Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889.Ich habe im Leben nur zu oft gesehen, dass Ich habe im Leben nur zu oft geſehen, daſs <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0049" n="21"/> <p>Ich habe im Leben nur zu oft geſehen, daſs<lb/> liebevolle Eltern auf die Antwort, welche ein Kind<lb/> auf die Frage: „Was willſt du werden?“ giebt, zumal<lb/> wenn es heranwachſend dieſelbe mit einer gewiſſen<lb/> Zähigkeit feſthält und wiederholt, ein gar zu großes<lb/> und unverhältnismäßiges Gewicht legen, als ſpräche<lb/> ſich in einer ſolchen Antwort in der That immer eine<lb/> beſtimmte Neigung und eine beſondere Begabung für<lb/> den von dem Kinde genannten Beruf aus. Man<lb/> ſollte doch aber wohl erwägen, daſs, wenn ein Knabe<lb/> auf die Frage, was er werden wolle, den Beruf<lb/> ſeines Vaters nennt, ſich darin oft nur der kindiſche<lb/> oder kindliche Nachahmungstrieb äußert, daſs der<lb/> Knabe, der erhitzt und aufgeregt durch das Leſen<lb/> ſeines Robinſon und wunderbarer, abenteuerlicher<lb/> Seereiſen, es als ſeinen höchſten Wunſch bezeichnet,<lb/> ein Seemann zu werden, meiſt nicht die geringſte<lb/> Ahnung von dieſem Berufe, ſeinen Beſchwerden und<lb/> Gefahren hat, — daſs überhaupt Kinder über einen<lb/> Beruf faſt immer nur nach Äußerlichkeiten urtheilen<lb/> und urtheilen können, ohne die Licht- und Schatten-<lb/> ſeiten zu kennen und ohne zu einem wirklichen Urtheil<lb/> über ihre Befähigung für den Beruf irgend berechtigt<lb/> zu ſein. Sorgfältige Eltern und Erzieher werden in<lb/> der Regel beſſer und richtiger erkennen, wozu ein Kind<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [21/0049]
Ich habe im Leben nur zu oft geſehen, daſs
liebevolle Eltern auf die Antwort, welche ein Kind
auf die Frage: „Was willſt du werden?“ giebt, zumal
wenn es heranwachſend dieſelbe mit einer gewiſſen
Zähigkeit feſthält und wiederholt, ein gar zu großes
und unverhältnismäßiges Gewicht legen, als ſpräche
ſich in einer ſolchen Antwort in der That immer eine
beſtimmte Neigung und eine beſondere Begabung für
den von dem Kinde genannten Beruf aus. Man
ſollte doch aber wohl erwägen, daſs, wenn ein Knabe
auf die Frage, was er werden wolle, den Beruf
ſeines Vaters nennt, ſich darin oft nur der kindiſche
oder kindliche Nachahmungstrieb äußert, daſs der
Knabe, der erhitzt und aufgeregt durch das Leſen
ſeines Robinſon und wunderbarer, abenteuerlicher
Seereiſen, es als ſeinen höchſten Wunſch bezeichnet,
ein Seemann zu werden, meiſt nicht die geringſte
Ahnung von dieſem Berufe, ſeinen Beſchwerden und
Gefahren hat, — daſs überhaupt Kinder über einen
Beruf faſt immer nur nach Äußerlichkeiten urtheilen
und urtheilen können, ohne die Licht- und Schatten-
ſeiten zu kennen und ohne zu einem wirklichen Urtheil
über ihre Befähigung für den Beruf irgend berechtigt
zu ſein. Sorgfältige Eltern und Erzieher werden in
der Regel beſſer und richtiger erkennen, wozu ein Kind
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