Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.Gesinnung Jesu Christi andern Schmerzen auflegt, die wir nur aus Beschreibun-gen, nicht aus eigenen Erfahrungen kennen, die vor- treffliche liebenswürdige Vorschrift unsrer Religion: Freuet euch mit den Frölichen, und weinet mit den Weinenden. (Röm. 12, 15.) Diese Theilneh- mung, dieses Mitleiden, diese Mitfreude an allem, was Gott thut, ist das ächte Kennzeichen eines Christen, ist die kindliche Gesinnung, die unsre Ehre, und unsre Zierde seyn muß. Bey dem Gefühl der mannichfalti- gen Bedürfnisse, bey den Stürmen und Anfällen des Herzens erinnert euch immer an das Gebet, das Jesus Christus vorschrieb: Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. Und wenn auch unser Ende nicht mehr fern ist, auch alsdann, ihr Christen! sey es noch unsre einzige Entschließung, uns beym Willen Gottes zu be- ruhigen, sey es unser fester Gedanke, daß Gott den be- sten Zeitpunct für uns, und für die Unsrigen, die Art des Todes, das Maas der widrigen Gefühle, die Stärke der Hoffnung auf das ewige Leben, und die süße Vor- empfindung der Liebe seines Sohnes so für uns wählen wird, daß wir bey der Ankunft in der Ewigkeit über diese große Erfahrung seiner unaussprechlichen Barmher- zigkeit staunen und verstummen werden. Jesu Christi am Ende sei- nes Lebens. Laßt uns jezt den Erlöser zu seinem wie
Geſinnung Jeſu Chriſti andern Schmerzen auflegt, die wir nur aus Beſchreibun-gen, nicht aus eigenen Erfahrungen kennen, die vor- treffliche liebenswürdige Vorſchrift unſrer Religion: Freuet euch mit den Frölichen, und weinet mit den Weinenden. (Röm. 12, 15.) Dieſe Theilneh- mung, dieſes Mitleiden, dieſe Mitfreude an allem, was Gott thut, iſt das ächte Kennzeichen eines Chriſten, iſt die kindliche Geſinnung, die unſre Ehre, und unſre Zierde ſeyn muß. Bey dem Gefühl der mannichfalti- gen Bedürfniſſe, bey den Stürmen und Anfällen des Herzens erinnert euch immer an das Gebet, das Jeſus Chriſtus vorſchrieb: Dein Wille geſchehe auf Erden, wie im Himmel. Und wenn auch unſer Ende nicht mehr fern iſt, auch alsdann, ihr Chriſten! ſey es noch unſre einzige Entſchließung, uns beym Willen Gottes zu be- ruhigen, ſey es unſer feſter Gedanke, daß Gott den be- ſten Zeitpunct für uns, und für die Unſrigen, die Art des Todes, das Maas der widrigen Gefühle, die Stärke der Hoffnung auf das ewige Leben, und die ſüße Vor- empfindung der Liebe ſeines Sohnes ſo für uns wählen wird, daß wir bey der Ankunft in der Ewigkeit über dieſe große Erfahrung ſeiner unausſprechlichen Barmher- zigkeit ſtaunen und verſtummen werden. Jeſu Chriſti am Ende ſei- nes Lebens. Laßt uns jezt den Erlöſer zu ſeinem wie
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Geſinnung Jeſu Chriſti
andern Schmerzen auflegt, die wir nur aus Beſchreibun-
gen, nicht aus eigenen Erfahrungen kennen, die vor-
treffliche liebenswürdige Vorſchrift unſrer Religion:
Freuet euch mit den Frölichen, und weinet mit
den Weinenden. (Röm. 12, 15.) Dieſe Theilneh-
mung, dieſes Mitleiden, dieſe Mitfreude an allem, was
Gott thut, iſt das ächte Kennzeichen eines Chriſten, iſt
die kindliche Geſinnung, die unſre Ehre, und unſre
Zierde ſeyn muß. Bey dem Gefühl der mannichfalti-
gen Bedürfniſſe, bey den Stürmen und Anfällen des
Herzens erinnert euch immer an das Gebet, das Jeſus
Chriſtus vorſchrieb: Dein Wille geſchehe auf Erden,
wie im Himmel. Und wenn auch unſer Ende nicht mehr
fern iſt, auch alsdann, ihr Chriſten! ſey es noch unſre
einzige Entſchließung, uns beym Willen Gottes zu be-
ruhigen, ſey es unſer feſter Gedanke, daß Gott den be-
ſten Zeitpunct für uns, und für die Unſrigen, die Art
des Todes, das Maas der widrigen Gefühle, die Stärke
der Hoffnung auf das ewige Leben, und die ſüße Vor-
empfindung der Liebe ſeines Sohnes ſo für uns wählen
wird, daß wir bey der Ankunft in der Ewigkeit über
dieſe große Erfahrung ſeiner unausſprechlichen Barmher-
zigkeit ſtaunen und verſtummen werden.
Laßt uns jezt den Erlöſer zu ſeinem
Ende begleiten, und die großen Auftritte
bey ſeinem Tod erneuren. Iſt es gewiß,
daß die letzten Stunden, die letzten Reden, die letzten Tu-
genden eines Menſchen allemal Aufmerkſamkeit verdie-
nen, wie wichtig muß uns dann die Erzählung vom letz-
ten Abſchnitt des Lebens unſers göttlichen Verſöhners,
wie
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