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Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675.

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[Spaltenumbruch] würden/ wofern Raphaels Name nicht darunter stünde.

Indem nun Raphael je länger je höher in der Kunst stiege/ und seine Werke des Lehrmeisters seinen vorgezogen wurden/ nahm ihn sein vertrauter Freund Bernardino Pinturicchio mit nach Siena, damit er daselbst ihm ein und andere angedingte Arbeit zeichnen möchte. Inzwischen hörte er/ daß Leonardo da Vinae zu Florenz einen sehr künstlichen Carton, mit vielen Pferden/ und diesen zu trotz einen andern Michael Angelo gemacht hätte/ solche zu sehen/ reiste er dahin/ und da ihm/ neben dieser Arbeit/ die schöne Stadt sehr wol gefiele/ blieb er zimlich lang daselbst/ und bekame einen Anhang von vielen jungen Mahlern/ die ihn und seine Kunst hoch ehrten. Unter andern Kunstliebenden/ nahme sich seiner Taddeo Taddei fleißig an/ und pflegte mit ihme sehr vertrauliche Freundschaft: Solches thate auch Lorenzo Nasi, dem Mahlet zu Florenz ein Marien-Bild. er ein Marienbild/ mit dem Kindlein auf dem Schoß gemahlt/ wie ihme der junge S. Gioann sehr freudig ein Vögelein gibt/ alles so wol colorirt/ daß man am Marien-Bild eine demütigfreundliche Majestät/ an den Kindern eine recht kindische Einfalt/ an allen fast natürliches Fleisch siehet/ über die dabey gebildte Landschaft aber sich wol verwundern kan.

Nachdem ihm Vatter und Mutter gestorben/ kam er nach Urbino, seine Sachen in Richtigkeit zu bringen/ und mahlte für den Herzog zwey kleine Marien-Bilder sehr künstlich/ wie auch den HErrn Christum/ mit den dreyen Aposteln im Garten/ so fleißig und sorgfältig/ daß keine miniatur-Arbeit curioser kan verfärtiget werden: Von dannen zog er wieder nach Perugia, machte daselbst/ unter andern/ etliche Gesichter heiliger Jungfrauen/ mit sehr artlichen Haupt-Zierrahten/ und grosser Holdseligkeit/ worinnen er erwiese/ daß er zu Florenz guter Meistere Sachen gesehen hätte: Noch Ein geistliches Stuck. mahlte er ein Marien-Bild/ und wie das Christkindlein/ das von S. Elisabeth ihm zugeführte Knäblein S. Gioann freundlich empfängt: Joseph lehnet mit beyden Händen auf einem Stab/ und siehet/ neben den andern/ sein Haupt biegend/ mit Verwunderung an/ wie diese zween Vettere/ in so zarter Jugend/ einander mit solchem Verstand und Ehrerbietung begegneten: Alle Pinselstrich scheinen darinn rechtes Fleisch zu seyn/ und verdienet diß Gemähl wol eine sorgfältige Verwahrung:

Nun sahe dieser Künstler/ daß die berühmte Mahlere Leonardo da Vince, und Michael Angelo der Manier des Masaccio nachahmten/ deßhalben zog er nach Florenz/ gedachten Künstlers Sachen bäßer abzusehen/ nahm auch augenscheinlich zu/ und kam unterdeß in vertrauliche Freundschaft mit dem Kunst-Mahler Baccio , bald kehrte er wieder um nach Perugien, und verfärtigte eine Capell zu S. Francisco , für den Attalanta Baglioni, zu welcher Arbeit er/ für seiner Reise nach Florenz/ die Zeichnung gemacht: Es Die Begräbnis Christi. ware die Begräbnis Christi/ in fresco so wol gebildet/ daß man meinen solte/ es wäre ganz frisch gemahlet/ dabey ist zu sehen die Traurigkeit der [Spaltenumbruch] Freunde/ die sie theils mit Weinen/ theils mit Zusammenschlagung der Hände entdecken; die wehklagende Mutter und reine Jungfer Maria singt in Unmacht/ alle sehen untersich/ und ist der große Fleiß/ an die Gesichter/ Gewände und das ganze Stuck gewendet/ nicht gnugsam zu beschreiben.

Hierauf wurde Raphael von seinem Landsmann und Anverwandten Bramante, Papsts Julii II. Baumeister/ nach Rom beruffen/ daselbst unterschiedliche neue Zimmer zu mahlen/ deme zu folg zoge Raphael dahin/ wurde vom Papst freundlich empfangen/ weil er aber merkte/ daß ein Probstück zu machen würde nöhtig seyn/ weil er unterschiedliche Mahler daselbst fande/ die allbereit etliche Seine Werke zu Rom/ die Vereinigung der Theologia und Philosophia. Zimmer verfärtiget/ fieng er eine schöne Historie an in der Siegel-Cammer/ wie nämlich die Theologia mit der Philosophie, Astrologie und Poesie vereiniget wird; Darinn sind zu sehen die fürnehmste Heidnische Philosophi Aristoteles, Plato und andere mehr/ jeder mit einem Buch gebildet/ und von einem Hauffen Lehrlinge umgeben/ Diogenes ligt/ mit seiner hölzernen Trinkschüssel/ auf der Stiege/ dessen Bildnis mehr wegen darinn angewandten Fleißes/ als wegen des fantastischen originals zu beobachten. Auf einer Seiten machen etliche Astrologi mit sehr seltsammer Handthierung des Zirkels allerhand charactern auf Tafeln/ dieselbe/ durch schöne Engel/ den vier Evangelisten auszulegen sendende: Unter diesen ist ein sehr schöner Jüngling/ Herzogs Fridrichs von Mantua Contrafät vorstellend/ welcher mit niedergebogenen Haupt und Verwunderung die Arme öfnet: Ferner eine andere sich buckende Person/ mit einem Zirkel in Händen/ damit auf eine Tafel reissend/ welches des Bramante Contrafät seyn solle; neben ihm stehet Zoroastro mit der Himmels-Kugel in Händen von hinten zu sehen/ und dabey Raphael selbst mit einem sehr freundlichen Gesicht: Noch ist in diesem Stuck ein nach der Perspectiv-Kunst zierlich mit vielen Bildern gemahltes Gebäu/ alles mit treflicher invention und gar guter Ordonanze der Historien/ so daß der Künstler alsobald mit dieser Prob erwiese/ daß er es allen übrigen Meistern vorthun würde/ dannenhero der Papst Julius II. alles herunter reissen ließ/ was andere in übrigen Zimmern gemahlt/ es mochte alt oder neu seyn/ und dingte es/ von neuem zu machen/ unserm Raphael an/ welcher selbst allein der Compartementen und Grotteschen des Antonio von Vercelli verschonte/ und selbige in sein Werk fügte. Die vier Ronde gedachten Die Erkantnis aller Sachen. Zimmers bemahlte er solcher Gestalt: In den ersten setzte er als eine Frau/ in einem Sessel/ die Erkantnis oder Urtheilung über alle Dinge/ auf der Seiten die Göttin Cybele, mit ihren Brüsten/ auf die Manier/ wie bey den Alten die Diane Polymaste gebildet. Ihre Kleidung ist vierfärbig/ die vier Elementen ausbildend/ oberhalb des Gürtels roht/ das Feuer/ unterhalb desselben blau/ die Luft/ über den Knien grün/ die Erde/ an den Füßen liechtblau/ das Wasser bedeutend/ neben herum stehen unterschiedliche schöne Kinder. In den andern Die Poesie. Rond/ machte er für die Poesie die Polyhymnia, mit Lorbeer-Blättern gekrönet/ und in

[Spaltenumbruch] würden/ wofern Raphaels Name nicht darunter stünde.

Indem nun Raphael je länger je höher in der Kunst stiege/ und seine Werke des Lehrmeisters seinen vorgezogen wurden/ nahm ihn sein vertrauter Freund Bernardino Pinturicchio mit nach Siena, damit er daselbst ihm ein und andere angedingte Arbeit zeichnen möchte. Inzwischen hörte er/ daß Leonardo da Vinae zu Florenz einen sehr künstlichen Carton, mit vielen Pferden/ und diesen zu trotz einen andern Michael Angelo gemacht hätte/ solche zu sehen/ reiste er dahin/ und da ihm/ neben dieser Arbeit/ die schöne Stadt sehr wol gefiele/ blieb er zimlich lang daselbst/ und bekame einen Anhang von vielen jungen Mahlern/ die ihn und seine Kunst hoch ehrten. Unter andern Kunstliebenden/ nahme sich seiner Taddeo Taddei fleißig an/ und pflegte mit ihme sehr vertrauliche Freundschaft: Solches thate auch Lorenzo Nasi, dem Mahlet zu Florenz ein Marien-Bild. er ein Marienbild/ mit dem Kindlein auf dem Schoß gemahlt/ wie ihme der junge S. Gioann sehr freudig ein Vögelein gibt/ alles so wol colorirt/ daß man am Marien-Bild eine demütigfreundliche Majestät/ an den Kindern eine recht kindische Einfalt/ an allen fast natürliches Fleisch siehet/ über die dabey gebildte Landschaft aber sich wol verwundern kan.

Nachdem ihm Vatter und Mutter gestorben/ kam er nach Urbino, seine Sachen in Richtigkeit zu bringen/ und mahlte für den Herzog zwey kleine Marien-Bilder sehr künstlich/ wie auch den HErrn Christum/ mit den dreyen Aposteln im Garten/ so fleißig und sorgfältig/ daß keine miniatur-Arbeit curioser kan verfärtiget werden: Von dannen zog er wieder nach Perugia, machte daselbst/ unter andern/ etliche Gesichter heiliger Jungfrauen/ mit sehr artlichen Haupt-Zierrahten/ und grosser Holdseligkeit/ worinnen er erwiese/ daß er zu Florenz guter Meistere Sachen gesehen hätte: Noch Ein geistliches Stuck. mahlte er ein Marien-Bild/ und wie das Christkindlein/ das von S. Elisabeth ihm zugeführte Knäblein S. Gioann freundlich empfängt: Joseph lehnet mit beyden Händen auf einem Stab/ und siehet/ neben den andern/ sein Haupt biegend/ mit Verwunderung an/ wie diese zween Vettere/ in so zarter Jugend/ einander mit solchem Verstand und Ehrerbietung begegneten: Alle Pinselstrich scheinen darinn rechtes Fleisch zu seyn/ und verdienet diß Gemähl wol eine sorgfältige Verwahrung:

Nun sahe dieser Künstler/ daß die berühmte Mahlere Leonardo da Vince, und Michaël Angelo der Manier des Masaccio nachahmten/ deßhalben zog er nach Florenz/ gedachten Künstlers Sachen bäßer abzusehen/ nahm auch augenscheinlich zu/ und kam unterdeß in vertrauliche Freundschaft mit dem Kunst-Mahler Baccio , bald kehrte er wieder um nach Perugien, und verfärtigte eine Capell zu S. Francisco , für den Attalanta Baglioni, zu welcher Arbeit er/ für seiner Reise nach Florenz/ die Zeichnung gemacht: Es Die Begräbnis Christi. ware die Begräbnis Christi/ in fresco so wol gebildet/ daß man meinen solte/ es wäre ganz frisch gemahlet/ dabey ist zu sehen die Traurigkeit der [Spaltenumbruch] Freunde/ die sie theils mit Weinen/ theils mit Zusammenschlagung der Hände entdecken; die wehklagende Mutter und reine Jungfer Maria singt in Unmacht/ alle sehen untersich/ und ist der große Fleiß/ an die Gesichter/ Gewände und das ganze Stuck gewendet/ nicht gnugsam zu beschreiben.

Hierauf wurde Raphael von seinem Landsmann und Anverwandten Bramante, Papsts Julii II. Baumeister/ nach Rom beruffen/ daselbst unterschiedliche neue Zimmer zu mahlen/ deme zu folg zoge Raphael dahin/ wurde vom Papst freundlich empfangen/ weil er aber merkte/ daß ein Probstück zu machen würde nöhtig seyn/ weil er unterschiedliche Mahler daselbst fande/ die allbereit etliche Seine Werke zu Rom/ die Vereinigung der Theologia und Philosophia. Zimmer verfärtiget/ fieng er eine schöne Historie an in der Siegel-Cammer/ wie nämlich die Theologia mit der Philosophie, Astrologie und Poësie vereiniget wird; Darinn sind zu sehen die fürnehmste Heidnische Philosophi Aristoteles, Plato und andere mehr/ jeder mit einem Buch gebildet/ und von einem Hauffen Lehrlinge umgeben/ Diogenes ligt/ mit seiner hölzernen Trinkschüssel/ auf der Stiege/ dessen Bildnis mehr wegen darinn angewandten Fleißes/ als wegen des fantastischen originals zu beobachten. Auf einer Seiten machen etliche Astrologi mit sehr seltsammer Handthierung des Zirkels allerhand charactern auf Tafeln/ dieselbe/ durch schöne Engel/ den vier Evangelisten auszulegen sendende: Unter diesen ist ein sehr schöner Jüngling/ Herzogs Fridrichs von Mantua Contrafät vorstellend/ welcher mit niedergebogenen Haupt und Verwunderung die Arme öfnet: Ferner eine andere sich buckende Person/ mit einem Zirkel in Händen/ damit auf eine Tafel reissend/ welches des Bramante Contrafät seyn solle; neben ihm stehet Zoroastro mit der Himmels-Kugel in Händen von hinten zu sehen/ und dabey Raphael selbst mit einem sehr freundlichen Gesicht: Noch ist in diesem Stuck ein nach der Perspectiv-Kunst zierlich mit vielen Bildern gemahltes Gebäu/ alles mit treflicher invention und gar guter Ordonanze der Historien/ so daß der Künstler alsobald mit dieser Prob erwiese/ daß er es allen übrigen Meistern vorthun würde/ dannenhero der Papst Julius II. alles herunter reissen ließ/ was andere in übrigen Zimmern gemahlt/ es mochte alt oder neu seyn/ und dingte es/ von neuem zu machen/ unserm Raphael an/ welcher selbst allein der Compartementen und Grotteschen des Antonio von Vercelli verschonte/ und selbige in sein Werk fügte. Die vier Ronde gedachten Die Erkantnis aller Sachen. Zimmers bemahlte er solcher Gestalt: In den ersten setzte er als eine Frau/ in einem Sessel/ die Erkantnis oder Urtheilung über alle Dinge/ auf der Seiten die Göttin Cybele, mit ihren Brüsten/ auf die Manier/ wie bey den Alten die Diane Polymaste gebildet. Ihre Kleidung ist vierfärbig/ die vier Elementen ausbildend/ oberhalb des Gürtels roht/ das Feuer/ unterhalb desselben blau/ die Luft/ über den Knien grün/ die Erde/ an den Füßen liechtblau/ das Wasser bedeutend/ neben herum stehen unterschiedliche schöne Kinder. In den andern Die Poësie. Rond/ machte er für die Poësie die Polyhymnia, mit Lorbeer-Blättern gekrönet/ und in

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Auf einer Seiten machen etliche <hi rendition="#aq">Astrologi</hi> mit sehr seltsammer Handthierung des Zirkels allerhand <hi rendition="#aq">charactern</hi> auf Tafeln/ dieselbe/ durch schöne Engel/ den vier Evangelisten auszulegen sendende: Unter diesen ist ein sehr schöner Jüngling/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1381 http://d-nb.info/gnd/119228130 http://viaf.org/viaf/59186552">Herzogs Fridrichs von <hi rendition="#aq">Mantua</hi></persName> <hi rendition="#aq">Contraf</hi>ät vorstellend/ welcher mit niedergebogenen Haupt und Verwunderung die Arme öfnet: Ferner eine andere sich buckende Person/ mit einem Zirkel in Händen/ damit auf eine Tafel reissend/ welches des <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-351 http://d-nb.info/gnd/11851427X http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500019098 http://viaf.org/viaf/79161779">Bramante</persName> Contraf</hi>ät seyn solle; neben ihm stehet <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1384 http://d-nb.info/gnd/12864155X http://viaf.org/viaf/42894956">Zoroastro</persName></hi> mit der Himmels-Kugel in Händen von hinten zu sehen/ und dabey <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-446 http://d-nb.info/gnd/118597787 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500023578 http://viaf.org/viaf/64055977">Raphael</persName></hi> selbst mit einem sehr freundlichen Gesicht: Noch ist in diesem Stuck ein nach der <hi rendition="#aq">Perspectiv</hi>-Kunst zierlich mit vielen Bildern gemahltes Gebäu/ alles mit treflicher <hi rendition="#aq">invention</hi> und gar guter <hi rendition="#aq">Ordonanze</hi> der Historien/ so daß der Künstler alsobald mit dieser Prob erwiese/ daß er es allen übrigen Meistern vorthun würde/ dannenhero der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-352 http://d-nb.info/gnd/118714090 http://viaf.org/viaf/51697938">Papst <hi rendition="#aq"><choice><sic>Julius III.</sic><corr>Julius II.</corr></choice></hi></persName> alles herunter reissen ließ/ was andere in übrigen Zimmern gemahlt/ es mochte alt oder neu seyn/ und dingte es/ von neuem zu machen/ unserm <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-446 http://d-nb.info/gnd/118597787 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500023578 http://viaf.org/viaf/64055977">Raphael</persName></hi> an/ welcher selbst allein der <hi rendition="#aq">Compartementen</hi> und <hi rendition="#aq">Grotte</hi>schen des <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1408 http://d-nb.info/gnd/118797859 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500015183 http://viaf.org/viaf/76586951"><hi rendition="#aq">Antonio</hi> von <hi rendition="#aq">Vercelli</hi></persName> verschonte/ und selbige in sein Werk fügte. Die vier Ronde gedachten <note place="right">Die Erkantnis aller Sachen.</note> Zimmers bemahlte er solcher Gestalt: In den ersten setzte er als eine Frau/ in einem Sessel/ die Erkantnis oder Urtheilung über alle Dinge/ auf der Seiten die Göttin <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-492 http://d-nb.info/gnd/118640283 http://viaf.org/viaf/10639267">Cybele</persName>,</hi> mit ihren Brüsten/ auf die Manier/ wie bey den Alten die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1409">Diane Polymaste</persName></hi> gebildet. Ihre Kleidung ist vierfärbig/ die vier Elementen ausbildend/ oberhalb des Gürtels roht/ das Feuer/ unterhalb desselben blau/ die Luft/ über den Knien grün/ die Erde/ an den Füßen liechtblau/ das Wasser bedeutend/ neben herum stehen unterschiedliche schöne Kinder. 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[[II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 93]/0121] würden/ wofern Raphaels Name nicht darunter stünde. Indem nun Raphael je länger je höher in der Kunst stiege/ und seine Werke des Lehrmeisters seinen vorgezogen wurden/ nahm ihn sein vertrauter Freund Bernardino Pinturicchio mit nach Siena, damit er daselbst ihm ein und andere angedingte Arbeit zeichnen möchte. Inzwischen hörte er/ daß Leonardo da Vinae zu Florenz einen sehr künstlichen Carton, mit vielen Pferden/ und diesen zu trotz einen andern Michael Angelo gemacht hätte/ solche zu sehen/ reiste er dahin/ und da ihm/ neben dieser Arbeit/ die schöne Stadt sehr wol gefiele/ blieb er zimlich lang daselbst/ und bekame einen Anhang von vielen jungen Mahlern/ die ihn und seine Kunst hoch ehrten. Unter andern Kunstliebenden/ nahme sich seiner Taddeo Taddei fleißig an/ und pflegte mit ihme sehr vertrauliche Freundschaft: Solches thate auch Lorenzo Nasi, dem er ein Marienbild/ mit dem Kindlein auf dem Schoß gemahlt/ wie ihme der junge S. Gioann sehr freudig ein Vögelein gibt/ alles so wol colorirt/ daß man am Marien-Bild eine demütigfreundliche Majestät/ an den Kindern eine recht kindische Einfalt/ an allen fast natürliches Fleisch siehet/ über die dabey gebildte Landschaft aber sich wol verwundern kan. Mahlet zu Florenz ein Marien-Bild. Nachdem ihm Vatter und Mutter gestorben/ kam er nach Urbino, seine Sachen in Richtigkeit zu bringen/ und mahlte für den Herzog zwey kleine Marien-Bilder sehr künstlich/ wie auch den HErrn Christum/ mit den dreyen Aposteln im Garten/ so fleißig und sorgfältig/ daß keine miniatur-Arbeit curioser kan verfärtiget werden: Von dannen zog er wieder nach Perugia, machte daselbst/ unter andern/ etliche Gesichter heiliger Jungfrauen/ mit sehr artlichen Haupt-Zierrahten/ und grosser Holdseligkeit/ worinnen er erwiese/ daß er zu Florenz guter Meistere Sachen gesehen hätte: Noch mahlte er ein Marien-Bild/ und wie das Christkindlein/ das von S. Elisabeth ihm zugeführte Knäblein S. Gioann freundlich empfängt: Joseph lehnet mit beyden Händen auf einem Stab/ und siehet/ neben den andern/ sein Haupt biegend/ mit Verwunderung an/ wie diese zween Vettere/ in so zarter Jugend/ einander mit solchem Verstand und Ehrerbietung begegneten: Alle Pinselstrich scheinen darinn rechtes Fleisch zu seyn/ und verdienet diß Gemähl wol eine sorgfältige Verwahrung: Ein geistliches Stuck. Nun sahe dieser Künstler/ daß die berühmte Mahlere Leonardo da Vince, und Michaël Angelo der Manier des Masaccio nachahmten/ deßhalben zog er nach Florenz/ gedachten Künstlers Sachen bäßer abzusehen/ nahm auch augenscheinlich zu/ und kam unterdeß in vertrauliche Freundschaft mit dem Kunst-Mahler Baccio , bald kehrte er wieder um nach Perugien, und verfärtigte eine Capell zu S. Francisco , für den Attalanta Baglioni, zu welcher Arbeit er/ für seiner Reise nach Florenz/ die Zeichnung gemacht: Es ware die Begräbnis Christi/ in fresco so wol gebildet/ daß man meinen solte/ es wäre ganz frisch gemahlet/ dabey ist zu sehen die Traurigkeit der Freunde/ die sie theils mit Weinen/ theils mit Zusammenschlagung der Hände entdecken; die wehklagende Mutter und reine Jungfer Maria singt in Unmacht/ alle sehen untersich/ und ist der große Fleiß/ an die Gesichter/ Gewände und das ganze Stuck gewendet/ nicht gnugsam zu beschreiben. Die Begräbnis Christi. Hierauf wurde Raphael von seinem Landsmann und Anverwandten Bramante, Papsts Julii II. Baumeister/ nach Rom beruffen/ daselbst unterschiedliche neue Zimmer zu mahlen/ deme zu folg zoge Raphael dahin/ wurde vom Papst freundlich empfangen/ weil er aber merkte/ daß ein Probstück zu machen würde nöhtig seyn/ weil er unterschiedliche Mahler daselbst fande/ die allbereit etliche Zimmer verfärtiget/ fieng er eine schöne Historie an in der Siegel-Cammer/ wie nämlich die Theologia mit der Philosophie, Astrologie und Poësie vereiniget wird; Darinn sind zu sehen die fürnehmste Heidnische Philosophi Aristoteles, Plato und andere mehr/ jeder mit einem Buch gebildet/ und von einem Hauffen Lehrlinge umgeben/ Diogenes ligt/ mit seiner hölzernen Trinkschüssel/ auf der Stiege/ dessen Bildnis mehr wegen darinn angewandten Fleißes/ als wegen des fantastischen originals zu beobachten. Auf einer Seiten machen etliche Astrologi mit sehr seltsammer Handthierung des Zirkels allerhand charactern auf Tafeln/ dieselbe/ durch schöne Engel/ den vier Evangelisten auszulegen sendende: Unter diesen ist ein sehr schöner Jüngling/ Herzogs Fridrichs von Mantua Contrafät vorstellend/ welcher mit niedergebogenen Haupt und Verwunderung die Arme öfnet: Ferner eine andere sich buckende Person/ mit einem Zirkel in Händen/ damit auf eine Tafel reissend/ welches des Bramante Contrafät seyn solle; neben ihm stehet Zoroastro mit der Himmels-Kugel in Händen von hinten zu sehen/ und dabey Raphael selbst mit einem sehr freundlichen Gesicht: Noch ist in diesem Stuck ein nach der Perspectiv-Kunst zierlich mit vielen Bildern gemahltes Gebäu/ alles mit treflicher invention und gar guter Ordonanze der Historien/ so daß der Künstler alsobald mit dieser Prob erwiese/ daß er es allen übrigen Meistern vorthun würde/ dannenhero der Papst Julius II. alles herunter reissen ließ/ was andere in übrigen Zimmern gemahlt/ es mochte alt oder neu seyn/ und dingte es/ von neuem zu machen/ unserm Raphael an/ welcher selbst allein der Compartementen und Grotteschen des Antonio von Vercelli verschonte/ und selbige in sein Werk fügte. Die vier Ronde gedachten Zimmers bemahlte er solcher Gestalt: In den ersten setzte er als eine Frau/ in einem Sessel/ die Erkantnis oder Urtheilung über alle Dinge/ auf der Seiten die Göttin Cybele, mit ihren Brüsten/ auf die Manier/ wie bey den Alten die Diane Polymaste gebildet. Ihre Kleidung ist vierfärbig/ die vier Elementen ausbildend/ oberhalb des Gürtels roht/ das Feuer/ unterhalb desselben blau/ die Luft/ über den Knien grün/ die Erde/ an den Füßen liechtblau/ das Wasser bedeutend/ neben herum stehen unterschiedliche schöne Kinder. In den andern Rond/ machte er für die Poësie die Polyhymnia, mit Lorbeer-Blättern gekrönet/ und in Seine Werke zu Rom/ die Vereinigung der Theologia und Philosophia. Die Erkantnis aller Sachen. Die Poësie.

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Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,2. Nürnberg, 1675, S. [II, Buch 2 (italienische Künstler), S. 93]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0102_1675/121>, abgerufen am 24.11.2024.