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Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889.

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urplötzlich -- es war grade an meinem Geburtstag --
als eine keineswegs angenehme Überraschung eine
Drahtbotschaft, ich möchte meinen Aufsatz doch schleu-
nigst noch einmal einsenden, da er auf räthselhafte
und unerklärliche Weise in der Druckerei spurlos ver-
schwunden und trotz des eifrigsten Nachsuchens nicht
wieder aufzufinden sei.

Darauf musste ich aber antworten: Ich kann den
Aufsatz -- namentlich so urplötzlich -- nicht noch ein-
mal einsenden, da ich weder eine Abschrift noch einen
Entwurf besitze, und so erschien denn der erste Band
der Zeitschrift ohne meinen Aufsatz, aber mit der --
den Uneingeweihten wohl schwer verständlichen -- Be-
merkung im Briefkasten:
"Die verehrten Leser, welchen wir im ersten
Bande eine Arbeit des .... Sprachforschers Daniel
Sanders versprachen, bitten wir um Entschuldigung,
dass wir die Erfüllung dieses Versprechens beson-
derer Gründe halber aufschieben mussten."

Ein zweiter Band der Zeitschrift aber ist niemals
erschienen; und die Leser werden begreiflich finden, dass
ich nicht daran dachte, die verlorene Arbeit, deren Er-
scheinen sich so viele widrige Zwischenfälle in den Weg
gestellt hatten, noch einmal zu schreiben und zu Ende
zu führen, zumal ich durch andere inzwischen auf-

urplötzlich — es war grade an meinem Geburtstag —
als eine keineswegs angenehme Überraſchung eine
Drahtbotſchaft, ich möchte meinen Aufſatz doch ſchleu-
nigſt noch einmal einſenden, da er auf räthſelhafte
und unerklärliche Weiſe in der Druckerei ſpurlos ver-
ſchwunden und trotz des eifrigſten Nachſuchens nicht
wieder aufzufinden ſei.

Darauf muſste ich aber antworten: Ich kann den
Aufſatz — namentlich ſo urplötzlich — nicht noch ein-
mal einſenden, da ich weder eine Abſchrift noch einen
Entwurf beſitze, und ſo erſchien denn der erſte Band
der Zeitſchrift ohne meinen Aufſatz, aber mit der —
den Uneingeweihten wohl ſchwer verſtändlichen — Be-
merkung im Briefkaſten:
„Die verehrten Leſer, welchen wir im erſten
Bande eine Arbeit des .... Sprachforſchers Daniel
Sanders verſprachen, bitten wir um Entſchuldigung,
daſs wir die Erfüllung dieſes Verſprechens beſon-
derer Gründe halber aufſchieben muſsten.“

Ein zweiter Band der Zeitſchrift aber iſt niemals
erſchienen; und die Leſer werden begreiflich finden, daſs
ich nicht daran dachte, die verlorene Arbeit, deren Er-
ſcheinen ſich ſo viele widrige Zwiſchenfälle in den Weg
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[XII/0020] urplötzlich — es war grade an meinem Geburtstag — als eine keineswegs angenehme Überraſchung eine Drahtbotſchaft, ich möchte meinen Aufſatz doch ſchleu- nigſt noch einmal einſenden, da er auf räthſelhafte und unerklärliche Weiſe in der Druckerei ſpurlos ver- ſchwunden und trotz des eifrigſten Nachſuchens nicht wieder aufzufinden ſei. Darauf muſste ich aber antworten: Ich kann den Aufſatz — namentlich ſo urplötzlich — nicht noch ein- mal einſenden, da ich weder eine Abſchrift noch einen Entwurf beſitze, und ſo erſchien denn der erſte Band der Zeitſchrift ohne meinen Aufſatz, aber mit der — den Uneingeweihten wohl ſchwer verſtändlichen — Be- merkung im Briefkaſten: „Die verehrten Leſer, welchen wir im erſten Bande eine Arbeit des .... Sprachforſchers Daniel Sanders verſprachen, bitten wir um Entſchuldigung, daſs wir die Erfüllung dieſes Verſprechens beſon- derer Gründe halber aufſchieben muſsten.“ Ein zweiter Band der Zeitſchrift aber iſt niemals erſchienen; und die Leſer werden begreiflich finden, daſs ich nicht daran dachte, die verlorene Arbeit, deren Er- ſcheinen ſich ſo viele widrige Zwiſchenfälle in den Weg geſtellt hatten, noch einmal zu ſchreiben und zu Ende zu führen, zumal ich durch andere inzwiſchen auf-

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Zitationshilfe: Sanders, Daniel: Aus der Werkstatt eines Wörterbuchschreibers. Plaudereien. Berlin, 1889, S. XII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sanders_woerterbuchschreiber_1889/20>, abgerufen am 23.11.2024.