Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.

Bild:
<< vorherige Seite
Das VII Capitel.
Vom Wohl-Mahlen.

Innhalt.

Die Zeichenkunst und Mahlerey/ vergleichen sich/ wie Leib und Seele; wie die Musik und Poesie. Zweyerley Process im Mahlen: mit freyer Hand/ und nach dem Vor-Riß. Unsrer Teutschen mühsames Sauber-Mahlen: das ist rühmlich/ wann Geist darbey ist/ und die Ferne nichts benimmet. Titians Rauh-Mahlen: dem wird übel nachgeahmet. Gute Mahlerey mus mühsam seyn/ und doch nicht also scheinen. Die Manier sauber zu mahlen/ die bäste. Vom Nähe= und Ferne-Mahlen. Die Schärfe/ ist zu vermeiden. Neue rechte Manier zu mahlen. Vom Wohl-coloriren; mit unterscheidung der Personen. Rienruß und Smalten/ sind böse Farben. Durch Abcopiren und Nachahmen/ gelanget man zur Vollkommenheit. Der Mahler soll/ in seinen Werken/ keinen Fehler dulten/ und nicht seinem/ sondern anderer Urtheil trauen. Wer eine Kunst üben will/ mus sie wissen und können. Er soll/ mehr bey der Natur/ als bey andern/ in die Schule gehen.

[Spaltenumbruch]

Die Zeichenkunst und Mahlerey/ vergleichen sich/ wie Leib und Seele;ES ist/ zwischen der Zeichenkunst und Mahlerey/ eine Vergleichung/ wie zwischen Leib und Seele: weil/ durch die Farben/ die todte Striche der Zeichnung erst recht auferwecket/ rührend und lebendig gemacht werden. Also werden auch diese beyde Künste/ von den Poeten/ der Sing= und Reim-Kunst verglichen: wie die Musik und Poesy weil die Poesy der Musik/ wie das Mahlen der Zeichnung/ die Seele gibet/ und durch die Coloriten das Strichwerk/ ja so schön/ als der Gesang und Kunstklang durch geistige Reimgedichte/ gezieret und gleichsam belebet wird.

Zweyerley Process im Mahlen: mit freyer Hand/ Es gibt wackere Geister/ welche/ als wol experimentirt und erfahren/ ihnen eine Ideam von jeder Sache gleich einbilden/ und dieselbe/ ohne fernere Mittel/ ausmachen können. Solches aber ist nicht eines jeden Thun/ sondern eine absonderliche Gabe von meisterhaftem Verstand: mag auch nur geschehen bey kleinen Werken von wenig Bildern oder stillstehenden Sachen/ daran nicht viel gelegen ist.

und nach dem Vor-Riß.Andere sind/ die mit viel Arbeit und Bemühung sich setzen/ und ihre Meinung/ was sie in Gedanken gefasset/ mit Kreide oder Bleyweiß auf Papier zeichnen/ hernach auf ein mit einer ölichten Farb gegründtes Tuch/ den Umriß/ samt aller Zugehör/ auftragen/ folgends wol betrachten/ und mit todten Farben (welches man Untermahlen nennet) die noch-befindliche Fehler ausbässern/ heissen/ und endlich/ wann es wol trucken/ mit Fleiß übermahlen und ausmachen. Solchen Process halten auch die Italiäner/ sonderlich wann sie nicht in fresco arbeiten: davon ein mehrers in vorhergehenden Unsrer Teutschen mühsames Sauber-Mahlen: Capiteln erwehnet worden. Unsere Teutsche/ haben mit sonderbarer Arbeitsamkeit/ ihre Werke volbracht: wie zu sehen in den Stucken Albrecht Dürers/ Holbeins/ Lucas von Eych/ und anderer/ in welchen/ auch die geringste Haare ganz klar und rein ausgebildt erscheinen; das dann in der Nähe wol zu sehen ist. Diese Sauberkeit ist löblich/ und[Spaltenumbruch] macht sich dem Gesicht je länger je mehr gefällig: das ist rühmlich/ wann Geist dabey ist/ und die Ferne nichts benimmet. zumahl wann gute Manier/ Geist und Dapferkeit dabey/ und wann alles auch in der weite recht zu erkennen ist. Dann wann solche Stucke auf die Ferne nichts verlieren/ mögen sie wol vor sonders ruhmwürdig gehalten werden. Also beflisse sich/ in seiner Jugend und besten Zeit/ der berühmte Titian, alles sauber und also zu mahlen/ daß es sich so wol in Titians Rauh-Mahlen: die weite als nähe/ gefällig sehen ließe. Aber in seinen letzten Zeiten und Jahren/ mahlte er sehr rauh/ mit vielen Farben beschwert: welches in der Nähe nicht/ aber nur von weitem/ sehr wol gestanden. dem wird übel nachgeahmet. Solcher Manier/ haben sich auch andere bedienen und gebrauchen wollen: aber sie verderbten ihre Arbeit/ zu ihrem großen Schaden. Dann sie vermeinten/ daß sein Gemähl ohne viel nachsinnen und Arbeit leicht hinweg geschehe: da er doch die äuserste Kräften des Verstands weit mehr/ als andere urtheilen können/ daran gestrecket. Und diß ist Gute Mahlerey mus mühsam seyn/ und nicht also scheinen. die wahre und beste Manier/ ein vollkommenes Werk zu machen/ wann alles mit großer Mühe vollbracht wird/ und es gleichwol also in die Augen fället/ als ob es ohne Bemühung geschehen wäre: dann solche Stucke sind gemeinlich geistreich/ und lebendig.

Diese beyde Manieren/ habe ich/ der Kunstliebenden Jugend zu gefallen/ also Exempel-weis erzehlen wollen: damit sie ihnen hievon/ nach ihrem Geist und Verlangen/ die angenehmste erwehlen können. Mein Raht aber ist/ daß man sich zu der Die Manier sauber zu mahlen/ die bäste.ersten saubern Manier gewöhne: weil/ mit zuwachsenden Jahren und Alter/ aus Mangel des Gesichts/ die Rauhigkeit ohne das selber sich nach und nach einfindet. Sonsten ist vorhin bewust/ daß Vom Nähe und Ferne-Mahlen. diß/ was klein und in der Nähe ist/ mehr Sauberkeit erfordere: hingegen was weit aus dem Gesicht stehen soll/ etwas rauher/ groß/ mit vielen Farben und mehrerm Geist kan gestaltet werden. Wann die Seiten oder Ecken der Bilder mit scharffen Die Schärfe ist zu vermeiden. Liechtern beschnitten/ stehet es hart und rundet sich nicht: welchen Fehler viele unter den Alten begangen.

Das VII Capitel.
Vom Wohl-Mahlen.

Innhalt.

Die Zeichenkunst und Mahlerey/ vergleichen sich/ wie Leib und Seele; wie die Musik und Poesie. Zweyerley Process im Mahlen: mit freyer Hand/ und nach dem Vor-Riß. Unsrer Teutschen mühsames Sauber-Mahlen: das ist rühmlich/ wann Geist darbey ist/ und die Ferne nichts benimmet. Titians Rauh-Mahlen: dem wird übel nachgeahmet. Gute Mahlerey mus mühsam seyn/ und doch nicht also scheinen. Die Manier sauber zu mahlen/ die bäste. Vom Nähe= und Ferne-Mahlen. Die Schärfe/ ist zu vermeiden. Neue rechte Manier zu mahlen. Vom Wohl-coloriren; mit unterscheidung der Personen. Rienruß und Smalten/ sind böse Farben. Durch Abcopiren und Nachahmen/ gelanget man zur Vollkommenheit. Der Mahler soll/ in seinen Werken/ keinen Fehler dulten/ und nicht seinem/ sondern anderer Urtheil trauen. Wer eine Kunst üben will/ mus sie wissen und können. Er soll/ mehr bey der Natur/ als bey andern/ in die Schule gehen.

[Spaltenumbruch]

Die Zeichenkunst und Mahlerey/ vergleichen sich/ wie Leib und Seele;ES ist/ zwischen der Zeichenkunst und Mahlerey/ eine Vergleichung/ wie zwischen Leib und Seele: weil/ durch die Farben/ die todte Striche der Zeichnung erst recht auferwecket/ rührend und lebendig gemacht werden. Also werden auch diese beyde Künste/ von den Poeten/ der Sing= und Reim-Kunst verglichen: wie die Musik und Poesy weil die Poesy der Musik/ wie das Mahlen der Zeichnung/ die Seele gibet/ und durch die Coloriten das Strichwerk/ ja so schön/ als der Gesang und Kunstklang durch geistige Reimgedichte/ gezieret und gleichsam belebet wird.

Zweyerley Process im Mahlen: mit freyer Hand/ Es gibt wackere Geister/ welche/ als wol experimentirt und erfahren/ ihnen eine Ideam von jeder Sache gleich einbilden/ und dieselbe/ ohne fernere Mittel/ ausmachen können. Solches aber ist nicht eines jeden Thun/ sondern eine absonderliche Gabe von meisterhaftem Verstand: mag auch nur geschehen bey kleinen Werken von wenig Bildern oder stillstehenden Sachen/ daran nicht viel gelegen ist.

und nach dem Vor-Riß.Andere sind/ die mit viel Arbeit und Bemühung sich setzen/ und ihre Meinung/ was sie in Gedanken gefasset/ mit Kreide oder Bleyweiß auf Papier zeichnen/ hernach auf ein mit einer ölichten Farb gegründtes Tuch/ den Umriß/ samt aller Zugehör/ auftragen/ folgends wol betrachten/ und mit todten Farben (welches man Untermahlen nennet) die noch-befindliche Fehler ausbässern/ heissen/ und endlich/ wann es wol trucken/ mit Fleiß übermahlen und ausmachen. Solchen Process halten auch die Italiäner/ sonderlich wann sie nicht in fresco arbeiten: davon ein mehrers in vorhergehenden Unsrer Teutschen mühsames Sauber-Mahlen: Capiteln erwehnet worden. Unsere Teutsche/ haben mit sonderbarer Arbeitsamkeit/ ihre Werke volbracht: wie zu sehen in den Stucken Albrecht Dürers/ Holbeins/ Lucas von Eych/ und anderer/ in welchen/ auch die geringste Haare ganz klar und rein ausgebildt erscheinen; das dann in der Nähe wol zu sehen ist. Diese Sauberkeit ist löblich/ und[Spaltenumbruch] macht sich dem Gesicht je länger je mehr gefällig: das ist rühmlich/ wann Geist dabey ist/ und die Ferne nichts benimmet. zumahl wann gute Manier/ Geist und Dapferkeit dabey/ und wann alles auch in der weite recht zu erkennen ist. Dann wann solche Stucke auf die Ferne nichts verlieren/ mögen sie wol vor sonders ruhmwürdig gehalten werden. Also beflisse sich/ in seiner Jugend und besten Zeit/ der berühmte Titian, alles sauber und also zu mahlen/ daß es sich so wol in Titians Rauh-Mahlen: die weite als nähe/ gefällig sehen ließe. Aber in seinen letzten Zeiten und Jahren/ mahlte er sehr rauh/ mit vielen Farben beschwert: welches in der Nähe nicht/ aber nur von weitem/ sehr wol gestanden. dem wird übel nachgeahmet. Solcher Manier/ haben sich auch andere bedienen und gebrauchen wollen: aber sie verderbten ihre Arbeit/ zu ihrem großen Schaden. Dann sie vermeinten/ daß sein Gemähl ohne viel nachsinnen und Arbeit leicht hinweg geschehe: da er doch die äuserste Kräften des Verstands weit mehr/ als andere urtheilen können/ daran gestrecket. Und diß ist Gute Mahlerey mus mühsam seyn/ und nicht also scheinen. die wahre und beste Manier/ ein vollkommenes Werk zu machen/ wann alles mit großer Mühe vollbracht wird/ und es gleichwol also in die Augen fället/ als ob es ohne Bemühung geschehen wäre: dann solche Stucke sind gemeinlich geistreich/ und lebendig.

Diese beyde Manieren/ habe ich/ der Kunstliebenden Jugend zu gefallen/ also Exempel-weis erzehlen wollen: damit sie ihnen hievon/ nach ihrem Geist und Verlangen/ die angenehmste erwehlen können. Mein Raht aber ist/ daß man sich zu der Die Manier sauber zu mahlen/ die bäste.ersten saubern Manier gewöhne: weil/ mit zuwachsenden Jahren und Alter/ aus Mangel des Gesichts/ die Rauhigkeit ohne das selber sich nach und nach einfindet. Sonsten ist vorhin bewust/ daß Vom Nähe und Ferne-Mahlen. diß/ was klein und in der Nähe ist/ mehr Sauberkeit erfordere: hingegen was weit aus dem Gesicht stehen soll/ etwas rauher/ groß/ mit vielen Farben und mehrerm Geist kan gestaltet werden. Wann die Seiten oder Ecken der Bilder mit scharffen Die Schärfe ist zu vermeiden. Liechtern beschnitten/ stehet es hart und rundet sich nicht: welchen Fehler viele unter den Alten begangen.

<TEI>
  <text xml:id="ta1675">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0251" xml:id="pb-159" n="[I, Buch 3 (Malerei), S. 72]"/>
          <div xml:id="d159.1">
            <head xml:id="h159.1">Das <hi rendition="#aq">VII</hi> Capitel.<lb/>
Vom Wohl-Mahlen.</head><lb/>
            <argument>
              <head xml:id="h159.2">Innhalt.</head><lb/>
              <p xml:id="p159.1">Die Zeichenkunst und Mahlerey/ vergleichen sich/ wie Leib und Seele; wie die Musik und Poesie. Zweyerley <hi rendition="#aq">Process</hi> im Mahlen: mit freyer Hand/ und nach dem Vor-Riß. Unsrer Teutschen mühsames Sauber-Mahlen: das ist rühmlich/ wann Geist darbey ist/ und die Ferne nichts benimmet. <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-19 http://d-nb.info/gnd/118622994 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500031075 http://viaf.org/viaf/61533439">Titians</persName></hi> Rauh-Mahlen: dem wird übel nachgeahmet. Gute Mahlerey mus mühsam seyn/ und doch nicht also scheinen. Die Manier sauber zu mahlen/ die bäste. Vom Nähe= und Ferne-Mahlen. Die Schärfe/ ist zu vermeiden. Neue rechte Manier zu mahlen. Vom Wohl<hi rendition="#aq">-coloriren</hi>; mit unterscheidung der Personen. Rienruß und Smalten/ sind böse Farben. Durch A<hi rendition="#aq">bcopiren</hi> und Nachahmen/ gelanget man zur Vollkommenheit. Der Mahler soll/ in seinen Werken/ keinen Fehler dulten/ und nicht seinem/ sondern anderer Urtheil trauen. Wer eine Kunst üben will/ mus sie wissen und können. Er soll/ mehr bey der Natur/ als bey andern/ in die Schule gehen.</p>
            </argument>
            <cb/>
            <p xml:id="p159.2"><note place="right">Die Zeichenkunst und Mahlerey/ vergleichen sich/ wie Leib und Seele;</note><hi rendition="#in">E</hi>S ist/ zwischen der Zeichenkunst und Mahlerey/ eine Vergleichung/ wie zwischen Leib und Seele: weil/ durch die Farben/ die todte Striche der Zeichnung erst recht auferwecket/ rührend und lebendig gemacht werden. Also werden auch diese beyde Künste/ von den Poeten/ der Sing= und Reim-Kunst verglichen: <note place="right">wie die Musik und Poesy</note> weil die Poesy der Musik/ wie das Mahlen der Zeichnung/ die Seele gibet/ und durch die <hi rendition="#aq">Coloriten</hi> das Strichwerk/ ja so schön/ als der Gesang und Kunstklang durch geistige Reimgedichte/ gezieret und gleichsam belebet wird.</p>
            <p xml:id="p159.3"><note place="right">Zweyerley <hi rendition="#aq">Process</hi> im Mahlen: mit freyer Hand/</note> Es gibt wackere Geister/ welche/ als wol <hi rendition="#aq">experimentirt</hi> und erfahren/ ihnen eine <hi rendition="#aq">Ideam</hi> von jeder Sache gleich einbilden/ und dieselbe/ ohne fernere Mittel/ ausmachen können. Solches aber ist nicht eines jeden Thun/ sondern eine absonderliche Gabe von meisterhaftem Verstand: mag auch nur geschehen bey kleinen Werken von wenig Bildern oder stillstehenden Sachen/ daran nicht viel gelegen ist.</p>
            <p xml:id="p159.4"><note place="right">und nach dem Vor-Riß.</note>Andere sind/ die mit viel Arbeit und Bemühung sich setzen/ und ihre Meinung/ was sie in Gedanken gefasset/ mit Kreide oder Bleyweiß auf Papier zeichnen/ hernach auf ein mit einer ölichten Farb gegründtes Tuch/ den Umriß/ samt aller Zugehör/ auftragen/ folgends wol betrachten/ und mit todten Farben (welches man Untermahlen nennet) die noch-befindliche Fehler ausbässern/ heissen/ und endlich/ wann es wol trucken/ mit Fleiß übermahlen und ausmachen. Solchen <hi rendition="#aq">Process</hi> halten auch die Italiäner/ sonderlich wann sie nicht <hi rendition="#aq">in fresco</hi> arbeiten: davon ein mehrers in vorhergehenden <note place="right">Unsrer Teutschen mühsames Sauber-Mahlen:</note> <choice><sic>Capitlen</sic><corr>Capiteln</corr></choice> erwehnet worden. Unsere Teutsche/ haben mit sonderbarer Arbeitsamkeit/ ihre Werke volbracht: wie zu sehen in den Stucken <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-12 http://d-nb.info/gnd/11852786X http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500115493 http://viaf.org/viaf/54146999">Albrecht Dürers</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-14 http://d-nb.info/gnd/118552953 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500005259 http://viaf.org/viaf/4945401">Holbeins</persName>/ <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-81,leydlu http://d-nb.info/gnd/118531557 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500116209 http://viaf.org/viaf/54156267">Lucas von Eych</persName>/ und anderer/ in welchen/ auch die geringste Haare ganz klar und rein ausgebildt erscheinen; das dann in der Nähe wol zu sehen ist. Diese Sauberkeit ist löblich/ und<cb/>
macht sich dem Gesicht je länger je mehr gefällig: <note place="right">das ist rühmlich/ wann Geist dabey ist/ und die Ferne nichts benimmet.</note> zumahl wann gute Manier/ Geist und Dapferkeit dabey/ und wann alles auch in der weite recht zu erkennen ist. Dann wann solche Stucke auf die Ferne nichts verlieren/ mögen sie wol vor sonders ruhmwürdig gehalten werden. Also beflisse sich/ in seiner Jugend und besten Zeit/ der berühmte <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-19 http://d-nb.info/gnd/118622994 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500031075 http://viaf.org/viaf/61533439">Titian</persName>,</hi> alles sauber und also zu mahlen/ daß es sich so wol in <note place="right"><hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-19 http://d-nb.info/gnd/118622994 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&amp;role=&amp;nation=&amp;subjectid=500031075 http://viaf.org/viaf/61533439">Titians</persName></hi> Rauh-Mahlen:</note> die weite als nähe/ gefällig sehen ließe. Aber in seinen letzten Zeiten und Jahren/ mahlte er sehr rauh/ mit vielen Farben beschwert: welches in der Nähe nicht/ aber nur von weitem/ sehr wol gestanden. <note place="right">dem wird übel nachgeahmet.</note> Solcher Manier/ haben sich auch andere bedienen und gebrauchen wollen: aber sie verderbten ihre Arbeit/ zu ihrem großen Schaden. Dann sie vermeinten/ daß sein Gemähl ohne viel nachsinnen und Arbeit leicht hinweg geschehe: da er doch die äuserste Kräften des Verstands weit mehr/ als andere urtheilen können/ daran gestrecket. Und diß ist <note place="right">Gute Mahlerey mus mühsam seyn/ und nicht also scheinen.</note> die wahre und beste Manier/ ein vollkommenes Werk zu machen/ wann alles mit großer Mühe vollbracht wird/ und es gleichwol also in die Augen fället/ als ob es ohne Bemühung geschehen wäre: dann solche Stucke sind gemeinlich geistreich/ und lebendig.</p>
            <p xml:id="p159.5">Diese beyde Manieren/ habe <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName>/ der Kunstliebenden Jugend zu gefallen/ also Exempel-weis erzehlen wollen: damit sie ihnen hievon/ nach ihrem Geist und Verlangen/ die angenehmste erwehlen können. Mein Raht aber ist/ daß man sich zu der <note place="right">Die Manier sauber zu mahlen/ die bäste.</note>ersten saubern Manier gewöhne: weil/ mit zuwachsenden Jahren und Alter/ aus Mangel des Gesichts/ die Rauhigkeit ohne das selber sich nach und nach einfindet. Sonsten ist vorhin bewust/ daß <note place="right">Vom Nähe und Ferne-Mahlen.</note> diß/ was klein und in der Nähe ist/ mehr Sauberkeit erfordere: hingegen was weit aus dem Gesicht stehen soll/ etwas rauher/ groß/ mit vielen Farben und mehrerm Geist kan gestaltet werden. Wann die Seiten oder Ecken der Bilder mit scharffen <note place="right">Die Schärfe ist zu vermeiden.</note> Liechtern beschnitten/ stehet es hart und rundet sich nicht: welchen Fehler viele unter den Alten begangen.</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[I, Buch 3 (Malerei), S. 72]/0251] Das VII Capitel. Vom Wohl-Mahlen. Innhalt. Die Zeichenkunst und Mahlerey/ vergleichen sich/ wie Leib und Seele; wie die Musik und Poesie. Zweyerley Process im Mahlen: mit freyer Hand/ und nach dem Vor-Riß. Unsrer Teutschen mühsames Sauber-Mahlen: das ist rühmlich/ wann Geist darbey ist/ und die Ferne nichts benimmet. Titians Rauh-Mahlen: dem wird übel nachgeahmet. Gute Mahlerey mus mühsam seyn/ und doch nicht also scheinen. Die Manier sauber zu mahlen/ die bäste. Vom Nähe= und Ferne-Mahlen. Die Schärfe/ ist zu vermeiden. Neue rechte Manier zu mahlen. Vom Wohl-coloriren; mit unterscheidung der Personen. Rienruß und Smalten/ sind böse Farben. Durch Abcopiren und Nachahmen/ gelanget man zur Vollkommenheit. Der Mahler soll/ in seinen Werken/ keinen Fehler dulten/ und nicht seinem/ sondern anderer Urtheil trauen. Wer eine Kunst üben will/ mus sie wissen und können. Er soll/ mehr bey der Natur/ als bey andern/ in die Schule gehen. ES ist/ zwischen der Zeichenkunst und Mahlerey/ eine Vergleichung/ wie zwischen Leib und Seele: weil/ durch die Farben/ die todte Striche der Zeichnung erst recht auferwecket/ rührend und lebendig gemacht werden. Also werden auch diese beyde Künste/ von den Poeten/ der Sing= und Reim-Kunst verglichen: weil die Poesy der Musik/ wie das Mahlen der Zeichnung/ die Seele gibet/ und durch die Coloriten das Strichwerk/ ja so schön/ als der Gesang und Kunstklang durch geistige Reimgedichte/ gezieret und gleichsam belebet wird. Die Zeichenkunst und Mahlerey/ vergleichen sich/ wie Leib und Seele; wie die Musik und Poesy Es gibt wackere Geister/ welche/ als wol experimentirt und erfahren/ ihnen eine Ideam von jeder Sache gleich einbilden/ und dieselbe/ ohne fernere Mittel/ ausmachen können. Solches aber ist nicht eines jeden Thun/ sondern eine absonderliche Gabe von meisterhaftem Verstand: mag auch nur geschehen bey kleinen Werken von wenig Bildern oder stillstehenden Sachen/ daran nicht viel gelegen ist. Zweyerley Process im Mahlen: mit freyer Hand/Andere sind/ die mit viel Arbeit und Bemühung sich setzen/ und ihre Meinung/ was sie in Gedanken gefasset/ mit Kreide oder Bleyweiß auf Papier zeichnen/ hernach auf ein mit einer ölichten Farb gegründtes Tuch/ den Umriß/ samt aller Zugehör/ auftragen/ folgends wol betrachten/ und mit todten Farben (welches man Untermahlen nennet) die noch-befindliche Fehler ausbässern/ heissen/ und endlich/ wann es wol trucken/ mit Fleiß übermahlen und ausmachen. Solchen Process halten auch die Italiäner/ sonderlich wann sie nicht in fresco arbeiten: davon ein mehrers in vorhergehenden Capiteln erwehnet worden. Unsere Teutsche/ haben mit sonderbarer Arbeitsamkeit/ ihre Werke volbracht: wie zu sehen in den Stucken Albrecht Dürers/ Holbeins/ Lucas von Eych/ und anderer/ in welchen/ auch die geringste Haare ganz klar und rein ausgebildt erscheinen; das dann in der Nähe wol zu sehen ist. Diese Sauberkeit ist löblich/ und macht sich dem Gesicht je länger je mehr gefällig: zumahl wann gute Manier/ Geist und Dapferkeit dabey/ und wann alles auch in der weite recht zu erkennen ist. Dann wann solche Stucke auf die Ferne nichts verlieren/ mögen sie wol vor sonders ruhmwürdig gehalten werden. Also beflisse sich/ in seiner Jugend und besten Zeit/ der berühmte Titian, alles sauber und also zu mahlen/ daß es sich so wol in die weite als nähe/ gefällig sehen ließe. Aber in seinen letzten Zeiten und Jahren/ mahlte er sehr rauh/ mit vielen Farben beschwert: welches in der Nähe nicht/ aber nur von weitem/ sehr wol gestanden. Solcher Manier/ haben sich auch andere bedienen und gebrauchen wollen: aber sie verderbten ihre Arbeit/ zu ihrem großen Schaden. Dann sie vermeinten/ daß sein Gemähl ohne viel nachsinnen und Arbeit leicht hinweg geschehe: da er doch die äuserste Kräften des Verstands weit mehr/ als andere urtheilen können/ daran gestrecket. Und diß ist die wahre und beste Manier/ ein vollkommenes Werk zu machen/ wann alles mit großer Mühe vollbracht wird/ und es gleichwol also in die Augen fället/ als ob es ohne Bemühung geschehen wäre: dann solche Stucke sind gemeinlich geistreich/ und lebendig. und nach dem Vor-Riß. Unsrer Teutschen mühsames Sauber-Mahlen: das ist rühmlich/ wann Geist dabey ist/ und die Ferne nichts benimmet. Titians Rauh-Mahlen: dem wird übel nachgeahmet. Gute Mahlerey mus mühsam seyn/ und nicht also scheinen.Diese beyde Manieren/ habe ich/ der Kunstliebenden Jugend zu gefallen/ also Exempel-weis erzehlen wollen: damit sie ihnen hievon/ nach ihrem Geist und Verlangen/ die angenehmste erwehlen können. Mein Raht aber ist/ daß man sich zu der ersten saubern Manier gewöhne: weil/ mit zuwachsenden Jahren und Alter/ aus Mangel des Gesichts/ die Rauhigkeit ohne das selber sich nach und nach einfindet. Sonsten ist vorhin bewust/ daß diß/ was klein und in der Nähe ist/ mehr Sauberkeit erfordere: hingegen was weit aus dem Gesicht stehen soll/ etwas rauher/ groß/ mit vielen Farben und mehrerm Geist kan gestaltet werden. Wann die Seiten oder Ecken der Bilder mit scharffen Liechtern beschnitten/ stehet es hart und rundet sich nicht: welchen Fehler viele unter den Alten begangen. Die Manier sauber zu mahlen/ die bäste. Vom Nähe und Ferne-Mahlen. Die Schärfe ist zu vermeiden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/251
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 3 (Malerei), S. 72]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/251>, abgerufen am 25.11.2024.