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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Unsre Beruhigung beym Willen Gottes.
erstes liebstes Geschäft eine stille Unterredung mit ihm
ist; wenn wir da Gottesfurcht, Freude an unserm Be-
ruf, Kraft zu jeder Tugend, Waffen gegen jede Rei-
zung, Segen und Fortgang zu jeder Arbeit, Liebe zu
Jesu Christo, und heitern getrosten Muth mit wenigen
Worten, aber mit dankbarer Empfindung seiner man-
nichfaltigen Güte, die uns bisweilen gewiß zu Thränen
zwingen wird, erbitten; wenn wir bey jedem Kummer,
bey jedem Schmerz, bey jedem Leiden unsre Zuflucht,
wie Kinder, zuerst zu ihm nehmen, und ihn anflehen,
daß er uns an der Hand fassen, stärken, leiten und erret-
ten wolle; wenn wir auch auf dem rauhsten Wege, wie
Jesus Christus, doch die Menschenliebe, die Wohlthä-
tigkeit, die Freundlichkeit nicht vergessen; wenn wir end-
lich alle Tage an den Himmel denken, uns dazu vorbe-
reiten, und uns den Gedanken an Gott so geläufig ma-
chen, daß wir jede Handlung, als wenn es die letzte im
Leben wäre, verrichten -- o so müßte dies Herz, das so
denkt und wünscht, nicht von Gott seyn, so müßte die
Religion Jesu Christi ein Gedicht seyn, so müßte dann
alles, was wir bisher von Gott gehört, gedacht, und er-
wartet haben, so müßte dann selbst der Wunsch, das un-
ersättliche Verlangen der Seele nach Seligkeit Täuschung
und Blendwerk seyn, wenn wir alsdann nicht glücklich
wären! Bin ich gehorsam, bin ich dankbar, bin ich de-
müthig, bin ich redlich und rechtschaffen, so ist Gottes
Segen, seine Gnade, seine Leitung, seine Regierung,
meine unausbleibliche Belohnung. Und wenn tausend
Menschen sich wider mich zusammenrotten wollten --
das Gute, das Gott mir schicken, womit er mich zu
immer stärkerer Liebe seines Sohnes ermuntern, womit

er
S 2

Unſre Beruhigung beym Willen Gottes.
erſtes liebſtes Geſchäft eine ſtille Unterredung mit ihm
iſt; wenn wir da Gottesfurcht, Freude an unſerm Be-
ruf, Kraft zu jeder Tugend, Waffen gegen jede Rei-
zung, Segen und Fortgang zu jeder Arbeit, Liebe zu
Jeſu Chriſto, und heitern getroſten Muth mit wenigen
Worten, aber mit dankbarer Empfindung ſeiner man-
nichfaltigen Güte, die uns bisweilen gewiß zu Thränen
zwingen wird, erbitten; wenn wir bey jedem Kummer,
bey jedem Schmerz, bey jedem Leiden unſre Zuflucht,
wie Kinder, zuerſt zu ihm nehmen, und ihn anflehen,
daß er uns an der Hand faſſen, ſtärken, leiten und erret-
ten wolle; wenn wir auch auf dem rauhſten Wege, wie
Jeſus Chriſtus, doch die Menſchenliebe, die Wohlthä-
tigkeit, die Freundlichkeit nicht vergeſſen; wenn wir end-
lich alle Tage an den Himmel denken, uns dazu vorbe-
reiten, und uns den Gedanken an Gott ſo geläufig ma-
chen, daß wir jede Handlung, als wenn es die letzte im
Leben wäre, verrichten — o ſo müßte dies Herz, das ſo
denkt und wünſcht, nicht von Gott ſeyn, ſo müßte die
Religion Jeſu Chriſti ein Gedicht ſeyn, ſo müßte dann
alles, was wir bisher von Gott gehört, gedacht, und er-
wartet haben, ſo müßte dann ſelbſt der Wunſch, das un-
erſättliche Verlangen der Seele nach Seligkeit Täuſchung
und Blendwerk ſeyn, wenn wir alsdann nicht glücklich
wären! Bin ich gehorſam, bin ich dankbar, bin ich de-
müthig, bin ich redlich und rechtſchaffen, ſo iſt Gottes
Segen, ſeine Gnade, ſeine Leitung, ſeine Regierung,
meine unausbleibliche Belohnung. Und wenn tauſend
Menſchen ſich wider mich zuſammenrotten wollten —
das Gute, das Gott mir ſchicken, womit er mich zu
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S 2
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[275/0281] Unſre Beruhigung beym Willen Gottes. erſtes liebſtes Geſchäft eine ſtille Unterredung mit ihm iſt; wenn wir da Gottesfurcht, Freude an unſerm Be- ruf, Kraft zu jeder Tugend, Waffen gegen jede Rei- zung, Segen und Fortgang zu jeder Arbeit, Liebe zu Jeſu Chriſto, und heitern getroſten Muth mit wenigen Worten, aber mit dankbarer Empfindung ſeiner man- nichfaltigen Güte, die uns bisweilen gewiß zu Thränen zwingen wird, erbitten; wenn wir bey jedem Kummer, bey jedem Schmerz, bey jedem Leiden unſre Zuflucht, wie Kinder, zuerſt zu ihm nehmen, und ihn anflehen, daß er uns an der Hand faſſen, ſtärken, leiten und erret- ten wolle; wenn wir auch auf dem rauhſten Wege, wie Jeſus Chriſtus, doch die Menſchenliebe, die Wohlthä- tigkeit, die Freundlichkeit nicht vergeſſen; wenn wir end- lich alle Tage an den Himmel denken, uns dazu vorbe- reiten, und uns den Gedanken an Gott ſo geläufig ma- chen, daß wir jede Handlung, als wenn es die letzte im Leben wäre, verrichten — o ſo müßte dies Herz, das ſo denkt und wünſcht, nicht von Gott ſeyn, ſo müßte die Religion Jeſu Chriſti ein Gedicht ſeyn, ſo müßte dann alles, was wir bisher von Gott gehört, gedacht, und er- wartet haben, ſo müßte dann ſelbſt der Wunſch, das un- erſättliche Verlangen der Seele nach Seligkeit Täuſchung und Blendwerk ſeyn, wenn wir alsdann nicht glücklich wären! Bin ich gehorſam, bin ich dankbar, bin ich de- müthig, bin ich redlich und rechtſchaffen, ſo iſt Gottes Segen, ſeine Gnade, ſeine Leitung, ſeine Regierung, meine unausbleibliche Belohnung. Und wenn tauſend Menſchen ſich wider mich zuſammenrotten wollten — das Gute, das Gott mir ſchicken, womit er mich zu immer ſtärkerer Liebe ſeines Sohnes ermuntern, womit er S 2

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/281>, abgerufen am 24.11.2024.