Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Unterredungen mit Gott.
trug Judas den Dolch in der Brust, aber Johannes lag
und ruhte an deinem Busen.

Mitten in der Unlust dieses Lebens laß mich die
Kräfte der zukünftigen Welt schmecken. Lehre mich oft
mit diesem gekränkten Herzen von dem vornehmen Nichts
weggehen, und dorthin schauen, wo du, Gott voll Barm-
herzigkeit und Gnade, bist! wo dein Himmel voll Liebe
und brüderlicher Eintracht uns erwartet!

Ach, selig ist der, der sich selbst mit seiner Religion
im Elend trösten, der den trüben Blick von der Erde auf
Gott wenden, und überall den süßen Gedanken denken
kann, daß doch Gottes Güte ewig währet!

O Gott! daß mir nur das Leben nicht lang, und
das Ende nicht schrecklich sey! Bringe mich bald dahin,
daß ich alles überwinden, dem großen Spiel der Welt
den Abschied geben, und im Grabe ruhen kann.

Schenke mir so viel Gnade, meinen Weg still fort-
zugehen, mich mit dem geheimen Glück der Tugendhaf-
ten zu begnügen, und das frohe Gefühl zu behalten, daß
alle Schmerzen der Menschheit endlich aufhören werden.

Dank sey dir, Vater meines Lebens! für unvermu-
thete Wohlthaten, für die Liebe von andern Menschen,
für heilsame Züchtigungen, für nöthige Demüthigungen,
für väterliche Prüfungen, für lehrreiche Trübsalen, für
jedes überstandene Leiden, für die ganze Summe deiner
Gutthaten, und deiner an mich gewendeten Bemühungen.

Versetze mich, wie der Gärtner den Baum vom
Saamenplatz an einen schönern Ort setzt, so bald ich zu
besseren Verrichtungen in deiner großen Haushaltung
tüchtig worden bin, in ein andres Feld, zu andern Men-

schen,

Unterredungen mit Gott.
trug Judas den Dolch in der Bruſt, aber Johannes lag
und ruhte an deinem Buſen.

Mitten in der Unluſt dieſes Lebens laß mich die
Kräfte der zukünftigen Welt ſchmecken. Lehre mich oft
mit dieſem gekränkten Herzen von dem vornehmen Nichts
weggehen, und dorthin ſchauen, wo du, Gott voll Barm-
herzigkeit und Gnade, biſt! wo dein Himmel voll Liebe
und brüderlicher Eintracht uns erwartet!

Ach, ſelig iſt der, der ſich ſelbſt mit ſeiner Religion
im Elend tröſten, der den trüben Blick von der Erde auf
Gott wenden, und überall den ſüßen Gedanken denken
kann, daß doch Gottes Güte ewig währet!

O Gott! daß mir nur das Leben nicht lang, und
das Ende nicht ſchrecklich ſey! Bringe mich bald dahin,
daß ich alles überwinden, dem großen Spiel der Welt
den Abſchied geben, und im Grabe ruhen kann.

Schenke mir ſo viel Gnade, meinen Weg ſtill fort-
zugehen, mich mit dem geheimen Glück der Tugendhaf-
ten zu begnügen, und das frohe Gefühl zu behalten, daß
alle Schmerzen der Menſchheit endlich aufhören werden.

Dank ſey dir, Vater meines Lebens! für unvermu-
thete Wohlthaten, für die Liebe von andern Menſchen,
für heilſame Züchtigungen, für nöthige Demüthigungen,
für väterliche Prüfungen, für lehrreiche Trübſalen, für
jedes überſtandene Leiden, für die ganze Summe deiner
Gutthaten, und deiner an mich gewendeten Bemühungen.

Verſetze mich, wie der Gärtner den Baum vom
Saamenplatz an einen ſchönern Ort ſetzt, ſo bald ich zu
beſſeren Verrichtungen in deiner großen Haushaltung
tüchtig worden bin, in ein andres Feld, zu andern Men-

ſchen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0033" n="27"/><fw place="top" type="header">Unterredungen mit Gott.</fw><lb/>
trug Judas den Dolch in der Bru&#x017F;t, aber Johannes lag<lb/>
und ruhte an deinem Bu&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Mitten in der Unlu&#x017F;t die&#x017F;es Lebens laß mich die<lb/>
Kräfte der zukünftigen Welt &#x017F;chmecken. Lehre mich oft<lb/>
mit die&#x017F;em gekränkten Herzen von dem vornehmen Nichts<lb/>
weggehen, und dorthin &#x017F;chauen, wo du, Gott voll Barm-<lb/>
herzigkeit und Gnade, bi&#x017F;t! wo dein Himmel voll Liebe<lb/>
und brüderlicher Eintracht uns erwartet!</p><lb/>
        <p>Ach, &#x017F;elig i&#x017F;t der, der &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t mit &#x017F;einer Religion<lb/>
im Elend trö&#x017F;ten, der den trüben Blick von der Erde auf<lb/>
Gott wenden, und überall den &#x017F;üßen Gedanken denken<lb/>
kann, daß doch Gottes Güte ewig währet!</p><lb/>
        <p>O Gott! daß mir nur das Leben nicht lang, und<lb/>
das Ende nicht &#x017F;chrecklich &#x017F;ey! Bringe mich bald dahin,<lb/>
daß ich alles überwinden, dem großen Spiel der Welt<lb/>
den Ab&#x017F;chied geben, und im Grabe ruhen kann.</p><lb/>
        <p>Schenke mir &#x017F;o viel Gnade, meinen Weg &#x017F;till fort-<lb/>
zugehen, mich mit dem geheimen Glück der Tugendhaf-<lb/>
ten zu begnügen, und das frohe Gefühl zu behalten, daß<lb/>
alle Schmerzen der Men&#x017F;chheit endlich aufhören werden.</p><lb/>
        <p>Dank &#x017F;ey dir, Vater meines Lebens! für unvermu-<lb/>
thete Wohlthaten, für die Liebe von andern Men&#x017F;chen,<lb/>
für heil&#x017F;ame Züchtigungen, für nöthige Demüthigungen,<lb/>
für väterliche Prüfungen, für lehrreiche Trüb&#x017F;alen, für<lb/>
jedes über&#x017F;tandene Leiden, für die ganze Summe deiner<lb/>
Gutthaten, und deiner an mich gewendeten Bemühungen.</p><lb/>
        <p>Ver&#x017F;etze mich, wie der Gärtner den Baum vom<lb/>
Saamenplatz an einen &#x017F;chönern Ort &#x017F;etzt, &#x017F;o bald ich zu<lb/>
be&#x017F;&#x017F;eren Verrichtungen in deiner großen Haushaltung<lb/>
tüchtig worden bin, in ein andres Feld, zu andern Men-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chen,</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0033] Unterredungen mit Gott. trug Judas den Dolch in der Bruſt, aber Johannes lag und ruhte an deinem Buſen. Mitten in der Unluſt dieſes Lebens laß mich die Kräfte der zukünftigen Welt ſchmecken. Lehre mich oft mit dieſem gekränkten Herzen von dem vornehmen Nichts weggehen, und dorthin ſchauen, wo du, Gott voll Barm- herzigkeit und Gnade, biſt! wo dein Himmel voll Liebe und brüderlicher Eintracht uns erwartet! Ach, ſelig iſt der, der ſich ſelbſt mit ſeiner Religion im Elend tröſten, der den trüben Blick von der Erde auf Gott wenden, und überall den ſüßen Gedanken denken kann, daß doch Gottes Güte ewig währet! O Gott! daß mir nur das Leben nicht lang, und das Ende nicht ſchrecklich ſey! Bringe mich bald dahin, daß ich alles überwinden, dem großen Spiel der Welt den Abſchied geben, und im Grabe ruhen kann. Schenke mir ſo viel Gnade, meinen Weg ſtill fort- zugehen, mich mit dem geheimen Glück der Tugendhaf- ten zu begnügen, und das frohe Gefühl zu behalten, daß alle Schmerzen der Menſchheit endlich aufhören werden. Dank ſey dir, Vater meines Lebens! für unvermu- thete Wohlthaten, für die Liebe von andern Menſchen, für heilſame Züchtigungen, für nöthige Demüthigungen, für väterliche Prüfungen, für lehrreiche Trübſalen, für jedes überſtandene Leiden, für die ganze Summe deiner Gutthaten, und deiner an mich gewendeten Bemühungen. Verſetze mich, wie der Gärtner den Baum vom Saamenplatz an einen ſchönern Ort ſetzt, ſo bald ich zu beſſeren Verrichtungen in deiner großen Haushaltung tüchtig worden bin, in ein andres Feld, zu andern Men- ſchen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/33
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/33>, abgerufen am 21.11.2024.