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Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785.

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Menschenliebe des Erlösers.
schätzbarer? Wissen wir nicht oft besser, als andre, die
ohne Besonnenheit, ohne Nachdenken und Aufmerksam-
keit leben, wie viel in der Verheißung liegt: Wenn ich
erhöht werde von der Erde, so will ich sie alle zu
mir ziehen?
(Joh. 12, 32.) Würden wir wohl leben
mögen, ohne zu wissen, daß Jesus Christus gebetet hat:
Vater! ich will, daß, wo ich bin, auch die seyen,
die du mir gegeben hast?
(Joh. 17, 24-26.) Be-
kommen wir nicht täglich neue Beweise von der Treue
Gottes, von der Krast des Einflusses Jesu Christi, von
seiner herrlichen Vorsehung, und von den Führungen
seines guten Geistes? Und wie, wenn uns unser Siech-
bette, wenn die Wunden und Beulen des verwesenden
Körpers, wenn die marklosen Glieder uns ein sichtbares
Pfand sind, daß uns Gott bald von dieser unruhvollen
Welt abrufen wird, ist das ein Unglück für uns? Im
Himmel sollen wir alle werden, wie Er war! Leidet also,
weinet, streitet, arbeitet, duldet, als Christen, alles,
was euch Gott auflegt, das sind die Seile der Liebe,
(Hoseä 11, 4.) wodurch er uns zu sich ziehen, und zu
seinem Umgang vorbereiten will. Ach was wird das
für eine Seligkeit seyn, wenn wir alle denken, handeln
und empfinden, wie Gottes Sohn, wenn da der Vater
unter seinen Kindern, wenn der, der sich nicht schämt,
unser Bruder zu heißen, unter uns allen seyn wird!
Möchten wir dann alle keinen andern Wunsch haben,
als den, daß wir alle lebendige Ehrensäulen für die christ-
liche Religion werden mögen! Streben wir doch alle
nach der Seligkeit, fromm und demüthig vor Gott, und
gegen andre Menschen so liebreich, und für sie so geschäf-
tig zu seyn, als Jesus Christus war! Ach du Gott im

Himmel

Menſchenliebe des Erlöſers.
ſchätzbarer? Wiſſen wir nicht oft beſſer, als andre, die
ohne Beſonnenheit, ohne Nachdenken und Aufmerkſam-
keit leben, wie viel in der Verheißung liegt: Wenn ich
erhöht werde von der Erde, ſo will ich ſie alle zu
mir ziehen?
(Joh. 12, 32.) Würden wir wohl leben
mögen, ohne zu wiſſen, daß Jeſus Chriſtus gebetet hat:
Vater! ich will, daß, wo ich bin, auch die ſeyen,
die du mir gegeben haſt?
(Joh. 17, 24-26.) Be-
kommen wir nicht täglich neue Beweiſe von der Treue
Gottes, von der Kraſt des Einfluſſes Jeſu Chriſti, von
ſeiner herrlichen Vorſehung, und von den Führungen
ſeines guten Geiſtes? Und wie, wenn uns unſer Siech-
bette, wenn die Wunden und Beulen des verweſenden
Körpers, wenn die markloſen Glieder uns ein ſichtbares
Pfand ſind, daß uns Gott bald von dieſer unruhvollen
Welt abrufen wird, iſt das ein Unglück für uns? Im
Himmel ſollen wir alle werden, wie Er war! Leidet alſo,
weinet, ſtreitet, arbeitet, duldet, als Chriſten, alles,
was euch Gott auflegt, das ſind die Seile der Liebe,
(Hoſeä 11, 4.) wodurch er uns zu ſich ziehen, und zu
ſeinem Umgang vorbereiten will. Ach was wird das
für eine Seligkeit ſeyn, wenn wir alle denken, handeln
und empfinden, wie Gottes Sohn, wenn da der Vater
unter ſeinen Kindern, wenn der, der ſich nicht ſchämt,
unſer Bruder zu heißen, unter uns allen ſeyn wird!
Möchten wir dann alle keinen andern Wunſch haben,
als den, daß wir alle lebendige Ehrenſäulen für die chriſt-
liche Religion werden mögen! Streben wir doch alle
nach der Seligkeit, fromm und demüthig vor Gott, und
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Himmel
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[226/0232] Menſchenliebe des Erlöſers. ſchätzbarer? Wiſſen wir nicht oft beſſer, als andre, die ohne Beſonnenheit, ohne Nachdenken und Aufmerkſam- keit leben, wie viel in der Verheißung liegt: Wenn ich erhöht werde von der Erde, ſo will ich ſie alle zu mir ziehen? (Joh. 12, 32.) Würden wir wohl leben mögen, ohne zu wiſſen, daß Jeſus Chriſtus gebetet hat: Vater! ich will, daß, wo ich bin, auch die ſeyen, die du mir gegeben haſt? (Joh. 17, 24-26.) Be- kommen wir nicht täglich neue Beweiſe von der Treue Gottes, von der Kraſt des Einfluſſes Jeſu Chriſti, von ſeiner herrlichen Vorſehung, und von den Führungen ſeines guten Geiſtes? Und wie, wenn uns unſer Siech- bette, wenn die Wunden und Beulen des verweſenden Körpers, wenn die markloſen Glieder uns ein ſichtbares Pfand ſind, daß uns Gott bald von dieſer unruhvollen Welt abrufen wird, iſt das ein Unglück für uns? Im Himmel ſollen wir alle werden, wie Er war! Leidet alſo, weinet, ſtreitet, arbeitet, duldet, als Chriſten, alles, was euch Gott auflegt, das ſind die Seile der Liebe, (Hoſeä 11, 4.) wodurch er uns zu ſich ziehen, und zu ſeinem Umgang vorbereiten will. Ach was wird das für eine Seligkeit ſeyn, wenn wir alle denken, handeln und empfinden, wie Gottes Sohn, wenn da der Vater unter ſeinen Kindern, wenn der, der ſich nicht ſchämt, unſer Bruder zu heißen, unter uns allen ſeyn wird! Möchten wir dann alle keinen andern Wunſch haben, als den, daß wir alle lebendige Ehrenſäulen für die chriſt- liche Religion werden mögen! Streben wir doch alle nach der Seligkeit, fromm und demüthig vor Gott, und gegen andre Menſchen ſo liebreich, und für ſie ſo geſchäf- tig zu ſeyn, als Jeſus Chriſtus war! Ach du Gott im Himmel

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Erbauungsbuch zur Beförderung wahrer Gottseligkeit. 3. Aufl. Leipzig, 1785, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_erbauungsbuch_1785/232>, abgerufen am 24.11.2024.