Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Arbeitsamkeit des Erlösers.
eines schlechten Fürsten willen verließ er seinen Schau-
platz nicht. Die Pharisäer in Galiläa lagen dem Hero-
des an, Jesum als einen falschen Propheten tödten zu
lassen. Wahrheit und Tugend hätte er nicht geschont,
aber das Gewissen murrte noch über den Tod Johannis,
und der ohnmächtige Fürst, der seine Größe in der Wol-
lust suchte, hätte den Aufruhr des Volks nicht stillen
können. Er rieth den schändlichen Lehrern also, sie soll-
ten selber unter dem Schein der Vertraulichkeit den Hei-
land bereden, daß er nach Judäa gehe, in Hoffnung, der
hohe Rath in Jerusalem würde ihn dort gewiß in Ket-
ten und Banden legen. (Lucä 13, 31-33.) Unser Erlö-
ser aber erschrack nicht vor der Lebensgefahr, er schwankte
nicht in der Ungewißheit zwischen zwo Feinden in der
Mitte, er ließ sich von den verstellten Freunden nicht
berücken, er sah im Augenblick das feine Gewebe der
Arglist und Bosheit, und erklärte ihnen herzhaft, daß
er sich um das alles nicht bekümmere, sie dächten vergeb-
lich auf listige Gruben, er werde deswegen in seinem
Plan nicht das Geringste ändern, ihr Fürst, den sie jezt,
weil sie ihn brauchen könnten, den dritten zu unterdrü-
cken, mit niederträchtigen Schmeicheleyen überhäuften,
sey wie das Thier, das nicht stark genug, sich durch
seine Kraft allemal Raub zu verschaffen, zu allerhand
Künsten und Ränken seine Zuflucht nehmen müsse, (und
man hatte ja an Johannis Tod gesehen, daß er nicht
das Herz hatte, etwas öffentlich zu thun, immer war
seine Hand im Dunkeln; wenn niemand, seiner Mey-
nung nach, wußte, was er that, und daß er dies und
jenes gethan hatte, so war er mächtig entschlossen, feu-
rig,) diesem kleinen verächtlichen Fürsten gehe er nicht

aus

Arbeitſamkeit des Erlöſers.
eines ſchlechten Fürſten willen verließ er ſeinen Schau-
platz nicht. Die Phariſäer in Galiläa lagen dem Hero-
des an, Jeſum als einen falſchen Propheten tödten zu
laſſen. Wahrheit und Tugend hätte er nicht geſchont,
aber das Gewiſſen murrte noch über den Tod Johannis,
und der ohnmächtige Fürſt, der ſeine Größe in der Wol-
luſt ſuchte, hätte den Aufruhr des Volks nicht ſtillen
können. Er rieth den ſchändlichen Lehrern alſo, ſie ſoll-
ten ſelber unter dem Schein der Vertraulichkeit den Hei-
land bereden, daß er nach Judäa gehe, in Hoffnung, der
hohe Rath in Jeruſalem würde ihn dort gewiß in Ket-
ten und Banden legen. (Lucä 13, 31-33.) Unſer Erlö-
ſer aber erſchrack nicht vor der Lebensgefahr, er ſchwankte
nicht in der Ungewißheit zwiſchen zwo Feinden in der
Mitte, er ließ ſich von den verſtellten Freunden nicht
berücken, er ſah im Augenblick das feine Gewebe der
Argliſt und Bosheit, und erklärte ihnen herzhaft, daß
er ſich um das alles nicht bekümmere, ſie dächten vergeb-
lich auf liſtige Gruben, er werde deswegen in ſeinem
Plan nicht das Geringſte ändern, ihr Fürſt, den ſie jezt,
weil ſie ihn brauchen könnten, den dritten zu unterdrü-
cken, mit niederträchtigen Schmeicheleyen überhäuften,
ſey wie das Thier, das nicht ſtark genug, ſich durch
ſeine Kraft allemal Raub zu verſchaffen, zu allerhand
Künſten und Ränken ſeine Zuflucht nehmen müſſe, (und
man hatte ja an Johannis Tod geſehen, daß er nicht
das Herz hatte, etwas öffentlich zu thun, immer war
ſeine Hand im Dunkeln; wenn niemand, ſeiner Mey-
nung nach, wußte, was er that, und daß er dies und
jenes gethan hatte, ſo war er mächtig entſchloſſen, feu-
rig,) dieſem kleinen verächtlichen Fürſten gehe er nicht

aus
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0248" n="242"/><fw place="top" type="header">Arbeit&#x017F;amkeit des Erlö&#x017F;ers.</fw><lb/>
eines &#x017F;chlechten Für&#x017F;ten willen verließ er &#x017F;einen Schau-<lb/>
platz nicht. Die Phari&#x017F;äer in Galiläa lagen dem Hero-<lb/>
des an, Je&#x017F;um als einen fal&#x017F;chen Propheten tödten zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Wahrheit und Tugend hätte er nicht ge&#x017F;chont,<lb/>
aber das Gewi&#x017F;&#x017F;en murrte noch über den Tod Johannis,<lb/>
und der ohnmächtige Für&#x017F;t, der &#x017F;eine Größe in der Wol-<lb/>
lu&#x017F;t &#x017F;uchte, hätte den Aufruhr des Volks nicht &#x017F;tillen<lb/>
können. Er rieth den &#x017F;chändlichen Lehrern al&#x017F;o, &#x017F;ie &#x017F;oll-<lb/>
ten &#x017F;elber unter dem Schein der Vertraulichkeit den Hei-<lb/>
land bereden, daß er nach Judäa gehe, in Hoffnung, der<lb/>
hohe Rath in Jeru&#x017F;alem würde ihn dort gewiß in Ket-<lb/>
ten und Banden legen. (Lucä 13, 31-33.) Un&#x017F;er Erlö-<lb/>
&#x017F;er aber er&#x017F;chrack nicht vor der Lebensgefahr, er &#x017F;chwankte<lb/>
nicht in der Ungewißheit zwi&#x017F;chen zwo Feinden in der<lb/>
Mitte, er ließ &#x017F;ich von den ver&#x017F;tellten Freunden nicht<lb/>
berücken, er &#x017F;ah im Augenblick das feine Gewebe der<lb/>
Argli&#x017F;t und Bosheit, und erklärte ihnen herzhaft, daß<lb/>
er &#x017F;ich um das alles nicht bekümmere, &#x017F;ie dächten vergeb-<lb/>
lich auf li&#x017F;tige Gruben, er werde deswegen in &#x017F;einem<lb/>
Plan nicht das Gering&#x017F;te ändern, ihr Für&#x017F;t, den &#x017F;ie jezt,<lb/>
weil &#x017F;ie ihn brauchen könnten, den dritten zu unterdrü-<lb/>
cken, mit niederträchtigen Schmeicheleyen überhäuften,<lb/>
&#x017F;ey wie das Thier, das nicht &#x017F;tark genug, &#x017F;ich durch<lb/>
&#x017F;eine Kraft allemal Raub zu ver&#x017F;chaffen, zu allerhand<lb/>
Kün&#x017F;ten und Ränken &#x017F;eine Zuflucht nehmen mü&#x017F;&#x017F;e, (und<lb/>
man hatte ja an <hi rendition="#fr">Johannis Tod</hi> ge&#x017F;ehen, daß er nicht<lb/>
das Herz hatte, etwas öffentlich zu thun, immer war<lb/>
&#x017F;eine Hand im Dunkeln; wenn niemand, &#x017F;einer Mey-<lb/>
nung nach, wußte, was er that, und daß er dies und<lb/>
jenes gethan hatte, &#x017F;o war er mächtig ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, feu-<lb/>
rig,) die&#x017F;em kleinen verächtlichen Für&#x017F;ten gehe er nicht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aus</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242/0248] Arbeitſamkeit des Erlöſers. eines ſchlechten Fürſten willen verließ er ſeinen Schau- platz nicht. Die Phariſäer in Galiläa lagen dem Hero- des an, Jeſum als einen falſchen Propheten tödten zu laſſen. Wahrheit und Tugend hätte er nicht geſchont, aber das Gewiſſen murrte noch über den Tod Johannis, und der ohnmächtige Fürſt, der ſeine Größe in der Wol- luſt ſuchte, hätte den Aufruhr des Volks nicht ſtillen können. Er rieth den ſchändlichen Lehrern alſo, ſie ſoll- ten ſelber unter dem Schein der Vertraulichkeit den Hei- land bereden, daß er nach Judäa gehe, in Hoffnung, der hohe Rath in Jeruſalem würde ihn dort gewiß in Ket- ten und Banden legen. (Lucä 13, 31-33.) Unſer Erlö- ſer aber erſchrack nicht vor der Lebensgefahr, er ſchwankte nicht in der Ungewißheit zwiſchen zwo Feinden in der Mitte, er ließ ſich von den verſtellten Freunden nicht berücken, er ſah im Augenblick das feine Gewebe der Argliſt und Bosheit, und erklärte ihnen herzhaft, daß er ſich um das alles nicht bekümmere, ſie dächten vergeb- lich auf liſtige Gruben, er werde deswegen in ſeinem Plan nicht das Geringſte ändern, ihr Fürſt, den ſie jezt, weil ſie ihn brauchen könnten, den dritten zu unterdrü- cken, mit niederträchtigen Schmeicheleyen überhäuften, ſey wie das Thier, das nicht ſtark genug, ſich durch ſeine Kraft allemal Raub zu verſchaffen, zu allerhand Künſten und Ränken ſeine Zuflucht nehmen müſſe, (und man hatte ja an Johannis Tod geſehen, daß er nicht das Herz hatte, etwas öffentlich zu thun, immer war ſeine Hand im Dunkeln; wenn niemand, ſeiner Mey- nung nach, wußte, was er that, und daß er dies und jenes gethan hatte, ſo war er mächtig entſchloſſen, feu- rig,) dieſem kleinen verächtlichen Fürſten gehe er nicht aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/248
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/248>, abgerufen am 22.11.2024.