Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.[Spaltenumbruch] Figuren werden sonst Rund genennt/ weil sie an allen Seiten können gesehen werden: gleich dem Menschen/ wann man ihn rings umkehret/ von dem sie auch abzusehen sind. Von proportion der Bilder/ soll hernach/ bey der Mahlerey-Kunst/ mit mehrerm gesagt werden. Es wird auch der bäste Weg seyn/ wann der[Spaltenumbruch] Künstler in hernach-folgenden antichen Statuen des Laocon, Antinous, Faunus, Hercules, Apollo, Venus und drey Gratien/ und andere nachfolgende studiret/ und dieser berühmtesten Vorbildern nach gehet/ wie in folgendem vierten Capitel mit mehrerm soll gedacht werden. Das II. Capitel. Von Den Bilderey-Modellen. Innhalt.Das Modell, wird von Wachs/ Lähmen oder Gyps gemacht. Wie das Wachs hierzu gerechtelt/ und ihm die Farbe gegeben werde? Großes Modell, von Erde oder Lähmen. Arbeit an dem Bilde. Ursach der Fehlere im Bildhauen. Fernere Arbeit an dem Bild/ und dessen Polirung. Das Modell wird von Wachs/ Lämen oder Gyps gemacht.ES pflegen die Bild-Künstlere/ wann sie wollen eine Statue oder Figur aus Marmor verfärtigen/ erstlich ein Modell und Muster zu bereiten/ von deme sie ihr absehen nemen/ und ist dessen Größe fast eines halben Arms/ oder etwas minder. Dieses machen sie aus Erde/ Lämen/ Wachs oder Gyps: weil diese materien die Gestalt jeder Figur annehmen und behalten. Nach diesem Modell, messen sie nachmals proportionaliter die Größe und Höhe des Steins/ den sie zu Färtigung ihres Bilds aushauen lassen: und wird dasselbe also bereitet. Wie das Wachs hierzu gerechtelt/ Erstlich/ das Wachs zu erweichen/ untermengen sie es mit etwas Inslicht/ Terpentin/ und schwarzem Harz oder Pech/ welche Stücke das Wachs weich/ anziehend und schwarz machen. Dieses/ mit den Händen ausgedehnet/gearbeitet/ und auf eine Stelle gesetzt/ wird vest und erhartet. und ihm die Farbe gegeben werde? Will man ihm eine andere Farbe geben/ so kan man Ziegelmeel/ oder sonst eine rohte tinctur, an stat des Pechs/ darunter mengen. Hierbey ist aber zu merken/ daß solche Farben zuvor zerstossen/ und alsdann mit dem zerflossenen Wachs/ wann es noch heiß/ müssen vermenget werden: und kan man sie nachmals auch zu den medaglien und andern Bildern gebrauchen. Diese Farben und Wachs/ mit Terpentin zusammen gemenget/ lassen sich hernach/ durch Wärme der Hände/ also abtreiben/ und zu einem Kügelein formiren: aus welchem sie folgends schöne zarte und subtile, auch dicke und große/ Bildnisen posiren/ auch solche an Hölzlein oder Eisen-Drätlein stecken/ daß sie alle Gliedmassen/ nach Notturft/ rühren/ biegen und bewegen mögen. Große Modell, von Erde und Lämen. Eben also pflegen sie/ mit der Erde und dem Lämen zu verfahren: woraus sie auch die große Modellen nach des Steins Gestalt/ bilden/ als [Spaltenumbruch] groß die Statuen seyn sollen/ die sie in Marmor übertragen wollen. Damit aber diese Erde nicht zerspalte/ und ihr aus Lähmen oder Tegel aufgeführter stummer menschlicher Bau nicht zerfalle/ bedienen sie sich der Spreuer/ Schweinborsten und Roßhaare: welche/ mit dem Lähmen oder Erden untermengt/ selbige zusammen halten. Folgends überpappen sie dieselben vielfältig/ mit Leinwat oder Pappier/ überziehen sie aufs genäueste/ binden sie fäst mit schnüren/ und überlegen sie immer mehr und mehr mit Erde oder Tegel: bis endlich/ in den großen Modell, die Form und proportion des kleinen/ ganz nackend heraus komt. Wann nun das Bild also zu Stand gebracht worden/ und man daran etwas mit Gewand bekleiden will/ so nimt man was grobe ungebleichte/ oder/ dafern es fein subtil seyn soll/ zärtere Leinwat/ netzet den Tegel mit Wasser/ daß es wol weich werde/ umlegt und kleidet alsdann das Bild/ und schickt es in proportion Arbeit an dem Bilde. und Falten/ wie es seyn soll. Hierauf schreiten sie zu dem Werkstuck und Marmor selbst/ welches in der Vierung ausgehauen ist/ theilen es in die völlige Größe und Statur des Bildes/ mit den weitestausgehenden Gliedern der Arme und Füße/ messen alles fleissig ab/ und bemerken es mit der Kohle. Wann nun solche Maß auf dem Stein rund herum stehet/ alsdann fängt man an hinein zu hauen: doch wird inzwischen immer wider gemessen/ von dem Modell ab auf den Stein/ damit man an der Maß nichts verliere/ und mus man also stäts mit der sorge um das Bild herum gehen/ bis es endlich seiner Figur und dem Ursach der Fehlere im Bildhauen. Modell gleich und ähnlich hervor komme. Die aber unbedachtsam vornen und ruckwerts drein hauen/ und ein Stuck nach dem andern abstümlen/ können nachmals keinen Abgang/ ob sie den schon selber spüren/ mehr ersetzen. Weil kein Ort übrig/ da sie es hinbringen könten/ indem sie den Stoff zuviel benommen/ und ihr Stuck unbesonnen verkünstlet haben. Es geschicht auch zum öftern/ mit spöttlicher [Spaltenumbruch] Figuren werden sonst Rund genennt/ weil sie an allen Seiten können gesehen werden: gleich dem Menschen/ wann man ihn rings umkehret/ von dem sie auch abzusehen sind. Von proportion der Bilder/ soll hernach/ bey der Mahlerey-Kunst/ mit mehrerm gesagt werden. Es wird auch der bäste Weg seyn/ wann der[Spaltenumbruch] Künstler in hernach-folgenden antichen Statuen des Laocon, Antinous, Faunus, Hercules, Apollo, Venus und drey Gratien/ und andere nachfolgende studiret/ und dieser berühmtesten Vorbildern nach gehet/ wie in folgendem vierten Capitel mit mehrerm soll gedacht werden. Das II. Capitel. Von Den Bilderey-Modellen. Innhalt.Das Modell, wird von Wachs/ Lähmen oder Gyps gemacht. Wie das Wachs hierzu gerechtelt/ und ihm die Farbe gegeben werde? Großes Modell, von Erde oder Lähmen. Arbeit an dem Bilde. Ursach der Fehlere im Bildhauen. Fernere Arbeit an dem Bild/ und dessen Polirung. Das Modell wird von Wachs/ Lämen oder Gyps gemacht.ES pflegen die Bild-Künstlere/ wann sie wollen eine Statue oder Figur aus Marmor verfärtigen/ erstlich ein Modell und Muster zu bereiten/ von deme sie ihr absehen nemen/ und ist dessen Größe fast eines halben Arms/ oder etwas minder. Dieses machen sie aus Erde/ Lämen/ Wachs oder Gyps: weil diese materien die Gestalt jeder Figur annehmen und behalten. Nach diesem Modell, messen sie nachmals proportionaliter die Größe und Höhe des Steins/ den sie zu Färtigung ihres Bilds aushauen lassen: und wird dasselbe also bereitet. Wie das Wachs hierzu gerechtelt/ Erstlich/ das Wachs zu erweichen/ untermengen sie es mit etwas Inslicht/ Terpentin/ und schwarzem Harz oder Pech/ welche Stücke das Wachs weich/ anziehend und schwarz machen. Dieses/ mit den Händen ausgedehnet/gearbeitet/ und auf eine Stelle gesetzt/ wird vest und erhartet. und ihm die Farbe gegeben werde? Will man ihm eine andere Farbe geben/ so kan man Ziegelmeel/ oder sonst eine rohte tinctur, an stat des Pechs/ darunter mengen. Hierbey ist aber zu merken/ daß solche Farben zuvor zerstossen/ und alsdann mit dem zerflossenen Wachs/ wann es noch heiß/ müssen vermenget werden: und kan man sie nachmals auch zu den medaglien und andern Bildern gebrauchen. Diese Farben und Wachs/ mit Terpentin zusammen gemenget/ lassen sich hernach/ durch Wärme der Hände/ also abtreiben/ und zu einem Kügelein formiren: aus welchem sie folgends schöne zarte und subtile, auch dicke und große/ Bildnisen posiren/ auch solche an Hölzlein oder Eisen-Drätlein stecken/ daß sie alle Gliedmassen/ nach Notturft/ rühren/ biegen und bewegen mögen. Große Modell, von Erde und Lämen. Eben also pflegen sie/ mit der Erde und dem Lämen zu verfahren: woraus sie auch die große Modellen nach des Steins Gestalt/ bilden/ als [Spaltenumbruch] groß die Statuen seyn sollen/ die sie in Marmor übertragen wollen. Damit aber diese Erde nicht zerspalte/ und ihr aus Lähmen oder Tegel aufgeführter stummer menschlicher Bau nicht zerfalle/ bedienen sie sich der Spreuer/ Schweinborsten und Roßhaare: welche/ mit dem Lähmen oder Erden untermengt/ selbige zusammen halten. Folgends überpappen sie dieselben vielfältig/ mit Leinwat oder Pappier/ überziehen sie aufs genäueste/ binden sie fäst mit schnüren/ und überlegen sie immer mehr und mehr mit Erde oder Tegel: bis endlich/ in den großen Modell, die Form und proportion des kleinen/ ganz nackend heraus komt. Wann nun das Bild also zu Stand gebracht worden/ und man daran etwas mit Gewand bekleiden will/ so nimt man was grobe ungebleichte/ oder/ dafern es fein subtil seyn soll/ zärtere Leinwat/ netzet den Tegel mit Wasser/ daß es wol weich werde/ umlegt und kleidet alsdann das Bild/ und schickt es in proportion Arbeit an dem Bilde. und Falten/ wie es seyn soll. Hierauf schreiten sie zu dem Werkstuck und Marmor selbst/ welches in der Vierung ausgehauen ist/ theilen es in die völlige Größe und Statur des Bildes/ mit den weitestausgehenden Gliedern der Arme und Füße/ messen alles fleissig ab/ und bemerken es mit der Kohle. 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Figuren werden sonst Rund genennt/ weil sie an allen Seiten können gesehen werden: gleich dem Menschen/ wann man ihn rings umkehret/ von dem sie auch abzusehen sind.
Von proportion der Bilder/ soll hernach/ bey der Mahlerey-Kunst/ mit mehrerm gesagt werden. Es wird auch der bäste Weg seyn/ wann der
Künstler in hernach-folgenden antichen Statuen des Laocon, Antinous, Faunus, Hercules, Apollo, Venus und drey Gratien/ und andere nachfolgende studiret/ und dieser berühmtesten Vorbildern nach gehet/ wie in folgendem vierten Capitel mit mehrerm soll gedacht werden.
Das II. Capitel.
Von
Den Bilderey-Modellen.
Innhalt.
Das Modell, wird von Wachs/ Lähmen oder Gyps gemacht. Wie das Wachs hierzu gerechtelt/ und ihm die Farbe gegeben werde? Großes Modell, von Erde oder Lähmen. Arbeit an dem Bilde. Ursach der Fehlere im Bildhauen. Fernere Arbeit an dem Bild/ und dessen Polirung.
ES pflegen die Bild-Künstlere/ wann sie wollen eine Statue oder Figur aus Marmor verfärtigen/ erstlich ein Modell und Muster zu bereiten/ von deme sie ihr absehen nemen/ und ist dessen Größe fast eines halben Arms/ oder etwas minder. Dieses machen sie aus Erde/ Lämen/ Wachs oder Gyps: weil diese materien die Gestalt jeder Figur annehmen und behalten. Nach diesem Modell, messen sie nachmals proportionaliter die Größe und Höhe des Steins/ den sie zu Färtigung ihres Bilds aushauen lassen: und wird dasselbe also bereitet.
Das Modell wird von Wachs/ Lämen oder Gyps gemacht. Erstlich/ das Wachs zu erweichen/ untermengen sie es mit etwas Inslicht/ Terpentin/ und schwarzem Harz oder Pech/ welche Stücke das Wachs weich/ anziehend und schwarz machen. Dieses/ mit den Händen ausgedehnet/gearbeitet/ und auf eine Stelle gesetzt/ wird vest und erhartet. Will man ihm eine andere Farbe geben/ so kan man Ziegelmeel/ oder sonst eine rohte tinctur, an stat des Pechs/ darunter mengen. Hierbey ist aber zu merken/ daß solche Farben zuvor zerstossen/ und alsdann mit dem zerflossenen Wachs/ wann es noch heiß/ müssen vermenget werden: und kan man sie nachmals auch zu den medaglien und andern Bildern gebrauchen. Diese Farben und Wachs/ mit Terpentin zusammen gemenget/ lassen sich hernach/ durch Wärme der Hände/ also abtreiben/ und zu einem Kügelein formiren: aus welchem sie folgends schöne zarte und subtile, auch dicke und große/ Bildnisen posiren/ auch solche an Hölzlein oder Eisen-Drätlein stecken/ daß sie alle Gliedmassen/ nach Notturft/ rühren/ biegen und bewegen mögen.
Wie das Wachs hierzu gerechtelt/
und ihm die Farbe gegeben werde? Eben also pflegen sie/ mit der Erde und dem Lämen zu verfahren: woraus sie auch die große Modellen nach des Steins Gestalt/ bilden/ als
groß die Statuen seyn sollen/ die sie in Marmor übertragen wollen. Damit aber diese Erde nicht zerspalte/ und ihr aus Lähmen oder Tegel aufgeführter stummer menschlicher Bau nicht zerfalle/ bedienen sie sich der Spreuer/ Schweinborsten und Roßhaare: welche/ mit dem Lähmen oder Erden untermengt/ selbige zusammen halten. Folgends überpappen sie dieselben vielfältig/ mit Leinwat oder Pappier/ überziehen sie aufs genäueste/ binden sie fäst mit schnüren/ und überlegen sie immer mehr und mehr mit Erde oder Tegel: bis endlich/ in den großen Modell, die Form und proportion des kleinen/ ganz nackend heraus komt. Wann nun das Bild also zu Stand gebracht worden/ und man daran etwas mit Gewand bekleiden will/ so nimt man was grobe ungebleichte/ oder/ dafern es fein subtil seyn soll/ zärtere Leinwat/ netzet den Tegel mit Wasser/ daß es wol weich werde/ umlegt und kleidet alsdann das Bild/ und schickt es in proportion und Falten/ wie es seyn soll. Hierauf schreiten sie zu dem Werkstuck und Marmor selbst/ welches in der Vierung ausgehauen ist/ theilen es in die völlige Größe und Statur des Bildes/ mit den weitestausgehenden Gliedern der Arme und Füße/ messen alles fleissig ab/ und bemerken es mit der Kohle. Wann nun solche Maß auf dem Stein rund herum stehet/ alsdann fängt man an hinein zu hauen: doch wird inzwischen immer wider gemessen/ von dem Modell ab auf den Stein/ damit man an der Maß nichts verliere/ und mus man also stäts mit der sorge um das Bild herum gehen/ bis es endlich seiner Figur und dem Modell gleich und ähnlich hervor komme. Die aber unbedachtsam vornen und ruckwerts drein hauen/ und ein Stuck nach dem andern abstümlen/ können nachmals keinen Abgang/ ob sie den schon selber spüren/ mehr ersetzen. Weil kein Ort übrig/ da sie es hinbringen könten/ indem sie den Stoff zuviel benommen/ und ihr Stuck unbesonnen verkünstlet haben. Es geschicht auch zum öftern/ mit spöttlicher
Große Modell, von Erde und Lämen.
Arbeit an dem Bilde.
Ursach der Fehlere im Bildhauen.
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Zitationshilfe: | Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 2 (Skulptur), S. 31]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/210>, abgerufen am 16.02.2025. |