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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] Sinn ziehen wil/ bezeichnen sie die unglaubliche und wunderbare Fertig- oder Geschwindigkeit des Geistes Gottes/ der sich ausbreitet/ und leichtlich unversehens allenthalben durchdringet. Seine Was die Blindheit Cupido bedeute. Blindheit zeiget/ nach einiger Meinung/ an/ daß etliche Menschen/ durch den Brand der Liebe/ ein unverständiges Leben führen/ indem sie vergessen/ oder nicht beobachten ihre eigene Würdigkeit/ und worzu sie von Gott versehen oder beruffen sind/ die weder Schaden noch Schande/ weder gött- noch natürliche Gesetze scheuen/ also/ daß sie nicht allein blind/ sondern auch kindisch und thöricht zu seyn Was die nackigkeit andeute. scheinen. Durch die nackte Blösse des Cupido wird ebenmässig von einigen verstanden/ daß der Geist Gottes die Dinge dieser Welt nothwendig aufrichtiglich/ ungehindert/ und ohne Erwartung einiges Lohns regiere und verwalte. Sonsten bedeutet die Nacktheit auch/ daß die Liebe/ zwischen Liebhabenden/ sich nicht bergen könne. Cupido wird gehalten für den schönsten/ besten und ältsten Gott; weil die Liebe und Barmhertzigkeit Gottes ewig bleibet/ und den Menschen vom Anfang der Welt geoffenbaret ist. Darum wird gedichtet/ von den Poeten/ daß Cupido/ der Himmlische nemlich/ gleich anfangs in den Chaos mit vermischt worden sey: den Cupido aber/ welcher seine Wohnung machet/ in den Theilen unsers Geists/ welchem die Vernunfft weichen und schweigen muß/ ist/ nach des Phocylides Gezeugnüs: mehr eine wütende Raserey/ dann ein Gott:

Cupido ist kein Gott/ vielmehr ein rasend
wühlen/

so alle Menschen macht den grösten Jam-
mer fühlen.

Von der Daphne.

Was der Daphne Verwandlung in einen Lorberbaum bedeute. DIe Verwandlung der Daphne in einen Lorbeerbaum ist darum erdichtet/ weil/ in dem Thal Tempe/ viel dergleichen Bäume wachsen. Sie wird gehalten für eine Tochter des Peneus/ eines Flusses/ so durch dasselbige Thal fliesset. Die Bedeutung hiervon ist diese: Indem Daphne/ die unkeusche Liebe fliehet/ erstattet sie die Unterweisung/ daß eine Jungfrau/ welche ihre jungfräuliche Ehre sorgfältig bewahret/ einen beständig guten und wolriechenden Geruch/ Ruhm und Krantz keuscher Jungfrauschafft behalte; gleichwie ein Lorberbaum stetig grün bleibet/ und einen guten Geruch von sich gibt: Dann eben also muß die Jungfräuliche Reinigkeit auch unverändert bleiben/ wann sie in Ehren glücklich blühen will. Und gleich wie der Lorberbaum/ wann er ins Feuer geworffen wird/ ein grosses Geräusch und Prasseln machet/ und indem er albereit brennet/ dannoch der Flamme zu widerstehen scheinet; also muß auch eine ehrliche Jungfrau geartet seyn/ daß sie den Flammen der Unkeuschheit widerstehe/ ja/ auch durch Geschrey/ wann sie mit Gewalt zu Unehren solte ersucht oder gezwungen werden/ ihre Ehren-Rettung suche. Einige wollen/ Ovidius habe diese Fabel erdichtet/ daß er dem Augustus gefallen/ und seine Gunst erlangen möchte/ indem er/ unter dem Apollo/ den [Spaltenumbruch] Augustus/ und unter der Daphne die Livia/ verstanden. Der Lorberbaum ist/ bey den Heyden/ von Alters her/ für des Apollo Baum gehalten worden; und weil/ Apollo für den Gott des Wahrsagens und der Geheimnüssen geehrt ward/ als wurden auch darum die Lorbeerblätter zum Wahrsagen und Traumdeuten bequem geachtet; darum sie/ wann sie zu Bette gingen/ Lorbeerzweige unter die HauptKüssen zu legen pflegten/ damit sie wahre Träume haben möchten: dahero der Poet sein Gedicht darauf gebauet/ demselben einen so viel grössern Schein zu geben.

Von der Io.

Von der Io/ oder Isis/ und was es bedeute/ das sie in eine Kuh verwandelt worden. VOn der Io oder Isis/ sind unterschiedene natür- und erbauliche Auslegungen/ auch in dem zehenden Buch des Natalis Comes/ zu lesen: die ich aber alhier übergehe/ und eine andere von Joseph Horologgi/ einem Italiäner/ nehme/ nemlich diese: daß/ durch die Io/ welche/ der Finsternus umgeben/ vom Jupiter gebuhlt und entehrt/ endlich auch/ in eine Kuhe verwandelt ward/ zu verstehen sey die Feuchte Lebendigkeit oder Krafft des wachsthümlichen Geistes oder Samens des Menschen; so geliebt wird von der Sonne/ welche begierig und geneigt ist darinnen zu wirken: der dann in Mutter-Leibe umpfangen/ als mit einem dicken Nebel/ damit er wol verwahret sey: welcher Nebel von der Juno/ (dardurch der Mond/ den man als die Geburts-Göttin erwartet/ zu verstehen) weggenommen wird/ auf daß die menschliche Ochsen und Kühe ziehen im Pfluge und Dreschen in einigen Landen. Glieder wachsen/ und endlich an das Tagliecht gebracht werden; da dann diese erwähnte Feuchtigkeit in eine Kuhe verwandelt ist. Dann der Mensch hat die Gleichnus einer Kuh: weil sie ein fruchtbar und arbeitsam Thier ist; und der Mensch/ so mit andern Menschen umgehen wil/ gleichfalls fruchtbar und arbeitsam seyn muß/ nachdemmal er zur Arbeit Was Argus mit hundert Augen bedeute. geboren/ als der Vogel zum fliegen. Weil nun der Mensch ein solches Thier war/ ward er von Gott dem Hirten Argus/ das ist/ der gesunden Vernunfft/ die mit grosser Sorgfalt/ als wie mit hundert Augen/ alles beobachtet und überleget/ anvertrauet und in Verwahrung gegeben. Diese Vernunfft wird von dem Mercurius/ oder welches eben so viel ist/ von der eignen Begierde/ und Neigung zu den Wollüsten und bösen Vornehmen/ gereitzet/ in den süssen Sünden-Schlaff eingewieget/ und zugleich auch von ihm getödet und umgebracht. Das ist: nachdem der Mensch/ seiner Vernunfft beraubt/ in ein ruchloß Leben gerahten/ werden ihm die Augen/ welche ihn vorher zu anders nichts dann Gerechtigkeit und allen Tugenden/ anwiesen/ endlich gesetzet in den Pfauen-Schwantz der Göttin des Reichthums Juno: welche anders nichts ist/ dann eine dem Reichthum/ hochmühtiger Lust/ und eiteler Ehr- ergebene Begierde/ mit einen beliebigem Anschauen der unvollkommenen irrdischen Schönheit/ zu einem äusserlichen Nachtheile des Geistes.

[Spaltenumbruch] Sinn ziehen wil/ bezeichnen sie die unglaubliche und wunderbare Fertig- oder Geschwindigkeit des Geistes Gottes/ der sich ausbreitet/ und leichtlich unversehens allenthalben durchdringet. Seine Was die Blindheit Cupido bedeute. Blindheit zeiget/ nach einiger Meinung/ an/ daß etliche Menschen/ durch den Brand der Liebe/ ein unverständiges Leben führen/ indem sie vergessen/ oder nicht beobachten ihre eigene Würdigkeit/ und worzu sie von Gott versehen oder beruffen sind/ die weder Schaden noch Schande/ weder gött- noch natürliche Gesetze scheuen/ also/ daß sie nicht allein blind/ sondern auch kindisch und thöricht zu seyn Was die nackigkeit andeute. scheinen. Durch die nackte Blösse des Cupido wird ebenmässig von einigen verstanden/ daß der Geist Gottes die Dinge dieser Welt nothwendig aufrichtiglich/ ungehindert/ und ohne Erwartung einiges Lohns regiere und verwalte. Sonsten bedeutet die Nacktheit auch/ daß die Liebe/ zwischen Liebhabenden/ sich nicht bergen könne. Cupido wird gehalten für den schönsten/ besten und ältsten Gott; weil die Liebe und Barmhertzigkeit Gottes ewig bleibet/ und den Menschen vom Anfang der Welt geoffenbaret ist. Darum wird gedichtet/ von den Poeten/ daß Cupido/ der Himmlische nemlich/ gleich anfangs in den Chaos mit vermischt worden sey: den Cupido aber/ welcher seine Wohnung machet/ in den Theilen unsers Geists/ welchem die Vernunfft weichen und schweigen muß/ ist/ nach des Phocylides Gezeugnüs: mehr eine wütende Raserey/ dann ein Gott:

Cupido ist kein Gott/ vielmehr ein rasend
wühlen/

so alle Menschen macht den grösten Jam-
mer fühlen.

Von der Daphne.

Was der Daphne Verwandlung in einen Lorberbaum bedeute. DIe Verwandlung der Daphne in einen Lorbeerbaum ist darum erdichtet/ weil/ in dem Thal Tempe/ viel dergleichen Bäume wachsen. Sie wird gehalten für eine Tochter des Peneus/ eines Flusses/ so durch dasselbige Thal fliesset. Die Bedeutung hiervon ist diese: Indem Daphne/ die unkeusche Liebe fliehet/ erstattet sie die Unterweisung/ daß eine Jungfrau/ welche ihre jungfräuliche Ehre sorgfältig bewahret/ einen beständig guten und wolriechenden Geruch/ Ruhm und Krantz keuscher Jungfrauschafft behalte; gleichwie ein Lorberbaum stetig grün bleibet/ und einen guten Geruch von sich gibt: Dann eben also muß die Jungfräuliche Reinigkeit auch unverändert bleiben/ wann sie in Ehren glücklich blühen will. Und gleich wie der Lorberbaum/ wann er ins Feuer geworffen wird/ ein grosses Geräusch und Prasseln machet/ und indem er albereit brennet/ dannoch der Flamme zu widerstehen scheinet; also muß auch eine ehrliche Jungfrau geartet seyn/ daß sie den Flammen der Unkeuschheit widerstehe/ ja/ auch durch Geschrey/ wann sie mit Gewalt zu Unehren solte ersucht oder gezwungen werden/ ihre Ehren-Rettung suche. Einige wollen/ Ovidius habe diese Fabel erdichtet/ daß er dem Augustus gefallen/ und seine Gunst erlangen möchte/ indem er/ unter dem Apollo/ den [Spaltenumbruch] Augustus/ und unter der Daphne die Livia/ verstanden. Der Lorberbaum ist/ bey den Heyden/ von Alters her/ für des Apollo Baum gehalten worden; und weil/ Apollo für den Gott des Wahrsagens und der Geheimnüssen geehrt ward/ als wurden auch darum die Lorbeerblätter zum Wahrsagen und Traumdeuten bequem geachtet; darum sie/ wann sie zu Bette gingen/ Lorbeerzweige unter die HauptKüssen zu legen pflegten/ damit sie wahre Träume haben möchten: dahero der Poet sein Gedicht darauf gebauet/ demselben einen so viel grössern Schein zu geben.

Von der Io.

Von der Io/ oder Isis/ und was es bedeute/ das sie in eine Kuh verwandelt worden. VOn der Io oder Isis/ sind unterschiedene natür- und erbauliche Auslegungen/ auch in dem zehenden Buch des Natalis Comes/ zu lesen: die ich aber alhier übergehe/ und eine andere von Joseph Horologgi/ einem Italiäner/ nehme/ nemlich diese: daß/ durch die Io/ welche/ der Finsternus umgeben/ vom Jupiter gebuhlt und entehrt/ endlich auch/ in eine Kuhe verwandelt ward/ zu verstehen sey die Feuchte Lebendigkeit oder Krafft des wachsthümlichen Geistes oder Samens des Menschen; so geliebt wird von der Sonne/ welche begierig und geneigt ist darinnen zu wirken: der dann in Mutter-Leibe umpfangen/ als mit einem dicken Nebel/ damit er wol verwahret sey: welcher Nebel von der Juno/ (dardurch der Mond/ den man als die Geburts-Göttin erwartet/ zu verstehen) weggenommen wird/ auf daß die menschliche Ochsen und Kühe ziehen im Pfluge und Dreschen in einigen Landen. Glieder wachsen/ und endlich an das Tagliecht gebracht werden; da dann diese erwähnte Feuchtigkeit in eine Kuhe verwandelt ist. Dann der Mensch hat die Gleichnus einer Kuh: weil sie ein fruchtbar und arbeitsam Thier ist; und der Mensch/ so mit andern Menschen umgehen wil/ gleichfalls fruchtbar und arbeitsam seyn muß/ nachdemmal er zur Arbeit Was Argus mit hundert Augen bedeute. geboren/ als der Vogel zum fliegen. Weil nun der Mensch ein solches Thier war/ ward er von Gott dem Hirten Argus/ das ist/ der gesunden Vernunfft/ die mit grosser Sorgfalt/ als wie mit hundert Augen/ alles beobachtet und überleget/ anvertrauet und in Verwahrung gegeben. Diese Vernunfft wird von dem Mercurius/ oder welches eben so viel ist/ von der eignen Begierde/ und Neigung zu den Wollüsten und bösen Vornehmen/ gereitzet/ in den süssen Sünden-Schlaff eingewieget/ und zugleich auch von ihm getödet und umgebracht. Das ist: nachdem der Mensch/ seiner Vernunfft beraubt/ in ein ruchloß Leben gerahten/ werden ihm die Augen/ welche ihn vorher zu anders nichts dann Gerechtigkeit und allen Tugenden/ anwiesen/ endlich gesetzet in den Pfauen-Schwantz der Göttin des Reichthums Juno: welche anders nichts ist/ dann eine dem Reichthum/ hochmühtiger Lust/ und eiteler Ehr- ergebene Begierde/ mit einen beliebigem Anschauen der unvollkommenen irrdischen Schönheit/ zu einem äusserlichen Nachtheile des Geistes.

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[[Metamorphosis, S. 16]/0192] Sinn ziehen wil/ bezeichnen sie die unglaubliche und wunderbare Fertig- oder Geschwindigkeit des Geistes Gottes/ der sich ausbreitet/ und leichtlich unversehens allenthalben durchdringet. Seine Blindheit zeiget/ nach einiger Meinung/ an/ daß etliche Menschen/ durch den Brand der Liebe/ ein unverständiges Leben führen/ indem sie vergessen/ oder nicht beobachten ihre eigene Würdigkeit/ und worzu sie von Gott versehen oder beruffen sind/ die weder Schaden noch Schande/ weder gött- noch natürliche Gesetze scheuen/ also/ daß sie nicht allein blind/ sondern auch kindisch und thöricht zu seyn scheinen. Durch die nackte Blösse des Cupido wird ebenmässig von einigen verstanden/ daß der Geist Gottes die Dinge dieser Welt nothwendig aufrichtiglich/ ungehindert/ und ohne Erwartung einiges Lohns regiere und verwalte. Sonsten bedeutet die Nacktheit auch/ daß die Liebe/ zwischen Liebhabenden/ sich nicht bergen könne. Cupido wird gehalten für den schönsten/ besten und ältsten Gott; weil die Liebe und Barmhertzigkeit Gottes ewig bleibet/ und den Menschen vom Anfang der Welt geoffenbaret ist. Darum wird gedichtet/ von den Poeten/ daß Cupido/ der Himmlische nemlich/ gleich anfangs in den Chaos mit vermischt worden sey: den Cupido aber/ welcher seine Wohnung machet/ in den Theilen unsers Geists/ welchem die Vernunfft weichen und schweigen muß/ ist/ nach des Phocylides Gezeugnüs: mehr eine wütende Raserey/ dann ein Gott: Was die Blindheit Cupido bedeute. Was die nackigkeit andeute. Cupido ist kein Gott/ vielmehr ein rasend wühlen/ so alle Menschen macht den grösten Jam- mer fühlen. Von der Daphne. DIe Verwandlung der Daphne in einen Lorbeerbaum ist darum erdichtet/ weil/ in dem Thal Tempe/ viel dergleichen Bäume wachsen. Sie wird gehalten für eine Tochter des Peneus/ eines Flusses/ so durch dasselbige Thal fliesset. Die Bedeutung hiervon ist diese: Indem Daphne/ die unkeusche Liebe fliehet/ erstattet sie die Unterweisung/ daß eine Jungfrau/ welche ihre jungfräuliche Ehre sorgfältig bewahret/ einen beständig guten und wolriechenden Geruch/ Ruhm und Krantz keuscher Jungfrauschafft behalte; gleichwie ein Lorberbaum stetig grün bleibet/ und einen guten Geruch von sich gibt: Dann eben also muß die Jungfräuliche Reinigkeit auch unverändert bleiben/ wann sie in Ehren glücklich blühen will. Und gleich wie der Lorberbaum/ wann er ins Feuer geworffen wird/ ein grosses Geräusch und Prasseln machet/ und indem er albereit brennet/ dannoch der Flamme zu widerstehen scheinet; also muß auch eine ehrliche Jungfrau geartet seyn/ daß sie den Flammen der Unkeuschheit widerstehe/ ja/ auch durch Geschrey/ wann sie mit Gewalt zu Unehren solte ersucht oder gezwungen werden/ ihre Ehren-Rettung suche. Einige wollen/ Ovidius habe diese Fabel erdichtet/ daß er dem Augustus gefallen/ und seine Gunst erlangen möchte/ indem er/ unter dem Apollo/ den Augustus/ und unter der Daphne die Livia/ verstanden. Der Lorberbaum ist/ bey den Heyden/ von Alters her/ für des Apollo Baum gehalten worden; und weil/ Apollo für den Gott des Wahrsagens und der Geheimnüssen geehrt ward/ als wurden auch darum die Lorbeerblätter zum Wahrsagen und Traumdeuten bequem geachtet; darum sie/ wann sie zu Bette gingen/ Lorbeerzweige unter die HauptKüssen zu legen pflegten/ damit sie wahre Träume haben möchten: dahero der Poet sein Gedicht darauf gebauet/ demselben einen so viel grössern Schein zu geben. Was der Daphne Verwandlung in einen Lorberbaum bedeute. Von der Io. VOn der Io oder Isis/ sind unterschiedene natür- und erbauliche Auslegungen/ auch in dem zehenden Buch des Natalis Comes/ zu lesen: die ich aber alhier übergehe/ und eine andere von Joseph Horologgi/ einem Italiäner/ nehme/ nemlich diese: daß/ durch die Io/ welche/ der Finsternus umgeben/ vom Jupiter gebuhlt und entehrt/ endlich auch/ in eine Kuhe verwandelt ward/ zu verstehen sey die Feuchte Lebendigkeit oder Krafft des wachsthümlichen Geistes oder Samens des Menschen; so geliebt wird von der Sonne/ welche begierig und geneigt ist darinnen zu wirken: der dann in Mutter-Leibe umpfangen/ als mit einem dicken Nebel/ damit er wol verwahret sey: welcher Nebel von der Juno/ (dardurch der Mond/ den man als die Geburts-Göttin erwartet/ zu verstehen) weggenommen wird/ auf daß die menschliche Glieder wachsen/ und endlich an das Tagliecht gebracht werden; da dann diese erwähnte Feuchtigkeit in eine Kuhe verwandelt ist. Dann der Mensch hat die Gleichnus einer Kuh: weil sie ein fruchtbar und arbeitsam Thier ist; und der Mensch/ so mit andern Menschen umgehen wil/ gleichfalls fruchtbar und arbeitsam seyn muß/ nachdemmal er zur Arbeit geboren/ als der Vogel zum fliegen. Weil nun der Mensch ein solches Thier war/ ward er von Gott dem Hirten Argus/ das ist/ der gesunden Vernunfft/ die mit grosser Sorgfalt/ als wie mit hundert Augen/ alles beobachtet und überleget/ anvertrauet und in Verwahrung gegeben. Diese Vernunfft wird von dem Mercurius/ oder welches eben so viel ist/ von der eignen Begierde/ und Neigung zu den Wollüsten und bösen Vornehmen/ gereitzet/ in den süssen Sünden-Schlaff eingewieget/ und zugleich auch von ihm getödet und umgebracht. Das ist: nachdem der Mensch/ seiner Vernunfft beraubt/ in ein ruchloß Leben gerahten/ werden ihm die Augen/ welche ihn vorher zu anders nichts dann Gerechtigkeit und allen Tugenden/ anwiesen/ endlich gesetzet in den Pfauen-Schwantz der Göttin des Reichthums Juno: welche anders nichts ist/ dann eine dem Reichthum/ hochmühtiger Lust/ und eiteler Ehr- ergebene Begierde/ mit einen beliebigem Anschauen der unvollkommenen irrdischen Schönheit/ zu einem äusserlichen Nachtheile des Geistes. Von der Io/ oder Isis/ und was es bedeute/ das sie in eine Kuh verwandelt worden. Ochsen und Kühe ziehen im Pfluge und Dreschen in einigen Landen. Was Argus mit hundert Augen bedeute.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 16]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/192>, abgerufen am 09.11.2024.