Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679.[Spaltenumbruch] Lehre übergeben: Deren jener/ als Praeceptor, ihn zu guten Sitten und löblichen Künsten/ dieser aber als Hofmeister/ zu Ritterlichen Exercitien und Studien. und Ubungen/ angewiesen. Er lernte aber insonderheit mahlen/ singen und poetisiren: und ward im letzern so geschickt/ daß er ohn Mühe einen Vers oder Carmen machen konte. Von der Philosophia begriffe er zwar auch etwas/ aber seine Mutter wolte ihn nicht dabey lassen/ mit Vorwand/ daß solche einem Fürsten wenig nutz wäre. Weil ihr aber die Astrologi weissagten/ daß er einmal würde vom Regiment verstossen werden/ als erlernte er vor andern die Poesy und Musik/ womit er in allen Landen fortzukommen ihm getrauet: Daher er ihm auch den Spruch der Griechen/ Artem quaevis alit terra, Kunst und Verstand nehrt in allem Land/ zum Leibspruch erwehlet hat. Seine drey Gemahlinnen. Octavia. Drey Gemahlinnen/ wurden ihme beygelegt. Octavia,die erste/ war Kaisers Claudii Tochter/ und seine Stief-Schwester: die er in seinem 16 Jahre geheuratet/ nachdem ihn der Kaiser zum Sohn angenommen. Aber er hatte ihrer bald genug/ und konte neben ihr nicht lang ziehen/ weil sie nicht seiner Farbe/ nämlich nicht Lasterhaft ware. Also trachtete er/ von ihr sich ledig zu machen/ nach dem Tod ihres Vatters/ und als man ihn davon abhielte/ mit dem Einwurf/ daß er auch das Heurat-gut/ verstehe das Kaiserthum/ würde wieder abtreten müssen/ sagte er: es muß der Octaviae genug seyn/ daß sie bey mir eine Frau worden. Er ware oftmals willens/ sie zu erwürgen. Endlich A. C. 64 ließe er sie von sich/ mit Vorwand/ daß sie unfruchtbar wäre. Als aber das Römische Volck hierüber murrete und auf ihn schalte/ verwiese er sie gar/ und brachte Poppea folgends ein Geschrey von ihr aus/ daß sie mit einem Knecht gebuhlet hätte: weswegen er sie hinrichten lassen. Poppea Sabina. Die zweyte/ Poppea Sabina, Salvii Ottonis (der hernach Kaiser worden) Ehefrau/ ware Ursach am Tode der Ersten/ indem sie durch ihren Mann sich an den Kaiser verknüpfen lassen: der dann/ aus innigster Liebe gegen ihr/ 12 Tage nach besagter Ehescheidung/ mit ihr zum Ehbette geeilet. Damit Octavia sie nicht wieder ausdrengen möchte/ sprache sie einen von ihren Bedienten auf/ der muste sie der Buhlerey mit einem Knecht fälschlich beschuldigen. Man peinigte ihre Mägde/ die solches theils bestätigten/ um der Marter zu entgehen. Aber eine von ihnen/ die Pythias, sagte dem Tigellino ins Gesicht: Meiner Frauen Weibliches Glied ist reiner/ als dein Maul seyn mag. Poppea war ein hoffärtiges Weib: massen sie ihre Kutsch-Pferde mit güldnen Huf-Schienen beschlagen lassen. Sie genosse aber der Ehre nicht lang/ und bekame bald ihren Lohn/ indem Nero, A. C. 66 als er von der Rennbahn zu Haus kame/ und von ihr hart angefahren wurde/ ihr mit dem Fuß einen Stoß an ihren schwangern Leib versetzet Satilia Messalina./ daß sie davon sterben müssen. Statilia Messalina, die dritte und lezte/ war des Burgermeisters Attici Vestini Ehefrau: die er ihm nicht allein hinweggenommen/ sondern auch ihn am[Spaltenumbruch] Tag seiner Hochzeit hinrichten lassen. Er hat mit allen dreyen/ kein lebhaftes Kind gezeuget. Seine Regirung. Er kame/ durch List seiner Mutter/ und durch Bestechung des Leibwacht-Heeres/ zum Regiment/ und konte man wol von ihm sagen/ daß er sich eingedrungen wie ein Fuchs/ geherrschet wie ein Lew/ und wie ein Hund gestorben. In den ersten fünf Jahren/ war er der bäste Fürst von der Welt/ und ward von iederman geliebt: daher das Quinquennium Neronis. Quinquennium Neronis zum Sprüchwort worden/ und nachmals Kaiser Trajanus von ihm gesagt: Es seyen alle Fürsten von Neronis ersten fünf Regirungs-Jahren weit zuruck geblieben. Und dieses hat er seinen beyden Belehrern/ dem Burrho und Senecae, zu dancken gehabt: welche auch/ als er erstlich seine Mutter allein schalten und walten lassen/ solches abgestellet/ und damit seine Autorität gerettet. Er ware gegen dem Raht ganz ehrerbietig und sagte/ so oft sie ihn beehren wolten: Si meruero, wann ich es verdienen werde. Er minderte nicht allein die Auflagen/ sondern unterhielte auch die Edelste unter den Ratsherren/ da mancher jährlich 10000 Gulden bekommen. Er ware so gelind/ daß er/ als Burrhus sein Großhofmeister ihm eine Malefiz-Sache zu unterschreiben vorgelegt/ nach langem Weigern/ sich vernehmen lassen: Er möchte wünschen/ daß er gar nicht schreiben könte. Man hat aber dafür gehalten/ er habe allein den Schalck also zu verbergen gewust und seine Boßheit hinterstellet; die nach Ausgang der fünf Jahre/ erschrecklich hervorgebrochen/ daeben ein Feigenbaum/ unter welchen vor 830 Jahren die beyde Kinder Romulus und Remus waren hingelegt worden/ verdorret/ doch nachmals wieder neu gesprosset: welches man dahin gedeutet/ daß der Caesar-Stamm im Nero aufhören/ und die Kaiser-Würde auf andere kommen würde. Seine Verartung und Untugenden. Er erlaubte ihm selber alles/ was ihm einfiele/ unbetrachtet/ ob es recht oder unrecht wäre/ und sagte: Alle Fürsten vor ihme hätten nicht gewust/ was ihnen erlaubt sey. Dann er glaubte/ auf gut Machiavellisch/ daß die/ so die Gesetze geben/ den Gesetzen nicht unterworfen seyen: da doch die/ so über andere regiren/ zuvörderst sich selbst regiren/ und nicht allein Ebenbilder des höchsten HErrn im Himmel / sondern auch für die Untern Tugendvorbilder seyn sollen. Wer sich regiren lässt/ der regirt am bästen. Und in dieser Eigenwilligkeit stärkten ihn seine Hofschmeichler/ die ihme immer in die Ohren raunten: Er habe sich nicht zu fürchten/ und er wisse nicht/ daß er Kaiser sey/ der allen zu gebieten/ und deme niemand einzureden habe. Schwelgerey. Seine Schwelgerey war so übermacht/ daß er von Mittag bis zur Mitternacht Fraß-Mahl gehalten/ darbey das Huren-geschmeiß aufdienen muste. Einsmals lude er die vornehmste Römer/ samt ihren Weibern/ Töchtern und Mägden/ auch die Hurensäcke zusammen: da er die Weinfässer/ um der Kühle willen/ auf dem Wasser schwimmen gemacht/ und am Abend bey hoher Straffe ausruffen [Spaltenumbruch] Lehre übergeben: Deren jener/ als Praeceptor, ihn zu guten Sitten und löblichen Künsten/ dieser aber als Hofmeister/ zu Ritterlichen Exercitien und Studien. und Ubungen/ angewiesen. Er lernte aber insonderheit mahlen/ singen und poetisiren: und ward im letzern so geschickt/ daß er ohn Mühe einen Vers oder Carmen machen konte. Von der Philosophia begriffe er zwar auch etwas/ aber seine Mutter wolte ihn nicht dabey lassen/ mit Vorwand/ daß solche einem Fürsten wenig nutz wäre. Weil ihr aber die Astrologi weissagten/ daß er einmal würde vom Regiment verstossen werden/ als erlernte er vor andern die Poesy und Musik/ womit er in allen Landen fortzukommen ihm getrauet: Daher er ihm auch den Spruch der Griechen/ Artem quaevis alit terra, Kunst und Verstand nehrt in allem Land/ zum Leibspruch erwehlet hat. Seine drey Gemahlinnen. Octavia. Drey Gemahlinnen/ wurden ihme beygelegt. Octavia,die erste/ war Kaisers Claudii Tochter/ und seine Stief-Schwester: die er in seinem 16 Jahre geheuratet/ nachdem ihn der Kaiser zum Sohn angenommen. Aber er hatte ihrer bald genug/ und konte neben ihr nicht lang ziehen/ weil sie nicht seiner Farbe/ nämlich nicht Lasterhaft ware. Also trachtete er/ von ihr sich ledig zu machen/ nach dem Tod ihres Vatters/ und als man ihn davon abhielte/ mit dem Einwurf/ daß er auch das Heurat-gut/ verstehe das Kaiserthum/ würde wieder abtreten müssen/ sagte er: es muß der Octaviae genug seyn/ daß sie bey mir eine Frau worden. Er ware oftmals willens/ sie zu erwürgen. Endlich A. C. 64 ließe er sie von sich/ mit Vorwand/ daß sie unfruchtbar wäre. Als aber das Römische Volck hierüber murrete und auf ihn schalte/ verwiese er sie gar/ und brachte Poppea folgends ein Geschrey von ihr aus/ daß sie mit einem Knecht gebuhlet hätte: weswegen er sie hinrichten lassen. Poppea Sabina. Die zweyte/ Poppea Sabina, Salvii Ottonis (der hernach Kaiser worden) Ehefrau/ ware Ursach am Tode der Ersten/ indem sie durch ihren Mann sich an den Kaiser verknüpfen lassen: der dann/ aus innigster Liebe gegen ihr/ 12 Tage nach besagter Ehescheidung/ mit ihr zum Ehbette geeilet. 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Einsmals lude er die vornehmste Römer/ samt ihren Weibern/ Töchtern und Mägden/ auch die Hurensäcke zusammen: da er die Weinfässer/ um der Kühle willen/ auf dem Wasser schwimmen gemacht/ und am Abend bey hoher Straffe ausruffen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[II (Skulptur), S. 45]/0063]
Lehre übergeben: Deren jener/ als Praeceptor, ihn zu guten Sitten und löblichen Künsten/ dieser aber als Hofmeister/ zu Ritterlichen Exercitien und Ubungen/ angewiesen. Er lernte aber insonderheit mahlen/ singen und poetisiren: und ward im letzern so geschickt/ daß er ohn Mühe einen Vers oder Carmen machen konte. Von der Philosophia begriffe er zwar auch etwas/ aber seine Mutter wolte ihn nicht dabey lassen/ mit Vorwand/ daß solche einem Fürsten wenig nutz wäre. Weil ihr aber die Astrologi weissagten/ daß er einmal würde vom Regiment verstossen werden/ als erlernte er vor andern die Poesy und Musik/ womit er in allen Landen fortzukommen ihm getrauet: Daher er ihm auch den Spruch der Griechen/ Artem quaevis alit terra, Kunst und Verstand nehrt in allem Land/ zum Leibspruch erwehlet hat.
und Studien. Drey Gemahlinnen/ wurden ihme beygelegt. Octavia,die erste/ war Kaisers Claudii Tochter/ und seine Stief-Schwester: die er in seinem 16 Jahre geheuratet/ nachdem ihn der Kaiser zum Sohn angenommen. Aber er hatte ihrer bald genug/ und konte neben ihr nicht lang ziehen/ weil sie nicht seiner Farbe/ nämlich nicht Lasterhaft ware. Also trachtete er/ von ihr sich ledig zu machen/ nach dem Tod ihres Vatters/ und als man ihn davon abhielte/ mit dem Einwurf/ daß er auch das Heurat-gut/ verstehe das Kaiserthum/ würde wieder abtreten müssen/ sagte er: es muß der Octaviae genug seyn/ daß sie bey mir eine Frau worden. Er ware oftmals willens/ sie zu erwürgen. Endlich A. C. 64 ließe er sie von sich/ mit Vorwand/ daß sie unfruchtbar wäre. Als aber das Römische Volck hierüber murrete und auf ihn schalte/ verwiese er sie gar/ und brachte Poppea folgends ein Geschrey von ihr aus/ daß sie mit einem Knecht gebuhlet hätte: weswegen er sie hinrichten lassen.
Seine drey Gemahlinnen. Octavia. Die zweyte/ Poppea Sabina, Salvii Ottonis (der hernach Kaiser worden) Ehefrau/ ware Ursach am Tode der Ersten/ indem sie durch ihren Mann sich an den Kaiser verknüpfen lassen: der dann/ aus innigster Liebe gegen ihr/ 12 Tage nach besagter Ehescheidung/ mit ihr zum Ehbette geeilet. Damit Octavia sie nicht wieder ausdrengen möchte/ sprache sie einen von ihren Bedienten auf/ der muste sie der Buhlerey mit einem Knecht fälschlich beschuldigen. Man peinigte ihre Mägde/ die solches theils bestätigten/ um der Marter zu entgehen. Aber eine von ihnen/ die Pythias, sagte dem Tigellino ins Gesicht: Meiner Frauen Weibliches Glied ist reiner/ als dein Maul seyn mag. Poppea war ein hoffärtiges Weib: massen sie ihre Kutsch-Pferde mit güldnen Huf-Schienen beschlagen lassen. Sie genosse aber der Ehre nicht lang/ und bekame bald ihren Lohn/ indem Nero, A. C. 66 als er von der Rennbahn zu Haus kame/ und von ihr hart angefahren wurde/ ihr mit dem Fuß einen Stoß an ihren schwangern Leib versetzet / daß sie davon sterben müssen. Statilia Messalina, die dritte und lezte/ war des Burgermeisters Attici Vestini Ehefrau: die er ihm nicht allein hinweggenommen/ sondern auch ihn am
Tag seiner Hochzeit hinrichten lassen. Er hat mit allen dreyen/ kein lebhaftes Kind gezeuget.
Poppea Sabina.
Satilia Messalina. Er kame/ durch List seiner Mutter/ und durch Bestechung des Leibwacht-Heeres/ zum Regiment/ und konte man wol von ihm sagen/ daß er sich eingedrungen wie ein Fuchs/ geherrschet wie ein Lew/ und wie ein Hund gestorben. In den ersten fünf Jahren/ war er der bäste Fürst von der Welt/ und ward von iederman geliebt: daher das Quinquennium Neronis zum Sprüchwort worden/ und nachmals Kaiser Trajanus von ihm gesagt: Es seyen alle Fürsten von Neronis ersten fünf Regirungs-Jahren weit zuruck geblieben. Und dieses hat er seinen beyden Belehrern/ dem Burrho und Senecae, zu dancken gehabt: welche auch/ als er erstlich seine Mutter allein schalten und walten lassen/ solches abgestellet/ und damit seine Autorität gerettet. Er ware gegen dem Raht ganz ehrerbietig und sagte/ so oft sie ihn beehren wolten: Si meruero, wann ich es verdienen werde. Er minderte nicht allein die Auflagen/ sondern unterhielte auch die Edelste unter den Ratsherren/ da mancher jährlich 10000 Gulden bekommen. Er ware so gelind/ daß er/ als Burrhus sein Großhofmeister ihm eine Malefiz-Sache zu unterschreiben vorgelegt/ nach langem Weigern/ sich vernehmen lassen: Er möchte wünschen/ daß er gar nicht schreiben könte. Man hat aber dafür gehalten/ er habe allein den Schalck also zu verbergen gewust und seine Boßheit hinterstellet; die nach Ausgang der fünf Jahre/ erschrecklich hervorgebrochen/ daeben ein Feigenbaum/ unter welchen vor 830 Jahren die beyde Kinder Romulus und Remus waren hingelegt worden/ verdorret/ doch nachmals wieder neu gesprosset: welches man dahin gedeutet/ daß der Caesar-Stamm im Nero aufhören/ und die Kaiser-Würde auf andere kommen würde.
Seine Regirung.
Quinquennium Neronis. Er erlaubte ihm selber alles/ was ihm einfiele/ unbetrachtet/ ob es recht oder unrecht wäre/ und sagte: Alle Fürsten vor ihme hätten nicht gewust/ was ihnen erlaubt sey. Dann er glaubte/ auf gut Machiavellisch/ daß die/ so die Gesetze geben/ den Gesetzen nicht unterworfen seyen: da doch die/ so über andere regiren/ zuvörderst sich selbst regiren/ und nicht allein Ebenbilder des höchsten HErrn im Himmel / sondern auch für die Untern Tugendvorbilder seyn sollen. Wer sich regiren lässt/ der regirt am bästen. Und in dieser Eigenwilligkeit stärkten ihn seine Hofschmeichler/ die ihme immer in die Ohren raunten: Er habe sich nicht zu fürchten/ und er wisse nicht/ daß er Kaiser sey/ der allen zu gebieten/ und deme niemand einzureden habe.
Seine Verartung und Untugenden. Seine Schwelgerey war so übermacht/ daß er von Mittag bis zur Mitternacht Fraß-Mahl gehalten/ darbey das Huren-geschmeiß aufdienen muste. Einsmals lude er die vornehmste Römer/ samt ihren Weibern/ Töchtern und Mägden/ auch die Hurensäcke zusammen: da er die Weinfässer/ um der Kühle willen/ auf dem Wasser schwimmen gemacht/ und am Abend bey hoher Straffe ausruffen
Schwelgerey.
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679, S. [II (Skulptur), S. 45]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679/63>, abgerufen am 17.07.2024. |