteten ihrer/ und sagten/ daß/ gleichwie sie vorhin Katzengraue Augen hätte/ sie nunmehro mit diesem Aufblasen der Wangen/ sich denen Katzen allerdings gleich machte. Hierauf gieng Minerva von Stund an/ und beschauete sich in einem klarem Bronnen/ um zu sehen/ ob es wahr/ daß sie im Blasen im Gesichte sich dermassen häßlig verstellte/ und so ungestalt aussähe/ als man sie ausgeruffen hätte. Und weil sie erkannte/ daß es die Warheit/ warff sie vor Zorn die Pfeiffe von sich/ und sagte: Du schändlichs Instrument/ hinweg! und troll dich bald! Weil du mir Muht und Sinn beraubst/ samt der Gestalt. Auch verfluchte sie diejenige/ mit einem abscheulichbösem Wunsche/ und daß sie eines elenden Todes sterben solten/ die solche Pfeiffe aufheben würden/ und darauf spielen wolten. Welcher Fluch auf den Marsyas/ den einige für einen Sohn des Oeagers/ und für einen Hirten und Satyrum halten/ gefallen: Als der diese Flöhte aufgehoben/ und darauf dergestalt spielen lernen/ daß er der beste Meister unter allen wurde/ auch endlich erfunde und aufbrachte die Dorische/ oder Phrygeische Art der Music/ und die Pfeiffe mit zweyen Röhren: Das elendste aber war/ daß ihme der [Spaltenumbruch] Minerva Fluch/ zu theil wurde/ und die Haut kostete. Als nun Marsyas/ mit seiner Flöhte/ beym Apollo war/ nachdem er sich wol darauf geübt hatte/ forderte er den Apollo aus/ mit ihm in einem WettSpiele zu versuchen/ welcher in der Music am besten bestehen würde. Da dann ihr Vergleich dieser war/ daß der Uberwundene in des Obsiegers Macht und Willen seyn solte. Hierzu waren/ in der Stadt Nysa/ Einige zu Richtern und Schiedsleuten erkoren. Marsias bließ erstlich auf seiner Pfeiffen dermassen lieblich/ daß sich alle Umstehende höchlich drüber verwunderten/ und iedweder vermeinte/ daß er seinen Gegenwetter albereits überwunden hätte. Und in dem ein iedweder/ unter den Richtern/ von dessen grossen Kunst/ gnug zu sagen hatte; begonte auch Apollo sehr lieblich zu spielen/ und darein zu singen: welches eine solche Vergnügsamkeit allen Zuhörern gab/ daß er für den Obsieger erklärt und ausgesprochen wurde. Marsyas bewieß den Richtern/ daß der Obsieg seinen Gegen-Wetter unbillig zugesprochen worden/ dieweil sie gewettet hätten/ welcher am lieblichst und künstligsten auf der Pfeiffe spielen/ nicht aber/ wer den andern/ mit der Stimme im Singen/ übertreffen würde: und daß es nicht recht wäre/ daß Apollo zweyerley Künste/ wider eine einige/ im Wettspiel/ gebraucht. Worauf Apollo antwortete/ daß er nicht anders/ dann nach Gerecht- und Billigkeit gehandelt; weil Marsias/ mit seinen Pfeiffen sein müglichstes versucht hätte: dann dafern man die Kunst vergleichen würde/ so müste das Gesetz ordnen/ daß sie beyde/ und nicht einer allein/ sich mit dem Mund behelffen/ oder ein iedweder allein/ mit den Fingern seine Erfahrenheit/ in der Kunst auf der Harffe beweisen solte. Dieser Spiel-Streit geschahe/ bey obbedeuter Stadt Celena/ in Phrygien/ die nachmals Apamona/ oder wie Ptolomeus will/ Apamia genannt wurde/ unweit des Meers/ oder der See/ allda vortreffliche gute Rieten/ oder Röhren wachsen/ wie beym Strabo/ in seinem zwölften Buche/ zu lesen. Als er nun geschunden worden/ sollen aus seinem Blute der Satyren hervor gewachsen und entsprungen seyn. Jedoch sagt man auch/ die Satyren/ Faunen/ Nympffen/ Feldgötter/ Schäffer und Hirten hätten des Marsyas Tod der gestalt beweint/ hernach diese Thränen sich versammlet/ und in die Erde gesuncken/ auch wiederum/ mit einer solchen Menge Wasser/ heraus geflossen/ daß es gnug gewest wäre/ einen gantzen Strom daraus zu machen: Und dieser Fluß wurde genannt Marsyas. Da mich dann düncket/ daß es der Fluß sey/ welchen man nunmehro Pallazzia heisset/ und vor Zeiten Meander (so fast meinem Namen gleichet) genennet wurde/ welcher also der Feld-Götter Thränen theilhafftig worden/ und darvon an gewachsen ist. Daher es vielleicht kommen mag/ (spricht der Author in Schertz) daß ich dem Land- und Feld-Leben so günstig bin. Apollo soll/ wie einige sagen/ nach diesem schinden grosse Reue empfunden haben/ daß er sich vom Zorne dermassen verleiten lassen zu solcher unmenschlichen Grausamkeit/ also daß er die Saiten von seiner Harffe gerissen/ die Harffe selbsten/ zusamt der Pfeiffen/ in des Bachus Höhle aufgehenckt. Die Musä diese Harffe findende/ haben [Spaltenumbruch] wurden sie nirgend eines einigen gewar/ oder daß das Wasser gewachsen seyn möchte/ oder dergleichen anders Kennzeichen/ konten auch anders nichts erblicken/ dann Frösche/ auch nichts hören/ als derselben unangenehmen Gesang. Und hieraus ist dieses Gedicht genommen/ von der Latona Durst/ und der Frösch-Verwandlung der unfreundlichen Bauren. Hiermit werden getroffen die unverständige/ misgünstige/ geitzige Menschen/ welche so unbeweglich/ grob und bäurisch/ daß sie denen nohtdürfftigen/ armen oder reisenden Menschen/ auch die geringste Freundschafft von der Welt/ als die Vergünstigung eines Trunck Wassers/ zu versagen pflegen/ und ob sie wüsten/ daß sie endlich/ in ihrem Uberfluß/ ersauffen/ und zu grunde gehen müsten. Von dem Marsyas. MArsyas war der Sohn Hyagnis/ so der erste/ welcher andern die Gesetze/ Maß und Harmoni wolgestimmter Music/ welche den Göttern zu Ehren/ und von denen Griechen/ sonderlich an hohen Festen/ gehalten ward/ beygebracht. Marsyas war geboren zu Celena/ einer Stadt in Phrygia; und hatte grosse Gemeinschafft mit der Cybele: Weil er viel gereist/ kam er auch nach Nysa/ den Bachus zu besuchen/ welcher damaliger Zeit/ allda die Herrschafft hatte. Daselbsten fand er den Apollo: Der in grossen Ehren und Ansehen war/ dieweiln er viel schöne Dinge erfunden hatte/ insonderheit die Harffe/ und die Kunst annehmlich darauf zu spielen. Minerva hatte die erste Pfeiffe erfunden/ und aus einem Hirschbeine gemacht/ worauf sie über einer Mahlzeit der Götter spielte: Allein die Juno und Venus spotteten ihrer/ und sagten/ daß/ gleichwie sie vorhin Katzengraue Augen hätte/ sie nunmehro mit diesem Aufblasen der Wangen/ sich denen Katzen allerdings gleich machte. Hierauf gieng Minerva von Stund an/ und beschauete sich in einem klarem Bronnen/ um zu sehen/ ob es wahr/ daß sie im Blasen im Gesichte sich dermassen häßlig verstellte/ und so ungestalt aussähe/ als man sie ausgeruffen hätte. Und weil sie erkannte/ daß es die Warheit/ warff sie vor Zorn die Pfeiffe von sich/ und sagte: Du schändlichs Instrument/ hinweg! und troll dich bald! Weil du mir Muht und Sinn beraubst/ samt der Gestalt. Auch verfluchte sie diejenige/ mit einem abscheulichbösem Wunsche/ und daß sie eines elenden Todes sterben solten/ die solche Pfeiffe aufheben würden/ und darauf spielen wolten. Welcher Fluch auf den Marsyas/ den einige für einen Sohn des Oeagers/ und für einen Hirten und Satyrum halten/ gefallen: Als der diese Flöhte aufgehoben/ und darauf dergestalt spielen lernen/ daß er der beste Meister unter allen wurde/ auch endlich erfunde und aufbrachte die Dorische/ oder Phrygeische Art der Music/ und die Pfeiffe mit zweyen Röhren: Das elendste aber war/ daß ihme der [Spaltenumbruch] Minerva Fluch/ zu theil wurde/ und die Haut kostete. Als nun Marsyas/ mit seiner Flöhte/ beym Apollo war/ nachdem er sich wol darauf geübt hatte/ forderte er den Apollo aus/ mit ihm in einem WettSpiele zu versuchen/ welcher in der Music am besten bestehen würde. Da dann ihr Vergleich dieser war/ daß der Uberwundene in des Obsiegers Macht und Willen seyn solte. Hierzu waren/ in der Stadt Nysa/ Einige zu Richtern und Schiedsleuten erkoren. Marsias bließ erstlich auf seiner Pfeiffen dermassen lieblich/ daß sich alle Umstehende höchlich drüber verwunderten/ und iedweder vermeinte/ daß er seinen Gegenwetter albereits überwunden hätte. Und in dem ein iedweder/ unter den Richtern/ von dessen grossen Kunst/ gnug zu sagen hatte; begonte auch Apollo sehr lieblich zu spielen/ und darein zu singen: welches eine solche Vergnügsamkeit allen Zuhörern gab/ daß er für den Obsieger erklärt und ausgesprochen wurde. Marsyas bewieß den Richtern/ daß der Obsieg seinen Gegen-Wetter unbillig zugesprochen worden/ dieweil sie gewettet hätten/ welcher am lieblichst und künstligsten auf der Pfeiffe spielen/ nicht aber/ wer den andern/ mit der Stimme im Singen/ übertreffen würde: und daß es nicht recht wäre/ daß Apollo zweyerley Künste/ wider eine einige/ im Wettspiel/ gebraucht. Worauf Apollo antwortete/ daß er nicht anders/ dann nach Gerecht- und Billigkeit gehandelt; weil Marsias/ mit seinen Pfeiffen sein müglichstes versucht hätte: dann dafern man die Kunst vergleichen würde/ so müste das Gesetz ordnen/ daß sie beyde/ und nicht einer allein/ sich mit dem Mund behelffen/ oder ein iedweder allein/ mit den Fingern seine Erfahrenheit/ in der Kunst auf der Harffe beweisen solte. Dieser Spiel-Streit geschahe/ bey obbedeuter Stadt Celena/ in Phrygien/ die nachmals Apamona/ oder wie Ptolomeus will/ Apamia genannt wurde/ unweit des Meers/ oder der See/ allda vortreffliche gute Rieten/ oder Röhren wachsen/ wie beym Strabo/ in seinem zwölften Buche/ zu lesen. Als er nun geschunden worden/ sollen aus seinem Blute der Satyren hervor gewachsen und entsprungen seyn. Jedoch sagt man auch/ die Satyren/ Faunen/ Nympffen/ Feldgötter/ Schäffer und Hirten hätten des Marsyas Tod der gestalt beweint/ hernach diese Thränen sich versammlet/ und in die Erde gesuncken/ auch wiederum/ mit einer solchen Menge Wasser/ heraus geflossen/ daß es gnug gewest wäre/ einen gantzen Strom daraus zu machen: Und dieser Fluß wurde genannt Marsyas. Da mich dann düncket/ daß es der Fluß sey/ welchen man nunmehro Pallazzia heisset/ und vor Zeiten Meander (so fast meinem Namen gleichet) genennet wurde/ welcher also der Feld-Götter Thränen theilhafftig worden/ und darvon an gewachsen ist. Daher es vielleicht kommen mag/ (spricht der Author in Schertz) daß ich dem Land- und Feld-Leben so günstig bin. Apollo soll/ wie einige sagen/ nach diesem schinden grosse Reue empfunden haben/ daß er sich vom Zorne dermassen verleiten lassen zu solcher unmenschlichen Grausamkeit/ also daß er die Saiten von seiner Harffe gerissen/ die Harffe selbsten/ zusamt der Pfeiffen/ in des Bachus Höhle aufgehenckt. Die Musä diese Harffe findende/ haben <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0253" xml:id="pb-1200" n="[Metamorphosis, S. 77]"/><cb/> wurden sie nirgend eines einigen gewar/ oder daß das Wasser gewachsen seyn möchte/ oder dergleichen anders Kennzeichen/ konten auch anders nichts erblicken/ dann Frösche/ auch nichts hören/ als derselben unangenehmen Gesang. Und hieraus ist dieses Gedicht genommen/ von der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-906">Latona</persName> Durst/ und der Frösch-Verwandlung der unfreundlichen Bauren. Hiermit werden getroffen die unverständige/ misgünstige/ geitzige Menschen/ welche so unbeweglich/ grob und bäurisch/ daß sie denen nohtdürfftigen/ armen oder reisenden Menschen/ auch die geringste Freundschafft von der Welt/ als die Vergünstigung eines Trunck Wassers/ zu versagen pflegen/ und ob sie wüsten/ daß sie endlich/ in ihrem Uberfluß/ ersauffen/ und zu grunde gehen müsten.</p> <p rendition="#c" xml:id="p1200.1">Von dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-413 http://d-nb.info/gnd/118782193 http://viaf.org/viaf/31695480">Marsyas</persName>.</p> <p><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-413 http://d-nb.info/gnd/118782193 http://viaf.org/viaf/31695480">MArsyas</persName> war der Sohn <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3338">Hyagnis</persName>/ so der erste/ welcher andern die Gesetze/ Maß und Harmoni wolgestimmter Music/ welche den Göttern zu Ehren/ und von denen Griechen/ sonderlich an hohen Festen/ gehalten ward/ beygebracht. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-413 http://d-nb.info/gnd/118782193 http://viaf.org/viaf/31695480">Marsyas</persName> war geboren zu <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-1348 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=7017535">Celena</placeName>/ einer Stadt in <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-517 http://www.getty.edu/vow/TGNFullDisplay?find=&place=&nation=&subjectid=7002613">Phrygia</placeName>; und hatte grosse Gemeinschafft mit der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-492 http://d-nb.info/gnd/118640283 http://viaf.org/viaf/10639267">Cybele</persName>: Weil er viel gereist/ kam er auch nach <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-1012">Nysa</placeName>/ den <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-133 http://d-nb.info/gnd/118651439 http://viaf.org/viaf/27864934">Bachus</persName> zu besuchen/ welcher damaliger Zeit/ allda die Herrschafft hatte. 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Daher es vielleicht kommen mag/ (spricht der Author in Schertz) daß ich dem Land- und Feld-Leben so günstig bin. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-59 http://d-nb.info/gnd/118503642 http://viaf.org/viaf/3261638">Apollo</persName> soll/ wie einige sagen/ nach diesem schinden grosse Reue empfunden haben/ daß er sich vom Zorne dermassen verleiten lassen zu solcher unmenschlichen Grausamkeit/ also daß er die Saiten von seiner Harffe gerissen/ die Harffe selbsten/ zusamt der Pfeiffen/ in des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-133 http://d-nb.info/gnd/118651439 http://viaf.org/viaf/27864934">Bachus</persName> Höhle aufgehenckt. Die Musä diese Harffe findende/ haben </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[Metamorphosis, S. 77]/0253]
wurden sie nirgend eines einigen gewar/ oder daß das Wasser gewachsen seyn möchte/ oder dergleichen anders Kennzeichen/ konten auch anders nichts erblicken/ dann Frösche/ auch nichts hören/ als derselben unangenehmen Gesang. Und hieraus ist dieses Gedicht genommen/ von der Latona Durst/ und der Frösch-Verwandlung der unfreundlichen Bauren. Hiermit werden getroffen die unverständige/ misgünstige/ geitzige Menschen/ welche so unbeweglich/ grob und bäurisch/ daß sie denen nohtdürfftigen/ armen oder reisenden Menschen/ auch die geringste Freundschafft von der Welt/ als die Vergünstigung eines Trunck Wassers/ zu versagen pflegen/ und ob sie wüsten/ daß sie endlich/ in ihrem Uberfluß/ ersauffen/ und zu grunde gehen müsten.
Von dem Marsyas.
MArsyas war der Sohn Hyagnis/ so der erste/ welcher andern die Gesetze/ Maß und Harmoni wolgestimmter Music/ welche den Göttern zu Ehren/ und von denen Griechen/ sonderlich an hohen Festen/ gehalten ward/ beygebracht. Marsyas war geboren zu Celena/ einer Stadt in Phrygia; und hatte grosse Gemeinschafft mit der Cybele: Weil er viel gereist/ kam er auch nach Nysa/ den Bachus zu besuchen/ welcher damaliger Zeit/ allda die Herrschafft hatte. Daselbsten fand er den Apollo: Der in grossen Ehren und Ansehen war/ dieweiln er viel schöne Dinge erfunden hatte/ insonderheit die Harffe/ und die Kunst annehmlich darauf zu spielen. Minerva hatte die erste Pfeiffe erfunden/ und aus einem Hirschbeine gemacht/ worauf sie über einer Mahlzeit der Götter spielte: Allein die Juno und Venus spotteten ihrer/ und sagten/ daß/ gleichwie sie vorhin Katzengraue Augen hätte/ sie nunmehro mit diesem Aufblasen der Wangen/ sich denen Katzen allerdings gleich machte. Hierauf gieng Minerva von Stund an/ und beschauete sich in einem klarem Bronnen/ um zu sehen/ ob es wahr/ daß sie im Blasen im Gesichte sich dermassen häßlig verstellte/ und so ungestalt aussähe/ als man sie ausgeruffen hätte. Und weil sie erkannte/ daß es die Warheit/ warff sie vor Zorn die Pfeiffe von sich/ und sagte:
Du schändlichs Instrument/ hinweg! und
troll dich bald!
Weil du mir Muht und Sinn beraubst/
samt der Gestalt.
Auch verfluchte sie diejenige/ mit einem abscheulichbösem Wunsche/ und daß sie eines elenden Todes sterben solten/ die solche Pfeiffe aufheben würden/ und darauf spielen wolten. Welcher Fluch auf den Marsyas/ den einige für einen Sohn des Oeagers/ und für einen Hirten und Satyrum halten/ gefallen: Als der diese Flöhte aufgehoben/ und darauf dergestalt spielen lernen/ daß er der beste Meister unter allen wurde/ auch endlich erfunde und aufbrachte die Dorische/ oder Phrygeische Art der Music/ und die Pfeiffe mit zweyen Röhren: Das elendste aber war/ daß ihme der
Minerva Fluch/ zu theil wurde/ und die Haut kostete. Als nun Marsyas/ mit seiner Flöhte/ beym Apollo war/ nachdem er sich wol darauf geübt hatte/ forderte er den Apollo aus/ mit ihm in einem WettSpiele zu versuchen/ welcher in der Music am besten bestehen würde. Da dann ihr Vergleich dieser war/ daß der Uberwundene in des Obsiegers Macht und Willen seyn solte. Hierzu waren/ in der Stadt Nysa/ Einige zu Richtern und Schiedsleuten erkoren. Marsias bließ erstlich auf seiner Pfeiffen dermassen lieblich/ daß sich alle Umstehende höchlich drüber verwunderten/ und iedweder vermeinte/ daß er seinen Gegenwetter albereits überwunden hätte. Und in dem ein iedweder/ unter den Richtern/ von dessen grossen Kunst/ gnug zu sagen hatte; begonte auch Apollo sehr lieblich zu spielen/ und darein zu singen: welches eine solche Vergnügsamkeit allen Zuhörern gab/ daß er für den Obsieger erklärt und ausgesprochen wurde. Marsyas bewieß den Richtern/ daß der Obsieg seinen Gegen-Wetter unbillig zugesprochen worden/ dieweil sie gewettet hätten/ welcher am lieblichst und künstligsten auf der Pfeiffe spielen/ nicht aber/ wer den andern/ mit der Stimme im Singen/ übertreffen würde: und daß es nicht recht wäre/ daß Apollo zweyerley Künste/ wider eine einige/ im Wettspiel/ gebraucht. Worauf Apollo antwortete/ daß er nicht anders/ dann nach Gerecht- und Billigkeit gehandelt; weil Marsias/ mit seinen Pfeiffen sein müglichstes versucht hätte: dann dafern man die Kunst vergleichen würde/ so müste das Gesetz ordnen/ daß sie beyde/ und nicht einer allein/ sich mit dem Mund behelffen/ oder ein iedweder allein/ mit den Fingern seine Erfahrenheit/ in der Kunst auf der Harffe beweisen solte. Dieser Spiel-Streit geschahe/ bey obbedeuter Stadt Celena/ in Phrygien/ die nachmals Apamona/ oder wie Ptolomeus will/ Apamia genannt wurde/ unweit des Meers/ oder der See/ allda vortreffliche gute Rieten/ oder Röhren wachsen/ wie beym Strabo/ in seinem zwölften Buche/ zu lesen. Als er nun geschunden worden/ sollen aus seinem Blute der Satyren hervor gewachsen und entsprungen seyn. Jedoch sagt man auch/ die Satyren/ Faunen/ Nympffen/ Feldgötter/ Schäffer und Hirten hätten des Marsyas Tod der gestalt beweint/ hernach diese Thränen sich versammlet/ und in die Erde gesuncken/ auch wiederum/ mit einer solchen Menge Wasser/ heraus geflossen/ daß es gnug gewest wäre/ einen gantzen Strom daraus zu machen: Und dieser Fluß wurde genannt Marsyas. Da mich dann düncket/ daß es der Fluß sey/ welchen man nunmehro Pallazzia heisset/ und vor Zeiten Meander (so fast meinem Namen gleichet) genennet wurde/ welcher also der Feld-Götter Thränen theilhafftig worden/ und darvon an gewachsen ist. Daher es vielleicht kommen mag/ (spricht der Author in Schertz) daß ich dem Land- und Feld-Leben so günstig bin. Apollo soll/ wie einige sagen/ nach diesem schinden grosse Reue empfunden haben/ daß er sich vom Zorne dermassen verleiten lassen zu solcher unmenschlichen Grausamkeit/ also daß er die Saiten von seiner Harffe gerissen/ die Harffe selbsten/ zusamt der Pfeiffen/ in des Bachus Höhle aufgehenckt. Die Musä diese Harffe findende/ haben
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