Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] ingleichen/ daß sie des Orpheus seinem Saitenspiel solten nachgefolgt seyn: dieses alles schien ihnen viel zu unglaublich. Da man doch gleichwol/ in denen glaubwürdigsten Schrifften/ lieset/ daß Bäume geredt/ und hingegangen einen König über sich zu salben/ da sie den Dornbusch willig darzu gefunden/ nachdem der Oel- und Feigenbaum/ samt dem Weinstocke/ sich dessen geweigert hatten. An einem andern Orte der Schrifft spricht der Dornbusch den Libanischen Cederbaum um seine Tochter an; die wilden Thiere aber/ auf dem Libanon/ lauffen über den Dornbusch hin/ und zutretten ihn. Welches eine Göttliche Propheceyung/ und auf den König Amasia zu deuten war. Ferner findet man/ daß die Waldbäume und See-Fluten sich unterredet/ einander zu bekriegen. Und wie wunderbar/ herrlich und mancherley sind/ durch hohen Geist/ uns gegeben/ und vorgeschrieben die Stifftshütte/ und der Tempel/ mit alle seinem Inwendigen/ Geräthe/ Altar/ ehrnem Meer/ Priestern/ allem ihrem Schmuck/ fremd-gestalteten Vorbilder der Offenbarungen/ Gesichten/ Träumen und Gleichnüssen/ Liechtern/ Feuern/ Rädern/ mit Augen-vollen Naben/ imgleichen feurige Thiere/ mit Händen/ unter doppelten Flügeln/ ein Thier/ mit einem Menschlichen Angesichte/ vorne und hinden voller Augen/ vielhornige Thiere/ vielhäuptige Drachen/ Heuschrecken/ mit Menschen-Angesichtern/ Weiber-Haar/ Löwen-Zähnen/ Scorpion-Schwänzen; angethan mit Panzern/ Kronen/ rauschenden Flügeln/ und denen zum Streit bereiteten Pferden gleich. Diese Heuschrecken würden je abentheurlich und seltsam anzusehen seyn. Wer solte doch wol glauben/ daß man jemals dergleichen gefunden? Dafern man dargegen hält den Thebaischen Sphynx/ die Strophadische Harpyen/ oder die Licische Chimeram ; werden dieselbe/ weder so wunderseltsam/ noch so manchfaltig von Gestalt/ erscheinen. Also solte man ja billig nachdencken/ daß etwas anders dardurch gemeint/ und zu erkennen gegeben wäre. Wie uns anderwärts das Wort Gottes wird abgebildet/ durch ein Saamkorn/ der Unverständige/ durch [Spaltenumbruch] den Weg; der Unbeständige/ durch den felsigen Grund; der Geitzige/ durch die Dörner; der Gottfürchtige/ durch das gute Land; die Welt/ durch den Acker/ die Engel/ durch die Schnitter; das letzte Gerichte/ durch die Ernde; die Hölle/ durch einen glüenden Ofen; der Himmel/ durch eine Scheure; die Frommen/ durch den Waitzen; die Böse/ durch das Unkraut/ wie auch/ durch Schafe und Böcke. Gleicher Gestalt werden böse Arbeiter den Hunden/ Herodes einem Fuchsen/ Nero einem Löwen/ die Ephesische verstockte Widersprecher/ den wilden Thieren/ vergliechen/ und die Verführer/ mit Schafpeltzen bekleidete/ Wölffe genennet/ wie kan es einem dann so fremd oder wunderbar vorkommen/ daß die Poeten/ aus tyrannischen Menschen/ Leuen oder Wölffe/ aus wollüstigen/ Schweine/ aus Unkeuschen/ leicht dahinfliessende Wasserflüsse/ aus verstockten und verhärteten Menschen/ Steine; aus Hoffärtigen/ Berge; aus Gotteslästerern/ Fledermäuse/ Spinnen/ Frösche und Affen/ aus Wäschern und Plauderern/ Hetzen/ und aus Verrähtern/ Eulen/ machen? Wie Ovidius/ in seinen Verwandlungs-Büchern thut: Allda/ mit genauer Aufmerkung/ alle Eigenschafften klüglich/ und die mancherley Erdichtungen/ mit grosser Kunst/ aneinander gehängt sind: Aus welchen Vermummungen die Griechen ein solches Behagen schöpfften/ daß sie dieses Buch aus dem Latein ins Griechische übersetzten. Und dieweil es bey uns gemein/ und/ wegen Abmahlung der vielen Historien/ der Mahler Bibel genennet ward: hätte ich schon vorlängst gewünscht/ eine Erklärung oder Auslegung drüber zu sehen/ oder/ daß die darinnen verborgene schöne Lehren/ aus dem tunkeln Chaos/ zu dem hellen Phoebus hätten aufgeführt werden mögen; erwartete demnach und sahe mich fast nach jemanden um/ der gelehrt/ unserer Sprach kundig/ und hierzu Beliebung tragen möchte; allein ich habe unsers Flämischen Castellani Sprichwort/ daß diese Busen (oder Geheimnüsse) zu fest geschlossen und vermacht wären/ nur allzuwahr befunden. Halte aber darfür/ daß sie ihre Gedancken/ zu höhern Vornehmen und

[Spaltenumbruch] ingleichen/ daß sie des Orpheus seinem Saitenspiel solten nachgefolgt seyn: dieses alles schien ihnen viel zu unglaublich. Da man doch gleichwol/ in denen glaubwürdigsten Schrifften/ lieset/ daß Bäume geredt/ und hingegangen einen König über sich zu salben/ da sie den Dornbusch willig darzu gefunden/ nachdem der Oel- und Feigenbaum/ samt dem Weinstocke/ sich dessen geweigert hatten. An einem andern Orte der Schrifft spricht der Dornbusch den Libanischen Cederbaum um seine Tochter an; die wilden Thiere aber/ auf dem Libanon/ lauffen über den Dornbusch hin/ und zutretten ihn. Welches eine Göttliche Propheceyung/ und auf den König Amasia zu deuten war. Ferner findet man/ daß die Waldbäume und See-Fluten sich unterredet/ einander zu bekriegen. Und wie wunderbar/ herrlich und mancherley sind/ durch hohen Geist/ uns gegeben/ und vorgeschrieben die Stifftshütte/ und der Tempel/ mit alle seinem Inwendigen/ Geräthe/ Altar/ ehrnem Meer/ Priestern/ allem ihrem Schmuck/ fremd-gestalteten Vorbilder der Offenbarungen/ Gesichten/ Träumen und Gleichnüssen/ Liechtern/ Feuern/ Rädern/ mit Augen-vollen Naben/ imgleichen feurige Thiere/ mit Händen/ unter doppelten Flügeln/ ein Thier/ mit einem Menschlichen Angesichte/ vorne und hinden voller Augen/ vielhornige Thiere/ vielhäuptige Drachen/ Heuschrecken/ mit Menschen-Angesichtern/ Weiber-Haar/ Löwen-Zähnen/ Scorpion-Schwänzen; angethan mit Panzern/ Kronen/ rauschenden Flügeln/ und denen zum Streit bereiteten Pferden gleich. Diese Heuschrecken würden je abentheurlich und seltsam anzusehen seyn. Wer solte doch wol glauben/ daß man jemals dergleichen gefunden? Dafern man dargegen hält den Thebaischen Sphynx/ die Strophadische Harpyen/ oder die Licische Chimeram ; werden dieselbe/ weder so wunderseltsam/ noch so manchfaltig von Gestalt/ erscheinen. Also solte man ja billig nachdencken/ daß etwas anders dardurch gemeint/ und zu erkennen gegeben wäre. Wie uns anderwärts das Wort Gottes wird abgebildet/ durch ein Saamkorn/ der Unverständige/ durch [Spaltenumbruch] den Weg; der Unbeständige/ durch den felsigen Grund; der Geitzige/ durch die Dörner; der Gottfürchtige/ durch das gute Land; die Welt/ durch den Acker/ die Engel/ durch die Schnitter; das letzte Gerichte/ durch die Ernde; die Hölle/ durch einen glüenden Ofen; der Himmel/ durch eine Scheure; die Frommen/ durch den Waitzen; die Böse/ durch das Unkraut/ wie auch/ durch Schafe und Böcke. Gleicher Gestalt werden böse Arbeiter den Hunden/ Herodes einem Fuchsen/ Nero einem Löwen/ die Ephesische verstockte Widersprecher/ den wilden Thieren/ vergliechen/ und die Verführer/ mit Schafpeltzen bekleidete/ Wölffe genennet/ wie kan es einem dann so fremd oder wunderbar vorkommen/ daß die Poeten/ aus tyrannischen Menschen/ Leuen oder Wölffe/ aus wollüstigen/ Schweine/ aus Unkeuschen/ leicht dahinfliessende Wasserflüsse/ aus verstockten und verhärteten Menschen/ Steine; aus Hoffärtigen/ Berge; aus Gotteslästerern/ Fledermäuse/ Spinnen/ Frösche und Affen/ aus Wäschern und Plauderern/ Hetzen/ und aus Verrähtern/ Eulen/ machen? Wie Ovidius/ in seinen Verwandlungs-Büchern thut: Allda/ mit genauer Aufmerkung/ alle Eigenschafften klüglich/ und die mancherley Erdichtungen/ mit grosser Kunst/ aneinander gehängt sind: Aus welchen Vermummungen die Griechen ein solches Behagen schöpfften/ daß sie dieses Buch aus dem Latein ins Griechische übersetzten. Und dieweil es bey uns gemein/ und/ wegen Abmahlung der vielen Historien/ der Mahler Bibel genennet ward: hätte ich schon vorlängst gewünscht/ eine Erklärung oder Auslegung drüber zu sehen/ oder/ daß die darinnen verborgene schöne Lehren/ aus dem tunkeln Chaos/ zu dem hellen Phoebus hätten aufgeführt werden mögen; erwartete demnach und sahe mich fast nach jemanden um/ der gelehrt/ unserer Sprach kundig/ und hierzu Beliebung tragen möchte; allein ich habe unsers Flämischen Castellani Sprichwort/ daß diese Busen (oder Geheimnüsse) zu fest geschlossen und vermacht wären/ nur allzuwahr befunden. Halte aber darfür/ daß sie ihre Gedancken/ zu höhern Vornehmen und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <div>
            <p><pb facs="#f0179" xml:id="pb-1126" n="[Metamorphosis, S. 3]"/><cb/>
ingleichen/ daß sie des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-532 http://d-nb.info/gnd/118590278 http://viaf.org/viaf/27213508">Orpheus</persName> seinem Saitenspiel solten nachgefolgt seyn: dieses alles schien ihnen viel zu unglaublich. Da man doch gleichwol/ in denen glaubwürdigsten Schrifften/ lieset/ daß Bäume geredt/ und hingegangen einen König über sich zu salben/ da sie den Dornbusch willig darzu gefunden/ nachdem der Oel- und Feigenbaum/ samt dem Weinstocke/ sich dessen geweigert hatten. An einem andern Orte der Schrifft spricht der Dornbusch den Libanischen Cederbaum um seine Tochter an; die wilden Thiere aber/ auf dem <placeName ref="http://ta.sandrart.net/-place-788">Libanon</placeName>/ lauffen über den Dornbusch hin/ und zutretten ihn. Welches eine Göttliche Propheceyung/ und auf den König <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5474">Amasia</persName> zu deuten war. Ferner findet man/ daß die Waldbäume und See-Fluten sich unterredet/ einander zu bekriegen. Und wie wunderbar/ herrlich und mancherley sind/ durch hohen Geist/ uns gegeben/ und vorgeschrieben die Stifftshütte/ und der Tempel/ mit alle seinem Inwendigen/ Geräthe/ Altar/ ehrnem Meer/ Priestern/ allem ihrem Schmuck/ fremd-gestalteten Vorbilder der Offenbarungen/ Gesichten/ Träumen und Gleichnüssen/ Liechtern/ Feuern/ Rädern/ mit Augen-vollen Naben/ imgleichen feurige Thiere/ mit Händen/ unter doppelten Flügeln/ ein Thier/ mit einem Menschlichen Angesichte/ vorne und hinden voller Augen/ vielhornige Thiere/ vielhäuptige Drachen/ Heuschrecken/ mit Menschen-Angesichtern/ Weiber-Haar/ Löwen-Zähnen/ Scorpion-Schwänzen; angethan mit Panzern/ Kronen/ rauschenden Flügeln/ und denen zum Streit bereiteten Pferden gleich. Diese Heuschrecken würden je abentheurlich und seltsam anzusehen seyn. Wer solte doch wol glauben/ daß man jemals dergleichen gefunden? Dafern man dargegen hält den Thebaischen Sphynx/ die Strophadische Harpyen/ oder die Licische Chimeram ; werden dieselbe/ weder so wunderseltsam/ noch so manchfaltig von Gestalt/ erscheinen. Also solte man ja billig nachdencken/ daß etwas anders dardurch gemeint/ und zu erkennen gegeben wäre. Wie uns anderwärts das Wort <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-204">Gottes</persName> wird abgebildet/ durch ein Saamkorn/ der Unverständige/ durch <cb/>
den Weg; der Unbeständige/ durch den felsigen Grund; der Geitzige/ durch die Dörner; der Gottfürchtige/ durch das gute Land; die Welt/ durch den Acker/ die Engel/ durch die Schnitter; das letzte Gerichte/ durch die Ernde; die Hölle/ durch einen glüenden Ofen; der Himmel/ durch eine Scheure; die Frommen/ durch den Waitzen; die Böse/ durch das Unkraut/ wie auch/ durch Schafe und Böcke. Gleicher Gestalt werden böse Arbeiter den Hunden/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4203">Herodes</persName> einem Fuchsen/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-219 http://d-nb.info/gnd/118586998 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500115696 http://viaf.org/viaf/84036175">Nero</persName> einem Löwen/ die Ephesische verstockte Widersprecher/ den wilden Thieren/ vergliechen/ und die Verführer/ mit Schafpeltzen bekleidete/ Wölffe genennet/ wie kan es einem dann so fremd oder wunderbar vorkommen/ daß die Poeten/ aus tyrannischen Menschen/ Leuen oder Wölffe/ aus wollüstigen/ Schweine/ aus Unkeuschen/ leicht dahinfliessende Wasserflüsse/ aus verstockten und verhärteten Menschen/ Steine; aus Hoffärtigen/ Berge; aus Gotteslästerern/ Fledermäuse/ Spinnen/ Frösche und Affen/ aus Wäschern und Plauderern/ Hetzen/ und aus Verrähtern/ Eulen/ machen? Wie <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-350 http://d-nb.info/gnd/118590995 http://viaf.org/viaf/88342447">Ovidius</persName>/ in seinen <bibl><ref target="http://ta.sandrart.net/-bibliography-1782">Verwandlungs-Büchern</ref></bibl> thut: Allda/ mit genauer Aufmerkung/ alle Eigenschafften klüglich/ und die mancherley Erdichtungen/ mit grosser Kunst/ aneinander gehängt sind: Aus welchen Vermummungen die Griechen ein solches Behagen schöpfften/ daß sie dieses Buch aus dem Latein ins Griechische übersetzten. Und dieweil es bey uns gemein/ und/ wegen Abmahlung der vielen Historien/ der Mahler Bibel genennet ward: hätte <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> schon vorlängst gewünscht/ eine Erklärung oder Auslegung drüber zu sehen/ oder/ daß die darinnen verborgene schöne Lehren/ aus dem tunkeln <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3872">Chaos</persName>/ zu dem hellen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-59 http://d-nb.info/gnd/118503642 http://viaf.org/viaf/3261638">Phoebus</persName> hätten aufgeführt werden mögen; erwartete demnach und sahe <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">mich</persName> fast nach jemanden um/ der gelehrt/ unserer Sprach kundig/ und hierzu Beliebung tragen möchte; allein <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> habe unsers Flämischen <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-5632">Castellani</persName> Sprichwort/ daß diese Busen (oder Geheimnüsse) zu fest geschlossen und vermacht wären/ nur allzuwahr befunden. Halte aber darfür/ daß sie ihre Gedancken/ zu höhern Vornehmen und
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[Metamorphosis, S. 3]/0179] ingleichen/ daß sie des Orpheus seinem Saitenspiel solten nachgefolgt seyn: dieses alles schien ihnen viel zu unglaublich. Da man doch gleichwol/ in denen glaubwürdigsten Schrifften/ lieset/ daß Bäume geredt/ und hingegangen einen König über sich zu salben/ da sie den Dornbusch willig darzu gefunden/ nachdem der Oel- und Feigenbaum/ samt dem Weinstocke/ sich dessen geweigert hatten. An einem andern Orte der Schrifft spricht der Dornbusch den Libanischen Cederbaum um seine Tochter an; die wilden Thiere aber/ auf dem Libanon/ lauffen über den Dornbusch hin/ und zutretten ihn. Welches eine Göttliche Propheceyung/ und auf den König Amasia zu deuten war. Ferner findet man/ daß die Waldbäume und See-Fluten sich unterredet/ einander zu bekriegen. Und wie wunderbar/ herrlich und mancherley sind/ durch hohen Geist/ uns gegeben/ und vorgeschrieben die Stifftshütte/ und der Tempel/ mit alle seinem Inwendigen/ Geräthe/ Altar/ ehrnem Meer/ Priestern/ allem ihrem Schmuck/ fremd-gestalteten Vorbilder der Offenbarungen/ Gesichten/ Träumen und Gleichnüssen/ Liechtern/ Feuern/ Rädern/ mit Augen-vollen Naben/ imgleichen feurige Thiere/ mit Händen/ unter doppelten Flügeln/ ein Thier/ mit einem Menschlichen Angesichte/ vorne und hinden voller Augen/ vielhornige Thiere/ vielhäuptige Drachen/ Heuschrecken/ mit Menschen-Angesichtern/ Weiber-Haar/ Löwen-Zähnen/ Scorpion-Schwänzen; angethan mit Panzern/ Kronen/ rauschenden Flügeln/ und denen zum Streit bereiteten Pferden gleich. Diese Heuschrecken würden je abentheurlich und seltsam anzusehen seyn. Wer solte doch wol glauben/ daß man jemals dergleichen gefunden? Dafern man dargegen hält den Thebaischen Sphynx/ die Strophadische Harpyen/ oder die Licische Chimeram ; werden dieselbe/ weder so wunderseltsam/ noch so manchfaltig von Gestalt/ erscheinen. Also solte man ja billig nachdencken/ daß etwas anders dardurch gemeint/ und zu erkennen gegeben wäre. Wie uns anderwärts das Wort Gottes wird abgebildet/ durch ein Saamkorn/ der Unverständige/ durch den Weg; der Unbeständige/ durch den felsigen Grund; der Geitzige/ durch die Dörner; der Gottfürchtige/ durch das gute Land; die Welt/ durch den Acker/ die Engel/ durch die Schnitter; das letzte Gerichte/ durch die Ernde; die Hölle/ durch einen glüenden Ofen; der Himmel/ durch eine Scheure; die Frommen/ durch den Waitzen; die Böse/ durch das Unkraut/ wie auch/ durch Schafe und Böcke. Gleicher Gestalt werden böse Arbeiter den Hunden/ Herodes einem Fuchsen/ Nero einem Löwen/ die Ephesische verstockte Widersprecher/ den wilden Thieren/ vergliechen/ und die Verführer/ mit Schafpeltzen bekleidete/ Wölffe genennet/ wie kan es einem dann so fremd oder wunderbar vorkommen/ daß die Poeten/ aus tyrannischen Menschen/ Leuen oder Wölffe/ aus wollüstigen/ Schweine/ aus Unkeuschen/ leicht dahinfliessende Wasserflüsse/ aus verstockten und verhärteten Menschen/ Steine; aus Hoffärtigen/ Berge; aus Gotteslästerern/ Fledermäuse/ Spinnen/ Frösche und Affen/ aus Wäschern und Plauderern/ Hetzen/ und aus Verrähtern/ Eulen/ machen? Wie Ovidius/ in seinen Verwandlungs-Büchern thut: Allda/ mit genauer Aufmerkung/ alle Eigenschafften klüglich/ und die mancherley Erdichtungen/ mit grosser Kunst/ aneinander gehängt sind: Aus welchen Vermummungen die Griechen ein solches Behagen schöpfften/ daß sie dieses Buch aus dem Latein ins Griechische übersetzten. Und dieweil es bey uns gemein/ und/ wegen Abmahlung der vielen Historien/ der Mahler Bibel genennet ward: hätte ich schon vorlängst gewünscht/ eine Erklärung oder Auslegung drüber zu sehen/ oder/ daß die darinnen verborgene schöne Lehren/ aus dem tunkeln Chaos/ zu dem hellen Phoebus hätten aufgeführt werden mögen; erwartete demnach und sahe mich fast nach jemanden um/ der gelehrt/ unserer Sprach kundig/ und hierzu Beliebung tragen möchte; allein ich habe unsers Flämischen Castellani Sprichwort/ daß diese Busen (oder Geheimnüsse) zu fest geschlossen und vermacht wären/ nur allzuwahr befunden. Halte aber darfür/ daß sie ihre Gedancken/ zu höhern Vornehmen und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/179
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/179>, abgerufen am 25.11.2024.