Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679.[Spaltenumbruch] Dieses sahe an ihme sein Praeceptor Theodorus Godarrus, und nennte ihn Lutum sanguine maceratum, einen Blut-gemängten Koht. Kaiser Augustus lernte ihn auch bald kennen/ trachteaber ihn bey den Römern zu entschuldigen/ und sagte: Es seyn Fehlere der Natur und nicht des Gemütes. Sonsten ware er/ sonderlich in seiner Regierung/ bey guter Gesundheit: die er meist durch eignen Fleiß/ und ohne Raht der Aertzte/ erhielte. Im Alter ward er erst recht häßlich/ krumm und hagericht/ kahl/ und im Gesicht voll Geschwere/ die er mit Pflastern beleget. Also war bey ihm wol wahr/ daß in einem garstigen Leib keine schöne Seele zu wohnen pflege. Sonsten war er beyder Sprachen wol kündig/ auch beredsam/ massen er schon im neundten Jahr seinem Vatter offentlich parentirt: er war aber doch unannemlich/ wegen seines wilden Gesichtes und übler Gebärdung. Er machte auch Verse/ und hatte Lust an den alten Fabeln. Seine zwo Gemahlinnen. Er hatte zwey Gemahlinnen nacheinander. Mit Agrippina, der ersten/ M. Agrippae Tochter und des belobten Pomponii Attici Enkelin/ lebte er auf das liebreichste/ und zeugte mit ihr einen Sohn/ Drusum Tiberium. Darnach muste er diese wider seinem Willen fahren lassen/ und Kais. Augusti Tochter Juliam heuraten: deren er nicht hold seyn konte/ weil er ihre Upippigkeit erkennet/ indem sie im vorigen Ehstand seiner zur Buhlery begehret. Wie er dann/ als Agrippina ihm einsmals auf der Strasse begegnet/ ihr sehnligst nachgesehen: und muste man sie fortan bewahren/ daß sie nicht mehr vor sein Gesicht gekommen. Er lebte zwar anfangs gut mit der Julia: aber machmals haben sie sich so sehr entzweyet/ daß sie nicht mehr beysammen geschlaffen. Seine Söhne. Er zeugte/ mit jeder/ einen Sohn. Der älteste Titius Drusus, von der Agrippina, folgte ihm nach in der Wüterey und Trincksucht/ und soll er/ durch solche Unmässigkeiit/ sein Leben verkürtzt haben: wiewol andere dafür gehalten/ Sejanus habe ihm mit Gift vergeben. Der andere Sohn / von der Julio, ist jung verstorben. Er muste Sein Wahl Sohn Germanicus. aber auch auf Befehl Kais. Augusti den Germanicum, seines Bruders Drusi Sohn/ adoptiren oder zum Sohn annehmen/ damit er des Kaisers Enckel würde: der auf alle Weise trachtete/ das Reich bey diesem seinem Stammen zu erhalten/ wiewol es ihme nicht gelingen wollen. Seine Verrichtungen vor dem Kaisertum. Nachdem Tiberius zu Jahren erwachsen/ bewarbe er sich um Ehren-Aemter darzu er auch durch seinen Stiefvatter leichtlich gelanget. Er ware auch Anwalt/ in grossen Sachen: massen er für etliche Städte in Asien/ die durch Erdbeben verderbt worden und Hülffe begehrten/ vor dem Röm. Senat gar beweglich geredet. Er liesse von Kais. Augusto sich zu Krieg senden: da er/ wider die Cantabrer, als Obrister/ sich wol verhalten. Darnach führte er das Römerheer in Armenien/ sezte Tigranem wieder zum König ein/ und ihme die Kron auf: welcher/ die dem Crasso vordessen [Spaltenumbruch] abgenommene Röm. Adlerfahnen/ zurück gabe Wiederum stillte er die Unruhe in Gallien/ und führte den Krieg in Rhätien/ Bannonia und Germania: da er die Triumf-Würde und Zierde verdienet/ und den 10 Maij A. C. 14 in Rom siegprachtend eingezogen. Kais. Augustus hatte ihn/ auf der Livia mütterlichen Antrieb/ nachdem seine beyde Enkel/ des Agrippa Söhne/ Cajus und Lucius, innerhalb Sein Reichs Antritt. anderthalb Jahren gestorben/ vor 10 Jahren adoptirt und zum Thron Erben erkläret. Wie nun der zu Nola gestorben/ beruffte ihn seine Mutter/ vom Heerzug nach Illirico, zurücke: da er/ nachdem Kais. Augusti Leztwille im Senat abgelesen worden/ sich gestellet/ als wann ihm vor der Kaiser-Würde eckelte/ die er eine unerträgliche Bürde genennet/ um zu vernehmen/ wie ein jeder hierauf sich herauslassen würde. Er wolte sich auch lang nicht damit belegen lassen/ und liesse sich von etlichen gar fußfällig bitten. Endlich/ als gleichsam hierzu gezwungen/ nahme er diese Höchstwürde auf sich/ sagend/ wie daß er sich unter das Joch einer schweren Dienstbarkeit gäbe: Bedingte auch/ daß ihme frey stehen müste/ das Reich einmal wieder zu übergeben/ und ein ruhiges Alter zu haben. Seine Verhältnis Tugenden. Er war anfangs ein guter Regent: aber es ergienge mit ihm/ wie mit dem Land Egypten/ da zwar heilsame Artzney-Kräuter/ aber auch starcke Giffte/ wachsen. Er erzeigte dem Raht soviel Demut. Ehrerbietung und Demut/ daß es schiene/ als ob Rom noch im Frey-Staat schwebte. Es war nichts weder grosses noch kleines/ davon er nicht ihr bedencken begehrte. Einem/ der ihn Herr (Dominum) genennt/ ließe er sagen: Er würde ihn öffter also nennen/ wann er ihn schelten wolte. Als auch ihrer viele/ ihme auf alle Weise zu schmeichlen/ sich befliessen/ nahme er solches so übel auf/ daß er/ wann er aus dem Raht gienge/ bey sich selbst sagte: O Leute/ die sich bereiten/ Knechte zu seyn. Genüglichkeit. Er ware auch den Römern ein Fürbild der Genüglichkeit/ indem er oftmals von gestrigen überbliebenen Speisen asse/ und den Vorstehern der Provinzen zuschriebe den bekandten herrlichen Fürsten-Spruch: Ein guter Hirt/ pflege die Schafe allein zu bescheren/ aber nicht zu schinden. Wann er auch einem etwas schenkte/ so muste es ihm sobald in seiner Gegenwart bezahlt werden/ welches er darum thäte/ weil er erfahren/ daß Kaiser Augusti Schenckungen oftmals/ wie noch heut geschihet/ durch die eigennutzige Zahl- und Cammermeistere beschnitten worden. Klugheit. Seine Prudenz erscheinet daraus/ daß Kaiser Augustus von ihm gesagt: er hinterlasse den Römern diesen seinen Nachfolger/ der niemals von einer Sache zweymal ratschlage. Als man ihm einst vorrückte/ Er pflege die Aemter auf ewig auszugeben/ gabe er zur Antwort: Volle Mucken und Zecken höreten auf Blut zu saugen/ wann sie voll wären/ welches die immer-neue nicht thäten. [Spaltenumbruch] Dieses sahe an ihme sein Praeceptor Theodorus Godarrus, und nennte ihn Lutum sanguine maceratum, einen Blut-gemängten Koht. Kaiser Augustus lernte ihn auch bald kennen/ trachteaber ihn bey den Römern zu entschuldigen/ und sagte: Es seyn Fehlere der Natur und nicht des Gemütes. Sonsten ware er/ sonderlich in seiner Regierung/ bey guter Gesundheit: die er meist durch eignen Fleiß/ und ohne Raht der Aertzte/ erhielte. Im Alter ward er erst recht häßlich/ krumm und hagericht/ kahl/ und im Gesicht voll Geschwere/ die er mit Pflastern beleget. 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Er lebte zwar anfangs gut mit der Julia: aber machmals haben sie sich so sehr entzweyet/ daß sie nicht mehr beysammen geschlaffen. Seine Söhne. Er zeugte/ mit jeder/ einen Sohn. Der älteste Titius Drusus, von der Agrippina, folgte ihm nach in der Wüterey und Trincksucht/ und soll er/ durch solche Unmässigkeiit/ sein Leben verkürtzt haben: wiewol andere dafür gehalten/ Sejanus habe ihm mit Gift vergeben. Der andere Sohn / von der Julio, ist jung verstorben. Er muste Sein Wahl Sohn Germanicus. aber auch auf Befehl Kais. Augusti den Germanicum, seines Bruders Drusi Sohn/ adoptiren oder zum Sohn annehmen/ damit er des Kaisers Enckel würde: der auf alle Weise trachtete/ das Reich bey diesem seinem Stammen zu erhalten/ wiewol es ihme nicht gelingen wollen. Seine Verrichtungen vor dem Kaisertum. Nachdem Tiberius zu Jahren erwachsen/ bewarbe er sich um Ehren-Aemter darzu er auch durch seinen Stiefvatter leichtlich gelanget. 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Wie nun der zu Nola gestorben/ beruffte ihn seine Mutter/ vom Heerzug nach Illirico, zurücke: da er/ nachdem Kais. Augusti Leztwille im Senat abgelesen worden/ sich gestellet/ als wann ihm vor der Kaiser-Würde eckelte/ die er eine unerträgliche Bürde genennet/ um zu vernehmen/ wie ein jeder hierauf sich herauslassen würde. Er wolte sich auch lang nicht damit belegen lassen/ und liesse sich von etlichen gar fußfällig bitten. Endlich/ als gleichsam hierzu gezwungen/ nahme er diese Höchstwürde auf sich/ sagend/ wie daß er sich unter das Joch einer schweren Dienstbarkeit gäbe: Bedingte auch/ daß ihme frey stehen müste/ das Reich einmal wieder zu übergeben/ und ein ruhiges Alter zu haben. Seine Verhältnis Tugenden. Er war anfangs ein guter Regent: aber es ergienge mit ihm/ wie mit dem Land Egypten/ da zwar heilsame Artzney-Kräuter/ aber auch starcke Giffte/ wachsen. Er erzeigte dem Raht soviel Demut. Ehrerbietung und Demut/ daß es schiene/ als ob Rom noch im Frey-Staat schwebte. 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Dieses sahe an ihme sein Praeceptor Theodorus Godarrus, und nennte ihn Lutum sanguine maceratum, einen Blut-gemängten Koht. Kaiser Augustus lernte ihn auch bald kennen/ trachteaber ihn bey den Römern zu entschuldigen/ und sagte: Es seyn Fehlere der Natur und nicht des Gemütes. Sonsten ware er/ sonderlich in seiner Regierung/ bey guter Gesundheit: die er meist durch eignen Fleiß/ und ohne Raht der Aertzte/ erhielte. Im Alter ward er erst recht häßlich/ krumm und hagericht/ kahl/ und im Gesicht voll Geschwere/ die er mit Pflastern beleget. Also war bey ihm wol wahr/ daß in einem garstigen Leib keine schöne Seele zu wohnen pflege. Sonsten war er beyder Sprachen wol kündig/ auch beredsam/ massen er schon im neundten Jahr seinem Vatter offentlich parentirt: er war aber doch unannemlich/ wegen seines wilden Gesichtes und übler Gebärdung. Er machte auch Verse/ und hatte Lust an den alten Fabeln.
Er hatte zwey Gemahlinnen nacheinander. Mit Agrippina, der ersten/ M. Agrippae Tochter und des belobten Pomponii Attici Enkelin/ lebte er auf das liebreichste/ und zeugte mit ihr einen Sohn/ Drusum Tiberium. Darnach muste er diese wider seinem Willen fahren lassen/ und Kais. Augusti Tochter Juliam heuraten: deren er nicht hold seyn konte/ weil er ihre Upippigkeit erkennet/ indem sie im vorigen Ehstand seiner zur Buhlery begehret. Wie er dann/ als Agrippina ihm einsmals auf der Strasse begegnet/ ihr sehnligst nachgesehen: und muste man sie fortan bewahren/ daß sie nicht mehr vor sein Gesicht gekommen. Er lebte zwar anfangs gut mit der Julia: aber machmals haben sie sich so sehr entzweyet/ daß sie nicht mehr beysammen geschlaffen.
Seine zwo Gemahlinnen. Er zeugte/ mit jeder/ einen Sohn. Der älteste Titius Drusus, von der Agrippina, folgte ihm nach in der Wüterey und Trincksucht/ und soll er/ durch solche Unmässigkeiit/ sein Leben verkürtzt haben: wiewol andere dafür gehalten/ Sejanus habe ihm mit Gift vergeben. Der andere Sohn / von der Julio, ist jung verstorben. Er muste aber auch auf Befehl Kais. Augusti den Germanicum, seines Bruders Drusi Sohn/ adoptiren oder zum Sohn annehmen/ damit er des Kaisers Enckel würde: der auf alle Weise trachtete/ das Reich bey diesem seinem Stammen zu erhalten/ wiewol es ihme nicht gelingen wollen.
Seine Söhne.
Sein Wahl Sohn Germanicus. Nachdem Tiberius zu Jahren erwachsen/ bewarbe er sich um Ehren-Aemter darzu er auch durch seinen Stiefvatter leichtlich gelanget. Er ware auch Anwalt/ in grossen Sachen: massen er für etliche Städte in Asien/ die durch Erdbeben verderbt worden und Hülffe begehrten/ vor dem Röm. Senat gar beweglich geredet. Er liesse von Kais. Augusto sich zu Krieg senden: da er/ wider die Cantabrer, als Obrister/ sich wol verhalten. Darnach führte er das Römerheer in Armenien/ sezte Tigranem wieder zum König ein/ und ihme die Kron auf: welcher/ die dem Crasso vordessen
abgenommene Röm. Adlerfahnen/ zurück gabe Wiederum stillte er die Unruhe in Gallien/ und führte den Krieg in Rhätien/ Bannonia und Germania: da er die Triumf-Würde und Zierde verdienet/ und den 10 Maij A. C. 14 in Rom siegprachtend eingezogen.
Seine Verrichtungen vor dem Kaisertum.Kais. Augustus hatte ihn/ auf der Livia mütterlichen Antrieb/ nachdem seine beyde Enkel/ des Agrippa Söhne/ Cajus und Lucius, innerhalb anderthalb Jahren gestorben/ vor 10 Jahren adoptirt und zum Thron Erben erkläret. Wie nun der zu Nola gestorben/ beruffte ihn seine Mutter/ vom Heerzug nach Illirico, zurücke: da er/ nachdem Kais. Augusti Leztwille im Senat abgelesen worden/ sich gestellet/ als wann ihm vor der Kaiser-Würde eckelte/ die er eine unerträgliche Bürde genennet/ um zu vernehmen/ wie ein jeder hierauf sich herauslassen würde. Er wolte sich auch lang nicht damit belegen lassen/ und liesse sich von etlichen gar fußfällig bitten. Endlich/ als gleichsam hierzu gezwungen/ nahme er diese Höchstwürde auf sich/ sagend/ wie daß er sich unter das Joch einer schweren Dienstbarkeit gäbe: Bedingte auch/ daß ihme frey stehen müste/ das Reich einmal wieder zu übergeben/ und ein ruhiges Alter zu haben.
Sein Reichs Antritt. Er war anfangs ein guter Regent: aber es ergienge mit ihm/ wie mit dem Land Egypten/ da zwar heilsame Artzney-Kräuter/ aber auch starcke Giffte/ wachsen. Er erzeigte dem Raht soviel Ehrerbietung und Demut/ daß es schiene/ als ob Rom noch im Frey-Staat schwebte. Es war nichts weder grosses noch kleines/ davon er nicht ihr bedencken begehrte. Einem/ der ihn Herr (Dominum) genennt/ ließe er sagen: Er würde ihn öffter also nennen/ wann er ihn schelten wolte. Als auch ihrer viele/ ihme auf alle Weise zu schmeichlen/ sich befliessen/ nahme er solches so übel auf/ daß er/ wann er aus dem Raht gienge/ bey sich selbst sagte: O Leute/ die sich bereiten/ Knechte zu seyn.
Seine Verhältnis Tugenden.
Demut. Er ware auch den Römern ein Fürbild der Genüglichkeit/ indem er oftmals von gestrigen überbliebenen Speisen asse/ und den Vorstehern der Provinzen zuschriebe den bekandten herrlichen Fürsten-Spruch: Ein guter Hirt/ pflege die Schafe allein zu bescheren/ aber nicht zu schinden. Wann er auch einem etwas schenkte/ so muste es ihm sobald in seiner Gegenwart bezahlt werden/ welches er darum thäte/ weil er erfahren/ daß Kaiser Augusti Schenckungen oftmals/ wie noch heut geschihet/ durch die eigennutzige Zahl- und Cammermeistere beschnitten worden.
Genüglichkeit. Seine Prudenz erscheinet daraus/ daß Kaiser Augustus von ihm gesagt: er hinterlasse den Römern diesen seinen Nachfolger/ der niemals von einer Sache zweymal ratschlage. Als man ihm einst vorrückte/ Er pflege die Aemter auf ewig auszugeben/ gabe er zur Antwort: Volle Mucken und Zecken höreten auf Blut zu saugen/ wann sie voll wären/ welches die immer-neue nicht thäten.
Klugheit.
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 2,2. Nürnberg, 1679, S. [II (Skulptur), S. 33]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0202_1679/45>, abgerufen am 25.07.2024. |