Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Frömmigkeit des Erlösers. gierden der Kaltsinnigen und Unempfindlichen verstär-ken sich alle Tage; und was ist es Wunder, daß sie stär- ker einwurzeln? Dringt nicht der Feind mit leichter Mühe in eine Stadt, die keinen Beschützer, keine Bese- stigung hat? Wächst nicht das Unkraut schnell auf dem Acker, der nicht sorgfältig gebaut wird? Wir legen ja selber die Waffen gegen unsre Widersacher weg, wir sind ja nicht besorgt, den schwachen Funken von Gottesliebe und Gottesfurcht, der noch in der Seele ist, zu erhalten, wir pflegen den Geschmack an den reinen und unschuldi- gen Empfindungen der Natur nicht, wir rufen nicht täg- lich die großen Wohlthaten unsers Glaubens, die Erlö- sung durch den Tod Jesu Christi, und unsre Verpflich- tungen ins Gedächtniß zurück, wir ordnen das Gemüth nicht, wir sammlen uns nicht in heilige Stille, wenn der Tag abgelaufen ist, wir hüpfen mit unbegreiflicher Leich- tigkeit von einer rauschenden Freude zur andern, wir las- sen die Krankheiten einwurzeln, ehe wir den Arzt rufen, zuletzt wird uns alles, was nicht unmittelbare Beziehung auf unsern Leib, und auf gegenwärtiges Vergnügen hat, klein und verächtlich. Auf diese Leichtsinnigkeit folgt insgemein eine freche, verwilderte, unbändige, fast un- verbesserliche Seele. Man setzt das größte Zutrauen in sich selber zu einer Zeit, da man in Gefahr ist, zu den schrecklichsten Vergehungen hingerissen zu werden. Man will ohne Gnade, ohne Leitung, ohne Segen, ohne Geist Gottes, ohne die Einwirkung Jesu Christi fromm und tugendhaft werden. Das ist die Sprache, die man jezt überall hören kann. Die Welt verachtet das Evange- lium, die Zeit, da das Kreuz Jesu Christi den meisten ein Aergerniß, und den Weisen und Vornehmen eine Thorheit
Frömmigkeit des Erlöſers. gierden der Kaltſinnigen und Unempfindlichen verſtär-ken ſich alle Tage; und was iſt es Wunder, daß ſie ſtär- ker einwurzeln? Dringt nicht der Feind mit leichter Mühe in eine Stadt, die keinen Beſchützer, keine Beſe- ſtigung hat? Wächſt nicht das Unkraut ſchnell auf dem Acker, der nicht ſorgfältig gebaut wird? Wir legen ja ſelber die Waffen gegen unſre Widerſacher weg, wir ſind ja nicht beſorgt, den ſchwachen Funken von Gottesliebe und Gottesfurcht, der noch in der Seele iſt, zu erhalten, wir pflegen den Geſchmack an den reinen und unſchuldi- gen Empfindungen der Natur nicht, wir rufen nicht täg- lich die großen Wohlthaten unſers Glaubens, die Erlö- ſung durch den Tod Jeſu Chriſti, und unſre Verpflich- tungen ins Gedächtniß zurück, wir ordnen das Gemüth nicht, wir ſammlen uns nicht in heilige Stille, wenn der Tag abgelaufen iſt, wir hüpfen mit unbegreiflicher Leich- tigkeit von einer rauſchenden Freude zur andern, wir laſ- ſen die Krankheiten einwurzeln, ehe wir den Arzt rufen, zuletzt wird uns alles, was nicht unmittelbare Beziehung auf unſern Leib, und auf gegenwärtiges Vergnügen hat, klein und verächtlich. Auf dieſe Leichtſinnigkeit folgt insgemein eine freche, verwilderte, unbändige, faſt un- verbeſſerliche Seele. Man ſetzt das größte Zutrauen in ſich ſelber zu einer Zeit, da man in Gefahr iſt, zu den ſchrecklichſten Vergehungen hingeriſſen zu werden. Man will ohne Gnade, ohne Leitung, ohne Segen, ohne Geiſt Gottes, ohne die Einwirkung Jeſu Chriſti fromm und tugendhaft werden. Das iſt die Sprache, die man jezt überall hören kann. Die Welt verachtet das Evange- lium, die Zeit, da das Kreuz Jeſu Chriſti den meiſten ein Aergerniß, und den Weiſen und Vornehmen eine Thorheit
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Frömmigkeit des Erlöſers.
gierden der Kaltſinnigen und Unempfindlichen verſtär-
ken ſich alle Tage; und was iſt es Wunder, daß ſie ſtär-
ker einwurzeln? Dringt nicht der Feind mit leichter
Mühe in eine Stadt, die keinen Beſchützer, keine Beſe-
ſtigung hat? Wächſt nicht das Unkraut ſchnell auf dem
Acker, der nicht ſorgfältig gebaut wird? Wir legen ja
ſelber die Waffen gegen unſre Widerſacher weg, wir ſind
ja nicht beſorgt, den ſchwachen Funken von Gottesliebe
und Gottesfurcht, der noch in der Seele iſt, zu erhalten,
wir pflegen den Geſchmack an den reinen und unſchuldi-
gen Empfindungen der Natur nicht, wir rufen nicht täg-
lich die großen Wohlthaten unſers Glaubens, die Erlö-
ſung durch den Tod Jeſu Chriſti, und unſre Verpflich-
tungen ins Gedächtniß zurück, wir ordnen das Gemüth
nicht, wir ſammlen uns nicht in heilige Stille, wenn der
Tag abgelaufen iſt, wir hüpfen mit unbegreiflicher Leich-
tigkeit von einer rauſchenden Freude zur andern, wir laſ-
ſen die Krankheiten einwurzeln, ehe wir den Arzt rufen,
zuletzt wird uns alles, was nicht unmittelbare Beziehung
auf unſern Leib, und auf gegenwärtiges Vergnügen hat,
klein und verächtlich. Auf dieſe Leichtſinnigkeit folgt
insgemein eine freche, verwilderte, unbändige, faſt un-
verbeſſerliche Seele. Man ſetzt das größte Zutrauen in
ſich ſelber zu einer Zeit, da man in Gefahr iſt, zu den
ſchrecklichſten Vergehungen hingeriſſen zu werden. Man
will ohne Gnade, ohne Leitung, ohne Segen, ohne Geiſt
Gottes, ohne die Einwirkung Jeſu Chriſti fromm und
tugendhaft werden. Das iſt die Sprache, die man jezt
überall hören kann. Die Welt verachtet das Evange-
lium, die Zeit, da das Kreuz Jeſu Chriſti den meiſten
ein Aergerniß, und den Weiſen und Vornehmen eine
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