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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Ueble Folgen der Gleichgültigkeit.
Thorheit war, (1 Cor. 1, 23.) ist wiedergekommen. Aber
wahrlich! nur ein Blick in die Welt, in die großen
Städte, wo Weisheit, Geschmack, Wissenschaften und
Künste blühen, nur eine Uebersicht des Ganzen, so wird
man überzeugt werden, daß durch die Verfeinerung der
Religion, durch die vortheilhaften Gemälde, die man
jezt vom menschlichen Herzen entwirft, durch die großen
Lobsprüche, die man jezt der Tugend einiger erleuchteter
Männer im Alterthum giebt, durch die unedle undankbare
Art, womit man jezt Gottes Wort, Jesu Christi wich-
tigen Tod, und die leuchtenden Verdienste der Apostel
um das Menschengeschlecht herabsetzt, wenig Gutes, sel-
ten wahre, tiefgegründete, Kampf und Prüfung aushal-
tende Tugend gepflanzt worden ist. Die Religion des
Erlösers bessert erst unser Jnnres -- die Menschen se-
hen, und reden meist nur vom äusserlichen Verhalten.
Das Wort Gottes giebt uns Kraft zu dem, was es von
uns fodert -- die unberufenen Lehrer verlangen, daß
der Mensch, ehe er gebessert wird, alle Verrichtungen ei-
nes Gesunden thun soll. Der Geist Gottes schildert
unser Herz, wie es ist -- andre schmeicheln unsrer Ei-
genliebe, widersprechen aus Unwissenheit der Geschichte
der Menschheit, und schildern unser Herz so, daß ein be-
scheidener Mann, der auf sich selbst Acht giebt, und die
leisesten Regungen im Busen bemerkt, es ohne Scham-
röthe nicht lesen kann. Denn, man muß alle Erfahrun-
gen läugnen, wenn man behauptet, daß man ohne innre
Ausbesserung, ohne Furcht und Liebe des Höchsten den-
noch ein wahrhaftig guter Mensch und ein nützliches
Glied der Gesellschaft seyn könne. Wer wird dann den
schwärmenden Leidenschaften Zaum anlegen, wer wird

dann
F

Ueble Folgen der Gleichgültigkeit.
Thorheit war, (1 Cor. 1, 23.) iſt wiedergekommen. Aber
wahrlich! nur ein Blick in die Welt, in die großen
Städte, wo Weisheit, Geſchmack, Wiſſenſchaften und
Künſte blühen, nur eine Ueberſicht des Ganzen, ſo wird
man überzeugt werden, daß durch die Verfeinerung der
Religion, durch die vortheilhaften Gemälde, die man
jezt vom menſchlichen Herzen entwirft, durch die großen
Lobſprüche, die man jezt der Tugend einiger erleuchteter
Männer im Alterthum giebt, durch die unedle undankbare
Art, womit man jezt Gottes Wort, Jeſu Chriſti wich-
tigen Tod, und die leuchtenden Verdienſte der Apoſtel
um das Menſchengeſchlecht herabſetzt, wenig Gutes, ſel-
ten wahre, tiefgegründete, Kampf und Prüfung aushal-
tende Tugend gepflanzt worden iſt. Die Religion des
Erlöſers beſſert erſt unſer Jnnres — die Menſchen ſe-
hen, und reden meiſt nur vom äuſſerlichen Verhalten.
Das Wort Gottes giebt uns Kraft zu dem, was es von
uns fodert — die unberufenen Lehrer verlangen, daß
der Menſch, ehe er gebeſſert wird, alle Verrichtungen ei-
nes Geſunden thun ſoll. Der Geiſt Gottes ſchildert
unſer Herz, wie es iſt — andre ſchmeicheln unſrer Ei-
genliebe, widerſprechen aus Unwiſſenheit der Geſchichte
der Menſchheit, und ſchildern unſer Herz ſo, daß ein be-
ſcheidener Mann, der auf ſich ſelbſt Acht giebt, und die
leiſeſten Regungen im Buſen bemerkt, es ohne Scham-
röthe nicht leſen kann. Denn, man muß alle Erfahrun-
gen läugnen, wenn man behauptet, daß man ohne innre
Ausbeſſerung, ohne Furcht und Liebe des Höchſten den-
noch ein wahrhaftig guter Menſch und ein nützliches
Glied der Geſellſchaft ſeyn könne. Wer wird dann den
ſchwärmenden Leidenſchaften Zaum anlegen, wer wird

dann
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[81/0087] Ueble Folgen der Gleichgültigkeit. Thorheit war, (1 Cor. 1, 23.) iſt wiedergekommen. Aber wahrlich! nur ein Blick in die Welt, in die großen Städte, wo Weisheit, Geſchmack, Wiſſenſchaften und Künſte blühen, nur eine Ueberſicht des Ganzen, ſo wird man überzeugt werden, daß durch die Verfeinerung der Religion, durch die vortheilhaften Gemälde, die man jezt vom menſchlichen Herzen entwirft, durch die großen Lobſprüche, die man jezt der Tugend einiger erleuchteter Männer im Alterthum giebt, durch die unedle undankbare Art, womit man jezt Gottes Wort, Jeſu Chriſti wich- tigen Tod, und die leuchtenden Verdienſte der Apoſtel um das Menſchengeſchlecht herabſetzt, wenig Gutes, ſel- ten wahre, tiefgegründete, Kampf und Prüfung aushal- tende Tugend gepflanzt worden iſt. Die Religion des Erlöſers beſſert erſt unſer Jnnres — die Menſchen ſe- hen, und reden meiſt nur vom äuſſerlichen Verhalten. Das Wort Gottes giebt uns Kraft zu dem, was es von uns fodert — die unberufenen Lehrer verlangen, daß der Menſch, ehe er gebeſſert wird, alle Verrichtungen ei- nes Geſunden thun ſoll. Der Geiſt Gottes ſchildert unſer Herz, wie es iſt — andre ſchmeicheln unſrer Ei- genliebe, widerſprechen aus Unwiſſenheit der Geſchichte der Menſchheit, und ſchildern unſer Herz ſo, daß ein be- ſcheidener Mann, der auf ſich ſelbſt Acht giebt, und die leiſeſten Regungen im Buſen bemerkt, es ohne Scham- röthe nicht leſen kann. Denn, man muß alle Erfahrun- gen läugnen, wenn man behauptet, daß man ohne innre Ausbeſſerung, ohne Furcht und Liebe des Höchſten den- noch ein wahrhaftig guter Menſch und ein nützliches Glied der Geſellſchaft ſeyn könne. Wer wird dann den ſchwärmenden Leidenſchaften Zaum anlegen, wer wird dann F

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/87>, abgerufen am 24.11.2024.