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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679.

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[Spaltenumbruch] Music vereinigt/ alle Wissenschafften und Künste lehrte. Und weil sie ein mehrers Vermögen/ als die ungemessen/ unausgezierte und nackete Worte; ist die Poesie eine Mutter und Säug-Amme des glücklich- und gedeylichen gemeinen Wolstandes titulirt worden.

Ja/ sie gilt so viel/ daß ich verursacht werde zu sagen: Die weise Poetische Fabeln/ oder tief-gegründete und hochvernünftige Gedichte/ haben dermassen vortrefliche Wirckungen und nutzbare Kräfte/ daß sie lieblich durch die Ohren sausen/ das Hertz besänftigen/ dem Menschen/ auf die süsseste Weise/ sein Concept oder Einbildung besser ausbilden/ seine Gedancken mäßigen/ Begierde und Lüste zäumen/ die Sinne befestigen/ das Gemüt stillen/ den Geist ermunteren/ die Sitten ändern/ und endlich/ die schädliche Seelen-Seuchen oder Krankheiten kuriren und wegnehmen: damit sie gesund und rein im Willen/ Worten und Werckern/ mit Unschuld gewaffnet/ männlich/ unverwirrt/ und ohne Hindernüs/ die gefährliche/ und mit tausenderley ängsten umgebene/ Mordgrube/ und den dunklen rauberischen Weg dieser Welt/ durchreisen/ und endlich zu der Geistbefriedigten Seelen-Ruh gelangen mögen. Mercklich siehet man/ daß der Allmächtige sich hat bewiesen/ nicht allein der Juden/ sondern auch der Heiden/ und gantzen Welt/ gab- und mildreicher guter Gott zu seyn: indem/ ohne Unterscheid/ alle Völcker nicht allein leben/ sondern auch darinn wunderbarlich bewegt werden/ daß solche Gesetz-lose und vorhäutige Menschen bewiesen/ wie der Gesetz-tafeln des Hertzens mit Wercken beschrieben; indem sie ihnen selbsten ein Gesetz gewesen/ dem Gezeugnis ihres Gemüts und der Gedancken Anklage und Entschuldigungen Gehör gegeben/ und sich ihnen unterworffen/ also daß sie/ aus angeborner Güte der Natur/ mit einem bescheidenem und frommen Wandel/ das Göttliche Gesetz that-wircklich zu vollbringen getrachtet. Wer soll sich dann verwundern/ daß sie in ihrem Wolthun so ernstlich gewesen/ auch wol geredet/ und denen Nachkommen so gute Tugend-Lehren hinterlassen haben?

[Spaltenumbruch]

Die Arten der Poetischen und Spruchreichen Gedichte sind unterschiedlich gewesen/ und nach ihren Erfindern oder Oertern genennet worden/ als Esopische/ Lydische/ Cilicische/ Sybarische und Cyprische. Aphthonius theilet sie in dreyerley Arten/ als in vernünfftige/ erbauliche und aus beyden vermischte. Die Vernünfftige/ darinn den vernünfftigen Geschöpffen oder Menschen einige Begebenheiten oder Handlungen angedichtet werden. Die Lehrliche oder Erbauliche/ darinn unvernünftige Thiere/ etwas zu handeln/ eingeführet werden. Die Vermischte/ darinn Menschen und Thiere miteinander redende oder handlende gedichtet werden. Neben diesen dreyerley Arten/ war noch eine andere Art/ nemlich die Gesetzliche: unter dieser waren die Freuden- und Trauer-spiele begriffen. Aristoteles, in seinen Gedicht-Künsten/ unterscheidet die Esopische und Lybische Fabeln; indem er sagt/ daß die Libysche von Menschen/ und der Esopische von Thieren handelen. Der lieblich-singende Poet Ovidius aber/ folget einigen Griechen/ als dem Dorotheus/ Evanthus/ Heraclides von Ponten/ dem Silenus von Chio/ und andern/ (deren Bücher/ von der Zeit und Alterthum/ schon längsten verzehrt sind) hat/ unter andern seinen Wercken mehr/ auch ans Liecht gegeben unbekante Gedichte/ wie nemlich die Leiber in unterschiedliche Gestalten verwandelt wären. Welcher Tractat/ in 15 Büchern verfasst/ vor vielen Jahren bereits/ in gebundner Rede; jedoch mit ungebundnen Anmerck- und Erklärungen/ in unserer Authore Gerhardo, Lotichio, Francofurti 1631. Teutschen Sprache/ zum Druck heraus gegeben worden; woraus Viel anders nichts zu machen wissen/ dann einen Spott/ und sie/ als eitele Dinge zu verachten; der falschen Einbildung/ daß es anders nichts/ dann Lügen/ und nicht wehrt zu lesen/ wären: so übel ist ihnen das Schalenbeissen gelungen/ weil sie nit so scharffe Zähne gehabt/ bis auf den nahrhaften Kern/ hindurch zu beissen. Es lautete ihnen zu fremd und neu in den Ohren/ daß Menschen in Thiere verwandelt/ und aus Bäumen/ Stimmen gehört worden seyn solten; als aus der Ceres Baume/ Heliades/ Dryope und ander mehr/

[Spaltenumbruch] Music vereinigt/ alle Wissenschafften und Künste lehrte. Und weil sie ein mehrers Vermögen/ als die ungemessen/ unausgezierte und nackete Worte; ist die Poesie eine Mutter und Säug-Amme des glücklich- und gedeylichen gemeinen Wolstandes titulirt worden.

Ja/ sie gilt so viel/ daß ich verursacht werde zu sagen: Die weise Poetische Fabeln/ oder tief-gegründete und hochvernünftige Gedichte/ haben dermassen vortrefliche Wirckungen und nutzbare Kräfte/ daß sie lieblich durch die Ohren sausen/ das Hertz besänftigen/ dem Menschen/ auf die süsseste Weise/ sein Concept oder Einbildung besser ausbilden/ seine Gedancken mäßigen/ Begierde und Lüste zäumen/ die Sinne befestigen/ das Gemüt stillen/ den Geist ermunteren/ die Sitten ändern/ und endlich/ die schädliche Seelen-Seuchen oder Krankheiten kuriren und wegnehmen: damit sie gesund und rein im Willen/ Worten und Werckern/ mit Unschuld gewaffnet/ männlich/ unverwirrt/ und ohne Hindernüs/ die gefährliche/ und mit tausenderley ängsten umgebene/ Mordgrube/ und den dunklen rauberischen Weg dieser Welt/ durchreisen/ und endlich zu der Geistbefriedigten Seelen-Ruh gelangen mögen. Mercklich siehet man/ daß der Allmächtige sich hat bewiesen/ nicht allein der Juden/ sondern auch der Heiden/ und gantzen Welt/ gab- und mildreicher guter Gott zu seyn: indem/ ohne Unterscheid/ alle Völcker nicht allein leben/ sondern auch darinn wunderbarlich bewegt werden/ daß solche Gesetz-lose und vorhäutige Menschen bewiesen/ wie der Gesetz-tafeln des Hertzens mit Wercken beschrieben; indem sie ihnen selbsten ein Gesetz gewesen/ dem Gezeugnis ihres Gemüts und der Gedancken Anklage und Entschuldigungen Gehör gegeben/ und sich ihnen unterworffen/ also daß sie/ aus angeborner Güte der Natur/ mit einem bescheidenem und frommen Wandel/ das Göttliche Gesetz that-wircklich zu vollbringen getrachtet. Wer soll sich dann verwundern/ daß sie in ihrem Wolthun so ernstlich gewesen/ auch wol geredet/ und denen Nachkommen so gute Tugend-Lehren hinterlassen haben?

[Spaltenumbruch]

Die Arten der Poetischen und Spruchreichen Gedichte sind unterschiedlich gewesen/ und nach ihren Erfindern oder Oertern genennet worden/ als Esopische/ Lydische/ Cilicische/ Sybarische und Cyprische. Aphthonius theilet sie in dreyerley Arten/ als in vernünfftige/ erbauliche und aus beyden vermischte. Die Vernünfftige/ darinn den vernünfftigen Geschöpffen oder Menschen einige Begebenheiten oder Handlungen angedichtet werden. Die Lehrliche oder Erbauliche/ darinn unvernünftige Thiere/ etwas zu handeln/ eingeführet werden. Die Vermischte/ darinn Menschen und Thiere miteinander redende oder handlende gedichtet werden. Neben diesen dreyerley Arten/ war noch eine andere Art/ nemlich die Gesetzliche: unter dieser waren die Freuden- und Trauer-spiele begriffen. Aristoteles, in seinen Gedicht-Künsten/ unterscheidet die Esopische und Lybische Fabeln; indem er sagt/ daß die Libysche von Menschen/ und der Esopische von Thieren handelen. Der lieblich-singende Poet Ovidius aber/ folget einigen Griechen/ als dem Dorotheus/ Evanthus/ Heraclides von Ponten/ dem Silenus von Chio/ und andern/ (deren Bücher/ von der Zeit und Alterthum/ schon längsten verzehrt sind) hat/ unter andern seinen Wercken mehr/ auch ans Liecht gegeben unbekante Gedichte/ wie nemlich die Leiber in unterschiedliche Gestalten verwandelt wären. Welcher Tractat/ in 15 Büchern verfasst/ vor vielen Jahren bereits/ in gebundner Rede; jedoch mit ungebundnen Anmerck- und Erklärungen/ in unserer Authore Gerhardo, Lotichio, Francofurti 1631. Teutschen Sprache/ zum Druck heraus gegeben worden; woraus Viel anders nichts zu machen wissen/ dann einen Spott/ und sie/ als eitele Dinge zu verachten; der falschen Einbildung/ daß es anders nichts/ dann Lügen/ und nicht wehrt zu lesen/ wären: so übel ist ihnen das Schalenbeissen gelungen/ weil sie nit so scharffe Zähne gehabt/ bis auf den nahrhaften Kern/ hindurch zu beissen. Es lautete ihnen zu fremd und neu in den Ohren/ daß Menschen in Thiere verwandelt/ und aus Bäumen/ Stimmen gehört worden seyn solten; als aus der Ceres Baume/ Heliades/ Dryope und ander mehr/

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[[Metamorphosis, S. 2]/0178] Music vereinigt/ alle Wissenschafften und Künste lehrte. Und weil sie ein mehrers Vermögen/ als die ungemessen/ unausgezierte und nackete Worte; ist die Poesie eine Mutter und Säug-Amme des glücklich- und gedeylichen gemeinen Wolstandes titulirt worden. Ja/ sie gilt so viel/ daß ich verursacht werde zu sagen: Die weise Poetische Fabeln/ oder tief-gegründete und hochvernünftige Gedichte/ haben dermassen vortrefliche Wirckungen und nutzbare Kräfte/ daß sie lieblich durch die Ohren sausen/ das Hertz besänftigen/ dem Menschen/ auf die süsseste Weise/ sein Concept oder Einbildung besser ausbilden/ seine Gedancken mäßigen/ Begierde und Lüste zäumen/ die Sinne befestigen/ das Gemüt stillen/ den Geist ermunteren/ die Sitten ändern/ und endlich/ die schädliche Seelen-Seuchen oder Krankheiten kuriren und wegnehmen: damit sie gesund und rein im Willen/ Worten und Werckern/ mit Unschuld gewaffnet/ männlich/ unverwirrt/ und ohne Hindernüs/ die gefährliche/ und mit tausenderley ängsten umgebene/ Mordgrube/ und den dunklen rauberischen Weg dieser Welt/ durchreisen/ und endlich zu der Geistbefriedigten Seelen-Ruh gelangen mögen. Mercklich siehet man/ daß der Allmächtige sich hat bewiesen/ nicht allein der Juden/ sondern auch der Heiden/ und gantzen Welt/ gab- und mildreicher guter Gott zu seyn: indem/ ohne Unterscheid/ alle Völcker nicht allein leben/ sondern auch darinn wunderbarlich bewegt werden/ daß solche Gesetz-lose und vorhäutige Menschen bewiesen/ wie der Gesetz-tafeln des Hertzens mit Wercken beschrieben; indem sie ihnen selbsten ein Gesetz gewesen/ dem Gezeugnis ihres Gemüts und der Gedancken Anklage und Entschuldigungen Gehör gegeben/ und sich ihnen unterworffen/ also daß sie/ aus angeborner Güte der Natur/ mit einem bescheidenem und frommen Wandel/ das Göttliche Gesetz that-wircklich zu vollbringen getrachtet. Wer soll sich dann verwundern/ daß sie in ihrem Wolthun so ernstlich gewesen/ auch wol geredet/ und denen Nachkommen so gute Tugend-Lehren hinterlassen haben? Die Arten der Poetischen und Spruchreichen Gedichte sind unterschiedlich gewesen/ und nach ihren Erfindern oder Oertern genennet worden/ als Esopische/ Lydische/ Cilicische/ Sybarische und Cyprische. Aphthonius theilet sie in dreyerley Arten/ als in vernünfftige/ erbauliche und aus beyden vermischte. Die Vernünfftige/ darinn den vernünfftigen Geschöpffen oder Menschen einige Begebenheiten oder Handlungen angedichtet werden. Die Lehrliche oder Erbauliche/ darinn unvernünftige Thiere/ etwas zu handeln/ eingeführet werden. Die Vermischte/ darinn Menschen und Thiere miteinander redende oder handlende gedichtet werden. Neben diesen dreyerley Arten/ war noch eine andere Art/ nemlich die Gesetzliche: unter dieser waren die Freuden- und Trauer-spiele begriffen. Aristoteles, in seinen Gedicht-Künsten/ unterscheidet die Esopische und Lybische Fabeln; indem er sagt/ daß die Libysche von Menschen/ und der Esopische von Thieren handelen. Der lieblich-singende Poet Ovidius aber/ folget einigen Griechen/ als dem Dorotheus/ Evanthus/ Heraclides von Ponten/ dem Silenus von Chio/ und andern/ (deren Bücher/ von der Zeit und Alterthum/ schon längsten verzehrt sind) hat/ unter andern seinen Wercken mehr/ auch ans Liecht gegeben unbekante Gedichte/ wie nemlich die Leiber in unterschiedliche Gestalten verwandelt wären. Welcher Tractat/ in 15 Büchern verfasst/ vor vielen Jahren bereits/ in gebundner Rede; jedoch mit ungebundnen Anmerck- und Erklärungen/ in unserer Teutschen Sprache/ zum Druck heraus gegeben worden; woraus Viel anders nichts zu machen wissen/ dann einen Spott/ und sie/ als eitele Dinge zu verachten; der falschen Einbildung/ daß es anders nichts/ dann Lügen/ und nicht wehrt zu lesen/ wären: so übel ist ihnen das Schalenbeissen gelungen/ weil sie nit so scharffe Zähne gehabt/ bis auf den nahrhaften Kern/ hindurch zu beissen. Es lautete ihnen zu fremd und neu in den Ohren/ daß Menschen in Thiere verwandelt/ und aus Bäumen/ Stimmen gehört worden seyn solten; als aus der Ceres Baume/ Heliades/ Dryope und ander mehr/ Authore Gerhardo, Lotichio, Francofurti 1631.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,3. Nürnberg, 1679, S. [Metamorphosis, S. 2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0203_1679/178>, abgerufen am 22.11.2024.