Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] änge und finstere Porte zumachen/ und eben so viel seyn/ als wann man einem sonst herrlichen und wolproportionirten Leib/ einen wilden und häßlichen Kopf aufsetzete. Dahero mus allerdings eine vernünftige Ordnung/ in der designation und Austheilung/ gehalten werden. Damit nun alles bässer zu ergreiffen sey/ wollen wir hier ein modell, formular und Richtschnur beyfügen/ und soll alles auf das genaueste beobachtet werden.

Fürbild eines vollkommenen Baues. Anfangs soll die äuserliche facciata, frontispicium oder Portal/ in etwas von der Erden erhoben seyn/ daß eine oder zwey Staffel/ beym Antritt zu finden. Die Gewölber/ Keller und Küchen sollen/ so viel möglich/ mit einer annehmlichen Lüftigkeit/ Liechte und Helle/ begabet seyn/ um den Gefahren/ der Erdbeben und Ungewitter/ desto Der soll einen wolproportionirten Menschen gleichen. leichter zu entgehen. Zum andern/ so soll ein rechtschaffner Bau/ einen wolgestalten Menschen in völligem Corpo und allen Gliedmaßen/ ohne Mangel praesentiren.

Das Auswendige: Der äusere Bau/ so in der vorbeygehenden Angesicht fället/ soll prächtig/ majestätisch und herrlich seyn/ auch dem ganzen Gebäude/ wie das Angesicht dem menschlichen Cörper/ eine Zierde geben. Die Porte oder Thor. Die Porten oder das Thor mus just in der mitten/ wie der Mund in Mitte des Hauptes/ stehen. Fenster/ Die Fenster sollen die menschliche Augen abbilden/ welche zur rechten und linken müßen in gleicher Ebenmaße eingetheilet werden: und dieses ist auch von den Säulen/ Schwibbögen/ und andern Zierahten Zieraten/ Dachstul. zuverstehen. Der Dachstul/ auf dem das ganze Dach ruhet/ mus groß oder klein/ nach des äuserlichen Baues proportion, gestaltet werden/ auch oben sich so weit für sich neigen/ damit das Gebäu nicht von Regen und Ungewitter benetzet und abgewaschen werde.

Das Inwendige: Der Vorhof/ Wann ich hierauf in das Haus eintrette/ soll ich finden den Vorhof oder Eingang/ nach Möglichkeit/ weit/ ansehnlich und pompos: damit die durchgehende nicht etwan/ wegen Aenge/ von den aufwartenden Pferden gebissen oder geschlagen/ und Hof. oder sonst beleidiget werden. Der Hof soll/ wie der menschliche Leib/ formiret seyn/ nämlich in quadro oder viereckicht. Die Ubereinstimmung der Gemächer/ Thüren und Fenster/ soll dem ganzen Haus eine Herrlichkeit/ Schein und Zierde erwerben. Die Stiegen oder Treppen. Die Stiegen oder Treppen zum Aufsteigen/ sollen weit/ liecht/ und nicht mühlich-hoch/ auch/ als viel des Orts Gelegenheit zuläst/ mit einfallenden Fenstern versehen seyn. Diese bilden die Füße und Hände an dem Bau/ müssen demnach/ wie an dem menschlichen Leibe/ zur Seite stehen. Die Höhe jeder Stiegen soll nicht über fünf Staffeln halten/ und jede Staffel zwey drittel breit seyn.

Correspondenz der Gemächer. Die Zimmer sollen auch/ der Höhe nach/ recht übereinander geordnet seyn/ und kleines dem kleinen/ großes dem großen correspondiren. Dann gleichwie es ein Unform wäre/ wann der Mensch einen groß- und kleinen Arm/ einen kurz- und langen Fuß/ ein weiß- und schwarzes Gesicht hätte/ lahm/ krumm/ oder höckericht wäre: also/ würde auch/ wann man die Gleichheit und gebührende Maß in einem Bau nicht observiret/ eine scheusliche Mißgeburt von dieser so sinnreichen und hochgepriesnen [Spaltenumbruch] Mutter der Architectur oder Baukunst auf die Welt gebracht werden.

Von diminution der Mauren/ und deren Abtheilung.Von den Mauren ist hierbey noch zu erinnern/ daß/ je höher dieselben von den Boden aufwarts geführet werden/ je mehr auch zugleich die gedachten Mauren abnehmen/ und deswegen auf der Erden um den halben Theil schmäler/ als das Fundament selbst/ seyn sollen. Wie dann auch/ auf solche Weise/ die Mauren des zweyten Stocks um den achten Theil nach und nach/ bis zu oberst des Baues/ nach discretion abnehmen müßen. Und damit das obere Theil nicht allzu dünn werde/ so soll das mittlere Theil der Mauer von oben her/ nach der Bleywage/ gerad auf das mittlere Theil von unten her/eintreffen/ als von dannen die Mauer die Pyramidal-Form anzunehmen hat. Wann aber unten eine superficies und Erhöhung verlanget wird/ die in der geraden Linie stehen soll/ so mus solches in der innern Seite geschehen: weil die Quär-Balken und Geläger/ wie auch die Böden oder Gewölber/ und andere mehr Dinge des Gebäues/ die Mauer zum fallen oder bewegen nicht veranlassen. Den nachgebenden Theil aber/ weil er auswendig zu stehen kommt/ decket man mit einem Procinctu oder Cornice, welcher den ganzen Bau umfasset. Solches nun machet eine auserlesne Zierde/ und wird gleichsam ein Band des ganzen Baues.

Wie die Angulen oder Ecken einzurichten. Die Angulen oder Ecken betreffend/ weil sie der beyden Seiten gleichfalls theilhafft sind/ und noch über das deren Dienst ist/ solche gerad zusammen zu schliessen/ und zu erhalten/ als sollen sie in unbeweglicher Beständigkeit/ mit lang- und weitreichenden starken Steinen/ gleich als mit den Armen/ anhalten. Wie dann auch deswegen/ die Oeffnungen oder Fenster/ hiervon also weit abzusondern/ als immermehr möglich ist: und soll man zum wenigsten so viel Platz bey den Angulen frey lassen/ als die Fenster im Liecht halten.

Weil diese Baukunst-Regeln meist aus Italiänischen Autoren musten abgesehen/ und daher ihre Kunstwörter gebrauchet werden: als wird/ damit dem wehrten Leser vorhergehends und folgends desto eher bekant werde/ wie solche zu Teutsch lauten/ hiermit vorgestellet durch diese

Der edlen Baukunst Italiänisch-Teut-
sche Wörter-Tafel.

Baukunst-Wörter.

Abaco, Säulen-Platte.
Abozzo, oder Sbozzo, ein Entwurff.
Allata, Aufsatz.
Arcoterio, Dachstul.
Angolo, Eck.
Angoloto, Eckicht.
Architectura, Baukunst.
Architravo, Haupt-Dram.
Archivolto, Bogen-Zier.
Basamento, Untersatz.
Base, Fußzier.
Bastone, Stab.
Canale, Rinnen.
Capitelo, Schafftgesims.
Carottino, Holkeel.
Carotto doppio, doppelte Holkeel.
Cimacia, Untersatzgesims.

[Spaltenumbruch] änge und finstere Porte zumachen/ und eben so viel seyn/ als wann man einem sonst herrlichen und wolproportionirten Leib/ einen wilden und häßlichen Kopf aufsetzete. Dahero mus allerdings eine vernünftige Ordnung/ in der designation und Austheilung/ gehalten werden. Damit nun alles bässer zu ergreiffen sey/ wollen wir hier ein modell, formular und Richtschnur beyfügen/ und soll alles auf das genaueste beobachtet werden.

Fürbild eines vollkommenen Baues. Anfangs soll die äuserliche facciata, frontispicium oder Portal/ in etwas von der Erden erhoben seyn/ daß eine oder zwey Staffel/ beym Antritt zu finden. Die Gewölber/ Keller und Küchen sollen/ so viel möglich/ mit einer annehmlichen Lüftigkeit/ Liechte und Helle/ begabet seyn/ um den Gefahren/ der Erdbeben und Ungewitter/ desto Der soll einen wolproportionirten Menschen gleichen. leichter zu entgehen. Zum andern/ so soll ein rechtschaffner Bau/ einen wolgestalten Menschen in völligem Corpo und allen Gliedmaßen/ ohne Mangel praesentiren.

Das Auswendige: Der äusere Bau/ so in der vorbeygehenden Angesicht fället/ soll prächtig/ majestätisch und herrlich seyn/ auch dem ganzen Gebäude/ wie das Angesicht dem menschlichen Cörper/ eine Zierde geben. Die Porte oder Thor. Die Porten oder das Thor mus just in der mitten/ wie der Mund in Mitte des Hauptes/ stehen. Fenster/ Die Fenster sollen die menschliche Augen abbilden/ welche zur rechten und linken müßen in gleicher Ebenmaße eingetheilet werden: und dieses ist auch von den Säulen/ Schwibbögen/ und andern Zierahten Zieraten/ Dachstul. zuverstehen. Der Dachstul/ auf dem das ganze Dach ruhet/ mus groß oder klein/ nach des äuserlichen Baues proportion, gestaltet werden/ auch oben sich so weit für sich neigen/ damit das Gebäu nicht von Regen und Ungewitter benetzet und abgewaschen werde.

Das Inwendige: Der Vorhof/ Wann ich hierauf in das Haus eintrette/ soll ich finden den Vorhof oder Eingang/ nach Möglichkeit/ weit/ ansehnlich und pompos: damit die durchgehende nicht etwan/ wegen Aenge/ von den aufwartenden Pferden gebissen oder geschlagen/ und Hof. oder sonst beleidiget werden. Der Hof soll/ wie der menschliche Leib/ formiret seyn/ nämlich in quadro oder viereckicht. Die Ubereinstimmung der Gemächer/ Thüren und Fenster/ soll dem ganzen Haus eine Herrlichkeit/ Schein und Zierde erwerben. Die Stiegen oder Treppen. Die Stiegen oder Treppen zum Aufsteigen/ sollen weit/ liecht/ und nicht mühlich-hoch/ auch/ als viel des Orts Gelegenheit zuläst/ mit einfallenden Fenstern versehen seyn. Diese bilden die Füße und Hände an dem Bau/ müssen demnach/ wie an dem menschlichen Leibe/ zur Seite stehen. Die Höhe jeder Stiegen soll nicht über fünf Staffeln halten/ und jede Staffel zwey drittel breit seyn.

Correspondenz der Gemächer. Die Zimmer sollen auch/ der Höhe nach/ recht übereinander geordnet seyn/ und kleines dem kleinen/ großes dem großen correspondiren. Dann gleichwie es ein Unform wäre/ wann der Mensch einen groß- und kleinen Arm/ einen kurz- und langen Fuß/ ein weiß- und schwarzes Gesicht hätte/ lahm/ krumm/ oder höckericht wäre: also/ würde auch/ wann man die Gleichheit und gebührende Maß in einem Bau nicht observiret/ eine scheusliche Mißgeburt von dieser so sinnreichen und hochgepriesnen [Spaltenumbruch] Mutter der Architectur oder Baukunst auf die Welt gebracht werden.

Von diminution der Mauren/ und deren Abtheilung.Von den Mauren ist hierbey noch zu erinnern/ daß/ je höher dieselben von den Boden aufwarts geführet werden/ je mehr auch zugleich die gedachten Mauren abnehmen/ und deswegen auf der Erden um den halben Theil schmäler/ als das Fundament selbst/ seyn sollen. Wie dann auch/ auf solche Weise/ die Mauren des zweyten Stocks um den achten Theil nach und nach/ bis zu oberst des Baues/ nach discretion abnehmen müßen. Und damit das obere Theil nicht allzu dünn werde/ so soll das mittlere Theil der Mauer von oben her/ nach der Bleywage/ gerad auf das mittlere Theil von unten her/eintreffen/ als von dannen die Mauer die Pyramidal-Form anzunehmen hat. Wann aber unten eine superficies und Erhöhung verlanget wird/ die in der geraden Linie stehen soll/ so mus solches in der innern Seite geschehen: weil die Quär-Balken und Geläger/ wie auch die Böden oder Gewölber/ und andere mehr Dinge des Gebäues/ die Mauer zum fallen oder bewegen nicht veranlassen. Den nachgebenden Theil aber/ weil er auswendig zu stehen kommt/ decket man mit einem Procinctu oder Cornice, welcher den ganzen Bau umfasset. Solches nun machet eine auserlesne Zierde/ und wird gleichsam ein Band des ganzen Baues.

Wie die Angulen oder Ecken einzurichten. Die Angulen oder Ecken betreffend/ weil sie der beyden Seiten gleichfalls theilhafft sind/ und noch über das deren Dienst ist/ solche gerad zusammen zu schliessen/ und zu erhalten/ als sollen sie in unbeweglicher Beständigkeit/ mit lang- und weitreichenden starken Steinen/ gleich als mit den Armen/ anhalten. Wie dann auch deswegen/ die Oeffnungen oder Fenster/ hiervon also weit abzusondern/ als immermehr möglich ist: und soll man zum wenigsten so viel Platz bey den Angulen frey lassen/ als die Fenster im Liecht halten.

Weil diese Baukunst-Regeln meist aus Italiänischen Autoren musten abgesehen/ und daher ihre Kunstwörter gebrauchet werden: als wird/ damit dem wehrten Leser vorhergehends und folgends desto eher bekant werde/ wie solche zu Teutsch lauten/ hiermit vorgestellet durch diese

Der edlen Baukunst Italiänisch-Teut-
sche Wörter-Tafel.

Baukunst-Wörter.

Abaco, Säulen-Platte.
Abozzo, oder Sbozzo, ein Entwurff.
Allata, Aufsatz.
Arcoterio, Dachstul.
Angolo, Eck.
Angoloto, Eckicht.
Architectura, Baukunst.
Architravo, Haupt-Dram.
Archivolto, Bogen-Zier.
Basamento, Untersatz.
Base, Fußzier.
Bastone, Stab.
Canale, Rinnen.
Capitelo, Schafftgesims.
Carottino, Holkeel.
Carotto doppio, doppelte Holkeel.
Cimacia, Untersatzgesims.

<TEI>
  <text xml:id="ta1675">
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p xml:id="p66.7"><pb facs="#f0117" xml:id="pb-67" n="[I, Buch 1 (Architektur), S. 18]"/><cb/>
änge und finstere Porte zumachen/ und eben so viel seyn/ als wann man einem sonst herrlichen und <hi rendition="#aq">wolproportion</hi>irten Leib/ einen wilden und häßlichen Kopf aufsetzete. Dahero mus allerdings eine vernünftige Ordnung/ in der <hi rendition="#aq">designation</hi> und Austheilung/ gehalten werden. Damit nun alles bässer zu ergreiffen sey/ wollen wir hier ein <hi rendition="#aq">modell, formular</hi> und Richtschnur beyfügen/ und soll alles auf das genaueste beobachtet werden.</p>
          <p xml:id="p67.1"><note place="right">Fürbild eines vollkommenen Baues.</note> Anfangs soll die äuserliche <hi rendition="#aq">facciata, frontispicium</hi> oder Portal/ in etwas von der Erden erhoben seyn/ daß eine oder zwey Staffel/ beym Antritt zu finden. Die Gewölber/ Keller und Küchen sollen/ so viel möglich/ mit einer annehmlichen Lüftigkeit/ Liechte und Helle/ begabet seyn/ um den Gefahren/ der Erdbeben und Ungewitter/ desto <note place="right">Der soll einen <hi rendition="#aq">wolproportion</hi>irten Menschen gleichen.</note> leichter zu entgehen. Zum andern/ so soll ein rechtschaffner Bau/ einen wolgestalten Menschen in völligem <hi rendition="#aq">Corpo</hi> und allen Gliedmaßen/ ohne Mangel <hi rendition="#aq">praesent</hi>iren.</p>
          <p><note place="right">Das Auswendige:</note> Der äusere Bau/ so in der vorbeygehenden Angesicht fället/ soll prächtig/ majestätisch und herrlich seyn/ auch dem ganzen Gebäude/ wie das Angesicht dem menschlichen Cörper/ eine Zierde geben. <note place="right">Die Porte oder Thor.</note> Die Porten oder das Thor mus just in der mitten/ wie der Mund in Mitte des Hauptes/ stehen. <note place="right">Fenster/</note> Die Fenster sollen die menschliche Augen abbilden/ welche zur rechten und linken müßen in gleicher Ebenmaße eingetheilet werden: und dieses ist auch von den Säulen/ Schwibbögen/ und andern Zierahten <note place="right">Zieraten/ Dachstul.</note> zuverstehen. Der Dachstul/ auf dem das ganze Dach ruhet/ mus groß oder klein/ nach des äuserlichen Baues <hi rendition="#aq">proportion,</hi> gestaltet werden/ auch oben sich so weit für sich neigen/ damit das Gebäu nicht von Regen und Ungewitter benetzet und abgewaschen werde.</p>
          <p><note place="right">Das Inwendige: Der Vorhof/</note> Wann <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> hierauf in das Haus eintrette/ soll <persName ref="http://ta.sandrart.net/-person-836">ich</persName> finden den Vorhof oder Eingang/ nach Möglichkeit/ weit/ ansehnlich und <hi rendition="#aq">pompos</hi>: damit die durchgehende nicht etwan/ wegen Aenge/ von den aufwartenden Pferden gebissen oder geschlagen/ <note place="right">und Hof.</note> oder sonst beleidiget werden. Der Hof soll/ wie der menschliche Leib/ <hi rendition="#aq">formi</hi>ret seyn/ nämlich <hi rendition="#aq">in quadro</hi> oder viereckicht. Die Ubereinstimmung der Gemächer/ Thüren und Fenster/ soll dem ganzen Haus eine Herrlichkeit/ Schein und Zierde erwerben. <note place="right">Die Stiegen oder Treppen.</note> Die Stiegen oder Treppen zum Aufsteigen/ sollen weit/ liecht/ und nicht mühlich-hoch/ auch/ als viel des Orts Gelegenheit zuläst/ mit einfallenden Fenstern versehen seyn. Diese bilden die Füße und Hände an dem Bau/ müssen demnach/ wie an dem menschlichen Leibe/ zur Seite stehen. Die Höhe jeder Stiegen soll nicht über fünf Staffeln halten/ und jede Staffel zwey drittel breit seyn.</p>
          <p><note place="right"><hi rendition="#aq">Correspondenz</hi> der Gemächer.</note> Die Zimmer sollen auch/ der Höhe nach/ recht übereinander geordnet seyn/ und kleines dem kleinen/ großes dem großen <hi rendition="#aq">correspondi</hi>ren. Dann gleichwie es ein Unform wäre/ wann der Mensch einen groß- und kleinen Arm/ einen kurz- und langen Fuß/ ein weiß- und schwarzes Gesicht hätte/ lahm/ krumm/ oder höckericht wäre: also/ würde auch/ wann man die Gleichheit und gebührende Maß in einem Bau nicht <hi rendition="#aq">observi</hi>ret/ eine scheusliche Mißgeburt von dieser so sinnreichen und hochgepriesnen
<cb/>
Mutter der <hi rendition="#aq">Architectur</hi> oder Baukunst auf die Welt gebracht werden.</p>
          <p xml:id="p67.3"><note place="right">Von <hi rendition="#aq">diminution</hi> der Mauren/ und deren Abtheilung.</note>Von den Mauren ist hierbey noch zu erinnern/ daß/ je höher dieselben von den Boden aufwarts geführet werden/ je mehr auch zugleich die gedachten Mauren abnehmen/ und deswegen auf der Erden um den halben Theil schmäler/ als das Fundament selbst/ seyn sollen. Wie dann auch/ auf solche Weise/ die Mauren des zweyten Stocks um den achten Theil nach und nach/ bis zu oberst des Baues/ nach <hi rendition="#aq">discretion</hi> abnehmen müßen. Und damit das obere Theil nicht allzu dünn werde/ so soll das mittlere Theil der Mauer von oben her/ nach der Bleywage/ gerad auf das mittlere Theil von unten her/eintreffen/ als von dannen die Mauer die Pyramidal-Form anzunehmen hat. Wann aber unten eine <hi rendition="#aq">superficies</hi> und Erhöhung verlanget wird/ die in der geraden Linie stehen soll/ so mus solches in der innern Seite geschehen: weil die Quär-Balken und Geläger/ wie auch die Böden oder Gewölber/ und andere mehr Dinge des Gebäues/ die Mauer zum fallen oder bewegen nicht veranlassen. Den nachgebenden Theil aber/ weil er auswendig zu stehen kommt/ decket man mit einem <hi rendition="#aq">Procinctu</hi> oder <hi rendition="#aq">Cornice,</hi> welcher den ganzen Bau umfasset. Solches nun machet eine auserlesne Zierde/ und wird gleichsam ein Band des ganzen Baues.</p>
          <p><note place="right">Wie die <hi rendition="#aq">Angul</hi>en oder Ecken einzurichten.</note> Die <hi rendition="#aq">Angul</hi>en oder Ecken betreffend/ weil sie der beyden Seiten gleichfalls theilhafft sind/ und noch über das deren Dienst ist/ solche gerad zusammen zu schliessen/ und zu erhalten/ als sollen sie in unbeweglicher Beständigkeit/ mit lang- und weitreichenden starken Steinen/ gleich als mit den Armen/ anhalten. Wie dann auch deswegen/ die Oeffnungen oder Fenster/ hiervon also weit abzusondern/ als immermehr möglich ist: und soll man zum wenigsten so viel Platz bey den <hi rendition="#aq">Angul</hi>en frey lassen/ als die Fenster im Liecht halten.</p>
          <p>Weil diese Baukunst-Regeln meist aus Italiänischen <hi rendition="#aq">Autor</hi>en musten abgesehen/ und daher ihre Kunstwörter gebrauchet werden: als wird/ damit dem wehrten Leser vorhergehends und folgends desto eher bekant werde/ wie solche zu Teutsch lauten/ hiermit vorgestellet durch diese</p>
          <p xml:id="p67.2">Der edlen Baukunst Italiänisch-Teut-<lb/>
sche Wörter-Tafel.</p>
          <note place="right">Baukunst-Wörter.</note>
          <p><hi rendition="#aq">Abaco,</hi> Säulen-Platte.<lb/><hi rendition="#aq">Abozzo,</hi> oder <hi rendition="#aq">Sbozzo,</hi> ein Entwurff.<lb/><hi rendition="#aq">Allata,</hi> Aufsatz.<lb/><hi rendition="#aq">Arcoterio,</hi> Dachstul.<lb/><hi rendition="#aq">Angolo,</hi> Eck.<lb/><hi rendition="#aq">Angoloto,</hi> Eckicht.<lb/><hi rendition="#aq">Architectura,</hi> Baukunst.<lb/><hi rendition="#aq">Architravo,</hi> Haupt-Dram.<lb/><hi rendition="#aq">Archivolto,</hi> Bogen-Zier.<lb/><hi rendition="#aq">Basamento,</hi> Untersatz.<lb/><hi rendition="#aq">Base,</hi> Fußzier.<lb/><hi rendition="#aq">Bastone,</hi> Stab.<lb/><hi rendition="#aq">Canale,</hi> Rinnen.<lb/><hi rendition="#aq">Capitelo,</hi> Schafftgesims.<lb/><hi rendition="#aq">Carottino,</hi> Holkeel.<lb/><hi rendition="#aq">Carotto doppio,</hi> doppelte Holkeel.<lb/><hi rendition="#aq">Cimacia,</hi> Untersatzgesims.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[I, Buch 1 (Architektur), S. 18]/0117] änge und finstere Porte zumachen/ und eben so viel seyn/ als wann man einem sonst herrlichen und wolproportionirten Leib/ einen wilden und häßlichen Kopf aufsetzete. Dahero mus allerdings eine vernünftige Ordnung/ in der designation und Austheilung/ gehalten werden. Damit nun alles bässer zu ergreiffen sey/ wollen wir hier ein modell, formular und Richtschnur beyfügen/ und soll alles auf das genaueste beobachtet werden. Anfangs soll die äuserliche facciata, frontispicium oder Portal/ in etwas von der Erden erhoben seyn/ daß eine oder zwey Staffel/ beym Antritt zu finden. Die Gewölber/ Keller und Küchen sollen/ so viel möglich/ mit einer annehmlichen Lüftigkeit/ Liechte und Helle/ begabet seyn/ um den Gefahren/ der Erdbeben und Ungewitter/ desto leichter zu entgehen. Zum andern/ so soll ein rechtschaffner Bau/ einen wolgestalten Menschen in völligem Corpo und allen Gliedmaßen/ ohne Mangel praesentiren. Fürbild eines vollkommenen Baues. Der soll einen wolproportionirten Menschen gleichen. Der äusere Bau/ so in der vorbeygehenden Angesicht fället/ soll prächtig/ majestätisch und herrlich seyn/ auch dem ganzen Gebäude/ wie das Angesicht dem menschlichen Cörper/ eine Zierde geben. Die Porten oder das Thor mus just in der mitten/ wie der Mund in Mitte des Hauptes/ stehen. Die Fenster sollen die menschliche Augen abbilden/ welche zur rechten und linken müßen in gleicher Ebenmaße eingetheilet werden: und dieses ist auch von den Säulen/ Schwibbögen/ und andern Zierahten zuverstehen. Der Dachstul/ auf dem das ganze Dach ruhet/ mus groß oder klein/ nach des äuserlichen Baues proportion, gestaltet werden/ auch oben sich so weit für sich neigen/ damit das Gebäu nicht von Regen und Ungewitter benetzet und abgewaschen werde. Das Auswendige: Die Porte oder Thor. Fenster/ Zieraten/ Dachstul. Wann ich hierauf in das Haus eintrette/ soll ich finden den Vorhof oder Eingang/ nach Möglichkeit/ weit/ ansehnlich und pompos: damit die durchgehende nicht etwan/ wegen Aenge/ von den aufwartenden Pferden gebissen oder geschlagen/ oder sonst beleidiget werden. Der Hof soll/ wie der menschliche Leib/ formiret seyn/ nämlich in quadro oder viereckicht. Die Ubereinstimmung der Gemächer/ Thüren und Fenster/ soll dem ganzen Haus eine Herrlichkeit/ Schein und Zierde erwerben. Die Stiegen oder Treppen zum Aufsteigen/ sollen weit/ liecht/ und nicht mühlich-hoch/ auch/ als viel des Orts Gelegenheit zuläst/ mit einfallenden Fenstern versehen seyn. Diese bilden die Füße und Hände an dem Bau/ müssen demnach/ wie an dem menschlichen Leibe/ zur Seite stehen. Die Höhe jeder Stiegen soll nicht über fünf Staffeln halten/ und jede Staffel zwey drittel breit seyn. Das Inwendige: Der Vorhof/ und Hof. Die Stiegen oder Treppen. Die Zimmer sollen auch/ der Höhe nach/ recht übereinander geordnet seyn/ und kleines dem kleinen/ großes dem großen correspondiren. Dann gleichwie es ein Unform wäre/ wann der Mensch einen groß- und kleinen Arm/ einen kurz- und langen Fuß/ ein weiß- und schwarzes Gesicht hätte/ lahm/ krumm/ oder höckericht wäre: also/ würde auch/ wann man die Gleichheit und gebührende Maß in einem Bau nicht observiret/ eine scheusliche Mißgeburt von dieser so sinnreichen und hochgepriesnen Mutter der Architectur oder Baukunst auf die Welt gebracht werden. Correspondenz der Gemächer.Von den Mauren ist hierbey noch zu erinnern/ daß/ je höher dieselben von den Boden aufwarts geführet werden/ je mehr auch zugleich die gedachten Mauren abnehmen/ und deswegen auf der Erden um den halben Theil schmäler/ als das Fundament selbst/ seyn sollen. Wie dann auch/ auf solche Weise/ die Mauren des zweyten Stocks um den achten Theil nach und nach/ bis zu oberst des Baues/ nach discretion abnehmen müßen. Und damit das obere Theil nicht allzu dünn werde/ so soll das mittlere Theil der Mauer von oben her/ nach der Bleywage/ gerad auf das mittlere Theil von unten her/eintreffen/ als von dannen die Mauer die Pyramidal-Form anzunehmen hat. Wann aber unten eine superficies und Erhöhung verlanget wird/ die in der geraden Linie stehen soll/ so mus solches in der innern Seite geschehen: weil die Quär-Balken und Geläger/ wie auch die Böden oder Gewölber/ und andere mehr Dinge des Gebäues/ die Mauer zum fallen oder bewegen nicht veranlassen. Den nachgebenden Theil aber/ weil er auswendig zu stehen kommt/ decket man mit einem Procinctu oder Cornice, welcher den ganzen Bau umfasset. Solches nun machet eine auserlesne Zierde/ und wird gleichsam ein Band des ganzen Baues. Von diminution der Mauren/ und deren Abtheilung. Die Angulen oder Ecken betreffend/ weil sie der beyden Seiten gleichfalls theilhafft sind/ und noch über das deren Dienst ist/ solche gerad zusammen zu schliessen/ und zu erhalten/ als sollen sie in unbeweglicher Beständigkeit/ mit lang- und weitreichenden starken Steinen/ gleich als mit den Armen/ anhalten. Wie dann auch deswegen/ die Oeffnungen oder Fenster/ hiervon also weit abzusondern/ als immermehr möglich ist: und soll man zum wenigsten so viel Platz bey den Angulen frey lassen/ als die Fenster im Liecht halten. Wie die Angulen oder Ecken einzurichten.Weil diese Baukunst-Regeln meist aus Italiänischen Autoren musten abgesehen/ und daher ihre Kunstwörter gebrauchet werden: als wird/ damit dem wehrten Leser vorhergehends und folgends desto eher bekant werde/ wie solche zu Teutsch lauten/ hiermit vorgestellet durch diese Der edlen Baukunst Italiänisch-Teut- sche Wörter-Tafel. Abaco, Säulen-Platte. Abozzo, oder Sbozzo, ein Entwurff. Allata, Aufsatz. Arcoterio, Dachstul. Angolo, Eck. Angoloto, Eckicht. Architectura, Baukunst. Architravo, Haupt-Dram. Archivolto, Bogen-Zier. Basamento, Untersatz. Base, Fußzier. Bastone, Stab. Canale, Rinnen. Capitelo, Schafftgesims. Carottino, Holkeel. Carotto doppio, doppelte Holkeel. Cimacia, Untersatzgesims.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Sandrart.net: Bereitstellung der Texttranskription in XML/TEI. (2013-05-21T09:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus sandrart.net entsprechen muss.
Sandrart.net: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-05-21T09:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-05-21T09:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Bei Worttrennungen am Spalten- oder Seitenumbruch, steht das gesamte Wort auf der vorhergehenden Spalte bzw. Seite.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/117
Zitationshilfe: Sandrart, Joachim von: L’Academia Todesca. della Architectura, Scultura & Pittura: Oder Teutsche Academie der Edlen Bau- Bild- und Mahlerey-Künste. Bd. 1,1. Nürnberg, 1675, S. [I, Buch 1 (Architektur), S. 18]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sandrart_academie0101_1675/117>, abgerufen am 27.11.2024.