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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Frömmigkeit des Erlös. Unsre Gleichgült.
46 - 50. Lucä 8, 19 - 21.*) Jeder wahre Jünger
von mir gilt bey mir so viel, als meine Mutter, meine
Geschwisterkinder, oder andre Verwandte. Ach, möch-
ten wir doch diese große Erklärung Jesu Christi nie ver-
gessen! Wir, seine Schüler und Nachfolger, opfern oft
Ruhe, Gewissen, Seelengröße, Unschuld, Gnade Got-
tes, und das Selbstgefühl unsrer Rechtschaffenheit aus
blinder, feiger, sklavischer Gefälligkeit gegen einen
eben so fehlerhaften und hinfälligen Menschen auf, wenn
wir von ihm für uns, für die Unsrigen jetzt, oder nach
vielen Jahren, wieder Hülfe, Fürwort, oder Beystand er-
warten können! Wen Er lieben sollte, der mußte Reli-
gion haben, oder doch begierig darnach seyn; aber jezt
ist dies Wort für viele Menschen ein leerer Name, und
die Tugend ein Schall, ein schöner Regenbogen, der die
Augen vergnügt, aber die Hand nicht füllt! Gerade,
als wenn unsre Thorheiten die Aussprüche Gottes zu
Schanden machen würden! als weil wir deswegen der
Buße nicht bedürften, weil wir nichts davon hören wol-
len! als wenn die Menge der Ungläubigen, dem Richter
der Lebendigen und der Todten die Hand binden würde!

Jesus
*) Alle alte heldnische Religionen führten einen stufenweisen
Unterschied unter den Bekennern ein. Man hatte ge-
wisse Geheimnisse, die die Glieder der Religion erst er-
fuhren, wenn sie ein gewisses Alter erreicht hatten, oder
besondere Fähigkeiten zeigten, oder sich gewissen Vorschrif-
ten unterwarfen, und sich einweihen liessen. Der Stif-
ter der christlichen Religion brauchte diese Werkzeuge
des Betrugs nicht, und warf sie alle weg. Und was für
großen Schaden der Nepotismus in der Kirche angerich-
tet hat, und noch anrichtet, ist leider! bekannt.

Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült.
46 – 50. Lucä 8, 19 – 21.*) Jeder wahre Jünger
von mir gilt bey mir ſo viel, als meine Mutter, meine
Geſchwiſterkinder, oder andre Verwandte. Ach, möch-
ten wir doch dieſe große Erklärung Jeſu Chriſti nie ver-
geſſen! Wir, ſeine Schüler und Nachfolger, opfern oft
Ruhe, Gewiſſen, Seelengröße, Unſchuld, Gnade Got-
tes, und das Selbſtgefühl unſrer Rechtſchaffenheit aus
blinder, feiger, ſklaviſcher Gefälligkeit gegen einen
eben ſo fehlerhaften und hinfälligen Menſchen auf, wenn
wir von ihm für uns, für die Unſrigen jetzt, oder nach
vielen Jahren, wieder Hülfe, Fürwort, oder Beyſtand er-
warten können! Wen Er lieben ſollte, der mußte Reli-
gion haben, oder doch begierig darnach ſeyn; aber jezt
iſt dies Wort für viele Menſchen ein leerer Name, und
die Tugend ein Schall, ein ſchöner Regenbogen, der die
Augen vergnügt, aber die Hand nicht füllt! Gerade,
als wenn unſre Thorheiten die Ausſprüche Gottes zu
Schanden machen würden! als weil wir deswegen der
Buße nicht bedürften, weil wir nichts davon hören wol-
len! als wenn die Menge der Ungläubigen, dem Richter
der Lebendigen und der Todten die Hand binden würde!

Jeſus
*) Alle alte heldniſche Religionen führten einen ſtufenweiſen
Unterſchied unter den Bekennern ein. Man hatte ge-
wiſſe Geheimniſſe, die die Glieder der Religion erſt er-
fuhren, wenn ſie ein gewiſſes Alter erreicht hatten, oder
beſondere Fähigkeiten zeigten, oder ſich gewiſſen Vorſchrif-
ten unterwarfen, und ſich einweihen lieſſen. Der Stif-
ter der chriſtlichen Religion brauchte dieſe Werkzeuge
des Betrugs nicht, und warf ſie alle weg. Und was für
großen Schaden der Nepotismus in der Kirche angerich-
tet hat, und noch anrichtet, iſt leider! bekannt.
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[75/0081] Frömmigkeit des Erlöſ. Unſre Gleichgült. 46 – 50. Lucä 8, 19 – 21. *) Jeder wahre Jünger von mir gilt bey mir ſo viel, als meine Mutter, meine Geſchwiſterkinder, oder andre Verwandte. Ach, möch- ten wir doch dieſe große Erklärung Jeſu Chriſti nie ver- geſſen! Wir, ſeine Schüler und Nachfolger, opfern oft Ruhe, Gewiſſen, Seelengröße, Unſchuld, Gnade Got- tes, und das Selbſtgefühl unſrer Rechtſchaffenheit aus blinder, feiger, ſklaviſcher Gefälligkeit gegen einen eben ſo fehlerhaften und hinfälligen Menſchen auf, wenn wir von ihm für uns, für die Unſrigen jetzt, oder nach vielen Jahren, wieder Hülfe, Fürwort, oder Beyſtand er- warten können! Wen Er lieben ſollte, der mußte Reli- gion haben, oder doch begierig darnach ſeyn; aber jezt iſt dies Wort für viele Menſchen ein leerer Name, und die Tugend ein Schall, ein ſchöner Regenbogen, der die Augen vergnügt, aber die Hand nicht füllt! Gerade, als wenn unſre Thorheiten die Ausſprüche Gottes zu Schanden machen würden! als weil wir deswegen der Buße nicht bedürften, weil wir nichts davon hören wol- len! als wenn die Menge der Ungläubigen, dem Richter der Lebendigen und der Todten die Hand binden würde! Jeſus *) Alle alte heldniſche Religionen führten einen ſtufenweiſen Unterſchied unter den Bekennern ein. Man hatte ge- wiſſe Geheimniſſe, die die Glieder der Religion erſt er- fuhren, wenn ſie ein gewiſſes Alter erreicht hatten, oder beſondere Fähigkeiten zeigten, oder ſich gewiſſen Vorſchrif- ten unterwarfen, und ſich einweihen lieſſen. Der Stif- ter der chriſtlichen Religion brauchte dieſe Werkzeuge des Betrugs nicht, und warf ſie alle weg. Und was für großen Schaden der Nepotismus in der Kirche angerich- tet hat, und noch anrichtet, iſt leider! bekannt.

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/81>, abgerufen am 25.11.2024.