Nimm dies Herz an, und bilde es ganz nach deinen Absichten. Lenke meine liebste Gesinnungen und Em- pfindungen nach deinem Willen, laß mein Wallen auf Erden Nachahmung deines Sohnes und unser Ende se- liger Uebergang zu dir seyn.
Erweise unserm Zeitalter die Gnade, daß alle dürre und unnütze Kleinigkeiten aus dem Religionsbuche weg- geworfen, und alles auf den festen Grund deines göttli- chen Worts gebaut werden möge.
Gott! das tägliche Schauspiel von so vielen Elen- den, Armen, Trostlosen, Schmachtenden und Mishan- delten ist uns, die wir an dir sehen, was Liebe für andre ist, wie ein Brand in der Brust. Wie viele klägliche Seufzer steigen ungesehen und ungehört über die Erde empor! Und wie viele verhaltene Thränen stürzen dem Menschenfreund entgegen, so bald er sich da zeigt, wo der Tand und das Gewühl der Menschen aufhört! Wie viele verkaufte Menschen tragen jenseits der Meere die eiserne Kette der Sclaverey, der Mißhandlung, und der Barbarey! Wie viele Menschen fallen dem Geiz, der Gewinnsucht in die Hände, und dürfen es von dem Au- genblick an nicht mehr wissen, daß sie Mitmenschen, Mitunsterbliche sind! Wie viele Menschen, die des Son- nenstrahls nicht werth sind, der auf sie fällt, rasen im Staat Gottes, wie Raubthiere, und treten auf den Trümmern der Bedaurenswürdigen herum, die sie un- glücklich gemacht haben! Steigen nicht viele durch La- ster? Fallen nicht andre durch ihre Tugend? Wer nimmt sich so mancher Hülflosen an, die Wollust und Treulosig- keit des Nichtswürdigen gestürzt hat? Und wie schwer
wird
Unterredungen mit Gott.
Nimm dies Herz an, und bilde es ganz nach deinen Abſichten. Lenke meine liebſte Geſinnungen und Em- pfindungen nach deinem Willen, laß mein Wallen auf Erden Nachahmung deines Sohnes und unſer Ende ſe- liger Uebergang zu dir ſeyn.
Erweiſe unſerm Zeitalter die Gnade, daß alle dürre und unnütze Kleinigkeiten aus dem Religionsbuche weg- geworfen, und alles auf den feſten Grund deines göttli- chen Worts gebaut werden möge.
Gott! das tägliche Schauſpiel von ſo vielen Elen- den, Armen, Troſtloſen, Schmachtenden und Mishan- delten iſt uns, die wir an dir ſehen, was Liebe für andre iſt, wie ein Brand in der Bruſt. Wie viele klägliche Seufzer ſteigen ungeſehen und ungehört über die Erde empor! Und wie viele verhaltene Thränen ſtürzen dem Menſchenfreund entgegen, ſo bald er ſich da zeigt, wo der Tand und das Gewühl der Menſchen aufhört! Wie viele verkaufte Menſchen tragen jenſeits der Meere die eiſerne Kette der Sclaverey, der Mißhandlung, und der Barbarey! Wie viele Menſchen fallen dem Geiz, der Gewinnſucht in die Hände, und dürfen es von dem Au- genblick an nicht mehr wiſſen, daß ſie Mitmenſchen, Mitunſterbliche ſind! Wie viele Menſchen, die des Son- nenſtrahls nicht werth ſind, der auf ſie fällt, raſen im Staat Gottes, wie Raubthiere, und treten auf den Trümmern der Bedaurenswürdigen herum, die ſie un- glücklich gemacht haben! Steigen nicht viele durch La- ſter? Fallen nicht andre durch ihre Tugend? Wer nimmt ſich ſo mancher Hülfloſen an, die Wolluſt und Treuloſig- keit des Nichtswürdigen geſtürzt hat? Und wie ſchwer
wird
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Unterredungen mit Gott.
Nimm dies Herz an, und bilde es ganz nach deinen
Abſichten. Lenke meine liebſte Geſinnungen und Em-
pfindungen nach deinem Willen, laß mein Wallen auf
Erden Nachahmung deines Sohnes und unſer Ende ſe-
liger Uebergang zu dir ſeyn.
Erweiſe unſerm Zeitalter die Gnade, daß alle dürre
und unnütze Kleinigkeiten aus dem Religionsbuche weg-
geworfen, und alles auf den feſten Grund deines göttli-
chen Worts gebaut werden möge.
Gott! das tägliche Schauſpiel von ſo vielen Elen-
den, Armen, Troſtloſen, Schmachtenden und Mishan-
delten iſt uns, die wir an dir ſehen, was Liebe für andre
iſt, wie ein Brand in der Bruſt. Wie viele klägliche
Seufzer ſteigen ungeſehen und ungehört über die Erde
empor! Und wie viele verhaltene Thränen ſtürzen dem
Menſchenfreund entgegen, ſo bald er ſich da zeigt, wo
der Tand und das Gewühl der Menſchen aufhört! Wie
viele verkaufte Menſchen tragen jenſeits der Meere die
eiſerne Kette der Sclaverey, der Mißhandlung, und der
Barbarey! Wie viele Menſchen fallen dem Geiz, der
Gewinnſucht in die Hände, und dürfen es von dem Au-
genblick an nicht mehr wiſſen, daß ſie Mitmenſchen,
Mitunſterbliche ſind! Wie viele Menſchen, die des Son-
nenſtrahls nicht werth ſind, der auf ſie fällt, raſen im
Staat Gottes, wie Raubthiere, und treten auf den
Trümmern der Bedaurenswürdigen herum, die ſie un-
glücklich gemacht haben! Steigen nicht viele durch La-
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Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang:
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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/38>, abgerufen am 16.02.2025.
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