Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889.

Bild:
<< vorherige Seite

Arbeit und die Zeit, in welcher dieser Abschluss er-
folgte, unter die letzte Zeile meiner Handschrift für mich
die Bemerkung gesetzt:

"beendet den 11. Juli 1865, Nachmittag 5 Minuten
vor halb 2 Uhr.

EST DEUS IN NOBIS, AGITANTE CALESCI-
MVS ILLO."

Ich entsinne mich des Augenblicks noch sehr genau,
es war in der glühendsten Mittagshitze des brennend
heißen Sommertages. Wohl empfand ich hohe Freude
darüber, dass nach jahrelanger rastloser, mühevoller
Arbeit das Werk, zu welchem der Gott in meiner
Brust mich nicht nur angeregt, sondern auch mir die
Ausdauer und die Kraft verliehen, zum glücklichen
Abschluss gediehen sei; aber in das Gefühl dieser
Freude mischte sich doch -- wohl mit unter dem Ein-
fluss der drückenden Schwüle -- zunächst nicht (wie
ich es mir vorher wiederholt ausgemalt) das Wohl-
gefühl der wohlverdienten Muße, die ich mir nun
einige Zeit hindurch gönnen könnte, sondern ein ge-
wisses beklemmendes Angstgefühl, ähnlich, wie es der
Chor in Schiller's "Braut von Messina" ausspricht:

2

Arbeit und die Zeit, in welcher dieſer Abſchluſs er-
folgte, unter die letzte Zeile meiner Handſchrift für mich
die Bemerkung geſetzt:

„beendet den 11. Juli 1865, Nachmittag 5 Minuten
vor halb 2 Uhr.

EST DEUS IN NOBIS, AGITANTE CALESCI-
MVS ILLO.“

Ich entſinne mich des Augenblicks noch ſehr genau,
es war in der glühendſten Mittagshitze des brennend
heißen Sommertages. Wohl empfand ich hohe Freude
darüber, daſs nach jahrelanger raſtloſer, mühevoller
Arbeit das Werk, zu welchem der Gott in meiner
Bruſt mich nicht nur angeregt, ſondern auch mir die
Ausdauer und die Kraft verliehen, zum glücklichen
Abſchluſs gediehen ſei; aber in das Gefühl dieſer
Freude miſchte ſich doch — wohl mit unter dem Ein-
fluſs der drückenden Schwüle — zunächſt nicht (wie
ich es mir vorher wiederholt ausgemalt) das Wohl-
gefühl der wohlverdienten Muße, die ich mir nun
einige Zeit hindurch gönnen könnte, ſondern ein ge-
wiſſes beklemmendes Angſtgefühl, ähnlich, wie es der
Chor in Schiller’s „Braut von Meſſina“ ausſpricht:

2
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0025" n="XVII"/>
Arbeit und die Zeit, in welcher die&#x017F;er Ab&#x017F;chlu&#x017F;s er-<lb/>
folgte, unter die letzte Zeile meiner Hand&#x017F;chrift für mich<lb/>
die Bemerkung ge&#x017F;etzt:</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">&#x201E;beendet den 11. Juli 1865, Nachmittag 5 Minuten<lb/>
vor halb 2 Uhr.</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#et">EST DEUS IN NOBIS, AGITANTE CALESCI-<lb/>
MVS ILLO.&#x201C;</hi> </p><lb/>
        <p>Ich ent&#x017F;inne mich des Augenblicks noch &#x017F;ehr genau,<lb/>
es war in der glühend&#x017F;ten Mittagshitze des brennend<lb/>
heißen Sommertages. Wohl empfand ich hohe Freude<lb/>
darüber, da&#x017F;s nach jahrelanger ra&#x017F;tlo&#x017F;er, mühevoller<lb/>
Arbeit das Werk, zu welchem der Gott in meiner<lb/>
Bru&#x017F;t mich nicht nur angeregt, &#x017F;ondern auch mir die<lb/>
Ausdauer und die Kraft verliehen, zum glücklichen<lb/>
Ab&#x017F;chlu&#x017F;s gediehen &#x017F;ei; aber in das Gefühl die&#x017F;er<lb/>
Freude mi&#x017F;chte &#x017F;ich doch &#x2014; wohl mit unter dem Ein-<lb/>
flu&#x017F;s der drückenden Schwüle &#x2014; zunäch&#x017F;t nicht (wie<lb/>
ich es mir vorher wiederholt ausgemalt) das Wohl-<lb/>
gefühl der wohlverdienten Muße, die ich mir nun<lb/>
einige Zeit hindurch gönnen könnte, &#x017F;ondern ein ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;es beklemmendes Ang&#x017F;tgefühl, ähnlich, wie es der<lb/>
Chor in Schiller&#x2019;s &#x201E;Braut von Me&#x017F;&#x017F;ina&#x201C; aus&#x017F;pricht:</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">2</fw><lb/>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XVII/0025] Arbeit und die Zeit, in welcher dieſer Abſchluſs er- folgte, unter die letzte Zeile meiner Handſchrift für mich die Bemerkung geſetzt: „beendet den 11. Juli 1865, Nachmittag 5 Minuten vor halb 2 Uhr. EST DEUS IN NOBIS, AGITANTE CALESCI- MVS ILLO.“ Ich entſinne mich des Augenblicks noch ſehr genau, es war in der glühendſten Mittagshitze des brennend heißen Sommertages. Wohl empfand ich hohe Freude darüber, daſs nach jahrelanger raſtloſer, mühevoller Arbeit das Werk, zu welchem der Gott in meiner Bruſt mich nicht nur angeregt, ſondern auch mir die Ausdauer und die Kraft verliehen, zum glücklichen Abſchluſs gediehen ſei; aber in das Gefühl dieſer Freude miſchte ſich doch — wohl mit unter dem Ein- fluſs der drückenden Schwüle — zunächſt nicht (wie ich es mir vorher wiederholt ausgemalt) das Wohl- gefühl der wohlverdienten Muße, die ich mir nun einige Zeit hindurch gönnen könnte, ſondern ein ge- wiſſes beklemmendes Angſtgefühl, ähnlich, wie es der Chor in Schiller’s „Braut von Meſſina“ ausſpricht: 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/25
Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/25>, abgerufen am 27.11.2024.