Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] Warum Cupido eine Blum und Delphin führe. seine Gewalt bekommen hat. Zu dem Ende/ sagt der Griechische Poet Palladas/ führet Cupido eine Blume und einen Delphin; dardurch andeutend. Daß er die Erde/ und das Meer/ in seiner Gewalt habe. Und ein ander Griech/ Namens Philippus/ schreibet/ in einem Epigrammate/ (oder Inschrifft-Gedichte) daß die Cupidines/ durch Uberrumplung/ den Himmel oder der Götter Behausung eingenommen/ und sich/ mit einem sehr herrlichem Raube/ bewaffnet haben/ indeme sie dem Phoebus genommen seinen guldenen Köcher und Bogen; dem Jupiter seinen Donnerkeil; dem Die Liebe gewinnet den Himmel. Hercules seine Keule; dem Neptunus seine dreyzänkige Gabel; dem Mars seinen Harnisch; und dem Bachus seinen/ mit Weinreben umflochtenen/ Stab: daher sich gar nicht zuverwunderen sey/ daß schwache Menschen/ mit den Pfeilen der Liebe/ sich treffen lassen/ weil die Götter ihn mit ihrer gantzen Armatur ausgerüstet.Plato nennet diesen Cupido/ den glückligsten/ besten/ und schönsten unter den Göttern. Auch beschreibet er 2 Cupidines/ deren einen er den Himmlischen/ den andern aber den Gemeinen nennet. Einige beschreiben ihn nicht allein blind; Des Cupido Geschafft. sondern eignen ihm auch zur Gesellschafft annoch die Trunkenheit/ Traurigkeit/ Feindschaft/ Zwietracht/ und andere dergleichen Laster mehr/ zu. Der Poet Marullus schreibet dieser Meinung ein sehr schön Epigramma/ in Form einer Unterredung: welches ungefähr dieses Inhalts:

Wem ist dis zarte Kind? es ist der Venus
eigen.

Was will sein Köcher wol/ mit so viel Pfei-
len/ zeigen?

Daß er den trifft gewiß/ auf den sein Bo-
gen zielt/

und ob er blind schon ist/ mit scharffen
Strahlen spielt?

Warum ist er entblößt/ gantz nackt/ gantzt
unbedecket?

Er zeigt sich jedem frey/ und hasst was sich
verstecket.

Warum ist er ein Kind? zu weisen/ daß
nicht frey

ein achtzigjährig Kind von seiner Herr-
schafft sey.

Wer hat beflügelt ihn? des wanckelmu-
tes Grillen/

wie daß er ohne Stirn? dis deutet leichten
Willen.

Wer raubt die Augen ihm? der schnöde
Wollust-Wust/

wer macht ihn mager dann? Sorg'/ Un-
ruh/ faule Lust.

Wer geht vor diesem Gott? das toll und
volle Wesen.

Unkeuschheit/ langer Schlaff/ der Bösen
böser Besen.

Wer gehet neben ihm? Krieg/ Vor-
wurff/ Haß und Schand;

Und Zwiespalt folget nach/ benebst dem
eitlen Tand.

Wer darff doch diese nun hoch zu den Göt-
tern setzen/

[Spaltenumbruch] die selbst in Boßheit nur und Lastern sich
ergetzen?

Die Menschen? warum das? damits/
weil selbst beliebt

den Göttern dieses Thun; von ihnen
auch geübt/

möcht desto süsser seyn.

Damit wir aber alle der alten Poeten Gedichte beyseits setzen/ und allein erwegen/ was sie doch/ durch den Cupido/ eigentlich verstanden haben; so ist zu wissen/ daß einige der alten Schreiber/ oder Philosophen/ als Thales/ und dessen gleichen/ das Wasser für die erste Materie aller Dinge gehalten haben. Wie dann auch dieses Element ungezweiffelt eine sonderbare Materie/ so zur Fortpflantzung Was durch den Cupido bedeutet worden. sehr bequem und nöhtig ist; jedoch nicht ohne den Cupido/ den man die Liebe/ das männliche Zuthun/ eine feurige Hitze/ oder auch eine Göttliche Krafft/ welche/ wie Empedocles sagt/ allen Creaturen und Geschöpffen Wachchsthum gibt/ nennen mag. Und diese Liebe/ als eine Göttliche Krafft/ ist eine gewisse Begierde in allen Dingen/ dieselbe zu vereinigen und zu verbinden/ und also ihres gleichen Wesen/ oder Gestalt/ zu zeugen und hervor zu bringen: oder sie ist ein Göttlicher Verstand/ so der Natur eine solche Neigung/ Trieb oder Lust einzudrucken pfleget. Dahero dann auch kommet/ daß Einige dem Cupido so viel unterschiedliche Eltern zuschreiben: Indem ihn der eine von der Materie des ungeschickten Chaos wil entsprossen haben; der andere/ und meiste Theil aber/ von der Venus: welche Venus auch eigentlich für die in allen Geschöpffen verborgene Begierde/ ein Bild/ oder Geschöpff/ ihres Gleichen hervor zu bringen/ gehalten wird: welche Begierde aus einer gewissen Ubereinkommung der Leichname und Temperatur der Lufft urständet. Was durch des Cupido Flügel verstanden werde. Die Flügel/ so ihm an die Schuldern gedichtet werden/ gehen auf die Unbeständigkeit der Menschen/ in Erwehlung der irrdisch-vergänglichen Dinge. Oder/ wann mans höher verstehen wolte/ so lehren die Flügel der Liebe/ daß die Güte Gottes sehr wilfertig und sorgfältig zu Beförderung und Beyhülffe der natürlichen Dinge sey. Einige streichen ihme weisse Flügel an: dardurch eine reine oder die ehliche Liebe angedeutet wird. Der Italiänische Poet Petrarcha gibt ihm (in seinem Liebs-Triumph) Flügel von tausenderley Farben; dardurch anzuzeigen/ daß die unkeusche Liebe unmässig und unersättlich/ auch allezeit zur Veränder- oder Neuerung geneiget sey. Isidorus/ von Pelusien/ sagt/ Cupido sey darum beflügelt/ damit/ wann er seine Begierde/ in einem Dinge/ ersättigt habe/ er dasselbe verlassen/ und von Stund an zu einem andern sich erheben und fliegen könne. Daß er bewafnet mit Bogen und Pfeilen/ ist die Ursache/ daß er den närrischen Liebhaber im Geiste grossen Verdruß und Was des Cupido pfeile zu bedeuten pflegen. Unruhe machet. Xenophon sagt/ die Cupidines/ oder Lieben seyn/ darum Schützen geheissen worden/ weil die schöne Menschen von fernen verletzen können. Servius schreibt/ in Erklärung der Virgilianischen Gedichte/ die Geschoß oder Pfeile des Cupido wären die Stachel der Reue und Leydes/ welche der Liebe nachzufolgen pflegen. Sonsten/ und wann man diese Pfeile in einen höhern

[Spaltenumbruch] Warum Cupido eine Blum und Delphin führe. seine Gewalt bekommen hat. Zu dem Ende/ sagt der Griechische Poet Palladas/ führet Cupido eine Blume und einen Delphin; dardurch andeutend. Daß er die Erde/ und das Meer/ in seiner Gewalt habe. Und ein ander Griech/ Namens Philippus/ schreibet/ in einem Epigrammate/ (oder Inschrifft-Gedichte) daß die Cupidines/ durch Uberrumplung/ den Himmel oder der Götter Behausung eingenommen/ und sich/ mit einem sehr herrlichem Raube/ bewaffnet haben/ indeme sie dem Phoebus genommen seinen guldenen Köcher und Bogen; dem Jupiter seinen Donnerkeil; dem Die Liebe gewinnet den Himmel. Hercules seine Keule; dem Neptunus seine dreyzänkige Gabel; dem Mars seinen Harnisch; und dem Bachus seinen/ mit Weinreben umflochtenen/ Stab: daher sich gar nicht zuverwunderen sey/ daß schwache Menschen/ mit den Pfeilen der Liebe/ sich treffen lassen/ weil die Götter ihn mit ihrer gantzen Armatur ausgerüstet.Plato nennet diesen Cupido/ den glückligsten/ besten/ und schönsten unter den Göttern. Auch beschreibet er 2 Cupidines/ deren einen er den Himmlischen/ den andern aber den Gemeinen nennet. Einige beschreiben ihn nicht allein blind; Des Cupido Geschafft. sondern eignen ihm auch zur Gesellschafft annoch die Trunkenheit/ Traurigkeit/ Feindschaft/ Zwietracht/ und andere dergleichen Laster mehr/ zu. Der Poet Marullus schreibet dieser Meinung ein sehr schön Epigramma/ in Form einer Unterredung: welches ungefähr dieses Inhalts:

Wem ist dis zarte Kind? es ist der Venus
eigen.

Was will sein Köcher wol/ mit so viel Pfei-
len/ zeigen?

Daß er den trifft gewiß/ auf den sein Bo-
gen zielt/

und ob er blind schon ist/ mit scharffen
Strahlen spielt?

Warum ist er entblößt/ gantz nackt/ gantzt
unbedecket?

Er zeigt sich jedem frey/ und hasst was sich
verstecket.

Warum ist er ein Kind? zu weisen/ daß
nicht frey

ein achtzigjährig Kind von seiner Herr-
schafft sey.

Wer hat beflügelt ihn? des wanckelmu-
tes Grillen/

wie daß er ohne Stirn? dis deutet leichten
Willen.

Wer raubt die Augen ihm? der schnöde
Wollust-Wust/

wer macht ihn mager dann? Sorg’/ Un-
ruh/ faule Lust.

Wer geht vor diesem Gott? das toll und
volle Wesen.

Unkeuschheit/ langer Schlaff/ der Bösen
böser Besen.

Wer gehet neben ihm? Krieg/ Vor-
wurff/ Haß und Schand;

Und Zwiespalt folget nach/ benebst dem
eitlen Tand.

Wer darff doch diese nun hoch zu den Göt-
tern setzen/

[Spaltenumbruch] die selbst in Boßheit nur und Lastern sich
ergetzen?

Die Menschen? warum das? damits/
weil selbst beliebt

den Göttern dieses Thun; von ihnen
auch geübt/

möcht desto süsser seyn.

Damit wir aber alle der alten Poeten Gedichte beyseits setzen/ und allein erwegen/ was sie doch/ durch den Cupido/ eigentlich verstanden haben; so ist zu wissen/ daß einige der alten Schreiber/ oder Philosophen/ als Thales/ und dessen gleichen/ das Wasser für die erste Materie aller Dinge gehalten haben. Wie dann auch dieses Element ungezweiffelt eine sonderbare Materie/ so zur Fortpflantzung Was durch den Cupido bedeutet worden. sehr bequem und nöhtig ist; jedoch nicht ohne den Cupido/ den man die Liebe/ das männliche Zuthun/ eine feurige Hitze/ oder auch eine Göttliche Krafft/ welche/ wie Empedocles sagt/ allen Creaturen und Geschöpffen Wachchsthum gibt/ nennen mag. Und diese Liebe/ als eine Göttliche Krafft/ ist eine gewisse Begierde in allen Dingen/ dieselbe zu vereinigen und zu verbinden/ und also ihres gleichen Wesen/ oder Gestalt/ zu zeugen und hervor zu bringen: oder sie ist ein Göttlicher Verstand/ so der Natur eine solche Neigung/ Trieb oder Lust einzudrucken pfleget. Dahero dann auch kommet/ daß Einige dem Cupido so viel unterschiedliche Eltern zuschreiben: Indem ihn der eine von der Materie des ungeschickten Chaos wil entsprossen haben; der andere/ und meiste Theil aber/ von der Venus: welche Venus auch eigentlich für die in allen Geschöpffen verborgene Begierde/ ein Bild/ oder Geschöpff/ ihres Gleichen hervor zu bringen/ gehalten wird: welche Begierde aus einer gewissen Ubereinkommung der Leichname und Temperatur der Lufft urständet. Was durch des Cupido Flügel verstanden werde. Die Flügel/ so ihm an die Schuldern gedichtet werden/ gehen auf die Unbeständigkeit der Menschen/ in Erwehlung der irrdisch-vergänglichen Dinge. Oder/ wann mans höher verstehen wolte/ so lehren die Flügel der Liebe/ daß die Güte Gottes sehr wilfertig und sorgfältig zu Beförderung und Beyhülffe der natürlichen Dinge sey. Einige streichen ihme weisse Flügel an: dardurch eine reine oder die ehliche Liebe angedeutet wird. Der Italiänische Poet Petrarcha gibt ihm (in seinem Liebs-Triumph) Flügel von tausenderley Farben; dardurch anzuzeigen/ daß die unkeusche Liebe unmässig und unersättlich/ auch allezeit zur Veränder- oder Neuerung geneiget sey. Isidorus/ von Pelusien/ sagt/ Cupido sey darum beflügelt/ damit/ wann er seine Begierde/ in einem Dinge/ ersättigt habe/ er dasselbe verlassen/ und von Stund an zu einem andern sich erheben und fliegen könne. Daß er bewafnet mit Bogen und Pfeilen/ ist die Ursache/ daß er den närrischen Liebhaber im Geiste grossen Verdruß und Was des Cupido pfeile zu bedeuten pflegen. Unruhe machet. Xenophon sagt/ die Cupidines/ oder Lieben seyn/ darum Schützen geheissen worden/ weil die schöne Menschen von fernen verletzen können. Servius schreibt/ in Erklärung der Virgilianischen Gedichte/ die Geschoß oder Pfeile des Cupido wären die Stachel der Reue und Leydes/ welche der Liebe nachzufolgen pflegen. Sonsten/ und wann man diese Pfeile in einen höhern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <div>
            <p><pb facs="#f0191" xml:id="pb-1138" n="[Metamorphosis, S. 15]"/><cb/><note place="right">Warum <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName> eine Blum und Delphin führe.</note> seine Gewalt bekommen hat. Zu dem Ende/ sagt der Griechische Poet <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2013 http://d-nb.info/gnd/118789333 http://viaf.org/viaf/64395837">Palladas</persName>/ führet <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName> eine Blume und einen Delphin; dardurch andeutend. Daß er die Erde/ und das Meer/ in seiner Gewalt habe. Und ein ander Griech/ Namens <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Philippus</persName>/ schreibet/ in einem Epigrammate/ (oder Inschrifft-Gedichte) daß die Cupidines/ durch Uberrumplung/ den Himmel oder der Götter Behausung eingenommen/ und sich/ mit einem sehr herrlichem Raube/ bewaffnet haben/ indeme sie dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-59 http://d-nb.info/gnd/118503642 http://viaf.org/viaf/3261638">Phoebus</persName> genommen seinen guldenen Köcher und Bogen; dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-99 http://d-nb.info/gnd/118558897 http://viaf.org/viaf/22933410">Jupiter</persName> seinen Donnerkeil; dem <note place="right">Die Liebe gewinnet den Himmel.</note> <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-215 http://d-nb.info/gnd/118639552 http://viaf.org/viaf/32789834">Hercules</persName> seine Keule; dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-528 http://d-nb.info/gnd/11952354X http://viaf.org/viaf/8199845">Neptunus</persName> seine dreyzänkige Gabel; dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-18 http://d-nb.info/gnd/118731181 http://viaf.org/viaf/101084029">Mars</persName> seinen Harnisch; und dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-133 http://d-nb.info/gnd/118651439 http://viaf.org/viaf/27864934">Bachus</persName> seinen/ mit Weinreben umflochtenen/ Stab: daher sich gar nicht zuverwunderen sey/ daß schwache Menschen/ mit den Pfeilen der Liebe/ sich treffen lassen/ weil die Götter ihn mit ihrer gantzen Armatur ausgerüstet.<persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-892 http://d-nb.info/gnd/118594893 http://viaf.org/viaf/79033288">Plato</persName> nennet diesen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName>/ den glückligsten/ besten/ und schönsten unter den Göttern. Auch beschreibet er 2 Cupidines/ deren einen er den Himmlischen/ den andern aber den Gemeinen nennet. Einige beschreiben ihn nicht allein blind; <note place="right">Des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName> Geschafft.</note> sondern eignen ihm auch zur Gesellschafft annoch die Trunkenheit/ Traurigkeit/ Feindschaft/ Zwietracht/ und andere dergleichen Laster mehr/ zu. Der Poet <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Marullus</persName> schreibet dieser Meinung ein sehr schön Epigramma/ in Form einer Unterredung: welches ungefähr dieses Inhalts:</p>
            <lg rendition="#c" type="poem">
              <l>Wem ist dis zarte Kind? es ist der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-126 http://d-nb.info/gnd/11876800X http://viaf.org/viaf/30332680">Venus</persName><lb/>
eigen.</l><lb/>
              <l>Was will sein Köcher wol/ mit so viel Pfei-<lb/>
len/ zeigen?</l><lb/>
              <l>Daß er den trifft gewiß/ auf den sein Bo-<lb/>
gen zielt/</l><lb/>
              <l>und ob er blind schon ist/ mit scharffen<lb/>
Strahlen spielt?</l><lb/>
              <l>Warum ist er entblößt/ gantz nackt/ gantzt<lb/>
unbedecket?</l><lb/>
              <l>Er zeigt sich jedem frey/ und hasst was sich<lb/>
verstecket.</l><lb/>
              <l>Warum ist er ein Kind? zu weisen/ daß<lb/>
nicht frey</l><lb/>
              <l>ein achtzigjährig Kind von seiner Herr-<lb/>
schafft sey.</l><lb/>
              <l>Wer hat beflügelt ihn? des wanckelmu-<lb/>
tes Grillen/</l><lb/>
              <l>wie daß er ohne Stirn? dis deutet leichten<lb/>
Willen.</l><lb/>
              <l>Wer raubt die Augen ihm? der schnöde<lb/>
Wollust-Wust/</l><lb/>
              <l>wer macht ihn mager dann? Sorg&#x2019;/ Un-<lb/>
ruh/ faule Lust.</l><lb/>
              <l>Wer geht vor diesem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4146 http://d-nb.info/gnd/4021469-2">Gott</persName>? das toll und<lb/>
volle Wesen.</l><lb/>
              <l>Unkeuschheit/ langer Schlaff/ der Bösen<lb/>
böser Besen.</l><lb/>
              <l>Wer gehet neben ihm? Krieg/ Vor-<lb/>
wurff/ Haß und Schand;</l><lb/>
              <l>Und Zwiespalt folget nach/ benebst dem<lb/>
eitlen Tand.</l><lb/>
              <l>Wer darff doch diese nun hoch zu den Göt-<lb/>
tern setzen/</l><lb/>
              <cb/>
              <l>die selbst in Boßheit nur und Lastern sich<lb/>
ergetzen?</l><lb/>
              <l>Die Menschen? warum das? damits/<lb/>
weil selbst beliebt</l><lb/>
              <l>den Göttern dieses Thun; von ihnen<lb/>
auch geübt/</l><lb/>
              <l>möcht desto süsser seyn.</l><lb/>
            </lg>
            <p>Damit <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">wir</persName> aber alle der alten Poeten Gedichte beyseits setzen/ und allein erwegen/ was sie doch/ durch den <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName>/ eigentlich verstanden haben; so ist zu wissen/ daß einige der alten Schreiber/ oder Philosophen/ als <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1867 http://d-nb.info/gnd/118801732 http://viaf.org/viaf/10642256">Thales</persName>/ und dessen gleichen/ das Wasser für die erste Materie aller Dinge gehalten haben. Wie dann auch dieses Element ungezweiffelt eine sonderbare Materie/ so zur Fortpflantzung <note place="right">Was durch den <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName> bedeutet worden.</note> sehr bequem und nöhtig ist; jedoch nicht ohne den <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName>/ den man die Liebe/ das männliche Zuthun/ eine feurige Hitze/ oder auch eine Göttliche Krafft/ welche/ wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1874 http://d-nb.info/gnd/118530224 http://viaf.org/viaf/86897976">Empedocles</persName> sagt/ allen Creaturen und Geschöpffen Wachchsthum gibt/ nennen mag. Und diese Liebe/ als eine Göttliche Krafft/ ist eine gewisse Begierde in allen Dingen/ dieselbe zu vereinigen und zu verbinden/ und also ihres gleichen Wesen/ oder Gestalt/ zu zeugen und hervor zu bringen: oder sie ist ein Göttlicher Verstand/ so der Natur eine solche Neigung/ Trieb oder Lust einzudrucken pfleget. Dahero dann auch kommet/ daß Einige dem <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName> so viel unterschiedliche Eltern zuschreiben: Indem ihn der eine von der Materie des ungeschickten Chaos wil entsprossen haben; der andere/ und meiste Theil aber/ von der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-126 http://d-nb.info/gnd/11876800X http://viaf.org/viaf/30332680">Venus</persName>: welche <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-126 http://d-nb.info/gnd/11876800X http://viaf.org/viaf/30332680">Venus</persName> auch eigentlich für die in allen Geschöpffen verborgene Begierde/ ein Bild/ oder Geschöpff/ ihres Gleichen hervor zu bringen/ gehalten wird: welche Begierde aus einer gewissen Ubereinkommung der Leichname und Temperatur der Lufft urständet. <note place="right">Was durch des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName> Flügel verstanden werde.</note> Die Flügel/ so ihm an die Schuldern gedichtet werden/ gehen auf die Unbeständigkeit der Menschen/ in Erwehlung der irrdisch-vergänglichen Dinge. Oder/ wann mans höher verstehen wolte/ so lehren die Flügel der Liebe/ daß die Güte Gottes sehr wilfertig und sorgfältig zu Beförderung und Beyhülffe der natürlichen Dinge sey. Einige streichen ihme weisse Flügel an: dardurch eine reine oder die ehliche Liebe angedeutet wird. Der Italiänische Poet <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1077 http://d-nb.info/gnd/118593234 http://viaf.org/viaf/39382430">Petrarcha</persName> gibt ihm (in seinem Liebs-Triumph) Flügel von tausenderley Farben; dardurch anzuzeigen/ daß die unkeusche Liebe unmässig und unersättlich/ auch allezeit zur Veränder- oder Neuerung geneiget sey. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-2196 http://d-nb.info/gnd/10029717X http://viaf.org/viaf/63872189">Isidorus/ von Pelusien</persName>/ sagt/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName> sey darum beflügelt/ damit/ wann er seine Begierde/ in einem Dinge/ ersättigt habe/ er dasselbe verlassen/ und von Stund an zu einem andern sich erheben und fliegen könne. Daß er bewafnet mit Bogen und Pfeilen/ ist die Ursache/ daß er den närrischen Liebhaber im Geiste grossen Verdruß und <note place="right">Was des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName> pfeile zu bedeuten pflegen.</note> Unruhe machet. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-721 http://d-nb.info/gnd/118635808 http://viaf.org/viaf/7439970">Xenophon</persName> sagt/ die Cupidines/ oder Lieben seyn/ darum Schützen geheissen worden/ weil die schöne Menschen von fernen verletzen können. <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1015 http://d-nb.info/gnd/118796313 http://viaf.org/viaf/78772467">Servius</persName> schreibt/ in Erklärung der Virgilianischen Gedichte/ die Geschoß oder Pfeile des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-573 http://d-nb.info/gnd/118677500 http://viaf.org/viaf/25396366">Cupido</persName> wären die Stachel der Reue und Leydes/ welche der Liebe nachzufolgen pflegen. Sonsten/ und wann man diese Pfeile in einen höhern
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[Metamorphosis, S. 15]/0191] seine Gewalt bekommen hat. Zu dem Ende/ sagt der Griechische Poet Palladas/ führet Cupido eine Blume und einen Delphin; dardurch andeutend. Daß er die Erde/ und das Meer/ in seiner Gewalt habe. Und ein ander Griech/ Namens Philippus/ schreibet/ in einem Epigrammate/ (oder Inschrifft-Gedichte) daß die Cupidines/ durch Uberrumplung/ den Himmel oder der Götter Behausung eingenommen/ und sich/ mit einem sehr herrlichem Raube/ bewaffnet haben/ indeme sie dem Phoebus genommen seinen guldenen Köcher und Bogen; dem Jupiter seinen Donnerkeil; dem Hercules seine Keule; dem Neptunus seine dreyzänkige Gabel; dem Mars seinen Harnisch; und dem Bachus seinen/ mit Weinreben umflochtenen/ Stab: daher sich gar nicht zuverwunderen sey/ daß schwache Menschen/ mit den Pfeilen der Liebe/ sich treffen lassen/ weil die Götter ihn mit ihrer gantzen Armatur ausgerüstet.Plato nennet diesen Cupido/ den glückligsten/ besten/ und schönsten unter den Göttern. Auch beschreibet er 2 Cupidines/ deren einen er den Himmlischen/ den andern aber den Gemeinen nennet. Einige beschreiben ihn nicht allein blind; sondern eignen ihm auch zur Gesellschafft annoch die Trunkenheit/ Traurigkeit/ Feindschaft/ Zwietracht/ und andere dergleichen Laster mehr/ zu. Der Poet Marullus schreibet dieser Meinung ein sehr schön Epigramma/ in Form einer Unterredung: welches ungefähr dieses Inhalts: Warum Cupido eine Blum und Delphin führe. Die Liebe gewinnet den Himmel. Des Cupido Geschafft. Wem ist dis zarte Kind? es ist der Venus eigen. Was will sein Köcher wol/ mit so viel Pfei- len/ zeigen? Daß er den trifft gewiß/ auf den sein Bo- gen zielt/ und ob er blind schon ist/ mit scharffen Strahlen spielt? Warum ist er entblößt/ gantz nackt/ gantzt unbedecket? Er zeigt sich jedem frey/ und hasst was sich verstecket. Warum ist er ein Kind? zu weisen/ daß nicht frey ein achtzigjährig Kind von seiner Herr- schafft sey. Wer hat beflügelt ihn? des wanckelmu- tes Grillen/ wie daß er ohne Stirn? dis deutet leichten Willen. Wer raubt die Augen ihm? der schnöde Wollust-Wust/ wer macht ihn mager dann? Sorg’/ Un- ruh/ faule Lust. Wer geht vor diesem Gott? das toll und volle Wesen. Unkeuschheit/ langer Schlaff/ der Bösen böser Besen. Wer gehet neben ihm? Krieg/ Vor- wurff/ Haß und Schand; Und Zwiespalt folget nach/ benebst dem eitlen Tand. Wer darff doch diese nun hoch zu den Göt- tern setzen/ die selbst in Boßheit nur und Lastern sich ergetzen? Die Menschen? warum das? damits/ weil selbst beliebt den Göttern dieses Thun; von ihnen auch geübt/ möcht desto süsser seyn. Damit wir aber alle der alten Poeten Gedichte beyseits setzen/ und allein erwegen/ was sie doch/ durch den Cupido/ eigentlich verstanden haben; so ist zu wissen/ daß einige der alten Schreiber/ oder Philosophen/ als Thales/ und dessen gleichen/ das Wasser für die erste Materie aller Dinge gehalten haben. Wie dann auch dieses Element ungezweiffelt eine sonderbare Materie/ so zur Fortpflantzung sehr bequem und nöhtig ist; jedoch nicht ohne den Cupido/ den man die Liebe/ das männliche Zuthun/ eine feurige Hitze/ oder auch eine Göttliche Krafft/ welche/ wie Empedocles sagt/ allen Creaturen und Geschöpffen Wachchsthum gibt/ nennen mag. Und diese Liebe/ als eine Göttliche Krafft/ ist eine gewisse Begierde in allen Dingen/ dieselbe zu vereinigen und zu verbinden/ und also ihres gleichen Wesen/ oder Gestalt/ zu zeugen und hervor zu bringen: oder sie ist ein Göttlicher Verstand/ so der Natur eine solche Neigung/ Trieb oder Lust einzudrucken pfleget. Dahero dann auch kommet/ daß Einige dem Cupido so viel unterschiedliche Eltern zuschreiben: Indem ihn der eine von der Materie des ungeschickten Chaos wil entsprossen haben; der andere/ und meiste Theil aber/ von der Venus: welche Venus auch eigentlich für die in allen Geschöpffen verborgene Begierde/ ein Bild/ oder Geschöpff/ ihres Gleichen hervor zu bringen/ gehalten wird: welche Begierde aus einer gewissen Ubereinkommung der Leichname und Temperatur der Lufft urständet. Die Flügel/ so ihm an die Schuldern gedichtet werden/ gehen auf die Unbeständigkeit der Menschen/ in Erwehlung der irrdisch-vergänglichen Dinge. Oder/ wann mans höher verstehen wolte/ so lehren die Flügel der Liebe/ daß die Güte Gottes sehr wilfertig und sorgfältig zu Beförderung und Beyhülffe der natürlichen Dinge sey. Einige streichen ihme weisse Flügel an: dardurch eine reine oder die ehliche Liebe angedeutet wird. Der Italiänische Poet Petrarcha gibt ihm (in seinem Liebs-Triumph) Flügel von tausenderley Farben; dardurch anzuzeigen/ daß die unkeusche Liebe unmässig und unersättlich/ auch allezeit zur Veränder- oder Neuerung geneiget sey. Isidorus/ von Pelusien/ sagt/ Cupido sey darum beflügelt/ damit/ wann er seine Begierde/ in einem Dinge/ ersättigt habe/ er dasselbe verlassen/ und von Stund an zu einem andern sich erheben und fliegen könne. Daß er bewafnet mit Bogen und Pfeilen/ ist die Ursache/ daß er den närrischen Liebhaber im Geiste grossen Verdruß und Unruhe machet. Xenophon sagt/ die Cupidines/ oder Lieben seyn/ darum Schützen geheissen worden/ weil die schöne Menschen von fernen verletzen können. Servius schreibt/ in Erklärung der Virgilianischen Gedichte/ die Geschoß oder Pfeile des Cupido wären die Stachel der Reue und Leydes/ welche der Liebe nachzufolgen pflegen. Sonsten/ und wann man diese Pfeile in einen höhern Was durch den Cupido bedeutet worden. Was durch des Cupido Flügel verstanden werde. Was des Cupido pfeile zu bedeuten pflegen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/191
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 15]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/191>, abgerufen am 27.11.2024.