Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.[Spaltenumbruch] köstliche Naturen von bäster Complexion, eifrigem und belebtem Geist/ unterrichtet und an sich ziehet. Ich bin die jenige/ welche unzahlbare Jahre vor dieser meiner Gegnerin gebohren worden. Ich bin die jenige/ deren sich der überirdische höchste Künstler/ in Plasmir- und Ausformung des ersten Menschen/ zum ersten bedienet. Ich bin die jenige/ deren so viel andere fürtrefliche Künste zu Füßen fallen/ und ihr sich freywillig unterwerfen: Dann/ wem zu Dienst wurden die Bassi rilievi ersonnen/ die Plasmirung der Bild-Seulen aus Erde/ Wachs und Gyps/ erfunden? Mir/ der Scultura! Wer kunte erstlich in Stein/ Marmor und Erz arbeiten? Ich/ die Scultura! Meine Werke können durch das graue Alter und lange Zeit nicht gestürzet werden/ weil sie von einem solchen Stoffe zubereitet sind/ den kein Ungewitter/ Hitze oder Kälte/ Regen oder Schnee/ verzehren mag: daher sie zu allen langjährigen Denkmalen viel mehr/ als einige Pictura, welche bloß in den geheimesten Zimmern will eingeschlossen und verwahret stehen/ ersprießlich sind. Es ist auch der Mahlere fast eine solche Mänge anzutreffen/ daß sie die Laub und Blühten der Bäume/ und das Gestirne des Nacht-Himmels in der Anzahl weit übertreffen: weil zu solcher Kunst alle Complexion tauglich/ und nicht nur eine leichte und hurtige/ sondern auch eine sichere und langsame Zur Bildhauerey wird eine mehr-lebhafte und geistige Complexion, als zur Mahlerey/ erfordert. Hand/ alles verrichten kan. Hingegen ich/ die Scultura, erfordere nur eifrige hochbegeisterte Köpfe/ so wol bey den gemeinen Meistern/ als bey den berühmten Künstlern. Aus diesem allem ist mein Adel und billicher Vorzug sattsam zu erkennen. Glaubet hierinn/ wo nicht mir/ doch dem alten und langlebigen Naturkündiger Plinio: der wird euch sagen/ daß die Antichen/ so unser beyder Bildnußen vorstellig gemacht/ das meine aus pur- und klarem Golde/ hingegen der Pictur ihres aus Silber verfärtigen lassen/ und wurde das meine zur Rechten/ jenes aber zur Linken gestellet; womit ja mein über die Mahlerey habender Vorzug ausdrucklich angedeutet worden. Der Bildhauer arbeitet an einem fürtreflichern Stoff/ als der Mahler. Ich wil hiebey nicht anziehen die Köstlichkeit des Stoffs/ in welchem ich arbeite/ indeme mir die köstlichste Steine/ als Porfyr/ Jaspis/ Serpentin/ Marmor/ und andere/ ja wol auch Gold/ Silber/ und andere fürnehme Metalle/ unter die Hand geliefert werden: da hingegen die armselige Pictur, mit geringen und schlechten Färblein/ und mit einem Fetzen Tuch oder Leinwat/ sich mus beschlagen und befriedigen lassen. Ich fuße und gründe mich auch darauf/ daß eine Sache um so viel köstlicher/ vollkommen- und schöner Die Köstlichkeit einer Kunst-Sache/ wird nach der wahren lebhaften Natürlichkeit beurtheilet. ist/ je mehr sie von der Natürlichkeit in sich hat. Nun erreiche ich/ die Scultur, ja punctual die wahre und rechte Gestalt; ich entbilde mein Object, daß es auf allen Seiten völlig sichtbar und zu betrachten ist/ als ob [Spaltenumbruch] das lebendige Formular selbst zugegen wäre. Also kan ich mit Memnons Kunst-Bilde/ bey Aufgang der Sonne/ mein Wort fürbringen. Hingegen kan die Pictura, mit ihrem leichtsinnigen Pensel/ durch so vielfältige Mühe und Beschwerde/ kaum den Schatten einer Die Scultur erfodert einen vollkommenen Verstand und Erkäntnis der Steine: weil ihre Fehler nicht/ wie bey den Mahlern/ zu ersetzen sind. Gleichheit erwerben. Endlich so erfordere ich/ die Scultura, alle Vollkommenheit und Verstand/ aller Steine nicht gemeine sondern vollkommene Erkäntnus/ und daß man eines jeden Natur und Eigenschaft wol zu prüfen wisse/ damit man/ in deren Ausarbeitung/ sich nicht allzuweit verliere und einen Fehler schieße/ der nimmermehr zu vermitteln und zu verbäßern ist; da gegenseits die Mahlere allezeit mit ihrem Pensel darüber fahren/ und ihre begangene Irrgänge mit einem Polizey-Mäntelein verbergen können. Dieses plauderte/ zum Verdruß des Gehörs/ doch nicht ohne Grund/ die Scultura: Der Pictur Gegen-Antwort/ und Ursachen ihres Vorzugs da im Gegensatz die Pictura mit wenig Worten/ ihren Vorzug gleichfalls vertädigte/ und dergestalt zu reden anfienge. Indem meine Gegnerin/ die Scultura, mit einer mächtigen Wörter-Mänge/ ganz hochmütig und vermessen/ ihr selbst die Praeeminenz Die Kunst zu plasmiren stehet so wol den Mahlern als Bildhauern zu. und den Vorzugs-Adel zugeschrieben/ fußet sie erstlich auf den Ur-Vatter unsers menschlichen Geschlechtes: als welcher/ von dem himmlischen Erz-Künstler/ aus Lämen und Erde posirt/ plasmirt/ und gleichsam zu einem beredten Bild und Statue gemacht worden. Nun ist aber dieses auch mir/ als der Pictur und Mahler-Kunst/ zuständig: maßen ich in Griechischer Sprache Plastice, zu Latein Pictoria, und bey den Teutschen Mahlwerk/ Plasmatura und Posirung benahmet werde. Es hat auch Praxiteles, der trefliche Bildhauer und Statuarius, die Mahlerey/ als eine Seugmutter seiner Kunst/verehret/ und solche zum öftern ihre Tochter benamet; weil/ aus Zeichnung und Abriß der Pictur, die Scultura entstanden. Dann ehe und bevor der Bildhauer auf den Stein oder andern Stoff arbeitet/ designiret und zeichnet Die Zeichnung/ so den Bildhauern notwendig/ gehöret eigentlich den Mahlern zu er ihme nohtwendig in seinem Concept und Verstand/ wie er dieses und jenes proportionirlich zur Stell bringen wolle: welches nichts anders/ als ein Abriß oder Zeichnung/ diese aber der Mahlerey Erstling/ ist. Daß aber/ durch die ihr unterworffene und untergebne Künste/ die Scultura sich aufblähet und mir vorschätzbar macht/ ist wol zu belachen. Dann/ wem sind die Künste mehr diensthaft/ als mir/ der Mahlerey? Woher rühret die sinnreiche Erfindung und köstliche Dicht- Kunst der Historien? Woher/ die lang-gepriesne Zeichen- und Abriß-Kunst? Woher/ jede Abmessungen und Auszirklung der Welt-berühmten Bau-Kunst? Woher/ Unterschiedliche schöne Künste/ die von der Mahler-Kunst ihren Ursprung genommen. die Lust-volle Prospectiv- und Optica, das Arbeiten alla tempera, in fresco und al' olio? Woher/ die Kunststucke auf Tafeln/ Kupfer/ [Spaltenumbruch] köstliche Naturen von bäster Complexion, eifrigem und belebtem Geist/ unterrichtet und an sich ziehet. Ich bin die jenige/ welche unzahlbare Jahre vor dieser meiner Gegnerin gebohren worden. Ich bin die jenige/ deren sich der überirdische höchste Künstler/ in Plasmir- und Ausformung des ersten Menschen/ zum ersten bedienet. Ich bin die jenige/ deren so viel andere fürtrefliche Künste zu Füßen fallen/ und ihr sich freywillig unterwerfen: Dann/ wem zu Dienst wurden die Bassi rilievi ersonnen/ die Plasmirung der Bild-Seulen aus Erde/ Wachs und Gyps/ erfunden? Mir/ der Scultura! Wer kunte erstlich in Stein/ Marmor und Erz arbeiten? Ich/ die Scultura! Meine Werke können durch das graue Alter und lange Zeit nicht gestürzet werden/ weil sie von einem solchen Stoffe zubereitet sind/ den kein Ungewitter/ Hitze oder Kälte/ Regen oder Schnee/ verzehren mag: daher sie zu allen langjährigen Denkmalen viel mehr/ als einige Pictura, welche bloß in den geheimesten Zimmern will eingeschlossen und verwahret stehen/ ersprießlich sind. Es ist auch der Mahlere fast eine solche Mänge anzutreffen/ daß sie die Laub und Blühten der Bäume/ und das Gestirne des Nacht-Himmels in der Anzahl weit übertreffen: weil zu solcher Kunst alle Complexion tauglich/ und nicht nur eine leichte und hurtige/ sondern auch eine sichere und langsame Zur Bildhauerey wird eine mehr-lebhafte und geistige Complexion, als zur Mahlerey/ erfordert. Hand/ alles verrichten kan. Hingegen ich/ die Scultura, erfordere nur eifrige hochbegeisterte Köpfe/ so wol bey den gemeinen Meistern/ als bey den berühmten Künstlern. Aus diesem allem ist mein Adel und billicher Vorzug sattsam zu erkennen. Glaubet hierinn/ wo nicht mir/ doch dem alten und langlebigen Naturkündiger Plinio: der wird euch sagen/ daß die Antichen/ so unser beyder Bildnußen vorstellig gemacht/ das meine aus pur- und klarem Golde/ hingegen der Pictur ihres aus Silber verfärtigen lassen/ und wurde das meine zur Rechten/ jenes aber zur Linken gestellet; womit ja mein über die Mahlerey habender Vorzug ausdrucklich angedeutet worden. Der Bildhauer arbeitet an einem fürtreflichern Stoff/ als der Mahler. Ich wil hiebey nicht anziehen die Köstlichkeit des Stoffs/ in welchem ich arbeite/ indeme mir die köstlichste Steine/ als Porfyr/ Jaspis/ Serpentin/ Marmor/ und andere/ ja wol auch Gold/ Silber/ und andere fürnehme Metalle/ unter die Hand geliefert werden: da hingegen die armselige Pictur, mit geringen und schlechten Färblein/ und mit einem Fetzen Tuch oder Leinwat/ sich mus beschlagen und befriedigen lassen. Ich fuße und gründe mich auch darauf/ daß eine Sache um so viel köstlicher/ vollkommen- und schöner Die Köstlichkeit einer Kunst-Sache/ wird nach der wahren lebhaften Natürlichkeit beurtheilet. ist/ je mehr sie von der Natürlichkeit in sich hat. Nun erreiche ich/ die Scultur, ja punctual die wahre und rechte Gestalt; ich entbilde mein Object, daß es auf allen Seiten völlig sichtbar und zu betrachten ist/ als ob [Spaltenumbruch] das lebendige Formular selbst zugegen wäre. Also kan ich mit Memnons Kunst-Bilde/ bey Aufgang der Sonne/ mein Wort fürbringen. Hingegen kan die Pictura, mit ihrem leichtsinnigen Pensel/ durch so vielfältige Mühe und Beschwerde/ kaum den Schatten einer Die Scultur erfodert einen vollkommenen Verstand und Erkäntnis der Steine: weil ihre Fehler nicht/ wie bey den Mahlern/ zu ersetzen sind. Gleichheit erwerben. Endlich so erfordere ich/ die Scultura, alle Vollkommenheit und Verstand/ aller Steine nicht gemeine sondern vollkommene Erkäntnus/ und daß man eines jeden Natur und Eigenschaft wol zu prüfen wisse/ damit man/ in deren Ausarbeitung/ sich nicht allzuweit verliere und einen Fehler schieße/ der nimmermehr zu vermitteln und zu verbäßern ist; da gegenseits die Mahlere allezeit mit ihrem Pensel darüber fahren/ und ihre begangene Irrgänge mit einem Polizey-Mäntelein verbergen können. Dieses plauderte/ zum Verdruß des Gehörs/ doch nicht ohne Grund/ die Scultura: Der Pictur Gegen-Antwort/ und Ursachen ihres Vorzugs da im Gegensatz die Pictura mit wenig Worten/ ihren Vorzug gleichfalls vertädigte/ und dergestalt zu reden anfienge. Indem meine Gegnerin/ die Scultura, mit einer mächtigen Wörter-Mänge/ ganz hochmütig und vermessen/ ihr selbst die Praeeminenz Die Kunst zu plasmiren stehet so wol den Mahlern als Bildhauern zu. und den Vorzugs-Adel zugeschrieben/ fußet sie erstlich auf den Ur-Vatter unsers menschlichen Geschlechtes: als welcher/ von dem himmlischen Erz-Künstler/ aus Lämen und Erde posirt/ plasmirt/ und gleichsam zu einem beredten Bild und Statue gemacht worden. Nun ist aber dieses auch mir/ als der Pictur und Mahler-Kunst/ zuständig: maßen ich in Griechischer Sprache Plastice, zu Latein Pictoria, und bey den Teutschen Mahlwerk/ Plasmatura und Posirung benahmet werde. Es hat auch Praxiteles, der trefliche Bildhauer und Statuarius, die Mahlerey/ als eine Seugmutter seiner Kunst/verehret/ und solche zum öftern ihre Tochter benamet; weil/ aus Zeichnung und Abriß der Pictur, die Scultura entstanden. Dann ehe und bevor der Bildhauer auf den Stein oder andern Stoff arbeitet/ designiret und zeichnet Die Zeichnung/ so den Bildhauern notwendig/ gehöret eigentlich den Mahlern zu er ihme nohtwendig in seinem Concept und Verstand/ wie er dieses und jenes proportionirlich zur Stell bringen wolle: welches nichts anders/ als ein Abriß oder Zeichnung/ diese aber der Mahlerey Erstling/ ist. Daß aber/ durch die ihr unterworffene und untergebne Künste/ die Scultura sich aufblähet und mir vorschätzbar macht/ ist wol zu belachen. Dann/ wem sind die Künste mehr diensthaft/ als mir/ der Mahlerey? Woher rühret die sinnreiche Erfindung und köstliche Dicht- Kunst der Historien? Woher/ die lang-gepriesne Zeichen- und Abriß-Kunst? Woher/ jede Abmessungen und Auszirklung der Welt-berühmten Bau-Kunst? Woher/ Unterschiedliche schöne Künste/ die von der Mahler-Kunst ihren Ursprung genommen. die Lust-volle Prospectiv- und Optica, das Arbeiten alla tempera, in fresco und al’ olio? Woher/ die Kunststucke auf Tafeln/ Kupfer/ <TEI> <text xml:id="ta1675"> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0025" xml:id="pb-13" n="[I, Vorrede, S. 2]"/><cb/> köstliche Naturen von bäster <hi rendition="#aq">Complexion,</hi> eifrigem und belebtem Geist/ unterrichtet und an sich ziehet. Ich bin die jenige/ welche unzahlbare Jahre vor dieser meiner Gegnerin gebohren worden. Ich bin die jenige/ deren sich der überirdische höchste Künstler/ in <hi rendition="#aq">Plasmir</hi>- und Ausformung des ersten Menschen/ zum ersten bedienet. Ich bin die jenige/ deren so viel andere fürtrefliche Künste zu Füßen fallen/ und ihr sich freywillig unterwerfen: Dann/ wem zu Dienst wurden die <hi rendition="#aq">Bassi rilievi</hi> ersonnen/ die <hi rendition="#aq">Plasmi</hi>rung der Bild-Seulen aus Erde/ Wachs und Gyps/ erfunden? Mir/ der <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4237">Scultura</persName></hi>! Wer kunte erstlich in Stein/ Marmor und Erz arbeiten? Ich/ die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4237">Scultura</persName></hi>! Meine Werke können durch das graue Alter und lange Zeit nicht gestürzet werden/ weil sie von einem solchen Stoffe zubereitet sind/ den kein Ungewitter/ Hitze oder Kälte/ Regen oder Schnee/ verzehren mag: daher sie zu allen langjährigen Denkmalen viel mehr/ als einige <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Pictura</persName>,</hi> welche bloß in den geheimesten Zimmern will eingeschlossen und verwahret stehen/ ersprießlich sind. Es ist auch der Mahlere fast eine solche Mänge anzutreffen/ daß sie die Laub und Blühten der Bäume/ und das Gestirne des Nacht-Himmels in der Anzahl weit übertreffen: weil zu solcher Kunst alle <hi rendition="#aq">Complexion</hi> tauglich/ und nicht nur eine leichte und hurtige/ sondern auch eine sichere und langsame <note place="right">Zur Bildhauerey wird eine mehr-lebhafte und geistige <hi rendition="#aq">Complexion,</hi> als zur Mahlerey/ erfordert.</note> Hand/ alles verrichten kan. Hingegen ich/ die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4237">Scultura</persName>,</hi> erfordere nur eifrige hochbegeisterte Köpfe/ so wol bey den gemeinen Meistern/ als bey den berühmten Künstlern. Aus diesem allem ist mein Adel und billicher Vorzug sattsam zu erkennen. Glaubet hierinn/ wo nicht mir/ doch dem alten und langlebigen Naturkündiger <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-326 http://d-nb.info/gnd/118595083 http://viaf.org/viaf/100219162"><hi rendition="#aq">Plinio</hi></persName>: der wird euch sagen/ daß die <hi rendition="#aq">Antich</hi>en/ so unser beyder Bildnußen vorstellig gemacht/ das meine aus pur- und klarem Golde/ hingegen der <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Pictur</persName></hi> ihres aus Silber verfärtigen lassen/ und wurde das meine zur Rechten/ jenes aber zur Linken gestellet; womit ja mein über die Mahlerey habender Vorzug ausdrucklich angedeutet worden.</p> <p><note place="right">Der Bildhauer arbeitet an einem fürtreflichern Stoff/ als der Mahler.</note> Ich wil hiebey nicht anziehen die Köstlichkeit des Stoffs/ in welchem ich arbeite/ indeme mir die köstlichste Steine/ als Porfyr/ Jaspis/ Serpentin/ Marmor/ und andere/ ja wol auch Gold/ Silber/ und andere fürnehme Metalle/ unter die Hand geliefert werden: da hingegen die armselige <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Pictur</persName>,</hi> mit geringen und schlechten Färblein/ und mit einem Fetzen Tuch oder Leinwat/ sich mus beschlagen und befriedigen lassen. Ich fuße und gründe mich auch darauf/ daß eine Sache um so viel köstlicher/ vollkommen- und schöner <note place="right">Die Köstlichkeit einer Kunst-Sache/ wird nach der wahren lebhaften Natürlichkeit beurtheilet.</note> ist/ je mehr sie von der Natürlichkeit in sich hat. Nun erreiche ich/ die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4237">Scultur</persName>,</hi> ja <hi rendition="#aq">punctual</hi> die wahre und rechte Gestalt; ich entbilde mein <hi rendition="#aq">Object,</hi> daß es auf allen Seiten völlig sichtbar und zu betrachten ist/ als ob <cb/> das lebendige <hi rendition="#aq">Formular</hi> selbst zugegen wäre. Also kan ich mit <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-3471"><hi rendition="#aq">Memnon</hi>s</persName> Kunst-Bilde/ bey Aufgang der Sonne/ mein Wort fürbringen. Hingegen kan die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Pictura</persName>,</hi> mit ihrem leichtsinnigen Pensel/ durch so vielfältige Mühe und Beschwerde/ kaum den Schatten einer <note place="right">Die <hi rendition="#aq">Scultur</hi> erfodert einen vollkommenen Verstand und Erkäntnis der Steine: weil ihre Fehler nicht/ wie bey den Mahlern/ zu ersetzen sind.</note> Gleichheit erwerben. Endlich so erfordere ich/ die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4237">Scultura</persName>,</hi> alle Vollkommenheit und Verstand/ aller Steine nicht gemeine sondern vollkommene Erkäntnus/ und daß man eines jeden Natur und Eigenschaft wol zu prüfen wisse/ damit man/ in deren Ausarbeitung/ sich nicht allzuweit verliere und einen Fehler schieße/ der nimmermehr zu vermitteln und zu verbäßern ist; da gegenseits die Mahlere allezeit mit ihrem Pensel darüber fahren/ und ihre begangene Irrgänge mit einem Polizey-Mäntelein verbergen können.</p> <p>Dieses plauderte/ zum Verdruß des Gehörs/ doch nicht ohne Grund/ die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4237">Scultura</persName></hi>: <note place="right">Der <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Pictur</persName></hi> Gegen-Antwort/ und Ursachen ihres Vorzugs</note> da im Gegensatz die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Pictura</persName></hi> mit wenig Worten/ ihren Vorzug gleichfalls vertädigte/ und dergestalt zu reden anfienge.</p> <p>Indem meine Gegnerin/ die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4237">Scultura</persName>,</hi> mit einer mächtigen Wörter-Mänge/ ganz hochmütig und vermessen/ ihr selbst die <hi rendition="#aq">Praeeminenz</hi> <note place="right">Die Kunst zu <hi rendition="#aq">plasmi</hi>ren stehet so wol den Mahlern als Bildhauern zu.</note> und den Vorzugs-Adel zugeschrieben/ fußet sie erstlich auf den Ur-Vatter unsers menschlichen Geschlechtes: als welcher/ von dem himmlischen Erz-Künstler/ aus Lämen und Erde <hi rendition="#aq">posi</hi>rt/ <hi rendition="#aq">plasmi</hi>rt/ und gleichsam zu einem beredten Bild und <hi rendition="#aq">Statu</hi>e gemacht worden. Nun ist aber dieses auch mir/ als der <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Pictur</persName></hi> und <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Mahler-Kunst</persName>/ zuständig: maßen ich in Griechischer Sprache <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Plastice</persName>,</hi> zu Latein <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Pictoria</persName>,</hi> und bey den Teutschen Mahlwerk/ <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Plasmatura</persName></hi> und Posirung benahmet werde. Es hat auch <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-57 http://d-nb.info/gnd/118793241 http://www.getty.edu/vow/ULANFullDisplay?find=&role=&nation=&subjectid=500010499"><hi rendition="#aq">Praxiteles</hi></persName>, der trefliche Bildhauer und <hi rendition="#aq">Statuarius,</hi> die Mahlerey/ als eine Seugmutter seiner Kunst/verehret/ und solche zum öftern ihre Tochter benamet; weil/ aus Zeichnung und Abriß der <hi rendition="#aq">Pictur,</hi> die <hi rendition="#aq">Scultura</hi> entstanden. Dann ehe und bevor der Bildhauer auf den Stein oder andern Stoff arbeitet/ <hi rendition="#aq">designi</hi>ret und zeichnet <note place="right">Die Zeichnung/ so den Bildhauern notwendig/ gehöret eigentlich den Mahlern zu</note> er ihme nohtwendig in seinem <hi rendition="#aq">Concept</hi> und Verstand/ wie er dieses und jenes <hi rendition="#aq">proportioni</hi>rlich zur Stell bringen wolle: welches nichts anders/ als ein Abriß oder Zeichnung/ diese aber der Mahlerey Erstling/ ist. Daß aber/ durch die ihr unterworffene und untergebne Künste/ die <hi rendition="#aq"><persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-4237">Scultura</persName></hi> sich aufblähet und mir vorschätzbar macht/ ist wol zu belachen. Dann/ wem sind die Künste mehr diensthaft/ als mir/ der <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-1650 http://d-nb.info/gnd/13259935X http://viaf.org/viaf/6099153">Mahlerey</persName>? Woher rühret die sinnreiche Erfindung und köstliche Dicht- Kunst der Historien? Woher/ die lang-gepriesne Zeichen- und Abriß-Kunst? Woher/ jede Abmessungen und Auszirklung der Welt-berühmten Bau-Kunst? Woher/ <note place="right">Unterschiedliche schöne Künste/ die von der Mahler-Kunst ihren Ursprung genommen.</note> die Lust-volle <hi rendition="#aq">Prospectiv</hi>- und <hi rendition="#aq">Optica,</hi> das Arbeiten <hi rendition="#aq">alla tempera, in fresco</hi> und <hi rendition="#aq">al’ olio</hi>? Woher/ die Kunststucke auf Tafeln/ Kupfer/ </p> </div> </front> </text> </TEI> [[I, Vorrede, S. 2]/0025]
köstliche Naturen von bäster Complexion, eifrigem und belebtem Geist/ unterrichtet und an sich ziehet. Ich bin die jenige/ welche unzahlbare Jahre vor dieser meiner Gegnerin gebohren worden. Ich bin die jenige/ deren sich der überirdische höchste Künstler/ in Plasmir- und Ausformung des ersten Menschen/ zum ersten bedienet. Ich bin die jenige/ deren so viel andere fürtrefliche Künste zu Füßen fallen/ und ihr sich freywillig unterwerfen: Dann/ wem zu Dienst wurden die Bassi rilievi ersonnen/ die Plasmirung der Bild-Seulen aus Erde/ Wachs und Gyps/ erfunden? Mir/ der Scultura! Wer kunte erstlich in Stein/ Marmor und Erz arbeiten? Ich/ die Scultura! Meine Werke können durch das graue Alter und lange Zeit nicht gestürzet werden/ weil sie von einem solchen Stoffe zubereitet sind/ den kein Ungewitter/ Hitze oder Kälte/ Regen oder Schnee/ verzehren mag: daher sie zu allen langjährigen Denkmalen viel mehr/ als einige Pictura, welche bloß in den geheimesten Zimmern will eingeschlossen und verwahret stehen/ ersprießlich sind. Es ist auch der Mahlere fast eine solche Mänge anzutreffen/ daß sie die Laub und Blühten der Bäume/ und das Gestirne des Nacht-Himmels in der Anzahl weit übertreffen: weil zu solcher Kunst alle Complexion tauglich/ und nicht nur eine leichte und hurtige/ sondern auch eine sichere und langsame Hand/ alles verrichten kan. Hingegen ich/ die Scultura, erfordere nur eifrige hochbegeisterte Köpfe/ so wol bey den gemeinen Meistern/ als bey den berühmten Künstlern. Aus diesem allem ist mein Adel und billicher Vorzug sattsam zu erkennen. Glaubet hierinn/ wo nicht mir/ doch dem alten und langlebigen Naturkündiger Plinio: der wird euch sagen/ daß die Antichen/ so unser beyder Bildnußen vorstellig gemacht/ das meine aus pur- und klarem Golde/ hingegen der Pictur ihres aus Silber verfärtigen lassen/ und wurde das meine zur Rechten/ jenes aber zur Linken gestellet; womit ja mein über die Mahlerey habender Vorzug ausdrucklich angedeutet worden.
Zur Bildhauerey wird eine mehr-lebhafte und geistige Complexion, als zur Mahlerey/ erfordert. Ich wil hiebey nicht anziehen die Köstlichkeit des Stoffs/ in welchem ich arbeite/ indeme mir die köstlichste Steine/ als Porfyr/ Jaspis/ Serpentin/ Marmor/ und andere/ ja wol auch Gold/ Silber/ und andere fürnehme Metalle/ unter die Hand geliefert werden: da hingegen die armselige Pictur, mit geringen und schlechten Färblein/ und mit einem Fetzen Tuch oder Leinwat/ sich mus beschlagen und befriedigen lassen. Ich fuße und gründe mich auch darauf/ daß eine Sache um so viel köstlicher/ vollkommen- und schöner ist/ je mehr sie von der Natürlichkeit in sich hat. Nun erreiche ich/ die Scultur, ja punctual die wahre und rechte Gestalt; ich entbilde mein Object, daß es auf allen Seiten völlig sichtbar und zu betrachten ist/ als ob
das lebendige Formular selbst zugegen wäre. Also kan ich mit Memnons Kunst-Bilde/ bey Aufgang der Sonne/ mein Wort fürbringen. Hingegen kan die Pictura, mit ihrem leichtsinnigen Pensel/ durch so vielfältige Mühe und Beschwerde/ kaum den Schatten einer Gleichheit erwerben. Endlich so erfordere ich/ die Scultura, alle Vollkommenheit und Verstand/ aller Steine nicht gemeine sondern vollkommene Erkäntnus/ und daß man eines jeden Natur und Eigenschaft wol zu prüfen wisse/ damit man/ in deren Ausarbeitung/ sich nicht allzuweit verliere und einen Fehler schieße/ der nimmermehr zu vermitteln und zu verbäßern ist; da gegenseits die Mahlere allezeit mit ihrem Pensel darüber fahren/ und ihre begangene Irrgänge mit einem Polizey-Mäntelein verbergen können.
Der Bildhauer arbeitet an einem fürtreflichern Stoff/ als der Mahler.
Die Köstlichkeit einer Kunst-Sache/ wird nach der wahren lebhaften Natürlichkeit beurtheilet.
Die Scultur erfodert einen vollkommenen Verstand und Erkäntnis der Steine: weil ihre Fehler nicht/ wie bey den Mahlern/ zu ersetzen sind. Dieses plauderte/ zum Verdruß des Gehörs/ doch nicht ohne Grund/ die Scultura: da im Gegensatz die Pictura mit wenig Worten/ ihren Vorzug gleichfalls vertädigte/ und dergestalt zu reden anfienge.
Der Pictur Gegen-Antwort/ und Ursachen ihres Vorzugs Indem meine Gegnerin/ die Scultura, mit einer mächtigen Wörter-Mänge/ ganz hochmütig und vermessen/ ihr selbst die Praeeminenz und den Vorzugs-Adel zugeschrieben/ fußet sie erstlich auf den Ur-Vatter unsers menschlichen Geschlechtes: als welcher/ von dem himmlischen Erz-Künstler/ aus Lämen und Erde posirt/ plasmirt/ und gleichsam zu einem beredten Bild und Statue gemacht worden. Nun ist aber dieses auch mir/ als der Pictur und Mahler-Kunst/ zuständig: maßen ich in Griechischer Sprache Plastice, zu Latein Pictoria, und bey den Teutschen Mahlwerk/ Plasmatura und Posirung benahmet werde. Es hat auch Praxiteles, der trefliche Bildhauer und Statuarius, die Mahlerey/ als eine Seugmutter seiner Kunst/verehret/ und solche zum öftern ihre Tochter benamet; weil/ aus Zeichnung und Abriß der Pictur, die Scultura entstanden. Dann ehe und bevor der Bildhauer auf den Stein oder andern Stoff arbeitet/ designiret und zeichnet er ihme nohtwendig in seinem Concept und Verstand/ wie er dieses und jenes proportionirlich zur Stell bringen wolle: welches nichts anders/ als ein Abriß oder Zeichnung/ diese aber der Mahlerey Erstling/ ist. Daß aber/ durch die ihr unterworffene und untergebne Künste/ die Scultura sich aufblähet und mir vorschätzbar macht/ ist wol zu belachen. Dann/ wem sind die Künste mehr diensthaft/ als mir/ der Mahlerey? Woher rühret die sinnreiche Erfindung und köstliche Dicht- Kunst der Historien? Woher/ die lang-gepriesne Zeichen- und Abriß-Kunst? Woher/ jede Abmessungen und Auszirklung der Welt-berühmten Bau-Kunst? Woher/ die Lust-volle Prospectiv- und Optica, das Arbeiten alla tempera, in fresco und al’ olio? Woher/ die Kunststucke auf Tafeln/ Kupfer/
Die Kunst zu plasmiren stehet so wol den Mahlern als Bildhauern zu.
Die Zeichnung/ so den Bildhauern notwendig/ gehöret eigentlich den Mahlern zu
Unterschiedliche schöne Künste/ die von der Mahler-Kunst ihren Ursprung genommen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI.
(2013-05-21T09:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate.
(2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-05-21T09:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |